Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 8. November 2007
Aktenzeichen: 13 B 1281/07

(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 08.11.2007, Az.: 13 B 1281/07)

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 11. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 50.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Rahmen der dargelegten Gründe befindet, hat keinen Erfolg. Dabei wird angesichts des mit der Beschwerde (erneut) gestellten, gegen zwei Entgeltgenehmigungen gerichteten formellen Antrags der Antragstellerin davon ausgegangen, dass sich die Beschwerde nicht nur auf das Produkt ePZA (elektronische Postzustellungsaufträge) bezieht, worauf die vorrangig auf dieses Produkt bezogenen Beschwerdeausführungen zur Begründetheit des Antrags schließen lassen könnten.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung der der Beigeladenen von der Antragsgegnerin erteilten Entgeltgenehmigungen für (elektronische) Postzustellungsaufträge (PZA und ePZA) vom 11. Oktober 2006/März 2007 zu Recht abgelehnt. Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin ist nicht geeignet, eine andere Entscheidung zu rechtfertigen.

In auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gerichteten Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO, der nach dessen Absatz 3 auch im Rahmen des § 80a VwGO Anwendung findet, ist regelmäßig nur eine summarische Prüfung der zu berücksichtigenden öffentlichen und privaten Interessen und der Sach- und Rechtslage geboten und ausreichend. Dies gilt insbesondere auch in Bezug auf komplexe Rechtsfragen, deren abschließende Klärung einen einem Eilverfahren nicht angemessenen Aufwand erfordern würde und die deshalb erst im Hauptsacheverfahren einer endgültigen Klärung zugeführt werden können.

Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 80 Rdnrn. 125 ff; Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. § 80 Rdnrn. 136 ff, § 80a Rdn. 24.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz der summarischen Prüfung ist hier auch nicht wegen der geltend gemachten Folgewirkungen der gerichtlichen Entscheidung gerechtfertigt bzw. geboten, wie sich aus dem Nachstehenden ergibt.

Bei der summarischen Prüfung geht der Senat - anders als das Verwaltungsgericht - derzeit nicht von der Unzulässigkeit des Antrags der Antragstellerin aus. Die Frage der drittschützenden Wirkung der für die Entgeltfestsetzungen maßgebenden Bestimmungen des § 34 i. V. m. § 20 Abs. 1 und 2 PostG und der davon abhängenden Antragsbefugnis der Antragstellerin kann nach der - auch von den Beteiligten genannten - Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Oktober 2002 - 6 C 8/01 -, BVerwGE 117, 93, die zwar zum Telekommunikationsgesetz ergangen ist, der aber wegen vergleichbarer Bestimmungen im Postgesetz (z. B. § 24 Abs. 2 Nr. 2 TKG 1996; § 20 Abs. 2 Nr. 2 PostG) auch ein Aussagewert im Postrecht zukommt, nicht ohne Weiteres verneint werden und bedarf einer weiteren Prüfung. Der Antragstellerin vorzuhalten, gegen die fraglichen Entgeltgenehmigungen (noch) keine Klage erhoben zu haben, erscheint angesichts der unterschiedlichen Ansichten zur Notwendigkeit einer vorherigen Rechtsbehelfseinlegung,

vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, a. a. O., § 80 Rdn. 129,

sowie angesichts der fehlenden formellen Zustellungen der Bescheide von Oktober 2006 und März 2007 an die Antragstellerin, als deren Folge sich eine Verlängerung etwaiger Rechtsmittelfristen ergeben könnte, ebenfalls nicht gerechtfertigt.

In der summarischen Wertung der Rechtmäßigkeit der Entgeltgenehmigungen vom 11. Oktober 2006 und der weiteren Bescheide vom 12. März bzw. 29. März 2007 und bezüglich der erfolgsunabhängigen Interessenabwägung schließt sich der Senat den Erwägungen des Verwaltungsgerichts an. Beim derzeitigen Erkenntnisstand ist nicht ersichtlich, dass eine Verpflichtung der Antragsgegnerin bestand, bei den Entgeltgenehmigungen für die Beigeladene und bei der Ermittlung der Kosten einer effizienten Leistungsbereitstellung die für die Beigeladene bestehende Befreiung von der Umsatzsteuer zu berücksichtigen und die Entgelte wegen der Steuerbefreiung höher festzusetzen. Maßgebende Erwägungen sind dabei, dass die Umsatzsteuer als "durchlaufender" Posten bei der Kostenkalkulation gilt und die Antragsgegnerin bei Entgeltgenehmigungen ständig nur von Nettoentgelten ausgeht, d. h. eine etwaige Umsatzsteuerpflicht auch ansonsten nicht berücksichtigt. Die abschließende Klärung der von den Beteiligten aufgeworfenen Fragen in Zusammenhang mit der Befreiung der Beigeladenen von der Umsatzsteuer (§ 4 Nr. 11b UstG) und den Auswirkungen auf Postdienstleistungen im Allgemeinen und auf die betroffenen Dienstleistungen/Produkte PZA und ePZA im Speziellen würde den Rahmen eines Eilverfahrens überschreiten. Dies gilt vor allem auch bezüglich der politischen Grundentscheidung, wegen der flächendeckenden Versorgung mit Postdienstleistungen und der Übernahme von Pensions- und sonstigen Altlasten des ehemaligen Staatsmonopolbetriebs Deutsche Bundespost allein durch die Beigeladene deren unmittelbar dem Postwesen dienende Umsätze nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen; diese politische Willensbekundung inhaltlich zum Gegenstand dieses Eilverfahrens zu machen, ist deshalb nicht angezeigt.

Ein vorrangiges Aussetzungsinteresse der Antagstellerin ist im Übrigen nicht gegeben. Im Rahmen der Interessenabwägung ist insoweit, wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, zu bedenken, dass dem in § 44 PostG (i. V. m. § 80 Abs. 2 TKG 1996) angeordneten Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde ein erhebliches hier zu Gunsten der Beigeladenen wirkendes - Gewicht zukommt.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juni 2007 - 6 VR 5.07 -, NVwZ 2007, 1207.

Würde dem umfassenden Begehren der Antragstellerin, die Vollziehung der Entgeltgenehmigungen einschränkungslos auszusetzen, stattgegeben, hätte dies zudem zur Folge, dass die Beigeladene die Postdienstleistungen PZA und ePZA nicht mehr erbringen dürfte, weil es an einer nach § 34 PostG erforderlichen vollziehbaren Entgeltgenehmigung fehlen würde. Ein derartiges Interesse an einer totalen Einstellung von Dienstleistungen der Beigeladenen kann der Antragstellerin aber nicht zuerkannt werden. Die Antragstellerin nimmt in ihrem vorrangigen Dienstleistungsbereich der Ausführung von Postzustellungsaufträgen in vollem Umfang am Wettbewerb teil und muss sich - mit allen Konsequenzen bei der Preisgestaltung - nicht nur der Konkurrenz durch die Beigeladene stellen, sondern auch aller übrigen Wettbewerber in diesem Bereich mit zum Teil niedrigeren Entgelten. Eine Sonderstellung der Antragstellerin und der Beigeladenen zueinander besteht deshalb auch im Hinblick auf die Umsatzsteuerbefreiung der Beigeladenen nicht. Dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Umsatzrückgänge vorrangig bzw. ausschließlich auf die niedrigeren Entgelte der Beigeladenen für den fraglichen Dienstleistungsbereich zurückzuführen sind und die sonstigen Marktverhältnisse dafür keine Rolle spielen, und deshalb ein vorrangiges Aussetzungsinteresse für sie besteht, hat die Antragstellerin nicht überzeugend dargelegt und ist nicht erkennbar. Dies gilt auch hinsichtlich ihres Vorbringens, Ende Mai 2007 Insolvenz angemeldet zu haben. Der Umstand, dass sie den Insolvenzantrag nur wenige Tage später vorläufig zurückgenommen hat, ist insoweit ein Indiz für die Möglichkeit, das wirtschaftlichen Überleben aus eigener Kraft, z. B. durch strukturelle Veränderungen in ihrem Unternehmen, zu sichern.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 GKG. Auch wenn im Vorbringen der Beteiligten keine konkreten Anhaltspunkte für die Streitwertbemessung enthalten sind, würde der Ansatz des Auffangwerts nach § 52 Abs. 2 GKG dem Begehren der Antragstellerin ersichtlich nicht gerecht. Der Senat bewertet in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in dem regelmäßig die Hälfte des in einem Hauptsacheverfahren anzusetzenden Werts angenommen wird, die Bedeutung des Begehrens der Antragstellerin, die eine Existenzgefährdung und den Verlust eines großen Teils ihres Kundenstamms als Folge der Entgeltgenehmigungen für die Beigeladene geltend gemacht und die Berechtigung der Beigeladenen zur Umsatzsteuerbefreiung grundsätzlich in Frage gestellt hat, unter Berücksichtigung zweier betroffener Genehmigungen mit 50.000 EUR. Dieser Wert hält sich im Rahmen der Streitwertfestsetzungen in vergleichbaren telekommunikationsrechtlichen Verfahren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.






OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 08.11.2007
Az: 13 B 1281/07


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