Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. März 2007
Aktenzeichen: 33 W (pat) 35/05

(BPatG: Beschluss v. 06.03.2007, Az.: 33 W (pat) 35/05)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 26. Januar 2004 die Wortmarke Mehrkindschaukelfür folgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

Klasse 20:

Möbel, Spiegel, Rahmen; Waren, soweit sie in dieser Klasse enthalten sind, aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Weide, Horn, Knochen, Elfenbein, Fischbein, Schildpatt, Bernstein, Perlmutter, Meerschaum und deren Ersatzstoffe oder aus Kunststoff; Bänke; Betten (Möbel); Kanapees; Kissen; Kopfstützen (Möbel); Korbwaren; Krankenhausbetten; Lattenroste, nicht aus Metall; Liegen für Haustiere; Liegestühle; Luftkissen und Luftmatratzen (nicht für medizinische Zwecke); Sofas; Wiegen;

Klasse 22:

Hängematten; Hebeschlingen (nicht aus Metall) für Lasten; Kohlenstofffasern für textile Zwecke; Kunststofffasern für textile Zwecke; Lastengurte (nicht aus Metall); Verpackungsschnur und Verpackungsbeutel (-hüllen, -taschen) aus textilem Material; Tauwerk (nicht aus Metall); Strickleitern; Seile; Planen;

Klasse 28:

Spiele, Spielzeug, Schaukeln; Trampolins (Sportartikel); Wippen.

Mit Beschluss vom 14. September 2004, der im Erinnerungsverfahren durch Beschluss vom 19. Januar 2005 bestätigt worden ist, hat die Markenstelle für Klasse 22 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG teilweise für die Waren

"Wiegen; Hängematten; Hebeschlingen (nicht aus Metall) für Lasten; Lastengurte (nicht aus Metall); Tauwerk (nicht aus Metall); Strickleitern; Seile; Spielzeug, Schaukeln; Wippen"

zurückgewiesen. Ihre Entscheidung hat sie damit begründet, dass die angemeldete Bezeichnung nach den Regeln der deutschen Sprache gebildet sei, indem das Grundwort "Schaukel" durch die vorangestellte Erläuterung "Mehrkind" im Sinne einer für mehrere Kinder geeigneten Schaukel konkretisiert worden sei. Hierbei komme es nicht auf die lexikalische Nachweisbarkeit an, da der Verkehr an werbemäßig komprimierte Sachangaben und mehr oder weniger einprägsame Wortbildungen gewöhnt sei. Die Bezeichnung "Mehrkindschaukel" bringe lediglich zum Ausdruck, dass eine Schaukel bzw. Wippe von mehreren Kindern gleichzeitig benutzt werden könne. Das gelte auch für Spielzeug, da Schaukeln unter diesen Oberbegriff fallen würden. Der Begriff "Schaukel" umschreibe zudem die schaukelnden und schwingenden Eigenschaften von Hängematten und Wiegen, so dass die Anmeldemarke auch diesbezüglich nur als Hinweis auf die Möglichkeit der Benutzung durch mehrere Kinder angesehen werde. Im Hinblick auf die übrigen Waren wie Lastengurte, Hebeschlingen, Tauwerk oder Strickleitern werde die gegenständliche Bezeichnung so aufgefasst, dass sie für Schaukeln, die gleichzeitig mehrere Kinder aufnehmen sollen, bestimmt seien. Sie würden demzufolge wesentliche Bestandteile einer für mehrere Kinder geeigneten Schaukel darstellen. Insofern sehe der Verkehr in der Anmeldemarke lediglich eine glatt sachbezogene Aussage in Form eines üblichen Werbeschlagworts. Eine schutzbegründende Mehrdeutigkeit sei nicht erkennbar, zumal die Bezeichnung sprachüblich gebildet sei. Die Schutzfähigkeit vorliegender Marke könne außerdem nicht aus der von der Anmelderin erwähnten Voreintragung 304 04 302.8 ("Multichild-Swing") abgeleitet werden, da diese eine fremdsprachige, nicht sofort erfassbare Wortbildung betreffe. Zudem würden Voreintragungen generell keine Bindungswirkung entfalten.

Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt, mit der sie beantragt, den Beschluss vom 19. Januar 2005 aufzuheben und hilfsweise einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen.

Zur Begründung trägt sie unter Bezugnahme auf ihre Eingaben vor dem Deutschen Patent- und Markenamt vor, dass an den Grad der Unterscheidungskraft nur äußerst geringe Anforderungen zu stellen seien. Die Bezeichnung "Mehrkindschaukel" sei mehrdeutig, weise keinen im Vordergrund stehenden beschreibenden Sinngehalt auf und sei auch kein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache. Es handele sich um einen phantasievollen und neuartig zusammengesetzten Gesamtbegriff. Zudem könnten beispielsweise auch Türrahmen, Bäume oder Haken und Ösen unverzichtbare und damit wesentliche Bestandteile von Schaukeln darstellen. Dennoch werde der Verkehr der Anmeldemarke auch diesbezüglich keinen beschreibenden Sinngehalt entnehmen. Es bedürfe analysierender Zwischenschritte, um zu erkennen, dass ein Schaukelgerät insbesondere aus Hebeschlingen, Lastengurten, Tauwerk, Strickleitern und Seilen zusammengebaut sei. Eine solche zergliedernde Betrachtungsweise habe jedoch nach der Rechtsprechung zu unterbleiben (unter Bezugnahme u. a. auf BGH GRUR 1999, 988 - HOUSE OF BLUES und GRUR 2001, 162 - RATIONAL SOFTWARE COR-PORATION). Auch bezüglich der zurückgewiesenen Wiegen, Hängematten, Wippen und Spielzeug sei die Anmeldemarke nicht vordergründig beschreibend und werde nicht als Benennung aufgefasst. Des Weiteren sei sie auch nicht freihaltungsbedürftig im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, da weder aktuell noch zukünftig die Verwendung der Bezeichnung "Mehrkindschaukel" im Geschäftsverkehr zu erwarten sei. In dem angegriffenen Beschluss seien hierzu trotz entsprechenden Vortrags vor dem Deutschen Patent- und Markenamt keine Ausführungen enthalten, so dass er auch unter einem Begründungsmangel leide.

Der Senat hat die Anmelderin mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung unter Übersendung der ermittelten Unterlagen auf Bedenken hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Beschwerde hingewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.

1. Die Anmeldemarke ist nicht ausreichend unterscheidungskräftig, so dass ihrer Eintragung das Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegensteht.

Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren, zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der Waren abzustellen ist. Kann einer Wortmarke ein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden oder handelt es sich sonst um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so ergibt sich daraus ein tatsächlicher Anhalt dafür, dass ihr jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice).

a) Die Recherchen des Senats haben ergeben, dass mit der Anmeldemarke eine besondere, vornehmlich für Kinder konstruierte Mehrpersonenschaukel bezeichnet wird (vgl. beispielsweise dieschaukel.de unter "http://www.dieschaukel.de/dt-/index.html"). Es handelt sich hierbei meist um eine an vier Seilen aufgehängte längliche Matte, die bis zu 4 Kindern oder einem Erwachsenen und 2 Kindern Platz bietet (vgl. Sport-Thieme unter "www.sportthieme.de/y/pdf/380.pdf").

Im Verkehr wird die Bezeichnung vielfältig in beschreibender Weise gebraucht:

- "Jetzt gibt es sie - die sichere Schaukel für Groß und Klein, für draußen und drinnen. Darauf toben sich Kinder aus wie auf einer Schiffsschaukel. Auch nach dem wilden Schaukeln macht die Mehrkindschaukel Spaß: ..." (vgl. Yatego unter "http://www.yatego.com/freizeitprofi24/p,433c03962c6cf,41012c3705a173_8,mehrkindschaukel")

- "Diese Mehrkindschaukel unterstützt die motorische Entwicklung der Kinder und ist zugleich ein vielseitiges Spielgerät." (vgl. Franken Frühlings-Info unter "www.frankengmbh.de/root/images/fruehlingsinfo05.pdf").

Auch in Verbindung mit der Beschwerdeführerin lässt sich die Anmeldemarke als Sachangabe nachweisen:

- "Entstanden ist dieschaukel.de GmbH & Co. KG ... aus dem familiären Wunsch heraus, eine Mehrkindschaukel für den privaten Bereich zu konstruieren." (vgl. toy.de unter "http://www.toy.de/news/index343.html")

- "Wir sind Hersteller und Erfinder der Mehrkind- und Mehrpersonenschaukeln, ..." (vgl. dieschaukel.de unter "http://www.dieschaukel.de/dt/index.html").

b) Unter Zugrundelegung dieses Bedeutungsgehalts sieht auch der Senat die Anmeldemarke für alle von der Zurückweisung betroffenen Waren als nicht unterscheidungskräftig an. Ihr beschreibender Sinngehalt erschließt sich entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht erst nach einer zergliedernden Analyse:

Unter die Oberbegriffe "Spielzeug" und "Schaukeln" fallen auch Mehrkindschaukeln, zumal sie neben therapeutischen Zwecken vornehmlich zum Spielen eingesetzt werden (vgl. Franken Frühlings-Info: "Die Schaukel - Moderne Spielgeräte ...", a. a. O.). Dass insbesondere zu Spielzeug auch Produkte gehören können, die zu einer Mehrkindschaukel keinen Sachbezug aufweisen, steht der Verneinung der Unterscheidungskraft für den gesamten Oberbegriff nicht entgegen (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8, Rdnr. 69).

Mehrkindschaukeln können des Weiteren die Funktion einer Hängematte übernehmen. Wie diese ist sie an den Enden mit Seilen befestigt und ermöglicht schwingende Bewegungen. Insofern wird im Verkehr für Mehrkindschaukeln auch mit den Worten "... oder genießen Sie es sanft wie auf einer Hängematte." geworben (vgl. Sport-Thieme, a. a. O.). Umgekehrt kann eine Hängematte auch die Funktion einer Mehrkindschaukel übernehmen. Demzufolge benennt die Anmeldemarke lediglich eine wesentliche Eigenschaft der beanspruchten Hängematten.

Gleiches gilt für Wiegen, bei denen es sich nicht nur um schaukelnde Möbelstücke handelt. Vielmehr gibt es auch Wiegen, die wie Mehrkindschaukeln an den Ecken mit vier Seilen aufgehängt sind (sog. "Indische Wiege"). Folglich können auch Wiegen die Funktion einer Mehrkindschaukel übernehmen.

Unter Wippen werden u. a. Schaukelgeräte verstanden (vgl. Wikipedia unter "http://de.wikipedia.org/wiki/Wippe"). Hierzu gehört auch die an den vier Enden getragene Schaukeldiele (vgl. Wikipedia unter "http://de.wikipedia.org/wiki-/Schaukelger%C3%A4t"), die damit vom Aufbau her einer Mehrkindschaukel entspricht und folglich auch deren Zweck erfüllen kann. Dementsprechend weist die Anmeldemarke auf eine bestimmte Einsatzmöglichkeit dieser besonderen Wippenart hin.

Hebeschlingen dienen dem Transport schwerer Lasten (vgl. Hebezone unter "http://www.hebezone.de/produktinfos/Hebeschlinge-27.html"). Mit Hilfe dieser Schlingen kann eine Mehrkindschaukel aufgehängt werden, die aufgrund des großen auf ihr lastenden Gewichts besonders befestigt sein muss. Diesem Zweck dienen auch die weiterhin zurückgewiesenen Lastengurte, die Seile und das Tauwerk. Alle eben genannten Waren bestehen nicht aus Metall und eignen sich aus diesem Grund besonders für ein verletzungsfreies Schwingen der Matte. Insofern wird mit der Anmeldemarke lediglich der Gegenstand benannt, bei dem diese Aufhängevorrichtungen zur Anwendung kommen. Sie ist damit als Bestimmungsangabe anzusehen.

Schließlich besteht auch zu Strickleitern ein Sachbezug, da eine Mehrkindschaukel so hoch aufgehängt sein kann, dass sie nur über eine Leiter erreichbar ist. Im Übrigen ist es nicht ausgeschlossen, dass Strickleitern als Schaukel für mehrere Kinder verwendet werden.

c) Die Tatsache, dass der Begriff "Mehrkindschaukel" - wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt - lexikalisch nicht nachweisbar ist, begründet nicht die Schutzfähigkeit der Anmeldemarke. Die Neuheit einer Marke stellt weder eine unabdingbare Voraussetzung für deren Eintragungsfähigkeit dar, noch begründet sie für sich gesehen eine hinreichende Unterscheidungskraft (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Auflage, § 8, Rdnr. 89). Ebenfalls kann dem Umstand, dass die Bezeichnungen "Mehrkinderschaukel" oder "Mehrerekinderschaukel" eher den grammatikalischen Regeln entsprechen, keine schutzbegründende Funktion zukommen. Der Verkehr ist daran gewöhnt, dass sich Marken nicht an grammatikalischen Regeln orientieren. Zudem fällt die Singularform der Anmeldemarke kaum auf und lässt den eindeutigen Sinngehalt nicht entfallen (vgl. hierzu BGH GRUR 2001, 1151 - marktfrisch). Im Übrigen ist feststellbar, dass im Gegensatz zum Begriff "Mehrkindschaukel" die Wörter "Mehrkinderschaukel" und "Mehrerekinderschaukel" in der Praxis kaum verwendet werden (vgl. Google-Trefferlisten unter "http://www.google.de/search€hl=de&q=Mehrkinderschaukel&btnG=Google-Suche&..." und "http://www.google.de/search€hl=de&q=Mehrerekinderschaukel&btnG=Google-Suche...").

d) Auch die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Voreintragung führt zu keinem anderem Ergebnis. Wie die Markenstelle zutreffend dargelegt hat, ist die englischsprachige Bezeichnung "Multichild-Swing" mit vorliegender Marke nicht vergleichbar. Schließlich kommt selbst unter Berücksichtigung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes, der Gleichbehandlung oder einer einheitlichen Verwaltungspraxis Voreintragungen allgemein keine Bindungswirkung zu (vgl. BPatG MarkenR 2007, 88 - Papaya).

2. Ob das gegenständliche Zeichen darüber hinaus eine unmittelbar beschreibende freihaltungsbedürftige Angabe im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG darstellt, kann folglich dahingestellt bleiben.

3. Der von der Anmelderin beanstandete Begründungsmangel liegt nicht vor. Die Markenstelle für Klasse 22 ist in ihren Beschlüssen auf alle relevanten Gesichtspunkte eingegangen. Insbesondere reicht es für die Zurückweisung der Anmeldung aus, wenn sie lediglich auf § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gestützt wird. Der Begründungszwang bezieht sich nur auf die die Entscheidung tragenden Erwägungen und gilt nicht für Hilfsbegründungen oder die Erörterung letztlich offen gelassener Fragen (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O. § 61, Rdnr. 4; § 83, Rdnr. 49). Demzufolge waren in dem angegriffenen Beschluss ergänzende Ausführungen zum Freihaltungsbedürfnis entbehrlich. Insbesondere eine Zurückverweisung an das Deutsche Patent- und Markenamt gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG kommt damit nicht in Betracht.

Die Beschwerde war demnach zurückzuweisen.






BPatG:
Beschluss v. 06.03.2007
Az: 33 W (pat) 35/05


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