Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. März 2005
Aktenzeichen: 26 W (pat) 167/02

(BPatG: Beschluss v. 23.03.2005, Az.: 26 W (pat) 167/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die Eintragung der Marke 398 25 324 Rapsifür

"Alkoholische Getränke, nämlich auf der Grundlage von Raps hergestellte Liköre"

ist Widerspruch erhoben worden aus der für die Waren

"Mineralwässer, kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke, insbesondere Cola-Getränke, Fruchtgetränke, Fruchtsaftgetränke, Fruchtnektare; vergorene und unvergorene Obstmoste; Präparate für die Zubereitung von Getränken, insbesondere für die Zubereitung von Cola- Getränken; Obstweine, insbesondere Apfelweine; alkoholhaltige Mischgetränke auf der Grundlage von Weinen"

eingetragene Marke 398 07 573 Die Markenstelle hat wegen des Widerspruchs zunächst die Löschung der seinerzeit noch für "alkoholische Getränke, insbesondere Liköre" eingetragenen angegriffenen Marke angeordnet. Nach Beschränkung des Warenverzeichnisses auf "Alkoholische Getränke, nämlich auf der Grundlage von Raps hergestellte Liköre" hat die Markenstelle im Erinnerungsverfahren ihren ursprünglichen Beschluss aufgehoben und den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, zwischen den Marken bestehe angesichts des nunmehr relativ großen Warenabstandes keine Verwechslungsgefahr mehr. Die von der Widersprechenden behauptete Eigenart und Einprägsamkeit der Widerspruchsmarke rechtfertigten es nicht, dieser einen erweiterten Schutzumfang zuzuerkennen. Deshalb seien an den Markenabstand keine zu strengen Anforderungen zu stellen. Den danach gebotenen Abstand halte die angegriffene Marke sowohl in schriftbildlicher als auch in klanglicher Hinsicht noch ein, was von ihr im einzelnen dargelegt wird. Schließlich sei auch nicht zu befürchten, dass die angegriffene Marke als Verkleinerung der Widerspruchsmarke verstanden und deshalb gedanklich mit dieser in Verbindung gebracht werden könne. Bei "Rapp's" handele es sich ersichtlich um die Genitivform des Namens "Rapp". Von einer solchen Form eine Verkleinerung zu bilden, sei unüblich.

Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Zu deren Begründung trägt sie vor, dem Oberbegriff nach überschnitten sich die Warenverzeichnisse der beiderseitigen Marken auch nach der Teillöschung der angegriffenen Marke. Beide seien für alkoholische Getränke eingetragen. Aufgrund dieser übergeordneten Verbindung sei von der Erwartung des Verkehrs auszugehen, dass die beiderseitigen Waren einen gemeinsamen betrieblichen Ursprung hätten. Sowohl Rapsliköre als auch Obstweine und alkoholische Mischgetränke auf Weinbasis würden aus natürlichen Ausgangsstoffen hergestellt. Damit richte sich das Angebot dieser Waren an sich überschneidende Verbraucherkreise, die Alkoholika auf der Grundlage besonderer Ausgangsstoffe kaufen wollten. Dass sich die beiderseitigen alkoholhaltigen Getränke in ihren konkreten Ausgangsprodukten und in ihrem Alkoholgehalt unterschieden, sei demgegenüber unbeachtlich. Zwischen den Marken bestehe angesichts der gemeinsamen Lautfolge "Raps" insbesondere eine erhebliche klangliche Ähnlichkeit. Einziges Unterscheidungskriterium sei das "i" in der angegriffenen Marke. Dies sei jedoch aus einer unsicheren Erinnerung heraus und bei ungünstigen Übermittlungsbedingungen nicht geeignet, Verwechslungen auszuschließen, weil es nicht den phonetischen Schwerpunkt der angegriffenen Marke darstelle und damit ohne prägenden Einfluss auf den Gesamtklang bleibe. Die Marken seien ferner deshalb verwechselbar, weil es sich bei der angegriffenen Marke um eine Verniedlichungsform der Widerspruchsmarke handele. Weil Schnäpse aus kleinen Gläsern getrunken und in kleinen Fläschchen angeboten würden, vermittele die angegriffene Marke den Eindruck einer im Rahmen eines durchdachten Konzepts der Widersprechenden vorgenommenen Erweiterung der Produktpalette auf hochprozentige alkoholische Getränke. Zwischen den Marken bestehe auch dem Sinngehalt nach eine "besonders starke Affinität". Das Argument der Markenstelle, dass es sich bei der Widerspruchsmarke um eine Genitivform handele, von der gewöhnlich keine Verkleinerung gebildet werde, überzeuge nicht, weil der Genitiv für den Verkehr bei klanglicher Wiedergabe nicht erkennbar sei. Der Verkehr verstehe die Widerspruchsmarke vielmehr, sofern er sie höre, als Familienname in der Nominativform und bringe die als Verniedlichungsform der Widerspruchsmarke verstandene angegriffene Marke mit der Widerspruchsmarke deshalb gedanklich in Verbindung. Die Widersprechende beantragt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Löschung der angegriffenen Marke.

Die Markeninhaberin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt. Im Verfahren vor der Markenstelle hatte sie mit Schriftsatz vom 19. Juni 2002 "in Anbetracht des näher rückenden Endes der Benutzungsschonfrist" vorsorglich die Einrede der Nichtbenutzung erhoben.

Der Senat hat die Widersprechende mit Beschluss vom 12. März 2003 in die versäumte Frist zur Einlegung der Beschwerde wiedereingesetzt.

II Die (aufgrund der erfolgten Wiedereinsetzung) zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist unbegründet. Zwischen den beiderseitigen Marken besteht keine Verwechslungsgefahr i.S.d. § 9 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne der genannten Vorschrift ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabèl/Puma; GRUR 1998, 922, 923 - Canon). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken kann durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden und umgekehrt.

Eine Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren ist anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe, so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder auch wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen, sofern sie mit identischen Marken gekennzeichnet sind (EuGH GRUR 1998, 922, 923 f - Canon; BGH GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN / REVIAN).

Bei Zugrundelegung dieser Kriterien ist entgegen den Feststellungen im angegriffenen Beschluss für die Prüfung der Verwechslungsgefahr zugunsten der Widersprechenden nicht nur von einer entfernten, sondern von einer durchschnittlichen Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren auszugehen. Die auf der Grundlage von Raps hergestellten Liköre, für die die angegriffene Marke nach der im Erinnerungsverfahren erfolgten Einschränkung des Warenverzeichnisses noch eingetragen ist, weisen schon deshalb Ähnlichkeit mit den im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthaltenen Waren auf, weil es sich jeweils um Getränke handelt. Den größten Ähnlichkeitsgrad zu den Rapslikören der angegriffenen Marke zeigen dabei die Waren der Klasse 33, weil es sich insoweit beiderseits um alkoholhaltige Getränke handelt. Zwar unterscheiden sich die Weine und die alkoholischen Mischgetränke der Widersprechenden nach der Fassung des Warenverzeichnisses von Rapslikören zum einen durch ihre Ausgangsstoffe, nämlich Weintrauben und anderes Obst, und zum anderen, was Obstweine betrifft, auch durch ihren Alkoholgehalt und die Einordnung in die verschiedenen Getränkekategorien "Likör" bzw "Wein". Dies steht der Annahme einer nicht nur entfernten Ähnlichkeit jedoch schon deshalb nicht entscheidend entgegen, weil in Getränkefachmärkten und Supermärkten auch alkoholische Getränke angeboten werden, die - wie z.B. die sog. Likörweine - als Übergangsprodukte zwischen Weinen und Likören nicht eindeutig einer der vorgenannten Gruppen von alkoholischen Getränken zugeordnet werden können. Zudem sind auch Liköre, die i.d.R. aus einer Spirituose auf Getreide-, Wein- oder Kartoffelbasis sowie aus Kräutern bzw Früchten angesetzt werden, im weiteren Sinne alkoholhaltige Mischgetränke.

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist von Haus aus normal. Für eine gesteigerte Kennzeichnungskraft ist nichts Maßgebliches vorgetragen worden. Die Behauptung der Widersprechenden, dass die Widerspruchsmarke "in Hessen mehr als 30% der Verbraucher bekannt sein dürfte", ist zum einen zu unsubstantiiert und könnte zum anderen selbst dann, wenn sie zugunsten der Widersprechenden als wahr unterstellt würde, nicht zur Begründung einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke führen, weil aus ihr weder erkennbar ist, für welche Waren eine solche Bekanntheit der Marke im Verkehr bestehen soll, noch aus dieser Behauptung Schlüsse auf den Umfang ihrer maßgeblichen bundesweiten Verkehrsbekanntheit möglich sind.

Vor dem Hintergrund der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und einer durchschnittlichen Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren reichen die Unterschiede der sich gegenüberstehenden Marken aus, um die Gefahr von Verwechslungen i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG verneinen zu können.

In schriftbildlicher Hinsicht stimmen die Marken zwar bei einer zugunsten der Widersprechenden berücksichtigten Wiedergabe der Widerspruchsmarke in einer verkehrsüblichen Schrift am Wortanfang in der Buchstabenfolge "Rap" überein. Am Wortende unterscheiden sie sich jedoch in den Buchstabenfolgen "p's" und "si" deutlich voneinander. Die Unterschiede sind angesichts des Umstands, dass sie nahezu die Hälfte der Wortlänge der recht kurzen Markenwörter ausmachen, sowie wegen der Verwendung des eher seltenen Apostrophs in der Widerspruchsmarke auffällig und reichen auch unter Berücksichtigung des Erfahrungssatzes, dass Wortanfänge im allgemeinen stärker beachtet werden als die übrigen Markenteile, für ein sicheres Auseinanderhalten der Marken aus. Dies gilt erst recht bei einer Verwendung der Widerspruchsmarke in der konkret eingetragenen Form, da insoweit auch die besondere grafische Ausgestaltung des Anfangsbuchstabens "R" eine weitere Unterscheidungshilfe bietet.

In klanglicher Hinsicht kommt dem Umstand, dass es sich bei der Widerspruchsmarke um ein einsilbiges, bei der angegriffenen Marke hingegen um ein zweisilbiges und damit doppelt so langes Wort handelt, i.V.m. dem weiteren Umstand, dass der zusätzliche Vokal "i" in der angegriffenen Marke hellklingend und gedehnt ist und damit gegenüber dem eher dunklen, kurzen Vokal "a" der Widerspruchsmarke deutlich hervortritt, obwohl die zweite Silbe der angegriffenen Marke unbetont ist, eine die klangliche Verwechslungsgefahr entscheidend vermindernde Bedeutung zu.

Eine unmittelbare begriffliche Verwechslungsgefahr besteht schon deshalb nicht, weil beide Marken keinen geläufigen Begriff der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache verkörpern und auch ansonsten keinen ohne weiteres erfassbaren Begriffsinhalt aufweisen.

Auch für die Gefahr, dass die Marken gedanklich in Verbindung gebracht werden könnten, liegen keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vor. Da die Widersprechende keine Markenserie mit dem Stammbestandteil "Rapp's" benutzt hat und auch nicht ersichtlich ist, dass die Widerspruchsmarke bundesweit eine erhöhte Kennzeichnungskraft für alle oder einzelne Waren aufweist, könnte sich die Gefahr einer gedanklichen Verbindung zwischen den beiderseitigen Marken nur aufgrund sonstiger Umstände ergeben. Als ein solcher kommt zwar grundsätzlich die gleichzeitige Verwendung der Widerspruchsmarke als Firma der Widersprechenden in Betracht. Von einer Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der gedanklichen Verbindung kann jedoch auch in diesem Fall stets nur dann ausgegangen werden, wenn die als Stammbestandteil in Betracht kommende Marke in beiden Marken identisch oder zumindest wesensgleich enthalten ist. Selbst identische Buchstabenfolgen legen für den Verkehr noch nicht zwangsläufig den Gedanken an Serienmarken nahe. Vielmehr müssen sie nach Art eines eigenständigen Wortstamms innerhalb des Gesamtzeichens hervortreten. Davon kann bei unselbständigen Lautfolgen, denen innerhalb des Gesamtworts, insbesondere wegen der üblichen Silbentrennung, die Eigenständigkeit fehlt, nicht ausgegangen werden (BPatG Mitt 1987, 162 - KINGINKA/INKA; Mitt 1995, 255, 257 - JACOMO/Jac).

Innerhalb der angegriffenen, zweisilbigen Marke mit der natürlichen Silbengliederung "Rapsi" tritt die wie "Rapps" ausgesprochene Widerspruchsmarke wegen der anderen Silbentrennung nicht eigenständig in Erscheinung, so dass schon aus diesem Grunde eine gedankliche Verbindung der Marken nicht naheliegt. Dies gilt auch für den Fall, dass beide Marken bildlich wahrgenommen werden, weil in diesem Fall der Umstand, dass die angegriffene Marke nur mit einem "p", die Widerspruchsmarke hingegen mit "pp" geschrieben wird, gegen eine Zusammengehörigkeit der Marken spricht.

Auch der Gedanke, dass es sich bei der angegriffenen Marke um eine Verniedlichungsform der Widerspruchsmarke handeln könnte, liegt aus dem bereits von der Markenstelle angeführten Grund, dass eine solche Verniedlichung stets vom Nominativ, hier also von "Rapp", gebildet würde und die Verniedlichungsform der Widerspruchsmarke damit nicht "Rapsi", sondern "Rappi" lauten müsste, nicht auf der Hand. Hinzu kommt, dass es für die Üblichkeit einer markenmäßigen Verwendung von Verniedlichungsformen, anders als möglicherweise bei Verkleinerungsformen wie "-chen" oder "-lein", keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt und diese auch von der Widersprechenden nicht vorgetragen worden sind. Die von ihr diesbezüglich angeführten Beispiele "Pfläumchen" und "Feigling", können eine solche Übung und ein darauf basierendes Verkehrsverständnis nicht belegen, weil "Feigling" ein eigenständiger Begriff und keine Verniedlichung ist und "Pfläumchen" eine (übliche) Verkleinerungsform darstellt. Jedenfalls drängt sich eine gedankliche Verbindung der Marken nicht derart auf, dass deshalb in rechtserheblichem Umfang mit Verwechslungen der betrieblichen Markenzugehörigkeit gerechnet werden müsste. Die Beschwerde der Widersprechenden kann daher keinen Erfolg haben.

Auf die Frage einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke sowie auf die vorangehende Frage der Zulässigkeit einer vorsorglich vor Ablauf der sog. Benutzungsschonfrist erhobenen Einrede der Nichtbenutzung kommt es angesichts der Tatsache, dass der Widerspruch schon wegen fehlender Verwechslungsgefahr der Marken keinen Erfolg haben kann, nicht an. Da die Frage der rechtserhaltenden Benutzung dahingestellt bleiben konnte, bedurfte es auch keiner vorherigen Zustellung des die Nichtbenutzungseinrede enthaltenden, an das Patent- und Markenamt gerichteten Schriftsatzes der Widersprechenden vom 19. Juni 2002, dessen Zustellung durch das Amt offenbar unterblieben bzw zumindest aus den Akten nicht feststellbar ist.

Für eine Kostenauferlegung gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG besteht kein Anlass.

Albert Kraft Reker Bb






BPatG:
Beschluss v. 23.03.2005
Az: 26 W (pat) 167/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/f0e8699e2512/BPatG_Beschluss_vom_23-Maerz-2005_Az_26-W-pat-167-02




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share