Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Februar 2003
Aktenzeichen: 5 W (pat) 404/02

(BPatG: Beschluss v. 12.02.2003, Az.: 5 W (pat) 404/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterabteilung I - vom 31. Juli 2001 im Kostenpunkt aufgehoben.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen denselben Beschluß wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Antragstellerin.

Gründe

I Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des am 2. September 1998 angemeldeten und am 10. Dezember 1998 in das Register eingetragenen Gebrauchsmusters 298 15 774 betreffend eine "Deckenrandabschalung für eine betonierte Decke", dessen Schutzdauer verlängert ist. Die mit der Anmeldung eingereichten und der Eintragung zugrundeliegenden Schutzansprüche lauten:

1. Deckenrandabschalung für eine betonierte Decke, deren Außenseite im wesentlichen mit der Fassade, deren Unterseite im wesentlichen mit der Unterseite der Decke und deren Oberkante im wesentlichen mit der Oberkante der Decke fluchtet, wobei die Außenseite der Schalung durch eine wärmedämmende Schicht und die Unterseite der Schalung aus einer Abstützung durch eine im wesentlichen senkrecht zur Fassade verlaufende Platte besteht, die mit der wärmedämmenden Schicht verklebt ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Platte (3) aus einem Material gebildet ist, dessen maximal zulässige Flächenpressung größer oder gleich der des Mauerwerks (13) ist.

2. Deckenrandabschalung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die wärmedämmende Schicht (2) aus extrudiertem Polystyrol von geschlossenzelliger Struktur besteht.

3. Deckenrandabschalung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Außenseite (12) der wärmedämmenden Schicht (2) strukturiert ist.

4. Deckenrandabschalung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die abstützende Platte (3) aus Faserzement mit Zuschlagstoffen besteht.

5. Deckenrandabschalung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Unterseite und die Oberseite der Platte (3) und/oder der wärmedämmenden Schicht (2) grundiert ist.

6. Deckenrandabschalung nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß die Grundierung aus aufgeklebtem Sand besteht.

7. Deckenrandabschalung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Platte (3) Löcher aufweist, die im wesentlichen vertikal die Platte (3) durchgreifen.

8. Deckenrandabschalung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, gekennzeichnet durch Fixierdrähte, die mit dem einen Ende von oben in die wärmedämmende Schicht (2) eingepreßt und mit dem anderen Ende mit der Deckenarmierung verhakt sind.

9. Deckenrandabschalung nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß die wärmedämmende Schicht (2) auf ihrer zur Decke (9) weisenden Seite beanstandet von der Platte (3) Öffnungen (17) oder Haltevorrichtungen aufweist, in denen Verbindungselemente festgelegt sind, die das Deckenrandabschalungselement (1) mit einer Deckenarmierung verbinden.

10. Deckenrandabschalung nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, daß die Öffnungen (17) oder Haltevorrichtungen auf einer Leiste (16) angeordnet sind.

11. Deckenrandabschalung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Leiste (16) ein Netz oder ein Gitter oder eine Lochplatte ist.

12. Deckenrandabschalung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Leiste (16) aus Metall besteht.

13. Deckenrandabschalung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die wärmedämmende Schicht (2) mit der Oberseite der Platte (3) verklebt ist.

14. Deckenrandabschalung nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, daß die Dicke der Platte (3) die Breite einer Mauerfuge nicht wesentlich überschreitet.

Die Antragstellerin hat am 25. September 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung des Streitgebrauchsmusters beantragt. Zur Begründung ihres Antrags hat sie vorrangig auf den folgenden druckschriftlichen Stand der Technik verwiesen:

E1: Preisliste der Fa. LOHR ELEMENT (Antragsgegnerin) mit Gültigkeitsvermerk ab 1. Januar 1998 E1a: Preisliste der Firma LOHR ELEMENT mit Gültigkeitsvermerk ab 1. November 1997 E2: DE 295 12 807 U1 E3: Prospekt der Firma Holzmann "Deckenrandschalung rekord"

E4: Prospekt "MÖDINGER Deckenrandschalsystem"

E5: Prospekt "MINERIT" mit Druckvermerk April 1991 E7: Prospekt der Firma Eternit Eterplan N.

Ferner macht die Antragstellerin offenkundige Vorbenutzung eines Gegenstandes gemäß der Preisliste zu E1 geltend und trägt vor, daß maßgebliche Artikel dieser Preisliste an die Firma F... GmbH und Co. KG gemäß vorgelegter Rechnung vom 16. Februar 1998 mit Bezugnahme auf einen Lieferschein vom 10. Februar 1998 geliefert worden seien. Die Prospektmaterialien seien vor dem Zeitrang des Streitgebrauchsmusters auch an eine Einkaufsgemeinschaft, die Firma E..., geliefert worden, was eine Benutzungshandlung darstelle. Zu den behaupteten Benutzungshandlungen ist auch Zeugenbeweis angeboten worden.

Die Antragsgegnerin hat dem Löschungsantrag teilweise widersprochen. Sie hat das Streitgebrauchsmuster im Umfang des am 11. November 1999 eingegangenen Schutzanspruchs 1 und der Unteransprüche 2 bis 14 verteidigt. Dieser Schutzanspruch 1 lautet:

1. Deckenrandabschalung für eine betonierte Decke, deren Außenseite im wesentlichen mit der Fassade, deren Unterseite im wesentlichen mit der Unterseite der Decke und deren Oberkante im wesentlichen mit der Oberkante der Decke fluchtet, wobei die Außenseite der Schalung durch eine wärmedämmende Schicht und die Unterseite der Schalung aus einer Abstützung durch eine im wesentlichen senkrecht zur Fassade verlaufenden Platte besteht, die mit der wärmedämmenden Schicht verklebt ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Platte (3) aus Faserzement mit Zuschlagsstoffen gebildet ist, deren maximal zulässige Flächenpressung 10.000 bis 12.000 kN/qm beträgt.

Hilfsweise hat sie das Gebrauchsmuster mit weiter eingeschränkten Schutzansprüchen vom 5. Dezember 2000 verteidigt.

Die Gebrauchsmusterabteilung I hat mit Beschluß vom 31. Juli 2001 das Streitgebrauchsmuster gelöscht, soweit es über den Hauptanspruch vom 11. November 1999 und die ursprünglichen Schutzansprüche 2, 3 und 5 bis 14, nunmehr auf den genannten Hauptanspruch zurückbezogen, hinausgeht. Der weitergehende Löschungsantrag wurde zurückgewiesen. Die Kosten des Löschungsverfahrens hat sie der Antragstellerin zu 2/5 und der Antragsgegnerin zu 3/5 auferlegt. In den Gründen des Beschlusses ist ausgeführt, das Schutzrecht sei in der verteidigten Fassung rechtsbeständig, weil der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik neu sei und auch auf einem erfinderischen Schritt beruhe. Die Kostenentscheidung berücksichtige, daß das Schutzrecht nur mit einem erheblich eingeschränkten Gegenstand bestätigt werden konnte; die Antragsgegnerin habe Veranlassung zur Einleitung des Löschungsverfahrens gegeben, weil sie zuvor vergeblich zum Verzicht auf das Gebrauchsmuster aufgefordert worden sei.

Beide Verfahrensbeteiligte haben Beschwerde eingelegt.

Die Antragstellerin verweist zum Stand der Technik ergänzend auf den Forschungsbericht 156 der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), Berlin, vom April 1989 (erschienen im Wirtschaftsverlag NW Verlag für neue Wissenschaft GmbH, Bremerhaven) (E10). Überdies hat sie die LOHR ELEMENT-Preisliste, gültig ab 1. September 1996, sowie ein Rundschreiben der Firma LOHR ELEMENT an alle Handelspartner vom 8. Januar 1997 bezüglich einer "Winteraktion-Deckenrandabschalung" überreicht. Sie trägt vor, daß der im Schutzanspruch 1 in der verteidigten Fassung angegebene Wertebereich von 10 000 bis 12 000 KN/qm auf einer Herabsetzung der Festigkeit von Faserzementplatten beruhe, die einen erfinderischen Schritt nicht begründen könne. Es sei technisch nicht sinnvoll, Zementfaserplatten, die wesentlich höhere Druckfestigkeitswerte aufweisen, durch Zugabe von Zuschlagstoffen auf den beanspruchten Wertebereich hin einzustellen.

Die Antragsgegnerin hat die unbeschränkt eingelegte Beschwerde zuletzt auf die Kostenentscheidung beschränkt. Sie verteidigt das Streitgebrauchsmuster in dem bereits vor der Gebrauchsmusterabteilung verteidigten Umfang. Hinsichtlich der angefochtenen Kostenentscheidung beruft sie sich auf § 93 ZPO.

Sie beantragt, den angefochtenen Beschluß im Kostenpunkt aufzuheben und der Antragstellerin die Verfahrenskosten der 1. Instanz aufzuerlegen, im übrigen, die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben, das Streitgebrauchsmuster in vollem Umfang zu löschen sowie der Antragsgegnerin die Kosten des Löschungsverfahrens aufzuerlegen.

II Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist sachlich nicht gerechtfertigt. Soweit das Gebrauchsmuster wegen beschränkter Verteidigung nach § 17 Abs 1 Satz 2 GebrMG gelöscht worden ist, hat es damit sein Bewenden. Im übrigen ist der Löschungsantrag unbegründet.

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist sachlich im Hinblick auf § 93 ZPO gerechtfertigt.

A Die Antragsgegnerin verteidigt das Streitgebrauchsmuster in zulässig eingeschränktem Umfang.

Mit der Fassung des am 13. November 1999 eingereichten Schutzanspruchs 1 ist der Gegenstand des eingetragenen Schutzanspruchs 1 dadurch in zulässiger Weise beschränkt worden, daß bei der Bemessung des Wertes der maximal zulässigen Flächenpressung der Platte der vorher zahlenmäßig unbestimmte, als größer oder gleich der maximal zulässigen Flächenpressung des Mauerwerks beschriebene Wert nunmehr auf einen Wertebereich von 10 000 bis 12 000 KN/qm festgelegt worden ist. Dieser Wertebereich findet seine Stütze in der ursprünglichen und eingetragenen Beschreibung des Streitgebrauchsmusters (Seite 8, 2. Absatz). Die stoffliche Kennzeichnung der Platte, dahingehend, daß diese aus Faserzement mit Zuschlagstoffen bestehen soll, beruht auf dem eingetragenen, nicht mehr gesondert verteidigten Anspruch 4. Damit sind die beschränkend hinzugenommenen Merkmale als zum Gebrauchsmustergegenstand gehörend offenbart.

B Der Löschungsanspruch mangelnder Schutzfähigkeit (§ 15 Abs 1 Nr 1 GebrMG) ist im Umfang der verteidigten Schutzansprüche 1 bis 3 und 5 bis 14 nicht gegeben.

1. Die Beschreibung des Streitgebrauchsmusters schildert Elemente zur Deckenrandabschalung, deren Fußplatte aus Spanplatten, Holzplatten oder Kunststoffplatten bestehen. Nachteilig ist bei derartigen Systemen, daß diese Materialien die Druckkräfte, welche durch das darüber errichtete Mauerwerk ausgeübt werden, nur unzureichend aufzunehmen und zu übertragen vermögen. Dies führt insbesondere bei mehrstöckigen Bauweisen zu statischen Problemen (Beschreibung S 8, 2. Abs). Die in der Regel zu erwartende Flächenpressung eines Mauerwerks wird in den Unterlagen des Streitgebrauchsmusters mit 800 bis 3000 kN/qm beziffert (S 8, 2. Abs). Mit einer Deckenrandabschalung nach dem verteidigten Schutzanspruch 1 soll das Problem der mangelnden Tragfähigkeit hoher Lasten gelöst werden.

Gegenstand des Schutzanspruchs 1 ist eine Deckenrandabschalung für eine betonierte Decke 1. Die Außenseite der Deckenrandabschalung fluchtet im wesentlichen mit der Fassade 1.1 Die Außenseite der Schalung besteht aus einer wärmedämmenden Schicht 2. Die Oberkante der Deckenrandabschalung fluchtet im wesentlichen mit der Oberkante der Decke 3. Die Unterseite der Deckenrandabschalung fluchtet im wesentlichen mit der Unterseite der Decke 3.1 Die Unterseite der Deckenrandabschalung besteht aus einer Abstützung, die aus einer im wesentlichen senkrecht zur Fassade verlaufenden Platte besteht 3.1.1 Die Platte ist mit der wärmedämmenden Schicht verklebt 3.1.2 Die Platte ist aus Faserzement mit Zuschlagstoffen gebildet 3.1.3 Die maximal zulässige Flächenpressung der Platte beträgt 10 000 bis 12 000 kN/qm.

Der gemäß Merkmal 3.1.3 angegebene Wert für die zulässige Flächenpressung liegt in seiner Untergrenze 3 bis 4 mal höher als der Wert, der bei einem (normalen) Mauerwerk maximal zugrunde gelegt wird (max. 3000 kN/qm).

2. Der Gegenstand des verteidigten Schutzanspruchs 1 ist gegenüber dem berücksichtigten Stand der Technik neu.

Aus den Preislisten der Firma LOHR ELEMENT, gültig ab 1. Januar 1998 (E1) bzw gültig ab 1. November 1997 (E1a) - deren öffentliche Zugänglichkeit zum Zeitpunkt ihrer Gültigkeit unterstellt - sind Deckenrandabschalungs-Elemente ersichtlich (jeweils 1. Umschlagseite), deren Außenseite aus einer wärmedämmenden Schicht besteht und deren Fußplatte aus Faserzement gebildet ist. Der Gegenstand nach dem verteidigten Schutzanspruch 1 unterscheidet sich von diesem Stand der Technik darin, daß die Platte mit der wärmedämmenden Schicht verklebt ist (Merkmal 3.1.1 gemäß Merkmalsanalyse nach Punkt II. B 1.), daß die Platte aus Faserzement mit Zuschlagstoffen gebildet ist (Merkmal 3.1.2) sowie im Wertebereich für die maximal zulässige Flächenpressung von 10 000 bis 12 000 kN/qm liegt (Merkmal 3.1.3).

Von den Gegenständen gemäß Preisliste der Firma LOHR ELEMENT, gültig ab 1. September 1996, unterscheidet sich der Schutzgegenstand nach dem verteidigten Anspruch 1 insoweit, als in dieser Entgegenhaltung eine aus Faserbetonplatten zusammengesetzte Deckenrandabschalung offenbart wird, durch die Merkmale 1.1 (Außenseite aus wärmedämmender Schicht), 3.1.1 (Platte mit senkrechter Platte verklebt) und 3.1.3 (maximal zulässige Flächenpressung 10 000 bis 12 000 kN/qm) bzw insoweit dort ein Element aus einer senkrechten Styrol-Platte und einer zusammengesetzten Fußplatte aus Styrol und Faserbeton dargestellt ist, in den Merkmalen 3.1.1, 3.1.2 und 3.1.3.

Das in der mündlichen Verhandlung noch vorgelegte Rundschreiben der Firma LOHR ELEMENT bezüglich einer "Winteraktion-Deckenrandabschalung" vom 8. Januar 1997 - öffentliche Zugänglichkeit auch hier einmal angenommen - läßt im Text zu "Typ S" Elemente zur Deckenrandabschalung erkennen, deren seitlich stehende wärmedämmende Schicht aus extrudiertem Polystyrol besteht und deren Fuß-Platte aus Faserbeton hergestellt ist. Von diesem Stand der Technik unterscheidet sich der Gegenstand nach Schutzanspruch 1 in den Merkmalen 3.1.1 (Platte mit wärmedämmender Schicht verklebt) und in dem beanspruchten Wertebereich für die maximal zulässige Flächenpressung (Merkmal 3.1.3).

Die Deckenrandabschalung für eine betonierte Decke nach dem DE 295 12 807 U1 (E2) verwendet Holz-, Kunststoff, (Streck)-Metall- oder Spanplatten als Werkstoff für die (Fuß)-Platte, wobei hierfür keinerlei Angaben zur Druckfestigkeit gemacht werden, so daß sich der verteidigte Schutzgegenstand hiervon in seiner Platte aus Faserzement mit Zuschlagstoffen sowie in dem beanspruchten Wertebereich zur Druckfestigkeit (Merkmale 3.1.2 und 3.1.3) unterscheidet.

Von den aus je einer stehenden Leichtbauplatte und einer zementgebundenen Hochfestigkeitsplatte bestehenden Deckenrandabschalungen für eine betonierte Decke nach dem Prospekt der Firma Holzmann "Deckenrandschalung rekord" (E3) bzw dem Prospekt der Firma Mödinger "Deckenrandschalungssystem (E4) - deren öffentliche Zugänglichkeit vor dem Zeitrang des Streitpatents unterstellt - unterscheidet sich der Gegenstand nach dem verteidigten Anspruch 1 ebenfalls zumindest in seiner Platte aus Faserzement mit Zuschlagstoffen (Merkmal 3.1.2) sowie im beanspruchten Werteintervall zur Druckfestigkeit der Platte (Merkmal 3.1.3) Denn letztere ist bei den entgegengehaltenen Prospekten zu E3 und E4 jeweils mit nur 3N/mm2 (also 3 000 kN/qm) angegeben.

Durch den Prospekt MINERIT (Druckvermerk: April 1991) (E5) ist eine Bauplatte auf Zementbasis bekannt geworden, während der Prospekt "ETERPLAN N" der Firma Eternit (E7) Platten aus Faserzement erkennen läßt. Angaben über Zuschlag-Stoffe werden nicht gemacht, sondern nur über Zusatz-Stoffe. Hinweise auf eine Druckfestigkeit fehlen ebenfalls, so daß der Schutzgegenstand nach Anspruch 1 keine gemeinsamen Merkmale mit den Gegenständen dieser Prospekte aufweist.

Durch den Forschungsbericht 156 der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (April 1989) (E10) wird u.a. über die Druckfestigkeit verschiedener getesteter Faserzement-Platten berichtet. Frei angelegte Einzelplatten erreichten dabei Werte von 26,4 N/mm2 (Lfd. Nr. 11) bis 80,5 N/mm2 (Lfd. Nr. 21) (vgl Tabelle 11, S 174), also im Bereich von 26 400 bis 80 500 kN/qm liegende und damit den im verteidigten Anspruch 1 beanspruchten Wertebereich weit übersteigende Werte. Die Versuchsmaterialien stammten aus den Gruppen Dachplatten, Fassadenplatten, Wellplatten und Tafeln (vgl Bericht S 119) ohne weitere Zweckangabe, die auf eine Verwendung als Fußplatte für Deckenrandabschalungen hindeuten könnte. Auch wurden offensichtlich reine Faserzementplatten ohne Hinweis auf Zuschlagstoffe getestet, so daß auch diese Druckschrift keine gemeinsamen Merkmale mit dem verteidigten Schutzgegenstand erkennen läßt.

3. Es läßt sich nicht feststellen, daß der Gegenstand des verteidigten Schutzanspruchs 1 nicht auf einem erfinderischen Schritt beruht.

Die LOHR ELEMENT Preisliste (gültig ab 1. September 1996) zeigt einerseits eine Deckenrandabschalung für eine betonierte Decke, welche insgesamt aus Faserbetonplatten, welche im rechten Winkel zueinander angeordnet sind, besteht; und andererseits eine solche, die eine senkrecht stehende wärmedämmende Schicht aufweist, welche mit einer Fußplatte kombiniert ist, die aus zwei Schichten, nämlich einer Styrolschicht und einer Faserbetonschicht aufgebaut ist. Dies mag eine Vorstufe zu einer Entwicklung sein, wie sie aus dem Rundschreiben der Firma LOHR ELEMENT "Winteraktion-Deckenrandschalung" an alle Handelspartner mit Datum vom 8. Januar 1997, also etwas mehr als 3 Monate nach der Gültigkeit der vorgenannten Preisliste, ersichtlich wird. In diesem Rundschreiben wird unter der Bezeichnung "Typ S" eine Deckenrandabschalung angeboten, deren wärmedämmende Schicht aus extrudiertem Polystyrol mit einer Stärke von 35 mm besteht sowie in den Höhen von 16, 18 oder 20 cm lieferbar ist und deren (Fuß-)Platte aus Faserbeton hergestellt ist. Unter der Annahme, daß dieses Rundschreiben "an alle Handelspartner" einem uneingeschränkten Personenkreis zugänglich gemacht worden war, ergibt sich hieraus ein Stand der Technik, der einem Fachmann, einem Bauingenieur mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung und Herstellung von Elementen für die Schalungstechnik, eine Deckenrandschalung für eine betonierte Decke mit allen das Aussehen und die Einbaulage beschreibenden Merkmalen des verteidigten Schutzanspruchs 1 offenbart, nämlich die Merkmale 1., 1.1, 2., 3., 3.1. Auch ist für einen Fachmann ersichtlich, daß die hier mit "Faserbeton" bezeichnete (Fuß-)Platte aus Faserzement mit Zuschlagstoffen - diese sind in der Bautechnik in der Regel Sand und/oder Kies und machen einen Zementmörtel durch ihre Zugabe zu Beton - besteht, so daß auch das Merkmal 3.1.2 aus diesem Stand der Technik herleitbar ist. Aus dem Stand der Technik nach dem Rundschreiben der Firma LOHR ELEMENT ist indes die Art und Weise der Verbindung der senkrecht zueinander stehenden Platten (wärmedämmende Schicht, Fußplatte) mittels Verklebung (Merkmal 3.1.1) sowie der beanspruchte Wertebereich für die maximal zulässige Flächenpressung (Merkmal 3.1.3) nicht ersichtlich, auch nicht unter Hinzunahme des Offenbarungsgehaltes der o.g. Preisliste der Firma LOHR ELEMENT (gültig ab 1. September 1996) sowie der anderen im Verfahren befindlichen Preislisten der Firma LOHR ELEMENT (gültig ab 1. Januar 1998 bzw 1. November 1997).

Jedoch kann die Verbindung der Platte mit der wärmedämmenden Schicht mittels Verklebung (Merkmal 3.1.1) bereits dem vorbekannten Stand der Technik zugerechnet werden. Denn diese Verbindungsart wird für Elemente zur Deckenrandabschalung bereits in den Unterlagen des Gebrauchsmusters DE 295 12 807 U1 (E2) (Seite 12 Zeilen 8 bis 10) sowie im Prospekt der Firma Mödinger "Deckenrandschalungssystem" (E4) (1. Umschlagseite, oben) beschrieben.

Andererseits sind aber bislang aus dem Stand der Technik keinerlei Hinweise zu entnehmen, die den Fachmann auf die Einstellung der (Fuß-)Platte aus Faserzement mit Zuschlagstoffen auf einen Wertebereich hinführen könnten, wie er im verteidigten Anspruch 1 unter Schutz gestellt wird. So hat die Deckenrandabschalung nach der Firmendruckschrift "rekord Holzmann Remsede" (E3) eine zementgebundene Hochfestigkeitsplatte als (Fuß-)Platte, deren Druckfestigkeit allerdings mit 3 N/mm2 (also 3000 kN/qm) angegeben ist und damit weit unter dem beanspruchten Werteintervall und zwar im Bereich der Belastung durch normales Mauerwerk liegt. Über diesen Offenbarungsgehalt geht auch der Firmenprospekt "Mödinger, Deckenrand-Schalungssystem" (E4) nicht hinaus, weil dort ebenfalls eine zementgebundene Hochfestigkeitsplatte mit einer Druckfestigkeit von 3 N/mm2 beschrieben ist.

Demzufolge beschreiben alle im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen, welche sich überhaupt auf Deckenrandabschalungen mit irgendwelchen zementgebundenen (Fuß-)Platten beziehen, übereinstimmend nur Platten mit einer im Bereich der Belastung durch normales Mauerwerk liegenden Druckfestigkeit von 3 N/mm2. Sie vermögen den Fachmann daher auch in einer Zusammenschau mit dem Stand der Technik nach den Preislisten und dem Rundschreiben der Firma LOHR ELEMENT sowie dem DE 295 12 807 U1 nicht zum Merkmal 3.1.2 des verteidigten Schutzanspruchs 1 zu führen.

Die übrigen Entgegenhaltungen beziehen sich auf Platten aus Faserzement mit Zuschlagstoffen ohne Hinweis auf Druckfestigkeit sowie die Verwendung als Fußplatte einer Deckenrandabschalung (Firmenprospekte MINERIT (E5) und ETERPLAN N (E7), so daß der Fachmann auch durch diesen Stand der Technik keinerlei Hinweise zum Auffinden des beanspruchten Werteintervalls erhalten kann. Dies gilt in gleicher Weise auch für den Forschungsbericht 156 der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (E10). Denn dort wurden bei Faserzementplatten, welche als Dachplatten, Fassadenplatten, Wellplatten oder Tafeln einem anderen Zweck dienen, Werte bezüglich ihrer Druckfestigkeit ermittelt, welche zwischen 26,4 und 80,5 N/mm2 lagen (Tabelle 11, S 174) und daher das beanspruchte Werteintervall weit übersteigen.

Die Antragstellerin konnte den Senat nicht davon überzeugen, daß der im Stand der Technik nicht nachweisbare Wertebereich, wie er im verteidigten Schutzanspruch 1 beansprucht wird, auf einer einfachen Herabsetzung der Druckfestigkeit reiner Faserzementplatten mit Hilfe von Zuschlagstoffen beruht, die nicht auf einem erfinderischen Schritt beruht. Zum Zeitrang des Streitgebrauchsmusters nämlich ist die Fachwelt allgemein von einem Druckfestigkeitserfordernis für einen Schalungsfuß von bis zu 3 N/mm2 (3000 kN/qm) ausgegangen, wie die Angaben sowohl in der Beschreibung des Streitgebrauchsmusters als auch im entgegengehaltenen relevanten Stand der Technik (E3, E4) erkennen lassen. Dieser Wert von 3 N/mm2 wird auch nach Auffassung des Senats zumindest beim normalen Wohnungsbau, der sich auf geringe Geschosszahlen beschränkt, nicht überschritten. Die Lehre des Streitgebrauchsmusters geht daher über routinemäßige Maßnahmen hinaus, indem sie für die den Schalungsfuß bildenden Platten einen Wertebereich für deren Druckfestigkeit vorschlägt, der einerseits den o.g. zu erwartenden Wert im normalen Wohnungsbau um das 3 bis 4-fache übersteigt und andererseits meist unter den Werten einer reinen Faserzementplatte liegt. Durch die Antragsgegnerin wird vielmehr ein insoweit zweckmäßiger Wertebereich erstmalig vorgeschlagen, der einerseits gegenüber der zu erwartenden Maximalbelastung genügend Sicherheitstoleranz übrig läßt und andererseits einen Rückgriff auf die teueren reinen Faserzementplatten mit ihren für den hier in Rede stehenden Zweck viel zu hohen Druckfestigkeitswerten entbehrlich macht.

Den behaupteten Benutzungshandlungen brauchte unter diesen Umständen nicht mehr nachgegangen zu werden, denn sie beziehen sich auf Artikel aus den Preislisten der Firma LOHR ELEMENT bzw. die Verteilung dieser Preislisten an die Mitglieder einer Einkaufsgemeinschaft für Baumaterialien selbst. Damit geht der Vortrag zu den behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen in seinem technischen Sachgehalt nicht über den Inhalt des insoweit bereits gewürdigten Offenbarungsgehalts der Preislisten der Firma LOHR ELEMENT hinaus. Auch der Zeitrang der öffentlichen Zugänglichkeit dieser und der übrigen im Verfahren befindlichen Firmendruckschriften ist nicht von Belang, da sie dem Schutzgegenstand nach Anspruch 1 nicht ausreichend nahekommen.

4. Zusammen mit dem verteidigten Schutzanspruch 1 haben auch die auf Ausgestaltungen der Deckenrandabschalung nach diesem Anspruch gerichteten eingetragenen Unteransprüche 2, 3 und 5 bis 14 Bestand.

III Die Kostenentscheidung bezüglich des ersten Rechtszuges beruht auf § 18 Abs 2 Satz 2 GebrMG iVm § 84 Abs 2 Satz 1 und 2 PatG und § 93, § 91 ZPO.

Hinsichtlich des sofort anerkannten Teils des Löschungsantrags - nämlich soweit von einem Widerspruch abgesehen worden ist - hat die Antragsgegnerin keine Veranlassung (§ 93 ZPO) zur Einreichung des Löschungsantrag gegeben. Veranlassung dazu hätte sie gegeben, wenn sie einer Aufforderung zur freiwilligen Aufgabe des Gebrauchsmusters oder jedenfalls zur Erklärung eines Verzichts auf Ansprüche aus dem Gebrauchsmuster nicht nachgekommen wäre (vgl BPatGE 22, 285, 289 mwN); dies ist jedoch nicht der Fall, denn eine solche Aufforderung ist nicht erfolgt. Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 4. Mai 1999 der Antragsgegnerin auf deren Berechtigungsanfrage lediglich mitgeteilt, wie werde sich nicht scheuen, die Löschung zu beantragen, wenn die Antragsgegnerin "weiterhin" irgendwelche Ansprüche erheben und die Angelegenheit nicht für erledigt ansehen sollte. Eine so allgemeine gehaltene Ankündigung nötigt die Antragsgegnerin - anders als eine ausdrückliche Aufforderung - nicht zu einer (hier auch nicht erfolgten) Klarstellung bezüglich des von ihr beabsichtigten weiteren Verhaltens, so daß sich die Antragstellerin nicht darauf berufen kann, ihr sei nur noch der Weg des Löschungsverfahrens übriggeblieben, um Rechtssicherheit zu erlangen.

Hinsichtlich des übrigen Teils des Löschungsantrags - nämlich soweit widersprochen und der Löschungsantrag jetzt als unbegründet beschieden worden ist - hat die Antragsgegnerin obsiegt (§ 91 ZPO).

Die Kostenentscheidung bezüglich des zweiten Rechtszuges folgt aus § 18 Abs 2 Satz 2 GebrMG iVm § 84 Abs 2 Satz 1 PatG, §§ 97, 91 ZPO. Zum einen ist die Beschwerde der Antragstellerin erfolglos geblieben. Dagegen ist die Kostenbeschwerde der Antragsgegnerin erfolgreich; der Kostenanteil hinsichtlich der fallengelassenen Sachbeschwerde der Antragsgegnerin ist zu vernachlässigen (§ 92 Abs 2 ZPO), jedenfalls erfordert dies die Billigkeit.

Goebel Dr. Huber Gießen Pr






BPatG:
Beschluss v. 12.02.2003
Az: 5 W (pat) 404/02


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