Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. August 2002
Aktenzeichen: 27 W (pat) 65/02

(BPatG: Beschluss v. 27.08.2002, Az.: 27 W (pat) 65/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelder wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 24. Januar 2002 aufgehoben.

Gründe

I Die Bezeichnung Captain Nemosoll als Wortmarke für "Computer-Programme" in das Register eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Anmeldung wegen mangelnder Unterscheidungskraft und Bestehens eines Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Unter Bezugnahme auf den Zwischenbescheid vom 22. Oktober 2001, dem der Anmelder nicht widersprochen hatte, ist ausgeführt, "Captain Nemo" sei eine literarische Gestalt eines Romans von Jules Verne; in bezug auf die angemeldeten Waren beschreibe die Anmeldemarke daher nur deren Inhalt, nämlich dass es sich um Computer-Spielprogramme handele.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelder. Sie meinen, es sei nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass die angemeldete Marke nicht die deutsche Schreibweise der Romanfigur wiedergebe, die richtig "Kapitän Nemo" laute; schon aus diesem Grund könne kein Freihaltebedürfnis im Inland bestehen. Im Übrigen beschreibe die englischsprachige Bezeichnung keine Eigenschaften des konkreten Produkts. Sofern die Verbraucher mit der Marke "Captain Nemo" überhaupt eine bestimmte Vorstellung verknüpfen könnten, sei diese zu diffus, um irgendwelche Eigenschaften eines Computerprogramms zu beschreiben. Ein Computerspiel dieses Namens sei auch bislang nicht bekannt; sofern im Internet die Bezeichnung "Captain Nemo" auftauche, beziehe sie sich ausschließlich auf Produkte der Anmelder, welche die Marke auch schon seit längerem benutzten, so dass auch von einer Verkehrsdurchsetzung auszugehen sei.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, da der Eintragung der angemeldeten Marke entgegen der Auffassung der Markenstelle keine Schutzhindernisse, insbesondere nicht eine mangelnde Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG) oder ein bestehendes Freihaltebedürfnis (§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG) entgegenstehen.

Zwar ist die Bezeichnung "Captain Nemo" dem Namen einer Hauptperson aus dem 1870 erschienen Roman "Vingt Mille Lieues sous les Mers" ("Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer") des französischen Schriftstellers Jules Verne entnommen (vgl hierzu Kindlers Neues Literatur Lexikon, 1988, Band 17, S 18 f). Dies allein rechtfertigt aber nicht die Annahme, die Anmeldemarke beschreibe mögliche Eigenschaften der beanspruchten Waren "Computer-Programme", oder der Verkehr messe ihr keine herkunftshinweisende Funktion bei, weil er sie nur als solche, dh als (bekannten) Namen und nicht als Produktbezeichnung aufnehme.

Soweit die Markenstelle eine beschreibende Angabe daraus hergeleitet hat, dass der Verkehr mit dem Anmeldezeichen allein die Vorstellung verbinde, bei den vorgenannten Waren handele es sich um Computerspiel-Software, kann dem nicht gefolgt werden. Denn zu einer solche Annahme werden die angesprochenen Verkehrskreise, bei denen es sich wegen der Art der beanspruchten Waren um alle Endverbraucher handelt, weil Computerprogramme über zahlreiche Vertriebswege einschließlich großer nicht auf Computerwaren spezialisierter Kaufhäuser angeboten werden, nur gelangen, wenn ihnen entweder bereits Spiele jeglicher Art bekannt wären, die allgemein mit dem Namen "Captain Nemo" (einschließlich eventueller weiterer anderssprachiger Abweichungen wie "Capitaine Nemo" oder "Kapitän Nemo") benannt werden, oder wenn jedenfalls maßgebliche Teile des Verkehrs aus der Bezeichnung, wenn sie ihr an Computerprogrammen begegnen, allein darauf schließen, dieses enthalte ein Spielprogramm, was sich für sie etwa aus der Kenntnis des Romaninhalts ergeben kann. Beides lässt sich jedoch nicht feststellen.

Weder in herkömmlichen Spiele-Lexika noch bei Abfragen bei Spiele-Datenbanken im Internet konnte der Senat ein Gesellschafts-, Karten-, Computer- oder sonstiges Spiel ausfindig machen, welches als "Captain Nemo" oder ähnlich bezeichnet wird oder in dem eine Spielfigur so genannt wird. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, die angesprochenen Verkehrskreise würden die Anmeldemarke, wenn sie ihr in Zusammenhang mit Computerprogrammen begegnen, nur in der Weise verstehen, dass es sich bei diesen um ein Computerspiel handele, welches ein schon bekanntes gleichnamiges Spiel enthält oder nachahmt.

Ein solcher Schluss wird sich ihnen auch nicht aus anderen Gründen aufdrängen. Zwar ist der Verkehr daran gewöhnt, dass es Spiele, insbesondere Computerspiele, gibt, die nach bekannten Roman- oder Filmfiguren benannt sind, wobei die jeweilige Roman- oder Filmhandlung Grundlage der Spielanlage ist; beispielsweise seien hier die Computerspiele "Harry Potter und der Stein der Weisen" und "Pokemon" genannt (vgl hierzu die Aufzählung der Computerspiele auf der Webseite http://de.dir.yahoo.com/Computer_und_Technik/Software/ Computerspiele/Titel/alle_eintra). Dies berechtigt aber nicht zu der Annahme, der Verkehr werde bei jedem nach einer literarischen Gestalt benannten Computerprogramm unmittelbar und ohne weiteres analysierendes Nachdenken den Schluss ziehen, dass es sich um ein (Computer-)Spiel handelt.

Zwar sind Bezeichnungen von Waren und Dienstleistungen, die sich von Namen - auch nur vom bloßen Hörensagen oder aufgrund von Presseberichten - sehr bekannter Roman- oder Filmfiguren ableiten, geeignet, den Inhalt bestimmter Waren und Dienstleistungen zu beschreiben, weil die Namen solcher Figuren aufgrund der ihnen in den literarischen oder filmischen Werken zugeschriebenen Charakterzüge zu einem allgemeinen Begriff für einen bestimmten Charakter und für bestimmte Eigenschaften geworden sind, die auch Merkmale dieser Waren und Dienstleistungen sein können (vgl BPatGE 42, 250, 254 - Winnetou). Bei den hier in Rede stehenden Waren "Computer-Programme" ist aber zu berücksichtigen, dass sie alle erdenklichen Inhalte haben können; darin unterscheiden sie sich maßgeblich von den Waren "Druckereierzeugnisse" und den Dienstleistungen "Filmproduktion; Veröffentlichung von Büchern und Zeitschriften", die mit den Medien Buch und Film, welche den Namen "Winnetou" allgemein bekannt gemacht haben, nicht nur in engem Zusammenhang stehen, sondern auf einen mit diesen weitgehend identischen Gegenstandsbereich begrenzt sind. Demgegenüber kann eine Software auch Zwecken dienen, die mit dem Ursprungsmedium, aus welchem der Name "Captain Nemo" stammt, nichts mehr gemein haben; so vertreibt etwa die amerikanischen Firma Runtime Software unter der Bezeichnung "Captain Nemo" ein reines Dateiverwaltungsprogramm (vgl deren Webseite http://www.runtime.org/ captain.htm). Inhalt und Einsatzbereich einer Software lässt sich daher stets nur in Zusammenhang mit weiteren Angaben ermitteln. Der Produktbezeichnung allein kann der Verkehr einen solchen sachlichen Hinweis nur entnehmen, wenn er eindeutig den Inhalt der hiermit gekennzeichneten Software wiedergibt. Es ist aber nicht ersichtlich, dass "Captain Nemo" bzw "Kapitän Nemo" massgeblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise überhaupt als Figur des Romans von Jules Verne oder eines auf seiner Grundlage gedrehten Films bekannt ist, geschweige denn dass sie hiermit ganz bestimmte Eigenschaften verbinden. Um der Anmeldemarke einen Sachhinweis auf den Inhalt der damit gekennzeichneten Software zu entnehmen, bedürfte es daher schon einiger Überlegungen und Nachforschungen des angesprochenen Publikums, indem es von dem Namen "Captain Nemo", selbst wenn dieser ihm bekannt ist, nicht nur auf bestimmte allgemeine Eigenschaften schließt, sondern diese auch mit einer von vielen möglichen Verwendungszwecken der beanspruchten Software verbindet; zu solchen analysierenden Schritten neigt der Verkehr aber in der Regel nicht (st. Rspr., vgl BGH GRUR 1992, 515, 516 - Vamos; GRUR 1994, 730. 731 - VALUE, GRUR 1995, 269, 270 - U-KEY).

Es sind daher keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Anmeldemarke die erforderliche Unterscheidungskraft für die beanspruchten Waren fehlt, oder ein bestehendes oder künftiges Bedürfnis zur Freihaltung der Bezeichnung im Interesse von Mitbewerbern gegeben ist.

Da auch sonstige Eintragungshindernisse nicht ersichtlich sind, kann der Anmeldemarke der begehrte Schutz nicht versagt werden. Aus diesem Grund war der anderslautende Beschluss der Markenstelle somit aufzuheben.

Dr. Schermer Dr. van Raden Schwarz Pü






BPatG:
Beschluss v. 27.08.2002
Az: 27 W (pat) 65/02


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