Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. August 2007
Aktenzeichen: 28 W (pat) 44/07

(BPatG: Beschluss v. 29.08.2007, Az.: 28 W (pat) 44/07)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. Juni 2003 und vom 19. Januar 2005 teilweise aufgehoben, nämlich insoweit, als darin die Anmeldung auch für die unter den Klassen 25 beanspruchten Waren sowie für die Dienstleistung "Veranstaltung sportlicher Wettkämpfe" zurückgewiesen wurde.

2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Angemeldet beim Deutschen Patent- und Markenamt ist die Wortmarke JESSE JAMES für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen der Klassen 6, 12, 14, 16, 18, 25, 28, 38, 41 und 42.

Mit Beschluss vom 4. Juni 2003 hat die Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung teilweise, nämlich für unter den Klassen 16, 18, 25, 28, 41 und 42 beanspruchte Waren und Dienstleistungen als nicht unterscheidungskräftige und freihaltungsbedürftige Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. Hiergegen hat der Anmelder zunächst unbeschränkte Erinnerung eingelegt, die Erinnerung dann aber mit Schriftsatz vom 17. Juli 2003 auf die nachfolgend aufgeführten Waren und Dienstleistungen der Klassen 25, 41 und 42 beschränkt:

"Bekleidungsstücke soweit in Klasse 25 enthalten, nämlich Anzüge, Bekleidung aus Lederimitat, Gürtel, Halstücher, Handschuhe, Hemdblusen, Hemden, Hosen, Hosenträger, Hüte, Jacken, Jerseykleidung, Joppen, Kleidertaschen, Krawatten, Lederbekleidung, Leibwäsche, Mäntel, Oberbekleidungsstücke, Ohrenschützer, Overalls, Parkas, Pelerinen, Pelze, Pullover, Regenmäntel, Pyjamas, Röcke, Schals, Schürzen, Slips, Socken, Strandanzüge, Strümpfe, Strumpfhalter, Strumpfhosen, Sweater, T-Shirts, Trikotkleidung, Westen; Schuhwaren soweit in Klasse 25 enthalten, nämlich Pantoffeln, Sandalen, Schnürstiefel, Schuhe, Schuhbeschläge, Skischuhe, Sportschuhe, Stiefel; Kopfbedeckungen soweit in Klasse 25 enthalten, nämlich Kapuzen, Stirnbänder Mützen;

Veröffentlichung von Büchern, Zeitungen, Zeitschriften und Magazinen, Filmproduktion, Filmverleih, Produktion von Shows, Veranstaltung sportlicher Wettkämpfe, Videofilmproduktion;

Verwaltung, Vermittlung und Vergabe von Urheber-, Urheberneben- und Persönlichkeitsrechten sowie der entsprechenden Nutzungsrechte".

Diese Erinnerung hat die Markenstelle mit Beschluss vom 19. Januar 2005 als unbegründet zurückgewiesen. Der als Marke angemeldete Name werde vom Verkehr aufgrund seiner intensiven Verwendung auf einer Vielzahl von Warensektoren nur als blickfangartiges Hervorhebungsmittel, nicht aber als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Bei der angemeldeten Marke handle es sich um den Namen einer natürlichen Person, die der Öffentlichkeit als Freischärler des amerikanischen Bürgerkriegs bekannt sei. Für die noch streitigen Waren und Dienstleistungen der Klassen 25, 41 und 42 sei dieser Name unter keinen Gesichtspunkten beschreibend. So liefere etwa auch eine Suche mit der Internetsuchmaschine GOOGLE unter dem Stichwort "JESSE JAMES" nahezu ausschließlich Hinweise auf die historische Person, auf Filme oder Bücher über ihr Leben, dagegen keine Hinweise für eine Verwendung des Namens als Werbeslogan für Waren und Dienstleistungen. Die angemeldete Marke sei daher hinreichend unterscheidungskräftig und nicht freihaltungsbedürftig. Die Entscheidungen der Markenstelle stünden in klarem Widerspruch zur eigenen Eintragungspraxis des Deutschen Patent- und Markenamts.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Anmelders ist zulässig, jedoch nur hinsichtlich der im Tenor genannten Waren und Dienstleistungen erfolgreich. Im Übrigen stehen der Eintragung der angemeldeten Marke die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG entgegen. Beschwerdegegenständlich sind dabei im vorliegenden Verfahren nur noch diejenigen Waren und Dienstleistungen der Klassen 25, 41 und 42, auf die der Anmelder seine Erinnerung beschränkt hat.

Unterscheidungskraft i. S. v. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die konkrete Eignung einer Marke, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von ihr erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2006, 850 ff. Rdn. 18 - FUSSBALL WM 2006, m. w. N.). Der gesetzliche Ausschlusstatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist dabei unter Berücksichtigung des ihm zugrundeliegenden Allgemeininteresses auszulegen, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 8 Rdn. 40, m. w. N.). Nur wenn eine Marke ihre Herkunftsfunktion erfüllen kann und auch weitere Ausschlussgründe nicht gegeben sind, ist es gerechtfertigt, die allgemeine Wettbewerbsfreiheit dadurch einzuschränken, dass sie der Allgemeinheit dauerhaft entzogen und zugunsten eines Anmelders monopolisiert wird (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, Rd. 48 - 52 - Arsenal FC). Ob ein Zeichen diesen zentralen Markenzweck erfüllen kann, ist dabei zum einen im Hinblick auf die konkret angemeldeten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise zu beurteilen. Dabei ist der markenrechtlichen Prüfung die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen zugrunde zu legen (vgl. EuGH GRUR 2003, 514, Rdn. 41 - Linde, Winward u. Rado). Personennamen, wie die hier angemeldete Wortmarke, besitzen zwar, wie in der nicht abschließenden Aufzählung von § 3 Abs. 1 MarkenG ausdrücklich hervorgehoben, eine abstrakte Unterscheidungseignung. Die Frage der konkreten Unterscheidungskraft bleibt jedoch wie bei anderen Wortmarken in jedem Einzelfall zu prüfen, wobei dieselben Kriterien heranzuziehen sind, wie bei anderen Markenkategorien (vgl. EuGH GRUR 2004, 946, Rd. 25 - Nichols). Kann einem als Marke angemeldeten Personennamen für die fraglichen Waren und Dienstleistungen ein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden, stellt dies nach ständiger Rechtsprechung einen tatsächlichen Anhaltspunkt dafür dar, dass ihr die erforderliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt (vgl. EuGH GRUR 2004, 680, Rdn. 19 - BIOMILD; BGH GRUR 2005, 417, 418 f. - BerlinCard).

Bei der angemeldeten Marke "JESSE JAMES" handelt es sich um den Namen eines nicht nur in den USA, sondern auch im Inland populären und berühmten Mitglieds der ebenfalls allgemein bekannten James-Younger-Gang. Nach seinem gewaltsamen Tod am 3. April 1882 in einem Hinterhalt zweier Bandenmitglieder wurde Jesse James als legendäre Figur fester Bestandteil der Geschichte des so genannten "Wilden Westens". Seine Lebensgeschichte wird bis heute in zahlreichen Romanen und Filmen wiedergegeben, wie etwa aktuell in dem amerikanischen Film "The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford", der bei den diesjährigen Filmfestspielen von Venedig im offiziellen Wettbewerb gezeigt wurde.

Aufgrund der Bekanntheit der historischen Person ist die angemeldete Wortmarke als allgemein verständliche Inhaltsangabe von Büchern, Filmen, Shows und Videos ersichtlich zur Beschreibung der beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen "Veröffentlichung von Büchern, Zeitungen, Zeitschriften und Magazinen, Filmproduktion, Filmverleih, Produktion von Shows, Videofilmproduktion" geeignet (vgl. BGH GRUR 2001, 1042, 1043 - REICH UND SCHÖN; GRUR 2003, 342, 343 - Winnetou). Dem inländischen Publikum ist die gängige Praxis vertraut, als Titel für Romane, Biografien, Filmen oder Veranstaltungen, die sich mit dem Leben bekannter Persönlichkeiten befassen, deren Namen zu wählen, um so für den Verkehr eine unmissverständliche Sachaussage zu treffen. Die angesprochenen Verbraucher werden die Marke daher nur als schlagwortartigen Hinweis auf den Inhalt bzw. den thematischen Gegenstand der fraglichen Medien, Produktionen und Veranstaltungen verstehen, nicht aber als betrieblichen Herkunftshinweis. Im Hinblick auf die weiteren beanspruchten Dienstleistungen "Verwaltung, Vermittlung und Vergabe von Urheber- Urheberneben- und Persönlichkeitsrechten sowie der entsprechenden Nutzungsrechte" wird der Verkehr in der Bezeichnung "JESSE JAMES" ebenfalls nur einen beschreibenden Sachhinweis auf die Verwaltung und Verwertung entsprechender Rechte sehen, die im Zusammenhang mit der Person bzw. der Lebensgeschichte von Jesse James stehen.

Aus Sicht der beteiligten Verkehrkreise steht bei der angemeldeten Marke somit die beschreibende Hinweiswirkung im Vordergrund, nicht aber - wie erforderlich - die markenrechtliche Herkunftsfunktion, so dass sie nicht über die Eignung verfügt, für die angesprochenen Verbraucher die Ursprungsidentität der fraglichen Waren und Dienstleistungen zu garantieren. Die beantragte Eintragung der Marke scheitert daher bereits am Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

Wegen ihrer dargestellten Eignung, im Hinblick auf die genannten Dienstleistungen zur Beschreibung relevanter Merkmale zu dienen, besteht in diesem Umfang zudem ein schützenswertes Allgemeininteresse an der freien Verwendbarkeit der angemeldeten Marke, so dass ihr insoweit auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen steht. Indem diese Vorschrift solche Marken von der Eintragung ausschließt, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder des Bestimmungszwecks der fraglichen Waren oder Dienstleistungen dienen können, soll dem Allgemeininteresses an der Gewährleistung eines freien, nicht durch ungerechtfertigte markenrechtliche Monopole beeinträchtigten Warenverkehrs Rechnung getragen werden (EuGH GRUR 2004, 943 Rdn. 26 - SAT.2).

Soweit der Anmelder in seiner Beschwerdebegründung auf die drei vom Deutschen Patent- und Markenamt eingetragenen Wortmarken 303 39 107 "Che Guevara" sowie 397 15 008 "Robin Hood" und 2 105 469 "TARZAN" verweist, ist festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung aus Voreintragungen möglicherweise vergleichbarer - möglicherweise aber auch löschungsreifer - Marken kein Anspruch auf Eintragung abgeleitet werden kann (vgl. hierzu BPatG BlPMZ 2007, 236; 238 f. - CASHFLOW, sowie BPatGE 49, 178, 182 ff. - Papaya, beide Entscheidungen m. w. N.). Diese Rechtsprechung zum nationalen Markenrecht ist durch verschiedene Entscheidungen des EuGH und des EuG zum Gemeinschaftsmarkenrecht immer wieder gestützt worden (vgl. EuGH GRUR 2006, 229, 231, Rdn. 46 - 49 - BioID; sowie EuG, Urteil vom 12. Juni 2007, in der Rechtssache T 190/05, a. a. O., Rdn. 65 - TWIST & POUR).

Dagegen kommt der angemeldeten Marke für die weiteren beschwerdegegenständlichen Waren der Klasse 25 und die Dienstleistung "Veranstaltung sportlicher Wettkämpfe" keine beschreibende Bedeutung zu. Der Senat konnte insoweit keine Feststellungen dazu treffen, dass der Name "JESSE JAMES" etwa als beschreibende Sachbezeichnung für einen bestimmten Bekleidungs- bzw. Modestil oder einer speziellen Art von sportlichen Betätigungen verwendet wird oder verwendet werden könnte. Es sind keinerlei konkrete Umstände ersichtlich, weshalb der angesprochene Verkehr dem Zeichen im Hinblick auf die fraglichen Waren und Dienstleistungen nur einen sachbezogenen Aussagegehalt entnehmen und sie nicht als betrieblichen Herkunftshinweis werten sollte. Der angemeldeten Marke fehlt insoweit weder die erforderliche Unterscheidungskraft, noch kann an ihrer freien Verwendbarkeit ein Freihaltungsbedürfnis bejaht werden. Auch weitere mögliche Zurückweisungsgründe sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Auf die Beschwerde des Anmelders hin waren die Beschlüsse der Markenstelle daher in diesem Umfang aufzuheben.

Die vorliegende Entscheidung konnte im schriftlichen Verfahren ergehen, nachdem der Anmelder auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ausdrücklich verzichtet hat und eine solche auch nach Wertung des Senats nicht sachdienlich gewesen wäre (§ 69 MarkenG).

Richterin Werner isturlaubsbedingt verhindertzu unterschreiben Schell Richterin Schuster isturlaubsbedingt verhindertzu unterschreiben Schell Schell Me






BPatG:
Beschluss v. 29.08.2007
Az: 28 W (pat) 44/07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/efa96dc03f1e/BPatG_Beschluss_vom_29-August-2007_Az_28-W-pat-44-07




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share