Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. November 2008
Aktenzeichen: 21 W (pat) 316/06

(BPatG: Beschluss v. 20.11.2008, Az.: 21 W (pat) 316/06)

Tenor

Das Patent DE 103 10 589 wird aufrechterhalten.

Gründe

I.

Gegen das am 11. März 2003 angemeldete Patent 103 10 589, das ein Sehtestgerät zur Prüfung des Sehvermögens der Augen eines Probanden betrifft und dessen Erteilung am 24. November 2005 veröffentlicht worden ist, ist am 22. Februar 2005 Einspruch erhoben worden.

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet, nach Merkmalen gegliedert:

M1 Sehtestgerät zur Prüfung des Sehvermögens der Augen (1) eines Probanden M2 mit einer optischen Abbildungseinheit (3) zur virtuellen Abbildung eines innerhalb der Brennweite der Abbildungseinheit (3) befindlichen und aus unterschiedlichen Entfernungen abbildbaren Testobjekts in die in der Fokalebene der Abbildungseinheit (3) befindlichen Augen (1) des Probanden, M3 und mit einem im Strahlengang zwischen den Augen (1) des Probanden und der Abbildungseinheit (3) angeordneten ersten optischen Element (2)

M4 sowie einem zwischen der Abbildungseinheit (3) und dem Testobjekt angeordneten zweiten optischen Element (4), dadurch gekennzeichnet, dass M5 das erste und das zweite optische Element (2,4) als Vollspiegel oder als ein den Strahlengang totalreflektierendes optisches Element ausgebildet sind, M6 wobei das zweite optische Element (4) relativ zur Abbildungseinheit (3) im Strahlengang stationär angeordnet ist, M7 und dass das Testobjekt durch eine elektronisch ansteuerbare Monitoreinheit (5) erzeugbar ist, M8 die längs des durch das zweite optische Element (4) umgelenkten Strahlengangs beweglich angeordnet ist.

Die Einsprechende ist der Auffassung, dass der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei. Zur Begründung verweist sie hierzu auf die folgenden Druckschriften:

D1 DE19501415C2 D2 DE19502337A1 D3 EP0492044B1 D4 JP 11-009550 A D5 DE19851715C2 D6 US5617157 D7 US 2002/0109819 A1 D8 US5319398 D9 US6045227 D10 DE 195 40 802 A1 D11 WO 01/49166 A1 D12 US 2 798 408 D13 DE-AS 1 248 330 und D14 US 4 529 280.

Sie vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 insbesondere durch die Druckschriften D1 und D3 nahe gelegt sei.

Die Einsprechende beantragt, das Patent DE 103 10 589 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent DE 103 10 589 aufrechtzuerhalten, hilfsweise das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten mit den Patentansprüchen 1 bis 19, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 20. November 2008, im Übrigen mit den erteilten Unterlagen.

Sie ist der Auffassung, dass der Gegenstand des Streitpatents neu sei und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Der zulässige Einspruch hat keinen Erfolg, da der Gegenstand des Streitpatents neu ist und sich für den hier zuständigen Fachmann, einen Diplom-Physiker mit Erfahrungen bei der Entwicklung von optischen Geräten, nicht in naheliegender Weise aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik ergibt, so dass das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten ist (§ 61 Abs. 1 S. 1, 147 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 PatG a. F.).

1.

Der formund fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig, denn die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrundes maßgeblichen tatsächlichen Umstände sind, wie der Senat überprüft hat, von der Einsprechenden innerhalb der gesetzlichen Frist im Einzelnen so dargelegt worden, dass die Patentinhaberin und der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder das Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ohne eigene Ermittlungen ziehen können. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist im Übrigen von der Patentinhaberin auch nicht bestritten worden.

2.

Der Einspruch hat aber keinen Erfolg, da der Gegenstand des zweifellos gewerblich anwendbaren Streitpatents neu ist sowie auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Das Streitpatent betrifft ein Sehtestgerät zur Prüfung des Sehvermögens der Augen eines Probanden.

Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Sehtestgerät derart weiterzubilden, dass die für die Überprüfung des Sehvermögens eines Probanden erforderlichen optischen und elektronischen Komponenten auf ein Minimum reduziert und zugleich die Bedienund Wartungsfreundlichkeit des Sehtestgerätes verbessert werden (siehe Absatz [0008] der Patentschrift).

2.1 Die erteilten Patentansprüche sind zulässig. Der erteilte Patentanspruch 1 umfasst im Wesentlichen die Merkmale der ursprünglichen Patentansprüche 1 und 2 und der erteilte Anspruch 2 wurde durch Merkmale aus der ursprünglichen Beschreibung, Seite 4, Absatz 3 ergänzt.

2.2 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist, gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu, da keine der entgegengehaltenen Druckschriften ein Sehtestgerät mit sämtlichen im Patentanspruch 1 aufgeführten Merkmalen offenbart.

2.2.1 Aus der Druckschrift D1 (siehe insbesondere die Fig. 1 mit zugehöriger Beschreibung) ist ein Sehtestgerät mit einer optischen Abbildungseinheit 1, einem abbildbaren Testobjekt 2, einem ersten optischen Element 7 und einem zweiten optischen Element 4 gemäß den Merkmalen der Merkmalsgruppen M1 bis M4 bekannt. Aus der D1 ist ebenfalls bekannt, gemäß Merkmalsgruppe M7 als Testobjekt eine elektronisch ansteuerbare Monitoreinheit zu verwenden (siehe Spalte 3, Zeilen 31 bis 37). Da das erste optische Element eine teildurchlässige Ablenkeinrichtung 7 und das zweite optische Element ein Halbwürfelprisma 42 und somit ein totalreflektierendes Element ist, ist die Merkmalsgruppe M5 lediglich hinsichtlich des zweiten optischen Elements erfüllt. Der Senat sieht in der Druckschrift D1 lediglich einen teildurchlässigen Spiegel 70 offenbart, auch wenn dieser erst als weitere Ausführungsform des bekannten Sehtestgerätes im Anspruch 3 beansprucht wird und in der Beschreibung als Element für ein besonders vielfältig einsetzbares Sehtestgerät bezeichnet wird (siehe Spalte 2, Zeilen 25 bis 36). Aus der Gesamtoffenbarung der Druckschrift D1 wird dem Fachmann ein Sehtestgerät mit freier Durchsicht offenbart (siehe z. B. Anspruch 1), bei dem über den teildurchlässigen Spiegel 70 auch eine Blendlichtquelle 81 eingespiegelt werden kann (siehe Spalte 6, Zeilen 63 bis Spalte 7, Zeilen 16). Andere Ausführungsformen für dieses optische Element sind in der D1 nicht offenbart und dem Fachmann durch die in der D1 für dieses Element beschriebenen Funktionen (Durchsicht, Einspiegelung) auch nicht nahegelegt. Da gemäß der D1 das zweite optische Element 42 verschiebbar und das Testobjekt 2 unverschiebbar ist, sind die Merkmalsgruppen M6 und M8 ebenfalls nicht erfüllt.

2.2.2 Aus der Druckschrift D3 (siehe insbesondere die Fig. 1 mit zugehöriger Beschreibung) ist ein Sehtestgerät mit einer Abbildungseinheit 1 (Hohlspiegel), einem Testobjekt 2 und einem ersten optischen Element 4 gemäß den Merkmalen der Merkmalsgruppen M1 bis M3 bekannt. Ein zweites optisches Element im Strahlengang zwischen der Abbildungseinheit 1 und dem Testobjekt 2 gemäß M4 ist aus der D3 nicht bekannt, da der dort offenbarte Teilerspiegel 3 lediglich die Funktion hat, das virtuelle Abbild des Testobjektes im Strahlengang zwischen dem Hohlspiegel und dem Auge 7 des Probanden umzulenken. Somit ist Merkmal M6 ebenfalls nicht erfüllt. Da das erste optische Element ein halbdurchlässiger Teilerspiegel 4 ist (siehe Anspruch 1) und das Testobjekt 2 als Optotype ausgebildet ist (siehe Spalte 6, Zeilen 8 bis 12) sind die Merkmalsgruppen M5 und M7 ebenfalls nicht erfüllt. Das Testobjekt 2 ist zwar gemäß D3 beweglich angeordnet (siehe Spalte 6, Zeilen 17, 18), jedoch nicht in einem längs des zweiten optischen Elements angeordnetem Strahlengang gemäß M8.

2.3 Das beanspruchte Sehtestgerät wird dem Fachmann durch den genannten Stand der Technik auch nicht nahe gelegt. Aus der nächstkommenden, den Oberbegriff abdeckenden Druckschrift D1 ist -wie ausgeführt -keine Anordnung eines stationären zweiten optischen Elementes und eines beweglichen Testobjektes gemäß den Merkmalsgruppen M6 und M8 bekannt. Eine Umkehrung dieser Anordnung und somit ein Verschieben des Testobjektes 2 und nicht Verschieben des Halbwürfelprismas 42 ist aus der D3 nicht bekannt. Diese Umkehrung wird dem Fachmann auch nicht nahegelegt, da durch die Umkehrung des Strahlenganges um 180 Grad durch das Prisma eine Verschiebung des Prismas um einen bestimmten Weg zu einer doppelten Wegänderung des optischen Strahlenganges führt und somit zu einer platzsparenden Anordnung, die bei einem Verschieben des Testobjektes in der Anordnung nach D1 (siehe Fig. 1) nicht gegeben wäre. Aus der D1 entnimmt der Fachmann ebenfalls unter Verweis auf die Druckschrift D3, dass die Verschiebung des Testobjektes durch die vorhandenen Stromkabel problematisch ist (siehe Spalte 1, Zeilen 51 bis 55). Eine Zusammenschau mit der Druckschrift D3 bringt auch keine Hinweise für den Fachmann, da die Merkmale in den Merkmalsgruppen M6 und M8 in der Druckschrift D3 nicht erfüllt sind (siehe 2.2.2).

Darüber hinaus ist weder aus der Druckschrift D1 noch aus der Druckschrift D3 bekannt, für das erste optische Element einen Vollspiegel oder ein totalreflektierendes Element gemäß M5 zu verwenden, da in beiden Druckschriften im Strahlengang zwischen den Augen und der Abbildungseinheit dafür teildurchlässige Spiegel verwendet werden (siehe D1, teildurchlässige Ablenkeinrichtung 7 und D3, halbdurchlässiger Teilerspiegel 3). Anregungen zur Verwendung von Vollspiegeln sind dem Fachmann aus diesen Druckschriften ebenfalls nicht zu entnehmen (siehe 2.2.1).

Die verbleibenden, im Verfahren befindlichen Druckschriften liegen vom Streitpatentgegenstand -wie der Senat im Einzelnen geprüft hat -noch weiter ab und beinhalten ebenfalls keine Hinweise zur Ausgestaltung und Anordnung der optischen Elemente und des Testobjektes. Sie haben in der mündlichen Verhandlung im Übrigen keine Rolle gespielt.

Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ist nach alledem patentfähig.

2.4 Die Unteransprüche haben mit dem Anspruch 1 Bestand.

Dr. Winterfeldt Baumgärtner Dr. Morawek Bernhart Pü






BPatG:
Beschluss v. 20.11.2008
Az: 21 W (pat) 316/06


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