Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. November 2003
Aktenzeichen: 30 W (pat) 220/02

(BPatG: Beschluss v. 10.11.2003, Az.: 30 W (pat) 220/02)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden I wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 5. Juli 2002 teilweise aufgehoben, nämlich, soweit darin der Widerspruch aus der Marke 1 068 176 auch bezüglich der Waren Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykostzurückgewiesen worden ist.

Insoweit wird wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 068 176 die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet.

2. Auf die Beschwerde der Widersprechenden III wird der genannte Beschluß insoweit aufgehoben, als der Widerspruch aus der Marke DD 647 137 auch bezüglich der Waren Wasch- und Bleichmittel, Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittelzurückgewiesen worden ist.

Insoweit wird wegen des Widerspruchs aus der Marke DD 647 137 die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet.

Im Übrigen werden die Beschwerden der Widersprechenden I und II zurückgewiesen.

Gründe

I.

Für die Waren Farben, Firnisse, Lacke, Rostschutzmittel, Holzkonservierung; Färbemittel; Beizen; Naturharze im Rohzustand; Blattmetalle und Metalle in Pulverform für Maler, Dekorateure, Drucker und Künstler; Wasch- und Bleichmittel, Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel; pharmzeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit in Klasse 14 enthalten; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmeßinstrumente.

ist seit 8. August 1997 unter der Nr 397 05 702 eingetragen die Marke Bionorma.

Widerspruch erhoben haben ua die Inhaberinnen folgender Marken 1. der Marke 1 068 176 siehe Abb. 1 am Endedie seit 1992 eingetragen und 2002 verlängert ist für die Waren diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke zur Regulierung des Körpergewichtes; Lebensmittel zur Verwendung bei kalorienreduzierter Ernährung (ausgenommen für medizinische Zwecke), im wesentlichen bestehend aus Proteinen, Kohlenhydraten, Fetten, Vitaminen und Mineralstoffen.

Der Widerspruch ist im Beschwerdeverfahren beschränkt worden und richtet sich nur noch gegen die Waren der Klasse 5 mit Ausnahme der Waren Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke.

2. der seit 1977 für die Waren Künstlerfarben eingetragenen, zuletzt 1996 verlängerten Marke 962 917 Norma.

3. der Marke DD 6 478 137 NORMA, die seit 1990 ua für die Waren Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel eingetragen und 2000 verlängert worden ist.

Dieser Widerspruch ist im Beschwerdeverfahren beschränkt worden und richtet sich nur noch gegen die Waren der Klasse 3.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat durch Beschluß eines Beamten des höheren Dienstes die Widersprüche zurückgewiesen. Begründend ist dargelegt, die Marke 1 068 176 gewinne ihre Schutzfähigkeit hauptsächlich aus ihrer graphischen Gestaltung, so daß der zusätzliche Vokal a in der angegriffenen Marke ausreiche, um Verwechslungen zu vermeiden. Die Widerspruchsmarke 962 971 wie auch die Widerspruchsmarke DD 647 137 unterschieden sich nach dem maßgebenden Gesamteindruck von der angegegriffenen Marke deutlich. Zwar werde Bio in vielfältigem Zusammenhang beschreibend verwendet, jedoch entstehe durch die Wortverbindung ein insgesamt neuer Gesamteindruck.

Die Widersprechenden haben Beschwerde eingelegt. Die Widersprechende aus der Marke 1 068 176 verweist insbesondere auf das breite und auch Laien ansprechende Anwendungsgebiet der beiderseitigen Waren. Dabei könnten auch Hörfehler nicht ausgeschlossen werden, so daß die den beiden Marken gemeinsame Lautfolge Bionorm - die Gefahr von Verwechslungen im gesamten Bereich der Klasse 5 begründe, soweit sich der Widerspruch gegen diese Waren richte.

Die Widersprechende II hat im Beschwerdeverfahren darauf hingewiesen, dass ihre Marke in den beteiligten Kreisen bekannt und eine hohe Kennzeichnungskraft habe. Bio werde als rein beschreibender Zusatz gesehen und schränke den Wiedererkennungswert von -Norma nicht ein. Es bestehe deshalb Verwechslungsgefahr bezüglich der Waren der Klasse 2 und einem Teil der Klasse 3.

Die Widersprechende III stützt die ihre Beschwerde vor allem darauf, daß sie als einer der größten Discounter in Deutschland in über 1000 Filialen Waren des täglichen Bedarfs anbiete, worunter sich auch die Waren befänden, wofür die angegriffene Marke eingetragen ist. Der Widerspruchsmarke, der bereits von Haus aus eine mindestens normale Kennzeichnungskraft zukomme, sei aufgrund besonders intensiver Benutzung eine gesteigerte Verkehrsbekanntheit zuzuordnen, die eine entsprechend gesteigerte Kennzeichnungskraft mit sich bringe. Die Widersprechende verfüge über weitere Marken mit dem Bestandteil norma, insbesondere 01 132 278 Gartennorma, 11 52 499 Elektronorma, 11 38 601 Baunorma, 11 91 035 Vitanorma, 2 101 869 Norma Neu. In diese Markenserie reihe sich das angegriffene Zeichen ein und stelle deshalb für den Verbraucher nur eine Kennzeichnung dar, die er ohne weiteres der Widersprechenden zuordne. Unter diesen Umständen bestehe auch Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn.

Die Widersprechenden beantragen jeweils, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke insoweit anzuordnen, als sie diese mit ihren Widersprüchen angreifen.

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die Beschwerden sind zulässig, sachlich hat die Beschwerde der Widersprechenden III in vollem Umfang, die der Widersprechenden I zum Teil Erfolg. Im übrigen sind die Beschwerden unbegründet.

Bei der Beurteilung des Rechtsbegriffs der Verwechslungsgefahr sind alle maßgebenden Umstände zu berücksichtigen, insbesondere die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, die Ähnlichkeit der Waren und die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen, wobei zwischen den einzelnen Parametern jeweils eine Wechselwirkung besteht. Unter diesen Gesichtspunkten sind die Widersprüche differenziert zu behandeln. Im einzelnen:

1. Der Widerspruch aus der Marke 1 068 176 Die Kennzeichnungskraft dieser Widerspruchsmarke mag ursprünglich nicht besonders stark ausgebildet gewesen sein, weil sie aus zwei beschreibenden Bestandteilen zusammengesetzt ist. Unwidersprochen ist das Zeichen jedoch bereits seit nahezu 30 Jahren und ununterbrochen auf dem Markt und wird zur Kennzeichnung verschiedener Mittel benutzt. Es hat daher einen gewissen Bekanntheitsgrad erreichen können. Ihr Schutzumfang ist auch nicht auf die bildliche Gestaltung beschränkt, da die gewählte Schriftform zwar etwas ungewöhnlich erscheint, aber gleichwohl eine klare Erkennbarkeit des Wortes nicht verhindert, so daß das maßgebende Publikum das Zeichen mit Bionorm artikulieren wird.

Bezüglich der Waren pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost stehen sich überwiegend identische und ansonsten im engeren Ähnlichkeitsbereich liegende Waren gegenüber. Denn auch im Bereich der pharmazeutischen und veterinärmedizinischen Erzeugnisse gibt es Präparate, die diätetisch wirken. Ebenso wird gelegentlich Babykost wegen ihrer guten Verträglichkeit auch als Diät bei Erwachsenen verwendet.

In diesen Waren ähneln sich die beiden einander gegenüberstehenden Zeichen zu stark, als daß Verwechslungsgefahr sicher genug ausgeschlossen werden könnte. Die Zeichen stimmen in dem klangtragenden Bionorm vollständig überein. Das zusätzliche Schlußa bei der angegriffenen Marke kann diese nicht aus dem Schutzbereich der Widerspruchsmarke herausführen (vgl etwa BGH GRUR 1992, 110 dipa/dib).

Dagegen sind die ebenfalls noch angegriffenen Waren "Pflaster, Verbandmaterial" zu weit entfernt von den Waren, für die die Widerspruchsmarke Schutz hat, um auch insoweit noch Verwechslungsgefahr annehmen zu können, selbst wenn insoweit noch Warenähnlichkeit bestehen sollte. Verbandmaterial hält bereits zum umfassenden Oberbegriff der pharmazeutischen und veterinärmedizinischen Erzeugnisse nur einen als entfernt einzustufenden Ähnlichkeitsgrad ein (vgl Richter/Stoppel, die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen 12. Aufl, S 345). Bei den hier maßgebenden Waren der Widerspruchsmarke, die oral aufzunehmende Mittel betreffen, die auch bei den speziellen Diätetika zur Regulierung des Körpergewichts den Lebensmittelbereich tangieren, ist dieser Abstand noch stärker. Pflaster und Verbandmaterial sind lediglich zur äußeren Anwendung bestimmt und haben nach allen maßgeblichen Gesichtspunkten keine näheren Gemeinsamkeiten mit den Waren, für die die Widerspruchsmarke geschützt ist. Soweit die Widersprechende anführt, sie würden in Apotheken nebeneinander feilgehalten werden können, so kann dieser Gesichtspunkt für sich allein eine nähere Ähnlichkeit nicht begründen. Apotheken haben mittlerweile oft ein sehr reichhaltiges Warensortiment, bei dem der Verkehr auch seit langem daran gewöhnt ist, daß es von unterschiedlichen Herstellern stammt, so daß die bloße Begegnung in den Verkaufsstätten ihn noch nicht dazu veranlaßt, den Zeichen eine gleiche Ursprungsstätte zuzurechnen.

2. Der Widerspruch aus der Marke 962 917 Insoweit ist die Beschwerde unbegründet. Zwar sind Künstlerfarben keine eigenständige Ware gegenüber den Farben, für die die angegriffene Marke Schutz beantragt hat. Insoweit ist daher auch Warenidentität nicht auszuschließen. Andererseits unterscheiden sich die Marken insgesamt hinreichend. Bionorma ist gegenüber dem Widerspruchszeichen als eigenständiges Wort einzustufen, bei dem der zwar isoliert gesehen beschreibende Bestandteil Bio nicht ohne weiteres vernachlässigt werden kann. Er ist mit dem -norma zu einem einheitlichen Wort verschmolzen. Für eine assoziative Verwechslungsgefahr (§ 9 Abs 2 Nr 1 MarkenG letzter Fall) sind hier im Gegensatz zum nachfolgend behandelten Widerspruch keine Gesichtspunkte vorgetragen. Auch für eine Abspaltung von bio ist kein Raum. Bio ist im Gegensatz zu den "Schulbeispielen" aktiv, forte oder extra keine bloße verstärkende Angabe, sondern hat für das Gesamtzeichen einen durchaus wichtigen Bedeutungsgehalt. Auch ist nicht feststellbar, dass in dem Bereich der hier maßgebendne Waren der Klasse 2 eine langjährige und allgemeine Branchenübung besteht, solchen beschreibenden Wortteilen keinerlei kennzeichnende Funktion Bedeutung zuzumessen (vgl im einzelnen Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 9 Rdn 444).

3. Der Widerspruch aus der Marke DD 647 137 Insoweit ist die Beschwerde begründet. Die Waren der Klasse 3 des angegriffenen Zeichens sind alle auch im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthalten. Es ist also von Warenidentität auszugehen.

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist mindestens gut durchschnittlich. Soweit die Widersprechende eine erhebliche Steigerung der Kennzeichnungskraft durch umfangreiche Benutzung behauptet, kann dieser Rechtsansicht nur eingeschränkt beigetreten werden. Zwar hat der Inhaber der angegriffenen Marke die Angaben der Widersprechenden nicht bestritten, andererseits darf jedoch nicht verkannt werden, daß sich diese Angaben vorzugsweise auf die Ladenkette der Widersprechenden beziehen und nicht die einzelnen darin angebotenen Waren betreffen. Inwieweit die einzelnen Waren mit der Widerspruchsmarke versehen sind, ist nicht vorgetragen.

Auf den Grad der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke kommt es hier jedoch nicht entscheidend an, es besteht nämlich assoziative Verwechslungsgefahr (§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG letzter Fall). Diese betrifft zum einen die mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Serienmarke. Diese kann hier allerdings nicht bejaht werden, nachdem die Widersprechende die von ihr angeführten Serienzeichen nach ihrer Erklärung in der mündlichen Verhandlung derzeit noch nicht benutzt, so daß sie das Publikum auch noch nicht an eine entsprechende Markenserie gewöhnt haben kann, in die sich das angegriffene Zeichen einordnen ließe.

Es besteht jedoch Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne (vgl Ströbele/Hacker aaO § 9 Rdn 500 f, insbes 504). Dabei ist maßgebend, daß die Widersprechende die Widerspruchsmarke als Firmenschlagwort verwendet und insoweit nicht nur auf dem Lebensmittelsektor, sondern auch auf dem Bereich der hier maßgebenden Waren der Klasse 3 als Firma eine hohe Verkehrsbekanntheit besitzt. Hinzu kommt, daß der Markenteil Bio, der bei der angegriffenen Marke vorangestellt ist, in allgemein verständlicher Weise lediglich darauf hinweist, daß es sich insofern um biologische Produkte handelt. Die Widersprechende hat diesbezüglich auch belegt, daß sie jedenfalls im Bereich der Lebensmittel verschiedene mit Bio- gekennzeichnete Produkte im Sortiment hält und dafür wirbt, zB mit "die Qualitäts-Bio-Marke mit der 25jährigen Erfahrung des Pioniers". Eine solche Aufspaltung der herkömmlich produzierten Waren und solche, bei denen besonderer Wert auf biologische Gesichtspunkte gelegt wird und die den insoweit entwickelten Normen entsprechen, ist aber nicht nur im Bereich der Lebensmittel, sondern auch in dem Bereich der hier maßgebenden Waren der Klasse 3 seit längerer Zeit zu beobachten. Trotz der insoweit gebotenen Zurückhaltung ist daher hier die Besorgnis gerechtfertigt, daß das angesprochene Publikum, das hier nahezu alle Altersstufen und Gesellschaftsschichten betrifft, bei Begegnung mit der angegriffenen Marke diese gedanklich mit der Widerspruchsmarke in Verbindung bringen kann und zwar in dem Sinn, daß es engere wirtschaftliche Verflechtungen, geschäftlicher, wirtschaftlicher oder organisatorischer Art annimmt und zwar aufgrund der Übereinstimmung in dem auch die jüngere Marke maßgebend kennzeichnenden Markenteil Norma.

Eine Kostenauferlegung (§ 71 Abs 1 MarkenG) ist nicht veranlaßt.

Dr. Buchetmann Winter Schramm Hu Abb. 1






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Az: 30 W (pat) 220/02


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