Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Juli 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 391/03

(BPatG: Beschluss v. 19.07.2005, Az.: 27 W (pat) 391/03)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 18 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 22. Oktober 2003 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Markenstelle für Klasse 18 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluss einer Bediensteten des gehobenen Dienstes die als Wortmarke u.a. für

"Lederfasermaterial und Waren aus diesen Materialien, soweit in Kl. 18 enthalten"

angemeldete Bezeichnung Ultra Splitnach §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG wegen eines bestehenden Freihaltungsbedürfnisses zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die angemeldete Marke erschöpfe sich in einer unmittelbaren Angabe zur materiellen Beschaffenheit der so bezeichneten Waren. "Split" sei der englische Fachausdruck für Spaltleder, "Ultra" werde als Präfix gebraucht, um eine Steigerung über den grammatikalisch gegebenen Superlativ hinaus auszudrücken. Mithin sei "Ultra Split" geeignet, auf Spaltleder hinzuweisen, das besonders leistungsstark sei. Bei dieser Sachlage könne die Frage der Unterscheidungskraft dahingestellt bleiben.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehrt. Sie hält die Anmeldemarke für hinreichend unterscheidungskräftig und nicht freihaltungsbedürftig. Der Marke "Ultra Split" als Gesamtbezeichnung könne zwar bei entsprechender Interpretation ein Hinweis auf "split leather" entnommen werden, doch ergebe sich in Verbindung mit "ultra" daraus kein bestimmbarer Sinngehalt.

In der mündlichen Verhandlung, in der die Besonderheiten von Lederfasermaterial im Gegensatz zu Leder einschließlich Spaltleder ausführlich erörtert wurden, hat die Anmelderin das Warenverzeichnis beschränkt auf "Lederfasermaterial".

II.

Die nach den §§ 64, 66, 165 Abs. 4 und 5 MarkenG in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung zulässige Beschwerde ist begründet. Der Senat sieht keine hinreichenden Gründe für die Annahme, dass die Anmeldemarke freihaltungsbedürftig i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sei oder ihr die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft fehle.

1. Ein Freihaltungsbedürfnis an der angemeldeten Bezeichnung i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist nicht gegeben.

a) Nach dieser Vorschrift sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die zumindest in einer ihrer möglichen Bedeutungen (vgl. EuGH, MarkenR 2004, 450, 453 [Rz. 32] - DOUBLEMINT) ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen dienen können, sofern es sich hierbei um für den Warenverkehr wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame Umstände handelt (vgl. hierzu BGH GRUR 1999, 1093, 1094 - FOR YOU; GRUR 2000, 211, 232 - FÜNFER). Beschreibt eine Angabe dagegen Umstände, die nicht hinreichend eng mit einer Ware oder Dienstleistung selbst in Bezug stehen, so darf deren Anmeldung als Marke nicht wegen eines Freihaltungsbedürfnisses i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen werden (BGH GRUR 2004, 683 - Berlin Card). Das Eintragungsverbot dient dem im Allgemeininteresse liegenden Ziel, dass Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren bzw. Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke zugunsten eines Unternehmens monopolisiert werden (EuGH GRUR 1999, 723, 725 Rn. 25 - CHIEMSEE; GRUR 2004, 680, 681 Rn. 35, 36 - BIOMILD).

b) Nach diesen Grundsätzen kann ein Freihaltungsbedürfnis an der angemeldeten Bezeichnung jedenfalls für die noch beanspruchten Ware "Lederfasermaterial" nicht festgestellt werden. Zwar ist, wie die Markenstelle zutreffend angenommen hat, "Ultra Split" für den angesprochenen (Fach-)Verkehr, der derartige Materialien verwendet, gegebenenfalls verständlich als ein Hinweis auf Spaltleder. Damit werden aber keine bedeutsamen Merkmale der betroffenen Ware selbst unmittelbar beschrieben. Von Leder in seinen verschiedenen Verarbeitungs- und Aufbereitungsformen (einschließlich Spaltleder) unterscheiden sich die beanspruchten Materialien dadurch, dass sie ein weiterverarbeitetes Produkt darstellen, das aus Leder oder Lederbestandteilen gefertigt wird. Diesen Unterschied kennen die betreffenden Verkehrskreise, die folglich der Markenbezeichnung bei einiger analytischer Betrachtung allenfalls entnehmen können, dass ein Produkt "jenseits von Spaltleder" betroffen sein könnte. Dieser denkbare Bedeutungsgehalt enthält aber keine Information über irgendwelche Eigenschaften der in Rede stehenden Lederfasermaterialien, so dass die Marke "Ultra Split" weder abstrakt noch konkret mögliche Merkmale dieser Produkte unmittelbar zu beschreiben in der Lage wäre (vgl. EuG GRUR-RR 2001, 156, 157 [Rz. 29] - EASYBANK). Da die Anmeldemarke damit jedenfalls nicht ausschließlich aus unmittelbar produktbeschreibenden Angaben besteht, kann ihr nicht wegen eines Freihaltungsbedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG die Eintragung versagt werden. Es ist aus keinem Gesichtspunkt in Interesse oder Bedürfnis der Mitbewerber erkennbar, ihre Lederfasermatierialien mit der Bezeichnung "Ultra Split" zu versehen.

2. Der Marke kommt auch die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft zu.

a) Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH MarkenR 2003, 187, 190 [Rz. 41] - Gabelstapler, WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] - Philips/Remington) und des Bundesgerichtshofs (vgl. (BGH GRUR 2000, 502, 503 - St. Pauli Girl; GRUR 2000, 720, 721 - Unter Uns) die Eignung einer Marke, vom durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605 - Libertel; GRUR 2004, 943, 944 - SAT.2) als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Trotz des grundsätzlich gebotenen großzügigen Maßstabs (st. Rspr., vgl. BGH, GRUR 1995, 408, 409 - PROTECH; BGH GRUR 2001, 413, 415 - SWATCH) fehlt einer Kennzeichnung die Unterscheidungskraft stets dann, wenn die angesprochenen Verkehrskreise in ihr keinen Hinweis auf die Herkunft der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen sehen, was etwa bei einem für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1153 - marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 - City-Service; BGH, GRUR 2001, 162, 163 m.w.N. - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION) oder bei Werbeaussagen allgemeiner Art (vgl. BGH MarkenR 2000, 262, 263 - Unter uns; WRP 2000, 298, 299 - Radio von hier; WRP 2000, 300, 301 - Partner with the best; GRUR 2001, 1047, 1048 - LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER; GRUR 2001, 735, 736 - "Test it."; GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft) der Fall ist. Werden rein beschreibende Angaben zu einem Gesamtbegriff zusammengesetzt, ohne dass sich durch die Wortkombination ein über den bloß beschreibenden Inhalt jedes einzelnen Wortbestandteils hinausgehender weitergehender Sinngehalt ergibt, so bleibt dieser auch dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn es sich bei ihm um eine Wortneuschöpfung oder einen bislang nicht verwendeten Begriff handelt (EuGH GRUR 2004, 680, 681 - BIOMILD).

b) Nach diesen Grundsätzen kann der Anmeldemarke die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Zwar handelt es sich bei "Ultra Split" um einen sprachüblich aus zwei Wortbestandteilen zusammengesetzten Begriff. Da dieser aber, wie dargelegt, keinen beschreibenden Begriffsinhalt hat, der für die beanspruchten Waren ohne weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird, wird der angesprochene Verkehr mangels anderer Anhaltspunkte die Marke ohne weiteres als einen Hinweis auf den Anbieter der so gekennzeichneten Produkte ansehen.

Schwarz Prietzel-Funk Dr. van Raden Na






BPatG:
Beschluss v. 19.07.2005
Az: 27 W (pat) 391/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/f6d8ae8d8d89/BPatG_Beschluss_vom_19-Juli-2005_Az_27-W-pat-391-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share