Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. März 2004
Aktenzeichen: 21 W (pat) 301/03

(BPatG: Beschluss v. 02.03.2004, Az.: 21 W (pat) 301/03)

Tenor

Nach Prüfung des Einspruchs wird das Patent widerrufen.

Gründe

I.

Auf die am 9. Juni 1998 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte und am 16. Dezember 1999 offengelegte Patentanmeldung ist das nachgesuchte Patent unter der Bezeichnung "Endoskopsystem für die spinale Chirurgie" erteilt worden; die Veröffentlichung der Erteilung ist am 14. August 2002 erfolgt.

Gegen das Patent ist ein Einspruch erhoben worden.

Dem Einspruchsverfahren liegt der erteilte Patentanspruch 1 mit folgendem Wortlaut zugrunde:

"Endoskopsystem für die spinale Chirurgie, mit einem abgewinkelten Endoskop (4,5,6,7,8) und einer Positioniereinrichtung, dadurch gekennzeichnet, dass die Positioniereinrichtung eine manuell handhabbare Positionierplatte (1) und ein sich quer zu dieser erstreckendes Führungsrohr (2) aufweist, welches dazu bestimmt ist, das Endoskop aufzunehmen, wobei die Positionierplatte (1) und das Führungsrohr (2) das abgewinkelte Endoskop (4,5,6,7,8) führen."

Zu den Unteransprüchen 2 bis 10 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Dem Gegenstand des Patents liegt die Aufgabe zugrunde, ein Endoskopiesystem zu schaffen, welches im Spinalbereich anatomisch leicht und präzise platziert werden kann und dem Operateur die manuelle Handhabung seiner Instrumente bei optimaler Rundumsicht erleichtert (Sp. 1, Z. 52-56 der Patentschrift).

Zur Begründung des Einspruchs verweist die Einsprechende unter anderem auf folgende Druckschriften:

(E2) WO 97/34 536 A2

(E5) Auszug aus Prospekt der Firma RICHARD WOLF: "Dilatations- und Extraktions-Instrumente 5-10 mm", B/D/E 210.310a, ein Blatt mit Druckzeichen X.94.

Zur Begründung des Einspruchs führt die Einsprechende aus, dass aus der Druckschrift (E2) ein gattungsgemäßes Endoskopsystem für die spinale Chirurgie bekannt sei, welches zudem eine Positioniereinrichtung in Form einer Klammer und ein quer zu dieser Klammer sich erstreckendes Führungsrohr aufweise, wobei das Führungsrohr zur Aufnahme und Führung des Endoskops geeignet sei. Als einziger Unterschied zu dem aus der Druckschrift (E2) bekannten Endoskopsystem verbleibe, für die Positioniereinrichtung eine Platte vorzusehen. Diesem Merkmal komme nach Meinung der Einsprechenden vor dem Hintergrund der Druckschrift (E5), in der ein Trokar mit einer als Platte ausgebildeten Positioniereinrichtung beschrieben sei, keine die Erfindung tragende Eigenschaft zu, so dass der Gegenstand nach Patentanspruch 1 insgesamt auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Der Patentinhaber stellt den Antrag, das Patent aufrechtzuerhalten.

Der Patentinhaber führt im Wesentlichen aus, dass aus keiner der im Verfahren befindlichen Druckschriften eine Positionierplatte bei einem Endoskopsystem für die spinale Chirurgie angeregt sei. Erst durch diese Positionierplatte sei der Chirurg in der Lage, das Endoskopsystem in jeder denkbaren Raumrichtung zu positionieren, wobei er hierbei die Positionierplatte mit beiden Händen halten könne. Nach der endgültigen Positionierung werde die Positionierplatte mit beiden Händen durch eine an der Operation beteiligte Person festgehalten. Der Trokar nach Druckschrift (E5) zeige zwar eine Schulter, die eine plattenförmige Gestalt aufweise, aber es finde sich in dieser Druckschrift keine Anregung, diese Schulter speziell zur Positionierung heranzuziehen, so dass auch bei einer Zusammenschau der Druckschriften (E2) und (E5) der Gegenstand nach Anspruch 1 nicht nahegelegt sei.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet im Einspruchsverfahren auf Grund mündlicher Verhandlung in entsprechender Anwendung von PatG § 78 (vgl. BPatG Mitt. 2002, 417, 418 - Etikettierverfahren).

Der frist- und formgerecht eingelegte Einspruch ist zulässig, denn es sind innerhalb der Einspruchsfrist die den Einspruch rechtfertigenden Tatsachen im Einzelnen dargelegt, so dass der Patentinhaber und insbesondere der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können. Der Einspruch führt auch zum Erfolg.

Die von der Einsprechenden aufgeworfene Frage der Zulässigkeit des erteilten Patentanspruchs 1 kann ebenso dahingestellt bleiben wie die Frage der Neuheit des Gegenstandes nach Anspruch 1, da der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruht.

Der nach Merkmalen gegliederte Patentanspruch 1 lautet:

M1 Endoskopsystem für die spinale Chirurgie, M1a mit einem abgewinkelten Endoskop (4,5,6,7,8) und M1b einer Positioniereinrichtung, dadurch gekennzeichnet, dass M2 die Positioniereinrichtung eine manuell handhabbare Positionierplatte (1) und M3 ein sich quer zu dieser erstreckendes Führungsrohr (2) aufweist, M4 welches dazu bestimmt ist, das Endoskop aufzunehmen, M5 wobei die Positionierplatte (1) und das Führungsrohr (2) das abgewinkelte Endoskop (4,5,6,7,8) führen.

Aus der Druckschrift (E2) ist ein gattungsgemäßes Endoskopsystem für die spinale Chirurgie bekannt (vgl. Sp. 1, Z. 3-6 der Streitpatentschrift), welches ein abgewinkeltes Endoskop 50,51,183,184,185,190 und eine Positioniereinrichtung 20,27,30,170 aufweist (vgl. S. 15, Z. 12 bis S. 16, Z. 18 und S. 34, Z. 25ff in Verbindung mit Fig. 1, 15 und 24; entspricht Merkmal M1, M1a und M1b). Diese Positioniereinrichtung weist ein als Kanüle bezeichnetes Führungsrohr 20 auf, das zusammen mit einer am proximalen Ende dieses Führungsrohrs aufschiebbaren hülsenförmigen Vorrichtung 30,170 in Verbindung mit einer an dem Führungsrohr (Hülse) 20 angebrachten Befestigungsklammer 27 zur Positionierung des Endoskops und weiterer Werkzeuge dient. Die Befestigungsklammer 27 verläuft dabei quer zum Führungsrohr (Hülse) 20 (vgl. S. 16, Z. 4-18, S. 34, Z. 25 bis S. 35, Z. 24, S. 47, Z. 4-7 und S. 48, Z. 10-14 in Verbindung mit Fig. 1, 10 und 15; entspricht Merkmal M2 und M3 bis auf die Positionierplatte). Das Führungsrohr (Kanüle) 20 nimmt hierbei das Endoskop auf (vgl. S. 15, Z. 14ff; entspricht Merkmals M4) und die hülsenförmige Vorrichtung 30,170 führt zusammen mit dem Führungsrohr (Kanüle) 20 das abgewinkelte Endoskop (vgl. S. 16, Z. 24-28; entspricht Merkmal M5). Nach den Ausführungen auf S. 48, Z. 10-14 kann der Operateur das Führungsrohr (Hülse) 20 zusammen mit der hülsenartigen Vorrichtung 30,170 und der am Führungsrohr angebrachten Befestigungsklammer 27 in allen Raumrichtungen positionieren, bis er die gewünschte Operationsstelle gefunden hat. Anschließend wird das gesamte Endoskopsystem mit Hilfe der Befestigungsklammer 27 mit einem am Operationstisch befestigten Haltearm verbunden, um das Endoskopsystem für die weitere Operation zu fixieren (vgl. u.a. S. 35, Z. 6-24).

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 unterscheidet sich von dem aus der Druckschrift (E2) bekannten Endoskopsystem einzig im Vorsehen einer Positionierplatte. Die bereits dargelegte Positionierung des Endoskopsystems erfolgt in (E2) seitens des Operateurs durch die Handhabung der hülsenförmigen Vorrichtung 30,170 in Verbindung mit der in einer Richtung abstehenden Befestigungsklammer 27. Diese nur in eine Richtung zeigende Befestigungsklammer ist insbesondere für die Betätigung mit einer Hand geeignet und kann bei ungünstiger räumlicher Positionierung der Befestigungsklammer in Bezug auf die Position des Operateurs zu einer erschwerten Handhabung führen. Der Fachmann, ein Fachhochschulingenieur mit langjährigen Erfahrungen in der Entwicklung von Endoskopsystemen, wird deshalb vor dem Hintergrund der Aufgabe, dem Operateur die manuelle Handhabung zu erleichtern, nach Wegen suchen, bei sämtlichen Relativpositionen zwischen Operateur und Endoskopsystem eine möglichst gute Handhabung zu erzielen. Dabei fällt ins Auge, die nur in eine Richtung zeigende Befestigungsklammer als flächiges Gebilde um das komplette Führungsrohr herum zu erweitern, um somit von allen Seiten eine stets gleichgute Zugangsmöglichkeit zu haben. Auf diese rein fachmännische Weise gelangt man ausgehend von der Befestigungsklammer 27, ohne erfinderisch tätig zu werden, zu der streitpatentgemäßen Positionierplatte und somit zum Gegenstand nach Anspruch 1.

Für die Positionierung von mikrochirurgischen Werkzeugen eine Positionierplatte zu verwenden, ist dem Fachmann im übrigen wohl vertraut, wie der zum Nachbarfachgebiet gehörenden Druckschrift (E5) zu entnehmen ist. Dort wird ein Trokar beschrieben, der am proximalen Ende der Trokarhülse eine senkrecht zur Längsachse dieser Hülse verlaufende Platte aufweist, welche zur Positionierung des Trokars dient (vgl. in (E5) die mit den Nummern 8934.95 und 8385.50 bezeichneten Trokarhülsen).

Demnach ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 aus der Druckschrift (E2) und dem Fachwissen (beispielhaft wird hierbei auf die Druckschrift (E5) verwiesen) nahegelegt. Der Patentanspruch 1 ist daher nicht patentfähig.

Die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 10 müssen schon aus formalen Gründen (Antragsgrundsatz) mit dem Hauptanspruch fallen. Diesen Merkmalen kommt vor dem Hintergrund des Standes der Technik im übrigen keine erfinderische Tätigkeit zu.

Entsprechend dem Kennzeichen des Anspruchs 2 ist das Endoskopsystem nach (E2) in das Führungsrohr 20 einführbar und um 360¡ schwenkbar (vgl. Bezugszeichen R in Fig. 1) und das Endoskop ist mittels einer Höhenverstelleinrichtung 170 in seiner Höhe einstellbar (entspricht dem Kennzeichen in Anspruch 3; vgl. in (E2) u.a. S. 35, Z. 25ff). Für diese Höhenverstellung eine Schraube vorzusehen (entsprechend dem Kennzeichen nach Anspruch 4) stellt eine der einfachsten Möglichkeiten für deren Ausgestaltung dar und wird vom Fachmann daher auf rein handwerkliche Weise umgesetzt. Das Vorsehen einer integrierten Spülleitung nach Anspruch 5 und eines integrierten Lichtleiters nach Anspruch 6 ist gleichfalls aus der Druckschrift (E2) vorbekannt (vgl. S. 36, Z. 18ff und S. 15, Z. 22-24). Die Durchmessergrößen gemäß Anspruch 7 ergeben sich beispielsweise aus der Druckschrift (E5) (vgl. die Werte in der unteren Zeichnung, ganz rechts). Das Verwenden einer Stablinsenoptik oder einer Faseroptik nach den Ansprüchen 8 und 9 stellt reines Fachwissen dar, wie ein Blick auf S. 15, Z. 24-28 der (E2) zeigt. Die Anordnung der Positionierplatte nach dem Kennzeichen des Anspruchs 10 an einem Ende des Führungsrohrs wie auch die Ausbildung der Positionierplatte als flache Scheibe wird der Fachmann in Anpassung an die operativen Gegebenheiten auf rein fachmännische Weise vornehmen.

Dr. Winterfeldt Klosterhuber Dr. Franz Dr. Strößner Pr






BPatG:
Beschluss v. 02.03.2004
Az: 21 W (pat) 301/03


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