Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. November 2007
Aktenzeichen: 6 W (pat) 318/04

(BPatG: Beschluss v. 22.11.2007, Az.: 6 W (pat) 318/04)

Tenor

Das Patent wird in vollem Umfang aufrecht erhalten.

Gründe

I.

Gegen das am 12. Februar 2004 veröffentlichte Patent DE 101 14 379 B4 mit der Bezeichnung "Doppelbandpresse" ist am 12. Mai 2004 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei nicht neu und beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

In der Einspruchsbegründung verweist die Einsprechende auf folgende, bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigte Druckschriften:

DE 43 44 400 A1 US 35 70 060.

Die Einsprechende beantragt schriftlich, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent in vollem Umfang aufrecht zu erhalten.

Sie ist der Auffassung, dass der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 sowohl neu als auch erfinderisch sei.

Der erteilte Anspruch 1 lautet:

"Doppelbandpresse zur kontinuierlichen Herstellung von Holzspanplatten und ähnlichen aus gegebenenfalls durch ein unter Druck und gegebenenfalls Wärme aushärtendes Bindemittel zusammengehaltenen Partikeln bestehenden bahnförmigen Plattenwerkstoffen, mit zwei metallischen, endlos in einer vertikalen Ebene umlaufenden Pressbändern (15, 16) von denen das obere Trum des unteren Pressbandes (16) und das untere Trum des oberen Pressbandes (15) in einer Pressstrecke (10) übereinanderliegend gleichlaufend vorlaufen, sich im Wesentlichen flächig an biegesteifen Pressplatten (11, 13) einer äußeren Stützkonstruktion (50) abstützen und die zu einer Matte aufgestreuten Partikel in der Pressstrecke (10) unter der Einwirkung von Druck und gegebenenfalls Wärme zusammenpressen, dadurch gekennzeichnet, dass eine an der Stützkonstruktion (50) angreifende, jedoch keinen Teil derselben bildende Einrichtung vorgesehen ist, mittels derer an mindestens einem quer zur Laufrichtung der Pressbänder (15, 16) in der Pressstrecke (10) gelegenen Rand mindestens einer der Pressplatten (11, 13) in diese ein wählbares Biegemoment einleitbar ist, mittels dessen die beim Pressen unter dem Druck der Matte auftretende Durchbiegung der Pressplatten (11, 13) beeinflussbar ist."

Wegen der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 17 sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sind zusätzlich folgende Druckschriften berücksichtigt worden:

DE-PS 25 11 873 DE-PS 22 42 399 DE-AS 10 26 609 DE-OS 22 22 419 DE-GM 73 05 732.

II.

1. Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den vorliegenden Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung zuständig geworden, weil der Einspruch im in dieser Vorschrift genannten Zeitraum beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen ist. Gegen die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für das Einspruchsverfahren nach dieser Vorschrift bestehen weder unter dem Aspekt der Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) noch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungsrechtliche Bedenken (vgl. BGH X ZB 9/06 v. 17. April 2007 - Informationsübermittlungsverfahren I).

Das Bundespatentgericht ist auch nach der ab 1. Juli 2006 in Kraft getretenen Fassung des § 147 Abs. 3 PatG gemäß dem Grundsatz der perpetuatio fori, der u. a. in § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO seine gesetzliche Ausprägung gefunden hat, zuständig geblieben (vgl. hierzu auch 23 W (pat) 327/04; 23 W (pat) 313/03; 19 W (pat) 344/04; BGH X ZB 6/05 v. 27. Juni 2007 Seite 6 - Informationsübermittlungsverfahren II).

2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und auch im Übrigen zulässig.

Der Vorhalt der Patentinhaberin, die Einsprechende habe sich nicht im Einzelnen mit allen Merkmalen der Erfindung auseinandergesetzt, vermag nicht zu greifen. Denn eine Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Kern der patentierten Lehre ist in der Regel ausreichend, und es ist unschädlich, wenn die Begründung nicht alle Merkmale des Anspruchs im Einzelnen behandelt (vgl. Schulte, PatG, 7. Aufl., § 59, Rdn 83). Insbesondere, wenn sich - wie hier - die Einsprechende unter Hinweis auf die DE 43 44 400 A1, welche erklärtermaßen den Oberbegriff des erteilten Anspruchs 1 bildet (vgl. Abs. [0004] der Streitpatentschrift), darauf beschränkt auszuführen, dass dort auch die Merkmale des kennzeichnenden Teils des erteilten Anspruchs 1 entnehmbar seien, ist dies ausreichend. Denn aufgrund der Ausführungen der Einsprechenden ist dem Fachmann klar, dass die Einsprechende der Auffassung ist, dass die DE 43 44 400 A1 neben den Merkmalen des Oberbegriffs auch die Merkmale des kennzeichnenden Teils aufweise. Somit sind die für den behaupteten Widerrufsgrund (mangelnde Neuheit bzw. fehlende erfinderische Tätigkeit) maßgeblichen Umstände im Einzelnen so dargelegt, dass daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen des Widerrufsgrundes ohne eigene Ermittlungen gezogen werden können (vgl. Schulte, PatG, 7. Aufl., § 59, Rdn. 79).

3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.

a. Die erteilten Ansprüche sind zulässig, da sie den ursprünglichen Ansprüchen entsprechen.

Die Zulässigkeit der Ansprüche ist im Übrigen seitens der Einsprechenden nicht bestritten worden.

b. Die zweifelsfrei gewerblich anwendbare Doppelbandpresse nach dem erteilten Anspruch 1 ist neu.

Die DE 43 44 400 A1 erläutert eine gattungsgleiche Doppelbandpresse, bei der gemäß den Fig. 2 und 3 an den seitlichen Rändern der unteren Pressplatte 14 mit Rückstellzylindern 34 verbundene Zugstangen 48 angreifen. Diese Zugstangen 48 dienen dazu, bei drucklos gestellten Druckzylindern 36, 36' die untere Pressplatte zur Einstellung des Pressspaltes nach unten zu ziehen (vgl. Sp. 6, Z. 24 bis 28). Sie haben jedoch beim Pressvorgang selbst keine Funktion und dienen insbes. nicht dazu, ein Biegemoment in die Pressplatte einzuleiten. Dies wäre wegen der direkt neben den äußeren Druckzylindern 36 angeordneten Zugstangen 48 aufgrund des fehlenden Hebelarms auch gar nicht möglich. Somit ist in der DE 43 44 400 A1 keine an der Stützkonstruktion angreifende, jedoch keinen Teil derselben bildende Einrichtung vorgesehen, mittels derer an mindestens einem quer zur Laufrichtung der Pressbänder gelegenen Rand mindestens einer der Pressplatten in diese ein wählbares Biegemoment einleitbar ist.

Die US 35 70 960 offenbart eine diskontinuierlich arbeitende Presse, bei der gemäß Fig. 4 äußere und innere Druckzylinder vorgesehen sind. Die inneren Druckzylinder 33 drücken die untere Pressplatte 32 nach oben, während die äußeren Druckzylinder 36, 37 die Pressplatte 32 nach unten ziehen (vgl. insbes. die Pfeile 41 und 43). Bei dieser Ausgestaltung sind die äußeren Druckzylinder jedoch Teil der Stützkonstruktion. Diese Druckschrift offenbart somit nichts anderes, als dass zur möglichst ebenen Ausrichtung der unteren Pressplatte die an ihr angreifenden Druckzylinder unterschiedlich beaufschlagt werden. Somit ist auch dort keine an der Stützkonstruktion angreifende, jedoch keinen Teil derselben bildende Einrichtung vorgesehen, mittels derer an mindestens einem quer zur Laufrichtung der Pressbänder gelegenen Rand mindestens einer der Pressplatten in diese ein wählbares Biegemoment einleitbar ist, mittels dessen die beim Pressen unter dem Druck der Matte auftretende Durchbiegung der Pressplatten beeinflussbar ist.

Die DE-PS 25 11 873 und DE-PS 22 42 399 offenbaren Pressen, bei denen an der unteren Pressplatte ein Druckstück 21 angeordnet ist, welches als Geber für ein Steuerventil 20 arbeitet (vgl. Sp. 5, Z. 9 bis 20 bzw. Sp. 4, Z. 5 bis 17). Mit Hilfe dieses Steuerventils 20 bzw. dem zugehörigen Druckstück 21 ist jedoch keine Einleitung eines Biegemomentes in die Pressplatte möglich. Die DE-AS 10 26 609, die DE-OS 22 22 419 und die DE-GM 73 05 732 offenbaren Pressen, welche ebenfalls keine an der Stützkonstruktion angreifende, jedoch keinen Teil derselben bildende Einrichtung aufweisen, mittels der an mindestens einem quer zur Laufrichtung der Pressbänder gelegenen Rand mindestens einer der Pressplatten in diese ein wählbares Biegemoment eingeleitet werden kann.

c. Die Doppelbandpresse nach dem erteilten Anspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Wie bereits beim Neuheitsvergleich ausgeführt, offenbart der entgegengehaltene Stand der Technik keine Presse, bei der eine an der Stützkonstruktion angreifende, jedoch keinen Teil derselben bildende Einrichtung vorgesehen ist, mittels derer an mindestens einem quer zur Laufrichtung der Pressbänder gelegenen Rand mindestens einer der Pressplatten in diese ein wählbares Biegemoment einleitbar ist, mittels dessen die beim Pressen unter dem Druck der Matte auftretende Durchbiegung der Pressplatten beeinflussbar ist.

Selbst wenn es theoretisch möglich erscheint, mit der Ausgestaltung nach der DE 43 44 400 A1 bei druckbeaufschlagten Druckzylindern 36, 36' während des Pressvorganges über die Zugstangen 48 an den Rändern der unteren Pressplatte 14 zu ziehen und dadurch ein Biegemoment in diese einzuleiten, hatte der Fachmann, ein mit der Konstruktion von Pressen befasster Maschinenbauingenieur mit langjähriger Berufserfahrung, keine Veranlassung, der DE 43 44 400 A1 eine dementsprechende Lehre zu entnehmen. Denn die DE 43 44 400 A1 befasst sich zwar ausführlich mit der auch dem Streitpatent zugrundeliegenden Problematik, eine gezielte Verformung der Pressplatten zu möglichen, sie gibt als Lösung für dieses Problem jedoch an, die Druckzylinder mit unterschiedlich starken Drücken zu beaufschlagen, um dadurch eine gezielte Verformung der Pressplatte zu erreichen (vgl. Sp. 9, Z. 10 bis 18). Sie gibt jedoch keinen Hinweis dahingehend, dass auch über die Zugstangen 40 eine Beeinflussung der Pressplatte und damit deren gezielte Verformung möglich ist.

Somit bestand für den Fachmann auch keine Veranlassung, den Zugstangen eine andere als die oben erwähnte Funktion, nämlich Zurückziehen der unteren Pressplatte zur Einstellung des Pressspaltes, zuzuweisen.

Aufgrund fehlender Hinweise vermag somit der Stand der Technik weder einzeln noch in einer Zusammenschau eine Anregung zu geben, eine an der Stützkonstruktion angreifende, jedoch keinen Teil derselben bildende Einrichtung vorzusehen, mittels der an mindestens einem quer zur Laufrichtung der Pressbänder gelegenen Rand mindestens einer der Pressplatten in diese ein wählbares Biegemoment einleitbar ist, mittels dessen die beim Pressen unter dem Druck der Matte auftretende Durchbiegung der Pressplatten beeinflussbar ist.

Der erteilte Anspruch 1 ist somit bestandsfähig.

d. Zusammen mit dem Anspruch 1 sind auch die auf ihn unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 17 bestandsfähig, da sie nicht platt selbstverständliche Ausgestaltungen der Doppelbandpresse nach Anspruch 1 betreffen.

Lischke Fink Schneider Ganzenmüller Cl






BPatG:
Beschluss v. 22.11.2007
Az: 6 W (pat) 318/04


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