Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. März 2001
Aktenzeichen: 33 W (pat) 39/00

(BPatG: Beschluss v. 06.03.2001, Az.: 33 W (pat) 39/00)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 1 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Dezember 1998 und 18. August 1999 aufgehoben.

Gründe

I Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 27. Dezember 1994 die Wortmarke APX für folgende Waren und Dienstleistungen zur Eintragung in das Register angemeldet worden:

Klasse 1: Chemische Erzeugnisse für fotografische Zwecke, unbelichtete fotografische Filme, unbelichtetes Fotopapier.

Klasse 16: Fotografien und sonstige fotografische Erzeugnisse, soweit in Klase 16 enthalten Klasse 40: Be- und Verarbeitung fotografischer Materialien, insbesondere Entwicklung von Filmen, Vervielfältigungs- und Vergrößerungsarbeiten.

Die Markenstelle hat der Anmelderin mit Bescheid vom 3. September 1997 mitgeteilt, daß die angemeldete Marke nach dem bis zum 31. Dezember 1994 geltenden Warenzeichengesetz nicht schutzfähig sei, weil sie ausschließlich aus Buchstaben bestehe (§ 4 Abs 2 N 1, 2 Alt WZG). Der Anmelderin wurde anheimgestellt, gemäß § 156 MarkenG innerhalb einer Frist von 2 Monaten ihr Einverständnis mit der Verschiebung des Zeitrangs auf den 1. Januar 1995 zu erklären. Dies hat die Anmelderin getan.

Die Markenstelle für Klasse 1 hat die Anmeldung durch Beschluß vom 16. Dezember 1998 zurückgewiesen und diese Entscheidung mit Erinnerungsbeschluß vom 18. August 1999 bestätigt. Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß es der Marke im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehle (§ 37 Abs 1 MarkenG iVm § 8 Abs 2 Ziff 1 MarkenG). Der Begriff "APX" sei die Abkürzung für "Automatic Programming-System". Die Verkehrskreise würden in bezug auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen die Bezeichnung "APX" lediglich als Hinweis auf die Art des Bildaufzeichnungsverfahrens verstehen bzw als Hinweis darauf, daß die Waren für das sog. "Ampex-Verfahren" geeignet seien, jedoch nicht als individuellen Herkunftshinweis.

Gegen diese Entscheidungen des Patentamts hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Sie beantragt sinngemäß, die Beschlüsse des Patentamts aufzuheben und die Marke APX einzutragen.

Sie trägt vor, daß APX keine Abkürzung für eine bestimmte möglicherweise beschreibende Information, sondern eine frei kreierte und erfundene Marke sei. Die Annmelderin habe im Jahr 1968 einen neuen Schwarz-Weiß-Film eingeführt, der den Namen Agfapan getragen habe. Später sei die Abkürzung AP statt Agfapan verwendet worden und im Rahmen einer Produktverbesserung sei der Name des Produkts um ein X erweitert worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist begründet. Der Senat hält die angemeldete Marke "APX" im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen - entgegen der Beurteilung der Markenstelle des Patentamts - für unterscheidungskräftig und für nicht freihaltungsbedürftig, so daß ihrer Eintragung gemäß §§ 33, Abs 2, 41 MarkenG keine absoluten Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 oder Nr 2 MarkenG entgegenstehen. Die Marke ist nach dem MarkenG zu behandeln, weil sich die Anmelderin gemäß § 156 Abs 3 MarkenG mit einer Verschiebung des Zeitrangs der Anmeldung auf den 1. Januar 1995 einverstanden erklärt hat.

1. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft als der einer Marke innewohnenden konkreten Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfaßten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden, ist grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen, dh jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um dieses Schutzhindernis zu überwinden (stRspr vgl BGH MarkenR 2000, 48 - Radio von hier; MarkenR 2000, 50 - Partner with the Best). Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in aller Regel so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt und er es keiner analysierenden Betrachtungsweise unterzieht. Kann demnach einer Wortmarke kein für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden, gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, daß einem als Marke verwendeten Wortzeichen die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH aaO - Partner with the Best; BGH GRUR 1999, 1089 - YES; 1999, 1093 - FOR YOU mwN). Die Verbindung mehrerer Buchstaben kann schon deshalb unterscheidungskräftig sein, weil der Verkehr durch zahlreiche entsprechend gebildete Firmenbezeichnungen daran gewöhnt ist, solche Kombinationen als betriebskennzeichnend aufzufassen (BPatG, GRUR 1998, 731, 732 - DSS; 1999, 330, 331 - CT).

Zwar hat die Markenstelle des Patentamts zutreffend ausgeführt, daß es auf dem hier relevanten Waren-/Dienstleistungsgebiet des Films und der Fotografie gängige Praxis ist, entsprechende Waren neben der eigentlichen individuellen Bezeichnung des Herstellers zusätzlich mit Buchstaben- und/oder Zahlencodierungen zu versehen, um Empfindlichkeit des Materials, Farbdichte oder Bildanzahl anzuzeigen und/oder Serien- und/oder Systemreihen usw innerbetrieblich zu kennzeichnen. Rein produktbezogen sind insoweit vor allem die Zahlenangaben, während die Buchstaben teils überhaupt keine, teils nur eine durch die zusätzlich ausgeschriebene Erklärung erläuterte Sachaussage erkennen lassen (Fuji Super G PLUS 200; Fotopoint HC 200 - High Color, AGFA HDC 100 - High Definition Color Fuji/Fujicolor NPS, Imation Color HP 200, Konica R-100, Voigtländer V Chrome 100, Agfachrome CT precisa 200, Schlecker A/S Chrome 100, Ektachrome 100 Plus Prof. EPP, Kodak Ektachrome 100 Prof. EPN - vgl Zeitschrift "Color Foto" 10/99, S 36 f., 48, 50 - Agfachrome Prof. RSX 50, Porst Chrome Super CU 100, Euro Activ CC 100 - in Zeitschrift Stiftung Warentest 6/98).

Werden auf einem Gebiet Buchstaben nicht nur als rein beschreibende Serien-, Typen- oder Größenangaben, sondern teilweise auch kennzeichnend verwendet, so ist eine differenzierte Betrachtung der Kennzeichnungsverhältnisse geboten. Wenn derartige Buchstabenkombinationen bei unbelichteten Filmen - insbesondere in Verbindung mit Zahlenangaben - im Rahmen ihrer Verwendung in der Gesamtkennzeichnung auch eher eine beschreibende Funktion haben, so schließt dies nicht aus, daß sie im konkreten Einzelfall in Alleinstellung - oder hervorgehobener Stellung eine kennzeichnende Funktion erfüllen können, solange die Buchstaben als solche nicht einen erkennbar glatt beschreibenden Sinngehalt aufweisen. Nach der Auffassung des Senats weist die angemeldete Bezeichnung einen ersichtlich beschreibenden Sinngehalt nicht auf. Die Annahme der Markenstelle, daß "APX" als Abkürzung für "Automatic Programming-System extended" stehe, ist allein deshalb nicht zwingend, weil dieser Begriff eher mit "APSE" abgekürzt werden müßte. Ein einzelner lexikalischer Nachweis (in Wennrich, Internationales Verzeichnis der Abkürzungen und Akronyme der Elektronik, Elektrotechnik, Computertechnik und Informationsmarketing 1992, S 84) der Buchstabenkombination als Abkürzung für Automatic Progamming-System steht dem nicht entgegen. Eine tatsächliche Verwendung der Marke als Abkürzung für das genannte System kann im übrigen nicht belegt werden. Auch ergeben sich nach der Auffassung des Senats keine Anhaltspunkte dafür, daß das angemeldete Zeichen eine Abkürzung für das sogenannte "Ampex-Verfahren" darstellt. Eine Verbindung zwischen den konkret angemeldeten Waren und Dienstleistungen zu dem als Ampex-Verfahren bezeichneten Videoaufnahmeverfahren der Firma A... ist nicht nachgewiesen. Die Erläuterung der Anmelderin, daß sie im Jahre 1968 einen neuen Schwarz-Weiß-Film eingeführt habe, der den Namen Agfapan getragen habe, zunächst mit AP und nach einer Produktverbesserung mit APX abgekürzt worden sei, spricht dagegen für die herkunftshinweisende Funktion des angemeldeten Zeichens.

2. Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind von der Eintragung weiter solche Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr ua zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder der Bezeichnung sonstiger Merkmale der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen dienen können. Dabei ist davon auszugehen, daß ein Eintragungshindernis auch dann besteht, wenn eine Benutzung als Sachangabe bisher noch nicht erfolgt ist, eine solche jedoch nach den Umständen erfolgen wird (vgl BGH GRUR 1995, 408, 409 - PROTECH). Zu den nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG vom Markenschutz ausgeschlossenen Angaben zählen allerdings nicht nur die ausdrücklich aufgeführten, sondern auch solche, die für den Warenverkehr wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame Umstände mit konkretem Bezug auf die betreffenden Waren selbst beschreiben (vgl BGH GRUR 1998, 813, 814 - CHANGE; BGH aaO FOR YOU). Zu diesen Angaben oder Umständen gehört die angemeldete Wortmarke "APX" nicht. Eine tatsächliche Verwendung dieser Bezeichnung als beschreibende Angabe ist derzeit nicht nachweisbar. Von einem auf gegenwärtiger Benutzung als Sachangabe beruhenden Freihaltungsbedürfnis kann deshalb nicht ausgegangen werden. Ebensowenig liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, daß im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen in Zukunft eine Verwendung der angemeldeten Bezeichnung als Sachangabe erfolgen wird. Der angefochtene Beschluß war mithin aufzuheben.

Winkler Dr. Albrecht Dr. Hock Cl






BPatG:
Beschluss v. 06.03.2001
Az: 33 W (pat) 39/00


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