Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Dezember 2009
Aktenzeichen: 35 W (pat) 24/08

(BPatG: Beschluss v. 17.12.2009, Az.: 35 W (pat) 24/08)

Tenor

1.

Auf die Beschwerde der Löschungsantragsgegnerin wird der Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patentund Markenamts vom 9. Juli 2008 in der Kostenentscheidung aufgehoben.

2.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Löschungsantragstellerin.

Gründe

I.

Die Löschungsantragsgegnerin ist Inhaberin des am 20. April 2005 angemeldeten Gebrauchsmusters 20 2005 006 616 (Streitgebrauchsmuster) mit der Bezeichnung "Flexibler Packungsbeutel", das am 28. Juli 2005 mit 10 Schutzansprüchen in das Gebrauchsmusterregister eingetragen worden ist.

Schutzanspruch 1 in der eingetragenen Fassung lautet:

"Flexibler Verpackungsbeutel mit einem aus einer beidseitig verschließbaren Schlauch artigen Verbundfolie bestehenden Körper, wobei die Verbundfolie mit einem bedruckbaren Hüllstoff beschichtet ist und mindestens eine, mit dem Inhalt des Verpackungsbeutels in Berührung kommende Schicht oder mindestens eine Beschichtung gegenüber hochprozentigem Alkohol resistent ist."

Die Löschungsantragstellerin hat das Streitgebrauchsmuster mit Löschungsantrag vom 5. Juli 2006 in vollem Umfang angegriffen. In der Antragsbegründung hat sich die Löschungsantragstellerin im Einzelnen mit der mangelnden Schutzfähigkeit sämtlicher 10 eingetragener Ansprüche auseinandergesetzt. Die Löschungsantragsgegnerin hat dem Löschungsantrag in vollem Unfang widersprochen. Mit Bescheid vom 23. Januar 2007 hat die Gebrauchsmusterabteilung I den Beteiligten mitgeteilt, dass der Löschungsantrag voraussichtlich Erfolg haben werde, da der Gegenstand des Hauptanspruchs "insbesondere" gegenüber der von der Gebrauchsmusterabteilung I ermittelten und als D8 neu in das Verfahren eingeführten GB 2361906 A nicht mehr neu sei. Mit Schriftsatz vom 29. Januar 2008 hat die Löschungsantragsgegnerin einen eingeschränkten neuen Anspruch 1 eingereicht, der dem weiteren Verfahren zugrunde gelegt werden solle. An diesen Anspruch, in den die Löschungsantragsgegnerin auf den eingetragenen Anspruch 3 gestützt Merkmale aus der Beschreibung aufgenommen hat, sollten sich die eingetragenen Ansprüche 2 sowie 4 bis 10 als Ansprüche 2 bis 9 anschließen.

Der geänderte Schutzanspruch 1 lautete wie folgt:

"Flexibler Verpackungsbeutel mit einem aus einer beidseitig verschließbaren Schlauch artigen Verbundfolie bestehenden Körper, wobei die Verbundfolie mit einem bedruckbaren Hüllstoff beschichtet ist und mindestens eine, mit dem Inhalt des Verpackungsbeutels in Berührung kommende Schicht oder mindestens eine Beschichtung gegenüber hochprozentigem Alkohol resistent ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Verbundfolie in Wesentlichen aus Schichten aus einem polymeren Trägermaterial, beispielsweise Polyethylen oder Polypropylen, einem Polyester wie Polyethylenterephtalat oder Polyethylenaphtalat und weiteren Schichten, von denen zwei als Sperreschichten wirken, wobei eine der beiden Sperreschichten aus einem anorganischen Material wie Aluminium oder Aluminiumoxid besteht."

Daraufhin hat die Löschungsantragstellerin mit Schriftsatz vom 18. März 2008 beantragt, das Streitgebrauchsmuster im Umfang der Ansprüche 1 bis 10 zu löschen, soweit diese über den neu vorgelegten Schutzanspruch hinausgingen, und der Löschungsantragsgegnerin die Kosten in vollem Umfang aufzuerlegen. Den Kostenantrag hat die Löschungsantragstellerin damit begründet, dass das neu in den Schutzanspruch aufgenommene Merkmal, wonach "die Verbundfolie in Wesentlichen ... aus einem polymeren Trägermaterial ... und weiteren Schichten [besteht], von denen zwei als Sperreschichten wirken", ausschließlich in der Beschreibung des eingetragenen Gebrauchsmusters enthalten gewesen sei. Weder seien die genannten neu aufgenommenen Merkmale maßgebend für die Bestimmung des Schutzbereichs des Gebrauchsmusters in der eingetragenen Form noch sei absehbar gewesen, dass das Gebrauchsmuster durch Aufnahme dieser Merkmale beschränkt werden würde.

Die Gebrauchsmusterabteilung I hat in ihrem Beschluss vom 9. Juli 2008 antragsgemäß entschieden und zur Begründung der Kostenentscheidung ausgeführt, dass die Löschungsantragstellerin zwar zuletzt ihren Antrag auf volle Löschung nicht aufrechterhalten habe, eine Kostenentscheidung zu ihren Lasten aber aus Gründen der Billigkeit nicht ergehe, da es ihr nicht möglich, jedenfalls aber nicht zumutbar gewesen sei, in ihrer ursprünglichen Antragsfassung den von der Löschungsantragsgegnerin zur Verteidigung des Gebrauchsmusters vorgenommenen Änderungen Rechnung zu tragen, da diese aus der Beschreibung des Gebrauchsmusters entnommen worden seien.

Gegen diese Kostenentscheidung richtete sich die Beschwerde der Löschungsantragsgegnerin. Sie ist der Auffassung, dass für ein Abweichen vom Unterliegensprinzip vorliegend kein Raum sei. Hierfür bedürfte es eines konkret zu begründenden Ausnahmefalls, der aber nicht vorliege. Bei der Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung in den Hauptanspruch handle es sich um eine gewöhnliche und im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren übliche Praxis.

Die Löschungsantragsgegnerin beantragt sinngemäß, den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patentund Markenamts vom 9. Juli 2008 in der Kostenentscheidung aufzuheben.

Die Löschungsantragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie trägt vor, dass nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundespatentgerichts in Nichtigkeitsverfahren der Beklagte dann aus Billigkeitsgründen die Verfahrenskosten tragen müsse, wenn das Streitpatent erstmals im Verlaufe des Verfahrens mit neu gefassten Patentansprüchen verteidigt werde und der Kläger sich sofort damit einverstanden erkläre. Diese Rechtsprechung sei auch auf das Gebrauchsmusterlöschungsverfahren anwendbar. Durch die von der Löschungsantragstellerin im Übrigen nicht vorhersehbaren äußerst starken Beschränkungen des Streitgebrauchsmusters mit Merkmalen aus der Beschreibung sei dem Löschungsantrag faktisch in vollem Umfang entsprochen worden.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg, da es im vorliegenden Fall nicht veranlasst war, der Löschungsantragsgegnerin die Kosten des Löschungsverfahrens aus Billigkeitsgründen in vollem Umfang aufzuerlegen.

1. Wer im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren die Kosten zu tragen hat, entscheidet sich wie im Patentnichtigkeitsverfahren grundsätzlich nach dem Unterliegensprinzip (§§ 91 ff. ZPO). Dies ergibt sich aus der Verweisung in § 17 Abs. 4 S. 2 GebrMG auf § 84 Abs. 2 PatG.

1.1. Maßgeblich ist das Verhältnis des Sachantrags, nicht der Sachprüfung, zum Umfang des Löschungsausspruchs. Beschränkte Verteidigung ist kein volles Unterliegen (vgl. Busse, Patentgesetz, 6. Aufl. 2003, § 17 GebrMG, Rn. 47) und rechtfertigt daher per se keine vollständige Kostenüberbürdung. Erforderlich ist bei Teillöschung nach vorheriger Selbstbeschränkung vielmehr stets eine Kostenquotelung (§ 92 Abs. 1 S. 1 ZPO). Das Kostenrisiko eines zu weit gefassten Antrags trägt regelmäßig der Antragsteller, der auch dann teilweise unterliegt, wenn er seinen ursprünglich auf vollständige Löschung gerichteten Antrag -wie im vorliegenden Fall -im Laufe des Verfahrens einschränkt (Benkard, Patentgesetz Gebrauchsmustergesetz, 10. Aufl. 2006, § 17 GebrMG, Rn. 19; Keukenschrijver, Das Patentnichtigkeitsverfahren, 3. Aufl. 2008, S. 124, Rn. 198; jeweils m. w. N.).

1.2. Danach sind der Löschungsantragsgegnerin in dem Maße Kosten aufzuerlegen, in der sie ihren Widerspruch gegen den Löschungsantrag im Verlauf des Verfahrens zurückgenommen hat. Sie hat mit Schriftsatz vom 29. Januar 2008 zunächst einen eingeschränkten neuen Anspruch 1 mit dem Hinweis eingereicht, dass dieser neue Anspruch dem weiteren Verfahren zugrunde gelegt werden solle, und die Rückbezüge der verbleibenden Unteransprüche entsprechend geändert. In ihrem Schriftsatz vom 25. April 2008 hat sie des weiteren erklärt, dass das Streitgebrauchsmuster nur noch im Rahmen dieser Ansprüche verteidigt werde und über diesen Umfang hinaus Rechte aus dem Streitgebrauchsmuster nicht mehr geltend gemacht würden. Damit hat die Löschungsantragsgegnerin ihren ursprünglich in vollem Umfang eingelegten Widerspruch teilweise zurückgenommen (BGH GRUR 1995, 210 ff. - Lüfterklappe), das Streitgebrauchsmuster war hinsichtlich seines über die beschränkte Verteidigung hinausgehenden Umfangs aufgrund des am 18. März 2008 eingegangenen Teillöschungsantrags der Löschungsantragstellerin ohne Sachprüfung zu löschen. In diesem Umfang ist die Löschungsantragsgegnerin unterlegen. Nur insoweit fallen ihr die Kosten des Löschungsverfahrens ohne weiteres zur Last.

1.3. Billigkeitserwägungen gemäß § 84 Abs. 2 S. 2 PatG erfordern hier keine weitgehende Kostenauferlegung.

a) In dem Antrag der Löschungsantragstellerin, das Streitgebrauchsmuster (nur noch) im Umfang der eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 10 zu löschen, soweit diese über die von der Antragsgegnerin neu eingereichten Schutzansprüche hinausgehen, liegt eine Teilrücknahme des ursprünglich auf vollständige Löschung des Streitgebrauchsmusters liegenden Löschungsantrags. Der Übergang von einem Antrag auf Volllöschung zu einem Antrag auf Teillöschung macht die Antragstellerin zur teilweise Unterliegenden, obwohl sie mit ihrem zuletzt gestellten Antrag vollen Erfolg hatte, mit der Konsequenz, dass sie insoweit die Kosten des Löschungsverfahrens zu tragen hat (vgl. Busse a. a. O., Rn. 51).

b) Daran ändert sich nichts dadurch, dass der Löschungsantrag grundsätzlich die eingetragenen Ansprüche zum Gegenstand haben muss. Der Auffassung der Gebrauchsmusterabteilung, dass es der Löschungsantragstellerin nicht möglich und nicht zumutbar gewesen sei, in ihrer ursprünglichen Antragsfassung den von der Löschungsantragsgegnerin zur Verteidigung des Gebrauchsmusters vorgenommenen Änderungen Rechnung zu tragen, da diese aus der Beschreibung des Gebrauchsmusters entnommen worden seien, ist allerdings insofern beizupflichten, als es nicht Sache des Antragstellers ist, eine mit bestimmten Merkmalen beschränkte Anspruchsfassung vorzugeben (vgl. BGH GRUR 1997, 272 ff. - Schwenkhebelverschluss; BPatG GRUR 2009, 46 ff. - Ionenaustauschverfahren).

Dies allein führt aber nach Auffassung des Senats nicht dazu, dass der Löschungsantragsteller aus Billigkeitserwägungen von sämtlichen Kosten freigestellt werden muss, wenn er nach einer Einschränkung seinen weitergehenden Antrag zurücknimmt. Dies könnte allenfalls dann entsprechend § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gerechtfertigt sein, wenn die "Zuvielforderung" nur gering wäre und kostenmäßig nicht ins Gewicht fiele, was regelmäßig wie auch hier nicht der Fall ist. Denn die Einschränkung erfolgte vorliegend hinsichtlich der nicht als Sperrschichten ausgebildeten Schichten der Verbundfolie nur allgemein auf polymere Trägermaterialien und hinsichtlich einer der zwei Sperreschichten allgemein auf anorganisches Material, womit auch weiterhin eine Vielzahl von Materialkombinationen beansprucht wird.

Im hier zu entscheidenden Fall verbliebt es bei der gesetzlichen Kostenregelung des § 92 Abs. 1 ZPO, dass dem Löschungsantragsteller bei einer hinter seinem Antrag zurückbleibenden Entscheidung teilweise die Kosten zu Last fallen. Dies gilt nicht nur, wenn sich der Gebrauchsmusterinhaber auf einen schutzfähigen Unteranspruch zurückzieht oder in zulässiger Weise ein den Schutz begründendes Merkmal aus einem Unteranspruch in den Hauptanspruch aufnimmt. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn der Gebrauchsmusterinhaber wie hier den Hauptanspruch erfolgreich mit einem Merkmal aus der Beschreibung einschränkt. Ein Abweichen von diesem Grundsatz aus Billigkeitserwägungen wäre nur dann gerechtfertigt, wenn der Löschungsantragsteller in jedem Fall einer späteren Beschränkung dazu gezwungen wäre, vorher einen zu weiten Antrag zu stellen. Dies ist jedoch nicht so. Das Problem der zu weiten Antragsfassung beruht nicht darauf, dass der Löschungsantragsteller keine bestimmte Fassung der Schutzansprüche vorgeben und grundsätzlich nur die eingetragene Fassung angreifen kann. Dass der Antrag in Kosten relevantem Umfang zu weit ist, liegt vielmehr wie im vorliegenden Fall regelmäßig daran, dass der Löschungsantrag nicht expressis verbis ausschließlich auf die eingetragene Fassung gerichtet und nur auf diese beschränkt formuliert ist. Dass eine entsprechende Antragsformulierung grundsätzlich möglich ist, zeigt die Entscheidung "Drahtseele" des 2. Senats des Bundespatentgerichts vom 13. Oktober 1994 (BPatG Bausch 1994 - 1998, S 25 ff, Rn 19). Wenn das Gebrauchsmuster dann eingeschränkt wird, hat der so gefasste Löschungsantrag in vollem Umfang Erfolg und führt zur vollständigen Kostenüberbürdung auf den Gebrauchsmusterinhaber. Dabei muss der Löschungsantragsteller auch nicht sämtliche für den Gebrauchsmusterinhaber bestehenden Rückzugsmöglichkeiten theoretisch erfassen. Für ihn ist ausreichend, im Vorfeld zu überprüfen, ob die ihn "störenden" eingetragenen Schutzansprüche des Gebrauchsmusters von den geltend gemachten Löschungsgründen erfasst werden. Sollte sich eine im Verfahrensverlauf erfolgende Einschränkung als ebenfalls nicht schutzfähig erweisen, hat der Löschungsantragsteller die Möglichkeit, die eingeschränkte Fassung ebenfalls zu bekämpfen mit dem daraus für ihn resultierenden Kostenrisiko oder aber sie unbeanstandet zu lassen, falls ihn die eingeschränkte Version nicht "stört", womit er, wie ausgeführt, in vollem Umfang obsiegt.

Diese Lösung orientiert sich ausschließlich am Verhältnis des Sachantrags zum Umfang des Löschungsausspruchs. Sie führt insbesondere nicht dazu, dass ein vor dem Hintergrund der ursprünglichen Antragsformulierung echtes Teilunterliegen mit einem vollständigen Obsiegen gleichgesetzt wird. Letzteres kann im Einzelfall erhebliche Kostenfolgen mit sich bringen, was aus den genannten Gründen nicht mehr mit Billigkeitserwägungen zu rechtfertigen wäre.

2. Als Unterlegene trägt die Beschwerdegegnerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens, § 18 Abs. 2 S. 2 GebrMG i. V. m. §§ 84 Abs. 2 S. 2 PatG, 91 Abs. 1 ZPO.

Bei der nunmehr zu treffenden Kostenentscheidung für das Löschungsverfahren im ersten Rechtszug wird das Deutsche Patentund Markenamt somit das Ausmaß der beschränkten Verteidigung und damit das Ausmaß des jeweiligen Obsiegens zu berücksichtigen haben.

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BPatG:
Beschluss v. 17.12.2009
Az: 35 W (pat) 24/08


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