Finanzgericht Köln:
Urteil vom 26. Juni 2003
Aktenzeichen: 10 K 1132/02

(FG Köln: Urteil v. 26.06.2003, Az.: 10 K 1132/02)

Tenor

Anmerkung: Der Klage wurde stattgegeben.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Umsätze des Klägers gegenüber B und C im Rahmen der Ausstrahlung der ... und des ... auf dem Kanal Q dem vollen oder dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.

Der Kläger stellt aufgrund eines Vertrages vom 9. Juni 1997 B und C Gebärdensprachdolmetscher für den Fernsehkanal Q. Dabei sind folgende Leistungen vertraglich vereinbart:

Gestellung von Gebärdensprach-Dolmetschern für Simultan-Gebärdensprache-Dolmetschen der Sendungen "..." und "..." während der Ausstrahlungen der Sendungen im Kanal Q,

Verpflichtung der Bildung eines Pools geeigneter Dolmetscher,

Disposition der Einsätze der Dolmetscher einschließlich Standby,

Einweisung und Betreuung der Dolmetscher vor Ort inklusive Abwicklung administrativer Vorgänge,

Organisation eines Informationsflusses (Texte und Inhaltsangaben der zu dolmetschenden Sendung) zur Vorbereitung der Dolmetscher,

Übermittlung der Daten bezüglich der personellen Besetzung der jeweiligen Sendung an die Q-Produktionsleistung.

Jede gedolmetschte Sendeminute wurde dem Kläger mit einem festen Satz vergütet, der die gesetzliche Mehrwertsteuer enthält. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag Nr. ... zwischen dem C und dem Kläger sowie den dazu gehörenden Anhängen (Allgemeine Bedingungen zum Mitwirkungsvertrag und Vertragsbedingungen zur Rechtübertragung an das C) Bezug genommen.

Die vertraglichen Beziehungen des Klägers mit den einzelnen Dolmetscherinnen sehen folgenden Leistungsumfang vor:

Simultandolmetschen "..." und "..." während der Ausstrahlung im Kanal Q,

Gestellung eines Standby-Dolmetschers in Rufbereitschaft zu den Sendungen,

Anfahrten zum Q-Sendestudio,

Erstellen von Einsatzplänen in Absprache mit allen Beteiligten einschließlich Auftraggeber,

Information des Auftraggebers über Einsatzplan-Änderungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird beispielhaft auf die Vereinbarung zwischen dem Kläger und Frau N/K vom 1. Juni 1997 Bezug genommen.

Die Nachrichtensendungen werden simultan übersetzt. Dabei kann aufgrund der Besonderheiten der Gebärdensprache keine wortwörtliche Übersetzung erfolgen, es werden vielmehr Sachzusammenhänge in eine für Gehörlose verständliche Gebärdensprache übersetzt.

Der Kläger unterwarf die vereinnahmten Honorare dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe c UStG.

Der Beklagte vertrat im Anschluß an eine Umsatzsteuersonderprüfung die Auffassung, dass der volle Steuersatz anzuwenden sei und erließ entsprechende geänderte Umsatzsteuerbescheide für 1999 und 2000 vom 6. November 2001. Die Mehrsteuern betrugen DM 26.642,30 bzw. 26.762,72.

Die gegen die Umsatzsteuerbescheide eingelegten Einsprüche wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 2002 als unbegründet zurück. Zur Begründung trug er im wesentlichen vor:

Werke im urheberrechtlichen Sinne sei nach § 2 Abs. 2 UrhG nur persönliche geistige Schöpfungen. Bei Nachrichten und Tagesneuigkeiten, die durch Presse und Funk verbreitet würden, lägen regelmäßig keine Werke im Sinne des Urheberrechts vor. Sofern ausnahmsweise der Werkcharakter einzelner Beiträge angenommen werden könne, entfalle für derartige Werke gemäß § 49 UrhG der urheberrechtliche Schutz.

Umsatzsteuerliche Hauptleistung sei die Übersetzungstätigkeit. Dies zeige sich auch in der Vergütung nach gedolmetschten Sendeminuten. Sei das übersetzte oder sonst bearbeitete Werk - wie im Streitfall die Nachrichten - selbst nicht urheberrechtlich geschützt, so genieße auch die Übersetzung oder anderweitige Bearbeitung keinen urheberrechtlichen Schutz nach § 3 UrhG.

Mit der Klage trägt der Kläger vor:

Er verschaffe Senderechte an Leistungen. Die ... sei ein eigenes urheberrechtlich geschütztes Werk. Sie werde nicht in der üblichen Form ausgestrahlt, sondern mit einem eingeblendeten Bild der Gebärdensprachdolmetscherin, die silmutan die Moderation, Nachricht oder Korrespondenten-Schaltungen und Diskussion übersetze. Die Dolmetscherin sei demnach Teil des ausgestrahlten "Werks". Das eingeblendete Bild umfasse etwa 1/5 bis 1/4 des gesamten Fernsehbildes. Da die Sendung selbst ein urheberrechtlich geschütztes Werk sei, treffe dies auch auf seine Leistung zu.

Der Kläger beantragt,

die strittige Umsatzsteuer 1999 und 2000 in der Weise herabzusetzen, dass sämtliche Umsätze mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 % berechnet würden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte hat während des Klageverfahrens für 2000 am 26. Mai 2003 einen Umsatzsteueränderungsbescheid erlassen. Dieser ist gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.

Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger deshalb in seinen Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -.

Der Beklagte hat zu Unrecht auf die hier streitbefangenen Umsätze des Klägers den vollen Umsatzsteuersatz angewandt. Die Umsätze unterliegen vielmehr dem ermäßigten Steuersatz von 7 v.H.

1. Die Leistungen des Klägers unterliegen nach nationalem Recht dem ermäßigten Steuersatz.

a) Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe c ermäßigt sich die Umsatzsteuer auf 7 v.H. für die folgenden Umsätze:

"Die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben".

Die Umsätze des Klägers fallen unter diese Vorschrift.

b) Der Kläger schuldet die Übersetzungsleistungen gegenüber den Sendeanstalten in eigener Person. Dies ergibt sich aus den vertraglichen Beziehungen des Klägers mit B und C. Es liegen nicht lediglich Vermittlungsleistungen vor.

c) Diese Leistungen sind Bestandteil des einheitlichen Werks "Nachrichtensendung für Gehörlose". Dieses unterliegt nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG als Filmwerk dem Urheberrecht. Der Senat kann offenlassen, ob der Auffassung des Beklagten zu folgen wäre, dass eine Nachrichtensendung wegen § 2 Abs. 2 bzw. § 49 UrhG keinen Urheberrechtsschutz genießt. Zumindest das Werk "Nachrichtensendung für Gehörlose" stellt sich als Ergebnis individuell geistigen Schaffens dar (vgl. hierzu Husmann in Rau/Dürrwächter, OStG, § 12 Abs. 2 Nr. 7 c, Anm. 28 (Stand März 2001)). Es handelt sich bei diesem Werk nicht nur um die Aneinanderreihung von, selbst nicht dem Urheberrechtsschutz unterliegenden, Nachrichten. Vielmehr müssen diese in eine für Gehörlose verständliche Sprache übersetzt werden. Dabei muß die Dolmetscherin, wie in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt und auch vom Beklagten nicht bestritten wurde, teilweise zu ganz anderen Formulierungen als der Nachrichtensprecher greifen, da z.B. Redewendungen, wörtlich in die Gebärdensprache übersetzt, absolut unverständlich wären. Auf diese Übersetzungsleistung trifft vielmehr noch als auf die Übersetzung eines Romans, die unstreitig unter das Urheberrechtsgesetz fällt, das Erbringen einer eigenen individuellen geistigen Leistung zu.

Die vorliegend strittigen Umsätze sind eher vergleichbar mit den Leistungen von Nachrichtendiensten, die Daten redaktionell bearbeiten und dann verbreiten. Auch diese Umsätze unterliegen dem ermäßigten Steuersatz (Husmann a.a.O., Anm. 95).

c) Der Kläger hat seine Rechte als Miturheber (vgl. § 8 UrhG) an diesem urheberrechtlich geschützten Werk auf die Sendeanstalten übertragen.

2. Der Senat brauchte nicht zu entscheiden, ob die nationale Regelung mit EG-Recht vereinbar ist. Bedenken hiergegen könnten sich aus Artikel 12 Abs. 2a der 6. EG-Richtlinie ergeben. Danach darf der ermäßigte Steuersatz nur auf die Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der in Anhang H der Richtlinie genannten Kategorien angewandt werden. In Anhang H Kategorie 8 sind nur Werke bzw. Darbietungen von Schriftstellern, Komponisten und ausübenden Künstlern sowie deren Urheberrechte erwähnt. Hierunter fallen die Leistungen des Klägers nicht.

Die vom Europäischen Gerichtshof entwickelte Lehre von der direkten Wirkung einer Richtlinie betrifft jedoch nur das Verhältnis des von der Richtlinie begünstigten Betroffenen gegenüber dem Mitgliedstaat. Eine Berufung des Mitgliedstaats auf die Richtlinien zu Lasten des Steuerpflichtigen ist hingegen unzulässig (Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 8. Oktober 1987, Rs. 80/86 (Kolpinghuis Nijmegen), EuGHE 1987, 3969 und vom 26. September 1996, Rs. C-168/95 (Arcaro), EuGH E 1996 I, 4705; Geiger, EUV/EGV, 3. Auflage 2000, EGV Artikel 249 Rn. 15; Oppermann Europarecht, 2. Auflage 1999, Rz. 556).

Eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe c i.V.m. dem Urheberrechtsgesetz ist angesichts des klaren und eindeutigen Wortlauts nicht möglich. Das nationale Recht unterwirft, weitergehend als das EG-Recht, alle Umsätze, die unter das Urheberrechtsgesetz, dem ermäßigten Steuersatz.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 FGO, 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozeßordnung.

Die Neuberechnung der Umsatzsteuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten übertragen. Die Beteiligten haben der Anwendung dieser Vorschrift nicht widersprochen.

Der Senat läßt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zu, ob Nachrichtensendungen generell oder zumindest in bestimmten Fällen unter § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe c UStG fallen.






FG Köln:
Urteil v. 26.06.2003
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