Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 14. Juli 2010
Aktenzeichen: 17 U 239/09

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 14.07.2010, Az.: 17 U 239/09)

1. Die unmittelbare Gläubigerbenachteiligung durch entgeltlichen schuldrechtlichen Vertrag nach § 133 Absatz 2 InsO beurteilt sich bei zeitgleichem Abschluss mehrerer Verträge (hier: Kaufvertrag, Darlehensvertrag, Mietvertrag) danach, ob sie einem einheitlichen wirtschaftlichen Zweck dienen wird und in dessen Rahmen dem Vermögen der Insolvenzschuldnerin Liquidität zuführen sollen.

2. Zur Anfechtbarkeit der Übereignung von Anlagegegenständen, die Stammkapitalcharakter aufweisen nach § 133 Absatz 2 InsO in Verbindung mit § 30 Absatz 1 GmbHG

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Limburg an der Lahn (Az.: 4 O 334/08) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des insgesamt vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des von ihm zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der A mbH, Stadt1, im Wege der Stufenklage auf Erteilung von Auskunft über den Zustand, das Vorhandensein, sowie bei etwaig erfolgter Veräußerung, über die Bedingungen der Veräußerung bestimmter Anlagegegenstände, auf Versicherung an Eides statt, auf Bereitstellung zur Abholung durch die Klägerin, hilfsweise Rückübereignung, sowie auf Zahlung eines noch zu spezifizierenden Betrages (Herausgabe des Surrogats bzw. Schadensersatz) in Anspruch.

Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter der Gemeinschuldnerin A mbH (HRB ... des Amtsgerichts Limburg) zu verurteilen, der Klägerin in schriftlicher Form Auskunft zu erteilen über den Zustand, das Vorhandensein, sowie bei etwaig erfolgter Veräußerung, über die Bedingungen der Veräußerung für jeden auf Bl. 2 € 7 der Klageschrift (Bl. 2 € 7 d.A.) aufgeführten Gegenstand.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage (vollumfänglich) abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahin stehen, ob die Verträge zwischen der Klägerin und der Schuldnerin wirksam abgeschlossen worden seien. Der Beklagte könne jedenfalls gem. § 146 Abs. 2 InsO die Herausgabe der Gegenstände verweigern, weil die von der Klägerseite vorgelegten und auf den 28.01.2005 datierten Verträge gem. § 133 Abs. 2 InsO anfechtbar seien.

Es liege eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung vor. Bei der Beurteilung, ob eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung vorliege, seien die drei zwischen der Klägerin und der Schuldnerin abgeschlossenen Verträge in ihrer wirtschaftlichen Gesamtheit zu betrachten. Sie hätten ganz offenkundig von vorneherein nur zusammen unterschrieben werden sollen. Die vorgenommene Vertragsgestaltung sei von vorneherein darauf angelegt gewesen, dass die Klägerin ohne entsprechende, gleichwertige Gegenleistungen Eigentum an einem Teil des Anlagevermögens der Schuldnerin habe erwerben sollen. So sei die Klägerin vertraglich lediglich dazu verpflichtet gewesen, das gewährte Darlehen mit 11% jährlich zu tilgen und mit 6% zu verzinsen, während die Klägerin gleichzeitig monatliche Mietzahlungen in Höhe von 10.500 € habe verlangen können. Bezogen auf das erste Jahr bedeute dies, dass die Klägerin lediglich 51.000 € (33.000 € an Tilgung und 18.000 € an Zinsen) hätte zahlen müssen, während sie gegen die Schuldnerin einen Mietzinsanspruch in Höhe von 126.000 € gehabt hätte. Entgegen der Ansicht der Klägerin handele es sich auch nicht um eine übliche Form des €sale and lease back€ € Geschäfts. Denn die gewählte Vertragsgestaltung führe gerade nicht dazu, dass die Schuldnerin an Liquidität gewonnen habe. Die Klägerin habe die gesetzliche Vermutung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes der Schuldnerin und der entsprechenden Kenntnis der Klägerin hiervon nicht widerlegt. Selbst wenn € wie klägerseits vorgetragen € Anfang 2005 tatsächlich noch Vollbeschäftigung bei der Schuldnerin bestanden haben sollte, schließe dies keineswegs aus, dass die Schuldnerin im Hinblick auf die sich schon abzeichnende Umsatzentwicklung die Rechtshandlungen in Gläubigerbenachteiligungsabsicht vorgenommen habe.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung, mit der sie das erstinstanzliche Urteil in vollem Umfang zur Überprüfung durch den Senat stellt. Sie rügt, das Landgericht habe eine unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen und gegen den verfassungsrechtlichen Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verstoßen. Nachdem die Klägerin im Hinblick auf die in der mündlichen Verhandlung vom 18.05.2009 vom Gericht angesprochenen entscheidungserheblichen Rechtsprobleme im Detail mit Schriftsatz vom 08.06.2009 unter Beweisantritt vorgetragen gehabt habe, habe das Gericht in der zweiten mündlichen Verhandlung vom 24.08.2009 überhaupt keine rechtlichen Ausführungen mehr gemacht. Das Gericht habe insbesondere mit keinem Wort darauf hingewiesen, dass es eine €unmittelbare Gläubigerbenachteiligung€ in Betracht ziehe und dabei bezüglich der Vertragsgestaltung allein auf die vertragliche Vereinbarung in den drei Verträgen und insoweit lediglich auf das erste Vertragsjahr abstelle und dabei unberücksichtigt lasse, dass im ersten Vertragsjahr die gesamte Darlehensforderung der Gemeinschuldnerin ausgeglichen worden sei. Das Urteil sei auch in materiell-rechtlicher Hinsicht fehlerhaft, weil das Landgericht verkannt habe, dass die Klägerin der Gemeinschuldnerin mittels Zahlungen in Höhe von 214.850,00 € und Abtretung des Umsatzsteuerguthabens in Höhe von 18.707,87 € im Jahre 2005 Liquidität zugeführt habe. Bei der Prüfung der unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung müsse jeder der drei am 28.01.2005 geschlossenen Vertrage für sich (isoliert) überprüft werden.

Die Klägerin nimmt Bezug auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und vertieft ihn. Sie behauptet, die von der Gemeinschuldnerin erzielten Kaufpreise blieben nicht hinter dem Wert der streitbefangenen Kaufgegenstände zurück. Die Miete sei eher zugunsten der Gemeinschuldnerin zu niedrig bemessen. Die an die Klägerin verkauften und zurück gemieteten Anlagegegenstände, bei denen es sich in erheblichem Umfang um gebrauchte Minibagger und Radlader gehandelt habe, seien bereits zum Zeitpunkt des Verkaufs (28.01.2005) erheblich abgenutzt gewesen. Sie habe € unstreitig - von der Fa. B im Juni 2005 und im September 2005 insgesamt 5 Minibagger und weitere 5 Radlader nebst Zubehör (Tieflöffel etc.) neu erworben, darüber Kauf- und Finanzierungsverträge über insgesamt 373.009,60 € abgeschlossen und die Geräte der Gemeinschuldnerin anstelle von bisher mietweise überlassenen alten 5 Radladern und alten 5 Minibaggern überlassen. Die Klägerin habe einen angeblichen Benachteiligungsvorsatz der Gemeinschuldnerin nicht gekannt. Dem stehe, so meint die Klägerin, schon entgegen, dass mit dem Kaufvertrag die Gemeinschuldnerin Teile des Anlagevermögens gegen eine gleichwertige Gegenleistung veräußert habe und die Gemeinschuldnerin durch den Mietvertrag gegen eine relativ niedrige Miete eine mindestens gleichwertige Gegenleistung erhalten habe, erst recht unter Berücksichtigung der Neuinvestition der Klägerin in neue Radlager und Bagger. Gegen einen Benachteiligungsvorsatz der Gemeinschuldnerin habe gesprochen, dass diese am 28.01.2005 noch volle Auftragsbücher gehabt habe.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Limburg vom 02.10.2009 zu Az. 4 O 334/08 nach den Schlussanträgen der Klägerin erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte rügt die Unzulässigkeit der Berufung unter Hinweis darauf, dass die in der Berufungsschrift als Partei bezeichnete Klägerin, die C €-GmbH, nicht mehr existent, sondern in Liquidation sei.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Sie vertritt die Auffassung, bei dem erstinstanzlichen Urteil handele es sich nicht um eine Überraschungsentscheidung. Das Landgericht habe zutreffend festgestellt, das die streitgegenständlichen Verträge unmittelbar gläubigerbenachteiligende Wirkung entfaltet hätten. Insoweit könne entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf die im Jahr 2005 erfolgten Zahlungen der Klägerin in Höhe von 214.058,00 € und die Abtretung eines Umsatzsteuerguthabens in Höhe von 18.707,87 € abgestellt werden. Die ausweislich der Buchhaltung des gemeinschuldnerischen Unternehmens (unstreitig am 07.10.2005 in Höhe von 50.000,00 €, am 18.10.2005 in Höhe von 40.000,00 €, am 17.11.2005 in Höhe von 30.000,00 € sowie weitere 94.600,00 €) seitens der Klägerin an die Gemeinschuldnerin erfolgten Geldzahlungen seien keine Zins- und Tilgungsleistungen auf die streitgegenständlichen Verträge gewesen, sondern Kapitalzuschüsse der Klägerin als Alleingesellschafterin an das in der Krise befindliche gemeinschuldnerische Unternehmen.

II.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

Der Umstand, dass sich die Klägerin in Liquidation befindet, berührt weder ihre Partei- noch ihre Prozessfähigkeit. Denn die Klägerin ist unstreitig bislang nicht im Handelsregister gelöscht.

2. Die Berufung ist jedoch unbegründet.

a. Das Landgericht hat zulässigerweise vollumfänglich über die im Stufenverhältnis stehenden Klageanträge entschieden. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin erstinstanzlich nur den Klageantrag zu I. gestellt hat. Denn eine einheitliche Entscheidung über die mehreren in einer Stufenklage verbundenen Anträge ist dann zulässig, wenn schon die Prüfung des Auskunftsanspruchs ergibt, dass dem Hauptanspruch die materiell-rechtliche Grundlage fehlt (vgl. BGH, VU vom 28.11.2001, VIII ZR 37/01, NJW 2002, 1042 ff.; zit. nach juris, Rn. 20).

b. Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, der Klägerin stehe der klageweise geltend gemachte Auskunftsanspruch schon dem Grunde nach deshalb nicht zu, weil der Beklagte gem. §§ 146 Abs. 2, 133 Abs. 2 InsO die Herausgabe der streitgegenständlichen Anlagegegenstände verweigern könne. Der Senat folgt dem Landgericht in der rechtlichen Beurteilung, dass die Voraussetzungen einer Gläubigeranfechtung gemäß § 133 Abs. 2 InsO € bezogen auf die auf den 28.01.2005 datieren, zwischen der Klägerin und der Gemeinschuldnerin geschlossenen Verträge € vorliegen. Zutreffend ist zunächst die in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils formulierte Annahme, eine Benachteiligung sei dann als i.S. des § 133 Abs. 2, Satz 1 InsO unmittelbar anzusehen, wenn diese ohne Hinzutreten späterer Umstände schon mit der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung eintritt (vgl. Kirchhof in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2008, Rn. 113 zu § 129; Hess: Insolvenzrecht, Großkommentar, Heidelberg 2007, Rn. 209 zu § 133; BGH, Urt. v. 15.12.1994, IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184 ff., zit. nach juris, Rn. 20 m.w.Nw.). Bei entgeltlichen Leistungen ist die Vollwertigkeit dieses Entgelts zugleich Maßstab für den Eintritt der unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung (vgl. BGH, Urt. v. 06.04.1995, IX ZR 61/94, BGHZ 129, 236 ff., zit. nach juris, Rn. 11). Insoweit hat das Landgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass das Erfordernis der Unmittelbarkeit (allein) bezwecke, denjenigen Nachteil als unerheblich auszuschließen, der durch den späteren Verlust oder die Entwertung der Gegenleistung beim Insolvenzschuldner eintrete. Der Anfechtungstatbestand des § 133 Abs. 2 InsO setzt zudem voraus, dass die entgeltliche Leistung, die die unmittelbare Gläubigerbenachteiligung herbeiführt, in einem entgeltlichen Vertrag besteht. Er verlangt, dass die Gläubiger unmittelbar durch den Abschluss des Vertrages benachteiligt werden. Daran fehlt es bei einem Vertrag, auf Grund dessen der spätere Gemeinschuldner für das, was er aufgibt, eine vollwertige Gegenleistung erhält (vgl. BGH, Urt. v. 09.02.1955, IV ZR 173/54, NJW 1955, 709).

Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht die drei am 28.01.2005 zwischen der Klägerin und der Schuldnerin abgeschlossenen Verträge (Kaufvertrag, Darlehensvertrag, Mietvertrag) einer Gesamtbetrachtung im Hinblick auf ihre gläubigerbenachteiligende Wirkung unterzogen.

Zwar ist der Klägerin in der Beurteilung zu folgen, dass bei der Prüfung eines Anfechtungstatbestandes jede Rechtshandlung selbständig auf ihre Ursächlichkeit für gläubigerbenachteiligende Folgen zu überprüfen ist (vgl. dazu Kirchhof, a.a.O., Rn. 55 zu § 129 m.w.Nw.). Denn jede selbständig anfechtbare Rechtshandlung begründet ein eigenes, selbständiges Rückgewährschuldverhältnis (vgl. BGH, Urt. v. 07.02.2002, IX ZR 115/99, WM 2002, 561 ff., zit. nach juris, Rn. 15 m.w.Nw.). Dies gilt insbesondere für zeitgleich abgeschlossene und ggf. in einer einzigen Urkunde niedergelegte Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte, deren Anfechtbarkeit wegen des Abstraktionsgrundsatzes regelmäßig gesondert zu beurteilen ist (vgl. BGH, Urt. v. 24.05.2007, IX ZR 105/05, NJW-RR 2007, 1275 ff., zit. nach juris, Rn. 27; Kirchhof, a.a.O., Rn. 57 zu § 129 InsO).

Auch wären bei (unzulässiger) isolierter Betrachtungsweise des Kaufvertrags vom 28.01.2005 die Voraussetzungen der unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung nicht erfüllt. Denn aufgrund der Ausführungen in Rn. 147 (Bl. 179 d.A.) des in Anlage B 4 (Bl. 157 ff. d.A.) vorgelegten Behördengutachtens des € Landeskriminalamts vom 15.01.2008 kann angenommen werden, dass die bei der Veräußerung angesetzten Einzelwerte der in Anlage 1 zum Kaufvertrag aufgelisteten Anlagegegenstände - bis auf eine Ausnahme - über den durch ein Gutachten des Sachverständigen SV1, Stadt2, ermittelten Zeitwerten lagen, der in Höhe von 300.000,00 € angesetzte Kaufpreis daher nicht hinter dem Wert der verkauften Waren zurückblieb.

Die Klägerin verkennt jedoch, dass der Kaufvertrag nicht isoliert zu betrachten ist, dass sein Abschluss vielmehr Teil eines Gesamtvorgangs war, der auf einem vorgefassten Plan beruhte und der daher als einheitliche Rechtshandlung zu erfassen ist (vgl. Kirchhof, a.a.O., Rn. 65 zu § 129 InsO). Maßgeblich ist in diesem Fall das wirtschaftlich Gewollte, das ggf. durch die Aufspaltung in mehrere Rechtsgeschäfte verdeckt werden soll (vgl. BGH, Urt. v. 05.12.1991, IX ZR 271/90, WM 1992, 411 ff., zit. nach juris, Rn. 17). Davon geht ersichtlich auch die Klägerin selbst aus, wenn sie sich darauf beruft, es habe sich vorliegend um ein zulässiges sale-and-lease-back-Geschäft gehandelt. Ein sale-and-lease-back-Geschäft besteht jedenfalls aus zwei Einzelgeschäften, nämlich einem Kauf- und einem Leasingvertrag, die dem gemeinsamen Zweck der Liquiditätszufuhr und ggf. weitergehenden steuerlichen Zwecken dienen. Gleichermaßen wie bei einem sale-and-lease-back-Geschäft würde auch die (klägerseits geforderte) isolierte Betrachtungsweise der drei auf den 28.01.2005 datierten Verträge € worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat - eine künstliche Aufteilung bedeuten und den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht entsprechen. Daher hat das Landgericht zutreffend angenommen, dass sich der vereinbarte Kaufpreis nur unter Beachtung der die Zahlungspflicht der Klägerin betreffenden Regelungen der beiden anderen zeitgleich abgeschlossenen Verträge beurteilen lässt.

Aus dem Darlehensvertrag vom 28.01.2005 ergibt sich, dass der in Höhe von 300.000,00 € zzgl. MWSt. bestimmte Kaufpreis nach den Vereinbarungen der Vertragsparteien nicht in bar zu leisten war. Die Zuführung von Liquidität in Höhe des Kaufpreises oder jedenfalls in Höhe des Sachwerts der veräußerten Anlagegegenstände in das Gesellschaftsvermögen der Gemeinschuldnerin war danach gerade nicht gewollt. Darauf hat das Landgericht in den Entscheidungsgründen zutreffend maßgeblich abgestellt.

Vielmehr wurde der Kaufpreis nach § 1 Nr. 2 des Darlehensvertrags als Darlehen gewährt. Dabei handelte es sich um eine Kreditgewährung an die Klägerin als Alleingesellschafterin der Schuldnerin, deren Valutierungsvorgang als €Auszahlung€ von Gesellschaftsvermögen den Tatbestand des § 30 Abs. 1 GmbHG in der bis zum Inkrafttreten des MoMiG (Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008) gültigen Altfassung, auf die für die Beurteilung des Darlehensvertrags vom 28.01.2005 abzustellen ist, anzusehen ist (vgl. Ekkenga in: Münchener Kommentar zum GmbHG, München 2010, Rn. 223 zu § 30). Die Gewährung eines Darlehens durch eine GmbH an ihre Konzernmutter (sog. €upstream-Darlehen€) stellt sich nur dann nicht als für die Tochtergesellschaft nachteiliges Rechtsgeschäft dar, wenn diese im Austausch gegen die Darlehensvaluta einen vollwertigen Rückzahlungsanspruch und eine angemessene Verzinsung erhält (vgl. BGH, Urt. v. 01.12.2008, II ZR 102/07 € €MPS€ -, BGHZ 179, 71 ff., zit. nach juris, Rn. 10). Daran fehlt es hier mit der Folge, dass die Darlehensgewährung insgesamt unzulässig war (vgl. Hueck/Fastrich in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Rn. 55 zu § 30).

Der mit Vertrag vom 28.01.2005 begründete Darlehensrückzahlungsanspruch der Gemeinschuldnerin war nicht vollwertig , weil die Darlehensrückzahlung durch die sowohl in § 3 (3) des Kaufvertrags als auch in § 2 (4) des Mietvertrags niedergelegte Verrechnungsabrede dauerhaft nicht durchsetzbar war. Die vertraglichen Vereinbarungen begründeten keine Verpflichtung der Klägerin, dem Vermögen der Gemeinschuldnerin alsbald einen den veräußerten Anlagegegenständen entsprechenden Gegenwert zuzuführen (vgl. dazu: BGH, Urt. v. 21.05.1980, VIII ZR 40/79, WM 1980, 779 ff., zit. nach juris, Rn. 7).

Sie berechtigten die Klägerin vielmehr zur Verrechnung ihrer Darlehensraten mit Mietzinsansprüchen, die ihrerseits nicht vollwertig waren, weil die Mieten aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gemeinschuldnerin zu zahlen waren und entsprechend §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 GmbHG der Rückforderung unterlagen (vgl. Habersack in: Großkommentar zum GmbHG, 2006, Rn. 130 zu §§ 32 a, b). Die Gebrauchsüberlassung, insbesondere aufgrund eines Miet- oder Pachtverhältnisses, kann ebenso den Tatbestand einer eigenkapitalersetzenden Leistung erfüllen wie die Gewährung eines Darlehens (vgl. BGH, Urt. v. 11.07.1994, II ZR 162/92, BGHZ 127, 17 ff., zit. nach juris, Rn. 9 m.w.Nw.). Die Gebrauchsüberlassung der in Anlage 1 zum Kauf- und zum Mietvertrag vom 28.01.2005 aufgeführten Anlagegegenstände an die Gemeinschuldnerin war € bezogen auf den 28.01.2005 € kapitalersetzend, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich die Gemeinschuldnerin ohne Hilfe der Klägerin als ihrer Gesellschafterin auf dem Kapitalmarkt einen Kredit hätte beschaffen können, der es ihr ermöglicht hätte, die benötigten Anlagegegenstände selbst zu kaufen (vgl. dazu: BGH, Urt. v. 16.10.1989, II ZR 307/88, BGHZ 109, 55 ff., zit. nach juris, Rn. 14).

Zwar sagt der eigene Vortrag der Klägerin, wonach es der Mietvertrag der Gemeinschuldnerin erlaubt habe, notwendige Anlagegegenstände, statt selbst zu finanzieren, durch Zahlung eines laufenden Mietentgeltes zu nutzen, wobei die Gemeinschuldnerin in den zusätzlichen Genuss neuwertiger Bagger und Radlader gekommen sei, ohne sie finanzieren zu müssen, noch nichts über die Kreditwürdigkeit der Gemeinschuldnerin aus. Dass diese am 28.01.2005 fehlte, folgt jedoch aus dem in Anlage B 4 (Bl. 157 ff. d.A.) vorgelegten Gutachten des Landeskriminalamts ... vom 15.01.2008 (Az.-Nr. 5 Js 5509/06).

Ausweislich der Ausführungen zu Rn. 70 (Bl. 168 d.A.) dieses Gutachtens war am 31.12.2003 ein erheblicher Gewinnvortrag in Höhe von rd. T€ 430,8 in der Bilanz der Gemeinschuldnerin verzeichnet. Bedingt durch einen hohen Jahresfehlbetrag in 2004 sank dieser Gewinnvortrag auf rd. T€ 95,5. Dieser Ausweis konnte nur durch den Verkauf der hier streitgegenständlichen Anlagegegenstände an die Klägerin erreicht werden. Ohne diesen Verkauf wäre das Eigenkapital der Gemeinschuldnerin vollständig aufgezehrt gewesen und darüber hinaus noch ein (aktivistischer) Eigenkapitalposten €Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag€ entstanden.

Nach den Ausführungen zu Rn. 88, 134, 144 ff. des LKA-Gutachtens vom 15.01.2008 kam der in der Bilanz der Schuldnerin zum 31.12.2004 in Höhe von rd. T€ 69,8 ausgewiesene Bilanzgewinn in erster Linie dadurch zustande, dass sonstige außerordentliche Erträge in Höhe von rd. T€ 210,8 aus der Veräußerung der hier streitgegenständlichen Teile des Anlagevermögens realisiert worden waren. Ohne diese Erträge hätte zum 31.12.2004 eine bilanzielle Überschuldung vorgelegen (Rn. 88 und Rn. 92 des Gutachtens, Bl. 171/172 d.A.). Unter der Annahme, dass kein Verkauf/Abgang des Anlagevermögens erfolgt wäre, hätte sich zum Stichtag 31.12.2004 ein Bilanzverlust von rd. T€ 140,9 ergeben (Rn. 145 des Gutachtens, Bl. 178 R d.A.). Es kann nicht angenommen werden, dass die Gemeinschuldnerin vor diesem Hintergrund Fremdkreditmittel in Höhe des mit der Klägerin vereinbarten Kaufpreises von 300.000,00 € netto von Dritter Seite hätte erhalten können.

Darauf, ob die unstreitig im Verlauf des Jahres 2005 (20.09.2005: 29.850,00 €; 07.10.2005: 50.000,00 €, 18.10.2005: 40.000,00 €, 17.11.2005: 40.000,00 € und 30.000,00 €, 18.11.2005: 25.000,00 €) von der Klägerin an die Schuldnerin geleisteten Zahlungen in Höhe von insgesamt 214.850,00 € sowie die am 29.11.2005 erfolgte Abtretung des Umsatzsteuerguthabens in Höhe von 18.707,87 € zur (teilweisen) Tilgung der Kaufpreisforderung geführt haben, kommt es nicht streitentscheidend an. Denn eine einmal (hier am 28.01.2005) eingetretene unmittelbare Gläubigerbenachteiligung kann nicht durch spätere Umstände € vor Vollendung der Vermögensverschiebung € wieder beseitigt werden (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.1994, IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184 ff., zit. nach juris, Rn. 27). Maßgeblicher Zeitpunkt für das Eintreten einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung i.S. des § 133 Abs. 2 InsO ist also der Inhalt des Vertrages selbst und seine Auswirkungen auf das Vermögen des Schuldners; später eingetretene Umstände bleiben unberücksichtigt (vgl. Kirchhof, a.a.O., Rn. 44 zu § 133 InsO; BGH, Urt. v. 06.04.1995, IX ZR 61/94, BGHZ 129, 236 ff., zit. nach juris, Rn. 17). Daraus folgt, dass das Landgericht in rechtsfehlerfreier Weise von der Erhebung der klägerseits für den Wert der Anlagegegenstände angebotenen Beweise abgesehen hat. Auch der (erstmals) in der Berufungsbegründung enthaltene Vortrag der Klägerin, aufgrund der Vermietung sei sie zum Ersatz der erworbenen Minibagger und Radlader durch Neugeräte verpflichtet gewesen, vermag der Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn dieses Neugeräte wurden klägerseits fremdfinanziert, der Schuldnerin (nur) mietweise überlassen und unterlagen in der Insolvenz einem Aussonderungsrecht Dritter (der Vorbehaltsverkäufer).

Nach § 133 Abs. 2 InsO anfechtbar war auch das in der Übereignung der verkauften Anlagegegenstände bestehende Erfüllungsgeschäft . Die Gläubigerbenachteiligung ergibt sich insoweit daraus, dass entgegen § 30 Abs. 1 GmbHG zum Stammkapital gehöriges Vermögen der Schuldnerin an die Klägerin als Muttergesellschaft übertragen wurde.

Die Eigentumsübertragung erfolgte am 28.01.2005 dadurch, dass die Schuldnerin der Klägerin gemäß § 1 des Kaufvertrags die in der Anlage 1 zu diesem Vertrag aufgeführten Fahrzeuge, Maschinen, Werkzeuge und sonstigen Gegenstände €übertrug€. Die nach § 929 BGB für den Eigentumsübergang notwendige Besitzübergabe wurde gemäß § 930 BGB dadurch ersetzt, dass zwischen den Vertragsparteien ein Mietvertrag geschlossen wurde, vermöge dessen die Klägerin mittelbaren Besitz an den veräußerten Gegenständen erlangte.

Erfüllungshandlungen des Schuldners benachteiligen die Insolvenzgläubiger dann i.S. des § 133 Abs. 2 InsO unmittelbar, wenn eine nicht vollwertige (fällige und durchsetzbare) Verbindlichkeit des Schuldners erfüllt wird (vgl. OLG Koblenz ZInsO 2006, 946, 948; Kirchhof, a.a.O., Rn. 44 zu § 133 InsO). Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil die Eigentumsübertragung der in Anlage 1 zum Kaufvertrag aufgeführten Anlagegegenstände auf die Klägerin gegen § 30 Abs. 1 GmbHG verstieß. Die veräußerten Anlagegegenstände zählten im Veräußerungszeitpunkt zum Stammkapital, bei dem es sich um €das im Gesellschaftsvertrag festgesetzte Sollvermögen, welchem das Aktivermögen der Gesellschaft als Deckung gegenübersteht€, handelt (vgl. Thiessen in: Bork/Schäfer (Hrsg.), GmbhG, Köln 2010, Rn. 6 zu § 30). Maßgeblich dafür, ob Vermögen zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich ist, ist eine bilanzielle , nicht eine gegenständliche Betrachtungsweise (vgl. Thiessen, ebd.). Wie vorstehend dargelegt, wäre die Gemeinschuldnerin unter Außerachtlassung der aus den veräußerten Anlagegegenständen resultierenden Erträge bilanziell überschuldet gewesen.

Zu einer nach § 30 GmbHG verbotenen Auszahlung kommt es nach der gebotenen bilanziellen Betrachtungsweise zwar dann nicht, wenn die Auszahlung durch einen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch der Gesellschaft kompensiert wird, der im Sinne des Bilanzrechts vollwertig ist (vgl. Hommelhoff in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Rn. 25 zu § 30). Der Übereignung der verkauften Anlagegegenstände stand - bezogen auf den 28.01.2005 € jedoch kein derart gleichwertiger Gegenanspruch zu. Denn der Kaufpreisanspruch war aufgrund der getroffenen Darlehens- und Verrechnungsabrede nicht durchsetzbar. Insoweit wird auf obige Ausführungen zur Anfechtbarkeit des Verpflichtungsgeschäfts vollumfänglich Bezug genommen.

Auch hinsichtlich der Bejahung der - unter b) bis d) der Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils € abgehandelten weitergehenden Voraussetzungen des Anfechtungstatbestands des § 133 Abs. 2 InsO kann dem erstinstanzlichen Urteil vollumfänglich gefolgt werden. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der zutreffenden Annahme, dass es der Klägerin nicht gelungen ist, den Anforderungen des § 133 Abs. 2, Satz 2, 2. Hbs. InsO entsprechend die Vermutung für ihre Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes zu widerlegen.

Auch unter Berücksichtigung der Berufungsangriffe kann nicht angenommen werden, der Klägerin sei unbekannt gewesen, dass die Gemeinschuldnerin Ende 2004/Anfang 2005 nicht in der Lage war, sich auf dem Finanzmarkt von Dritter Seite einen Kredit zur Finanzierung der streitgegenständlichen Anlagegegenstände zu beschaffen. Die Klägerin hat selbst nicht vorgetragen, sie habe die Vorjahresbilanz der Gemeinschuldnerin und den Eintritt erheblichen Verlusts im Jahre 2004 nicht gekannt. Kannte die Klägerin aber die finanziell angespannte Finanzlage ihrer Tochtergesellschaft, so spricht dies jedenfalls nicht gegen, sondern allenfalls für die Kenntnis deren Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes.

Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglos gebliebenen Berufung zu tragen.

Das Urteil ist nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder der Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 14.07.2010
Az: 17 U 239/09


Link zum Urteil:
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