Finanzgericht Köln:
Urteil vom 10. Februar 2011
Aktenzeichen: 13 K 2516/07

(FG Köln: Urteil v. 10.02.2011, Az.: 13 K 2516/07)

Tenor

Die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbever-lustes auf den 31. Dezember 1998, 1999 und 2000 vom 27. Juni 2005, geändert durch die Bescheide vom 7. Februar 2007, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Mai 2007, werden dahingehend abgeändert, dass bei der Ermittlung des Gewerbegewinns für das Jahr 1998 die Rücklage gemäß § 6b EStG nicht in Höhe von 1.644.287,72 DM gewinnerhöhend aufgelöst und der Gewerbegewinn nicht gemäß § 6b Abs. 7 EStG in Höhe von 394.629,05 DM erhöht wird und die damit in Zusammenhang stehenden Folgewirkungen für alle drei Streitjahre gezogen wer-den.

Dem Beklagten wird aufgegeben, den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 1998, 1999 und 2000 nach dieser Maßgabe zu errechnen, ferner der Klägerin das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich formlos mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu be-kannt zu geben (§ 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung).

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin zu 95 % und dem Beklagten zu 5 % auferlegt.

Die Revision gegen die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortrags-fähigen Gewerbeverlustes wird zugelassen hinsichtlich der Frage, ob es der Ge-währung der erweiterten Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuerge-setzes entgegensteht, dass ein Unternehmen, welches ansonsten ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet, atypisch still im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes an dem Handelsgewerbe eines anderen beteiligt ist.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Korrektur eines unstreitigen Fehlers des Beklagten bei der Veranlagung der Klägerin für das Jahr 1995 im Veranlagungszeitraum 1999, über die gewinnerhöhende Auflösung einer von einer Enkelorgangesellschaft der Klägerin gebildeten Rücklage gemäß § 6b des Einkommensteuergesetzes - EStG - sowie über die Berechtigung dieser Enkelorgangesellschaft, die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG - in Anspruch zu nehmen.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die mit Gesellschaftsvertrag vom 2. April 1984 unter der Firma B Grundbesitzverwaltungsges. mbH gegründet wurde. Die Firma wurde später geändert in C Holding GmbH und ab dem 30. September 1999 in A GmbH. Der ursprüngliche Sitz der Klägerin war D, später E und in den Streitjahren F; ihr heutiger Sitz ist G. Die Klägerin ist aufgelöst, Liquidator ist der vormalige Geschäftsführer, Herr H (vgl. HRB ... des AG I).

Die Klägerin gehörte zum Konzern der J Liegenschaften AG. Sie war hinsichtlich der Körperschaft- und der Gewerbesteuer Organträgerin zu den Organgesellschaften M Holding GmbH und K Grundbesitz GmbH. Die M Holding GmbH ihrerseits war hinsichtlich der Körperschaft- und Gewerbesteuer Organträger zu der Organgesellschaft T-Gesellschaft mbH in N (im Folgenden: T GmbH). Die T GmbH ist seit dem 30. Dezember 1998 in der Weise an der L Unternehmensverwaltung AG (im Folgenden: L AG) atypisch still beteiligt, dass ihr 50 % des Gewinns und des Verlusts der L AG zustehen.

Vom 20. September 1999 bis zum 15. Februar 2000 hatte das damalige Finanzamt für Großbetriebsprüfung O bei der Klägerin eine steuerliche Außenprüfung für die Jahre 1994 bis 1997 durchgeführt. Nach den Berechnungen dieser Bp war für das Jahr 1995 u.a. eine KSt-Forderung in Höhe von 434.588 DM zu aktivieren (vgl. Anlage 1 "Mehr-Weniger-Rechnung" zum Bp-Bericht C-Holding GmbH für die Jahre 1994 bis 1997 vom 10. Mai 1999). Eine außerbilanzielle Korrektur unterblieb. Die Änderungsbescheide aufgrund dieser Bp wurden im Folgenden von der Klägerin nicht angegriffen.

Am 9. April 2001 gab die Klägerin die Steuererklärungen für das Jahr 1998 ab, am 13. September 2002 für das Jahr 1999 und am 10. Oktober 2002 für das Jahr 2002.

Für das Jahr 1998 erklärte sie einen Jahresfehlbetrag in Höhe von 170.627 DM und eine Verlustübernahme gegenüber der M Holding GmbH in Höhe von 174.676 DM.

Für das Jahr 1999 erklärte sie einen Jahresüberschuss in Höhe von 7.433.689 DM, darin enthalten einen von der Organgesellschaft M Holding GmbH abgeführten Gewinn in Höhe von 8.329.404 DM und ein der Klägerin zuzurechnendes Einkommen der Organgesellschaften in Höhe von 5.551.974 DM. Zudem machte sie für das Jahr 1999 einen negativen steuerlichen Korrekturposten gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverodnung - EStDV - in Höhe der im Veranlagungszeitraum 1995 aktivierten KSt-Forderung geltend. Dieses Vorgehen hatte die Klägerin dem Betriebsprüfer der Bp für die Jahre 1994 bis 1997 telefonisch und mit Schreiben vom 26. August 2002 mitgeteilt; der Betriebsprüfer hatte das seinerzeit zuständige Finanzamt F hierauf hingewiesen.

Für das Jahr 2000 erklärte die Klägerin einen Jahresüberschuss in Höhe von 165.287 DM, darin enthalten einen von der Organgesellschaft M Holding GmbH abgeführten Gewinn in Höhe von 140.852 DM sowie ein ihr zuzurechnendes Einkommen der Organgesellschaften in Höhe von 142.770 DM.

Mit Bescheiden vom 9. Mai 2001 (für 1998), vom 8. Oktober 2002 (für 1999) und vom 13. Dezember 2002 (für 2000) veranlagte das Finanzamt F die Klägerin erklärungsgemäß zur Körperschaft- und zur Gewerbesteuer. Danach betrugen die Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuermessbeträge für die Jahre 1998 bis 2000 jeweils 0 DM, der verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 1998 4.390.146 DM, auf den 31. Dezember 1999 168.649 DM und auf den 31. Dezember 2000 1.444 DM, und der vortragsfähige Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 1998 5.481.419 DM, auf den 31. Dezember 1999 7.651.644 DM und auf den 31. Dezember 2000 8.004.005 DM. Die Bescheide standen alle gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Aufgrund einer Prüfungsanordnung vom 24. Mai 2004 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung P (GKBp) ab dem 13. August 2004 eine steuerliche Außenprüfung bei der Klägerin für die Jahre 1998 bis 2001 durch, und aufgrund einer Prüfungsanordnung vom 20. Juli 2004 ab dem 27. Juli 2004 auch bei der T GmbH für die Jahre 1998 bis 2002.

Im Rahmen der Prüfung bei der Klägerin vertrat die GKBp - neben anderen Feststellungen - die Auffassung, dass der von der Klägerin im Rahmen ihrer Steuererklärungen für das Jahr 1999 geltend gemachte negative Korrekturposten nach § 60 Abs. 2 EStDV nicht zu berücksichtigen und der Gewinn der Klägerin entsprechend zu erhöhen sei. Es sei zwar zutreffend, dass im Veranlagungszeitraum 1995 die Verlustfeststellung in dieser Höhe versehentlich zu niedrig vorgenommen wurde. Eine Berücksichtigung dieses Betrags in 1999 sei jedoch verfahrensrechtlich nicht möglich, da die Korrektur das Jahr 1995 betreffen müsste. Für das Jahr 1995 aber sei mit Ablauf des 31. Dezember 2001 Festsetzungsverjährung eingetreten und der Änderungsantrag erst im Jahr 2002, mithin nach Ablauf der Festsetzungsfrist gestellt worden (Bp-Bericht A GmbH vom 6. Juni 2005, Tz 2.2).

Im Rahmen der Prüfung bei der T GmbH stellte die GKBp fest, dass ein in der Bilanz zum 31. Dezember 1998 aufzulösender Sonderposten mit Rücklageanteil gemäß § 6b EStG in Höhe von 8.207.518,50 DM auf im Jahr 1998 angeschaffte Grundstücke übertragen worden war und die angeschafften Grundstücke mit einem Buchwert von 0 DM bilanziert worden waren. Nach Auffassung der GKBp war diese Übertragung gemäß § 6b Abs. 4 Nr. 3 EStG nur teilweise zulässig. Sofern die Rücklage in Höhe von 5.563.230,78 DM auf 10 in Q gelegene Grundstücke erfolgt war, sei dies nicht zu beanstanden. Die Übertragung in Höhe von 1.644.287,72 DM auf das Grundstück R-Straße ... in S sei dagegen nicht zulässig, da dieses Grundstück nicht zum Anlage-, sondern zum Umlaufvermögen der T GmbH gehöre. Dies ergebe sich daraus, dass - insoweit unstreitig - dieses Grundstück mit Besitzübergang zum 1. September 1998 erworben und zum 31. Dezember 1999 bereits wieder veräußert worden war. Bei dieser kurzen Haltedauer sei davon auszugehen, dass das Objekt nicht dazu bestimmt gewesen sei, dauernd dem Geschäftsbetrieb der Gesellschaft zu dienen. Seine Zweckbestimmung habe vielmehr in der kurzfristigen Weiterveräußerung gelegen. Die Rücklage sei daher in 1998 in Höhe von 1.644.287,72 DM gewinnerhöhend aufzulösen und gemäß § 6b Abs. 7 EStG ein Zinszuschlag in Höhe von 394.629,05 DM (6% x 4 Jahre) zu erfassen. Das Grundstück sei mit 312.414,66 DM für Grund und Boden und mit 1.331.873,06 DM für das Gebäude zu bilanzieren. Der in 1999 erfasste Veräußerungsgewinn in Höhe von bislang 1.875.000 DM sei um die nunmehr vorhandenen Buchwerte in Höhe von 1.644.287,72 DM zu vermindern (vgl. Bp-Bericht T GmbH vom 6. Juni 2005, Tz 2.2).

Weiterhin vertrat die GKBp die Auffassung, dass der T GmbH die von dieser in Anspruch genommene erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags für Grundstücksunternehmungen gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) wegen deren atypisch stiller Beteiligung an der L AG nicht zustehe (1998: 471.228 DM; 1999: 4.918.535 DM; 2000: 930.758 DM). Lediglich die Kürzungen gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG (1998: 20.468 DM; 1999: 56.633 DM, 2000: 51.830 DM) sowie gemäß § 9 Nr. 2 GewStG (1998: - ; 1999: 2.684.383 DM; 2000: 137.963 DM) seien zu gewähren (Bp-Bericht T GmbH vom 6. Juni 2005, Tz 2.5.).

Das Finanzamt F folgte diesen und weiteren Feststellungen und Rechtsauffassungen der GKBp, wertete die Bp-Berichte aus und erließ am 27. Juni 2005 gegenüber der Klägerin als Organträgerin geänderte Bescheide. Die Körperschaftsteuer betrug nach diesen Bescheiden für 1998 Null DM, für 1999 392.859 DM und für 2000 69.052 DM, der Gewerbesteuermessbetrag für 1998 bis 2000 jeweils Null DM. Weiterhin erließ das Finanzamt F entsprechend geänderte Bescheide gemäß § 47 Abs. 2 und Abs. 1 KStG. Den verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 1998 stellte es nunmehr auf 2.358.666 DM fest, denjenigen zum 31. Dezember 1999 auf Null DM. Auf den 31. Dezember 2000 stellte es keinen verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer mehr fest. Den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 1998 stellte es auf 3.416.734 DM fest, denjenigen auf den 31. Dezember 1999 auf 2.321.422 DM und denjenigen auf den 31. Dezember 2000 auf 1.977.394 DM. Die Vorbehalte der Nachprüfung hob es auf.

Am 4. Juli 2005 legte die Klägerin Einsprüche gegen die Bescheide über Körperschaftsteuer für 1999 und 2000, gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 1998, gegen die Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG zum 31. Dezember 1998, 1999 und 2000 und gegen die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1998, 1999 und 2000 ein. Der Bescheid über Körperschaftsteuer 1998 und Feststellungen gemäß § 47 Abs. 2 KStG wurde dagegen bestandskräftig. Im Einspruchsverfahren wandte sich die Klägerin gegen die verschiedenen, auf den Feststellungen der GKBp beruhenden Änderungen der Vorbescheide.

Gegen die Nichtanerkennung im Veranlagungszeitraum 1999 in Höhe des negativen steuerlichen Korrekturpostens gemäß § 60 Abs. 2 EStDV wandte sie ein, dass diese gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße. Indem die Klägerin dem ehemaligen Betriebsprüfer mitgeteilte habe, dass sie die Korrektur der versehentlichen Doppelerfassung im Jahr 1999 beabsichtige, habe dieser aktiv darauf hingewirkt, dass der erklärte Korrekturposten gewinnmindernd berücksichtigt werde. Die Klägerin habe darauf vertraut, dass diese Korrektur erfolge und habe hierauf konkrete Dispositionen getroffen. Indem nun im Rahmen der Betriebsprüfung für die Jahre 1998 bis 2001 dem Korrekturposten die Anerkennung versagt werde, setze sich das Finanzamt F zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch.

Ihren Einspruch gegen die gewinnerhöhende Auflösung der Rücklage gemäß § 6b EStG begründete die Klägerin damit, dass zum Zeitpunkt des Ankaufs des Grundstücks eine langfristige Investition bezweckt war. Dies ergebe sich aus einer langfristigen Investitionsberechnung sowie aus den Finanzierungsverträgen. Der kurzfristige Verkauf sei unschädlich. Außerdem käme es entscheidend darauf an, welche Funktion dem Wirtschaftsgut nach dem Willen des Betriebsinhabers zukomme. Zum Nachweis legte sie einen Darlehensvertrag mit der U-Bank vom 12. August 1998 mit einer Geltungsdauer bis zum 30. August 2006, die Rückzahlungsvereinbarung vom 18. Januar 2000, Kontoauszüge, eine Finanzierungsanfrage an die Sparkasse N vom 21. Juli 1998 über ein 6-jähriges Darlehen sowie einen Auszug des Lageberichts der T GmbH vor, wonach sich die Tätigkeit dieser Gesellschaft auf die Vermietung und Verpachtung bestimmter Objekte beschränkt.

Weiter vertrat die Klägerin die Auffassung, dass die atypisch stille Beteiligung der T GmbH an der L AG keinen Verstoß gegen das Ausschließlichkeitsverbot des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG darstelle. Schädlich sei lediglich ein Tätigwerden mit anderen Mitunternehmern. Eine solche Tätigkeit erfordere eine Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr, die im Fall einer atypisch stillen Gesellschaft als reiner Innengesellschaft gerade nicht vorliege. Die Rechtsprechung des BFH habe sich bislang ausschließlich mit der Beteiligung an Personen(Außen-)Gesellschaften befasst. Die T GmbH habe aus ihrer atypisch stillen Beteiligung keiner Erträge erwirtschaften können, so dass auch ein "Tätigwerden" zu verneinen sei. Sie habe gemäß § 301 des Aktiengesetz nicht an den Gewinnen der atypisch stillen Gesellschaft partizipieren können, da eine (auch atypisch) stille Gesellschaft als Teilgewinnabführungsvertrag im Sinne des Aktienrechts zu bewerten sei und eine Gewinnausschüttung damit erst dann erfolgen könne, wenn die vorvertraglichen Verluste der AG ausgeglichen seien. Dies aber sei im Prüfungszeitraum nicht der Fall.

Am 7. Februar 2006 erließ das Finanzamt F aus Gründen, die nicht Gegenstand dieses Verfahrens sind, erneut geänderte Bescheide über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbeträge 1999 und 2000 sowie über die entsprechenden Feststellungen gemäß § 47 Abs. 2 KStG und über die entsprechenden Verlustfeststellungen. Gegen diese Änderungsbescheide legte die Klägerin am 2. März 2006 erneut Einsprüche ein.

Der zwischenzeitlich zuständig gewordene Beklagte wies mit verbundenen Einspruchsentscheidungen vom 30. Mai 2007 die Einsprüche als unbegründet zurück. Als Streitgegenstände sind in der Einspruchsentscheidung die Steuer- und Feststellungsbescheide aufgeführt.

Die Übertragung der Rücklage nach § 6b EStG könne nicht erfolgen, da nicht festgestellt werden könne, dass das betroffene Grundstück zum Zwecke längerfristiger Investition angeschafft worden sei. Insbesondere der tatsächlich kurzfristige Verkauf spreche entscheidend gegen diesen Zweck. Die Darlegungen der Klägerin reichten nicht aus, um dieses Indiz zu widerlegen und das Objekt ihrem Anlagevermögen zuzuordnen. Da aber die Klägerin die Inanspruchnahme einer steuerbegünstigenden Regelung begehre, sei sie darlegungsbelastet.

Eine Korrektur des unstreitig in der Veranlagung für 1995 erfolgten Fehlers könne 1999 nicht mehr erfolgen. Die Finanzverwaltung habe der Klägerin diese Korrektur nicht zugesagt und daher auch keinen Vertrauenstatbestand geschaffen.

Die Voraussetzungen für die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG lägen wegen der mitunternehmerischen stillen Beteiligung an der L AG nicht vor. Dies entspreche der Rechtsprechung des BFH. Dass die T GmbH tatsächlich aus aktienrechtlichen Gründen keine Erträge aus dieser Beteiligung erzielt hat, sei für diese Beurteilung unerheblich.

Gegen diese Einspruchsentscheidungen hat die Klägerin am 29. Juni 2007 Klage erhoben, mit der sie ausweislich des angekündigten Klageantrags die Aufhebung der angefochtenen Änderungsbescheide und der Einspruchsentscheidung begehrt. Insbesondere auch hinsichtlich des von ihr angenommenen Verstoßes gegen Treu und Glaube begehrt sie, die Gewinnerhöhung im Jahr 1999 rückgängig zu machen.

Zur Begründung der Klage wiederholt und ergänzt sie ihre Ausführungen aus dem Einspruchsverfahren. Sie habe darauf vertraut, dass das Finanzamt F den ihm bei der Veranlagung für das Jahr 1995 unterlaufenen Fehler nach der Benachrichtigung durch den Vor-Betriebsprüfer bei der Veranlagung für das Jahr 1999 korrigieren werde. Im Vertrauen darauf habe sie davon abgesehen, Regressansprüche gegen ihren Steuerberater geltend zu machen.

Hinsichtlich der Übertragung der § 6b-Rücklage legt sie zwei Investitions- und Liquiditätsplanungen vor (Bl. 23f. d.A.). Diese könnten entgegen der Auffassung des Beklagten nicht als unrealistisch angesehen werden und indizierten - neben den anderen bereits vorgelegten Unterlagen - ebenfalls die Absicht, das Grundstück dauerhaft im Vermögen zu halten. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass im Darlehensvertrag keine besondere Regelung hinsichtlich einer Vorfälligkeitsentschädigung getroffen wurde. Auch dies spreche dagegen, dass beim Erwerb des Grundstücks bereits die kurzfristige Veräußerung geplant gewesen sei. Nach einem Gedächtnisprotokoll des Geschäftsführers sei der spätere Erwerber des Grundstücks, der bereits ein anderes Objekt in der R-Straße in S besaß, im November 1999 mit der T GmbH in Kontakt getreten. Ein Verkauf des Objekts sei im Hinblick auf die langfristige Planung zunächst abgelehnt und erst aufgrund des hohen gebotenen Kaufpreises (1.875.000 DM) akzeptiert worden. Daraufhin sei man in Verhandlungen mit der Bank über eine Entlassung aus dem Darlehensvertrag eingetreten. Zum weiteren Nachweis legt die Klägerin Schriftverkehr zwischen der finanzierenden Bank und dem den Verkauf beurkundenden Notar sowie eine Mahnung gegenüber dem Erwerber des Grundstücks vor (Bl. 156 ff. d.A.).

Erstmals mit Schriftsatz vom 27. Mai 2009 beantragte die Klägerin bei Gericht, den Beklagten zu verpflichten, die Körperschaftsteuer 1999 und 2000 aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO auf 0 € festzusetzen. Insoweit wurde zunächst ein neues Verfahren unter dem Aktenzeichen 13 K 1844/09 aufgenommen, welches zwischenzeitlich wieder aus dem Verfahrensregister gelöscht wurde.

Außergerichtlich stellte die Klägerin beim Beklagten einen Antrag auf Erlass gemäß § 227 AO, den der Beklagte ablehnte. Gegen diese ablehnende Entscheidung legte die Klägerin am 16. April 2009 Einspruch ein, den sie am 25. Mai 2009 begründete und über den der Beklagte bislang nicht entschieden hat.

Mit Verfügung vom 1. Juni 2010 behandelte der Beklagte den mit Schriftsatz vom 27. Mai 2009 gestellten Verpflichtungsantrag der Klägerin als erstmaligen Antrag an das Finanzamt auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO und lehnte diesen Antrag ab. § 163 AO diene allein der Übermaßkorrektur und biete keine allgemeine Möglichkeit zur Fehlerkorrektur. Eine falsche Steuerfestsetzung könne nach Ablauf der Festsetzungsfrist auch nicht über § 163 AO berichtigt werden. Die Ablehnung versah der Beklagte nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung.

Gegen diese Ablehnung legte die Klägerin am 30. September 2010 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 25. November 2010 zurückwies.

Hiergegen hat die Klägerin am 23. Dezember 2010 die unter dem Aktenzeichen 13 K 4047/10 geführte Klage erhoben, mit der sie weiterhin die Änderung der Körperschaftsteuer 1999 und 2000 gemäß § 163 AO auf Null € begehrt. Zur Begründung verweist sie auf ihr bisheriges Vorbringen im Verfahren 13 K 2516/07.

Das Gericht hat die Verfahren 13 K 2516/07 und 13 K 4047/10 mit Beschlüssen in der mündlichen Verhandlung am 10. Februar 2011 gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 FGO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Die Klägerin beantragt,

die angefochtenen Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 30. Mai 2007 und 25. November 2010 dergestalt zu ändern, dass der Fehler bei KSt-Veranlagung 1995 korrespondierend bei der Veranlagung oder der Billigkeitsentscheidung zur KSt 1999/2000 korrigiert wird, die Auflösung der § 6b EStG-Rücklage rückgängig gemacht wird und die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG gewährt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass die Auflösung der § 6b EStG-Rücklage bei der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1998 entfällt.

Im Übrigen hält er an seiner im Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest. Die Frage der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG sieht er nach der ständigen Rechtsprechung des BFH in seinem Sinne als geklärt an. Eine steuermindernde Berücksichtigung der im Jahr 1995 fehlerhaft aktivierten KSt-Forderung in Höhe von 434.588 DM komme im Jahr 1999 weder nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, noch im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung nach § 163 AO in Betracht.

In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht die Beteiligten darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 1998 eine Bindung an den bestandskräftigen Körperschaftsteuerbescheid für 1998 gemäß § 47 Abs. 2 KStG a.F. besteht.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nur hinsichtlich der Auflösung der von der Klägerin gebildeten Rücklage gemäß § 6b EStG im Rahmen der gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31. Dezember 1998 bis 2000 begründet. Insoweit sind diese Bescheide rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Im Übrigen sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und ist die Klage unbegründet.

1. Zu Unrecht hat der Beklagte im Rahmen der gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes der Klägerin auf den 31. Dezember 1998 die Übertragung der von der Enkelorgangesellschaft, der T GmbH, in der Vergangenheit zulässig gebildeten § 6b EStG-Rücklage auf das im Jahr 1998 von der T GmbH erworbene Grundstück R-Straße ..., ... S, in Höhe von 1.644.287,72 DM versagt, die Rücklage entsprechend gewinnerhöhend aufgelöst und den Gewinn gemäß § 6b Abs. 7 EStG um 394.629,05 DM erhöht. Bei der Ermittlung des Gewerbegewinns 1998 sind diese Gewinnerhöhungen rückgängig zu machen und in den Jahren 1999 und 2000 die entsprechenden Folgewirkungen umzusetzen, insbesondere hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung des betroffenen Grundstücks im Jahr 1999.

Gemäß § 6b Abs. 3 EStG (für Zwecke der Körperschaftsteuer i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG) können Steuerpflichtige, wenn sie bei der Veräußerung der in § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG aufgeführten Wirtschaftsgüter eine gewinnmindernde Rücklage gebildet haben, von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten bestimmter in § 6b Abs. 1 Satz 2 EStG genannter Wirtschaftsgüter, die in den folgenden vier Wirtschaftsjahren angeschafft oder hergestellt worden sind, einen Betrag bis zur Höhe der Rücklage abziehen. Im Gegenzug ist die Rücklage insoweit aufzulösen. Sind keine Reinvestitionsobjekte angeschafft oder hergestellt worden und ist die Rücklage am Schluss des vierten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden, so ist sie nach § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG in diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend aufzulösen.

Die Übertragung der Rücklage auf ein anderes Wirtschaftsgut kommt nur dann in Betracht, wenn ein Reinvestitionsobjekt i.S. des § 6b Abs. 1 Satz 2 EStG bis zum Ablauf der vierjährigen Reinvestitionsfrist angeschafft oder hergestellt wird (§ 6b Abs. 3 Satz 2 EStG). Neben weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen gemäß § 6b Abs. 3, 4 EStG ist es gemäß § 6b Abs. 4 Nr. 3 EStG erforderlich, dass das angeschaffte oder hergestellte Reinvestitionsobjekt zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehört.

Zum Anlagevermögen gehören in Anlehnung an § 247 Abs. 2 Handelsgesetzbuch (HGB) diejenigen Wirtschaftsgüter, die dazu bestimmt sind, dem Betrieb dauerhaft zu dienen. Umlaufvermögen sind demgegenüber die zum Verbrauch oder sofortigen Verkauf bestimmten Wirtschaftsgüter. Ein Gegenstand, der zum Verkauf bestimmt ist, gehört auch dann zum Umlaufvermögen, wenn er bei fehlender Verkaufsmöglichkeit übergangsweise vermietet oder in anderer Weise für den Betrieb genutzt wird. Dagegen gehört ein Gegenstand, der zur dauernden Nutzungsüberlassung bestimmt ist, zum Anlagevermögen, es sei denn, die Vermietung dient nur dem Zweck, den Gegenstand anschließend dem Mieter zu verkaufen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. bspw. BFH-Urteile vom 9. September 2010 IV R 22/07, BFH/NV 2011, 31; vom 16. Dezember 2009 IV R 48/07, BFHE 228, 408, BStBl II 2010, 799, m.w.N.). Danach orientiert sich die Zuordnung zum Umlauf- oder Anlagevermögen maßgeblich an der Zweckbestimmung des Wirtschaftsgutes im Betrieb, die einerseits subjektiv vom Willen des Steuerpflichtigen abhängt, sich andererseits aber an objektiven Merkmalen nachvollziehen lassen muss. Dazu gehören die Art des Wirtschaftsgutes, Art und Dauer der Verwendung im Betrieb, Art des Betriebs und ggf. auch Art der Bilanzierung. Wenn die Zweckbestimmung eines Wirtschaftsgutes während seiner Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen wechselt, kann damit auch eine veränderte Zuordnung zum Anlage- oder Umlaufvermögen einhergehen.

Ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens wird allerdings bei unveränderter Nutzung im Betrieb nicht allein dadurch zu Umlaufvermögen, dass sich der Steuerpflichtige zu seiner Veräußerung entschließt. Denn dadurch muss sich die Zweckbestimmung des Grundstücks nicht unbedingt ändern (BFH-Urteile vom 25. Oktober 2001 IV R 47/00, IV R 48/00, BFHE 197, 109, BStBl II 2002, 289 m.w.N.; vom 31. Mai 2001 IV R 73/00, BFH/NV 2001, 1485, 1486).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist der erkennende Senat der Überzeugung, dass das von der T GmbH im Jahr 1998 angeschaffte Objekt R-Straße ... in S zu deren Anlagevermögen gehörte und damit die von der T GmbH gebildete § 6b EStG-Rücklage auch auf dieses Grundstück übertragen werden konnte. Eine Zuordnung dieses Objekts zum Umlaufvermögen der T GmbH lässt sich entgegen der vom Beklagten bis zur mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung nicht auf die tatsächlich erfolgte, kurzfristige Veräußerung des Objekts stützen. Denn allein aus der späteren Veräußerung des Objekts kann nicht ohne Weiteres darauf geschlossen werden, dass dieses bereits zum Zweck der Veräußerung angeschafft worden und dementsprechend dem Umlaufvermögen zuzuordnen war. Aus dem satzungsmäßigem Zweck der T als Vermietungs- bzw. Verpachtungsgesellschaft, der Bilanzierung des Objekts als Anlagevermögen, den vorgelegten langfristigen Finanzierungsverträgen und den langfristigen Investitionsplänen ergibt sich vielmehr mit hinreichender Sicherheit, dass die T GmbH im Anschaffungszeitpunkt nicht einen sofortigen Verkauf des Grundstücks, sondern eine langfristige Vermietung bzw. Verpachtung beabsichtigte. Selbst wenn später, aber noch vor dem Bilanzstichtag 31. Dezember 1998, eine Veräußerung des Objekts geplant worden wäre, ist dies nach den vorgenannten Grundsätzen unerheblich, da sich insoweit keine Maßnahmen feststellen lassen, die auf eine Umwidmung des Objekts schließen lassen könnten.

Da sich der Beklagte in der mündlichen Verhandlung der Rechtsauffassung der Klägerin angeschlossen und lediglich einen insoweit eingeschränkten Klageabweisungsantrag gestellt hat, sieht das Gericht von einer weitergehenden Begründung ab.

2. Trotz der rechtswidrigen gewinnerhöhenden Auflösung der § 6b EStG-Rücklage im Veranlagungszeitraum 1998 durch den Beklagten ist die Klage hinsichtlich der Körperschaftsteuer und der körperschaftsteuerrechtlichen Feststellungen unbegründet.

Die gegen die Bescheide über Körperschaftsteuer für 1999 und 2000, über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 1998 und über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG zum 31. Dezember 1998 bis 2000 gerichtete Klage bleibt wegen der Bindungswirkung des Bescheids über Körperschaftsteuer für 1998 gemäß § 47 Abs. 2 Nr. 3 KStG a.F. insoweit ohne Erfolg. Nach dieser Vorschrift ist der Körperschaftsteuerbescheid hinsichtlich des Einkommens Grundlagenbescheid im Sinne des § 171 Abs. 10 AO für den Bescheid über die gesonderte Verlustfeststellung. Die diesbezüglichen Einwendungen können deshalb gemäß § 42 FGO i.V.m. § 351 Abs. 2 AO nur im Rechtsbehelfsverfahren gegen den Körperschaftsteuerbescheid als Grundlagenbescheid geltend gemacht werden, nicht aber in jenem gegen den Verlustfeststellungsbescheid als Folgebescheid (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 12. Oktober 2010 I R 99/09, juris, zur Bindungswirkung des Körperschaftsteuerbescheids hinsichtlich des Feststellungsbescheids nach § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG a.F. gemäß § 47 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a KStG a.F.). Die von der Klägerin begehrte Rückgängigmachung der Auflösung der § 6b EStG-Rücklage wirkt sich auf das Einkommen aus, so dass diese Einwendungen von der Bindungswirkung gemäß § 47 Abs. 2 Nr. 3 KStG a.F. umfasst sind und damit im Verfahren gegen den Bescheid über Körperschaftsteuer 1998 hätten geltend gemacht werden müssen. Ein Rechtsbehelf gegen den Bescheid über Körperschaftsteuer 1998 wurde aber nicht erhoben.

Die vorliegende Klage kann, ebenso wie der vorangegangene Einspruch, auch nicht im Wege der Auslegung oder Umdeutung als Rechtsbehelf gegen den Bescheid über Körperschaftsteuer für 1998 verstanden werden. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Prozesserklärungen und außerprozessuale Rechtsbehelfe zwar in entsprechender Anwendung des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auszulegen, wenn es an einer eindeutigen und zweifelsfreien Erklärung des wirklich Gewollten fehlt. Der in der Erklärung verkörperte Wille ist dabei anhand der dem Empfänger erkennbaren Umstände zu ermitteln (BFH-Urteil vom 30. August 1994 IX R 42/91, BFH/NV 1995, 481; vom 19. Juni 1997 IV R 51/96, BFH/NV 1998, 6; vom 1. September 1998 VIII R 46/93, BFH/NV 1999, 596; vom 31. Oktober 2000 VIII R 47/98, BFH/NV 2001, 589). Dabei ist im Zweifel davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige denjenigen Rechtsbehelf hat einlegen wollen, der seinem materiellrechtlichen Begehren am ehesten zum Erfolg verhilft und damit seiner recht verstandenen Interessenlage entspricht (BFH-Urteile vom 11. September 1986 IV R 11/83, BStBl II 1987, 5; vom 8. November 1996 VI R 37/94, BFH/NV 1997, 363; vom 31. Oktober 2000, a.a.O.).

Die Auslegung einer solchen Willens- bzw. Prozesserklärung darf aber nicht zur Annahme eines Erklärungsinhalts führen, für den sich keine Anhaltspunkte feststellen lassen (BFH-Beschlüsse vom 29. Dezember 2008 X B 153/08, juris; vom 2. November 2004 X B 59/04, BFH/NV 2005, 209). Es gilt der Grundsatz, dass eine eindeutige Prozesserklärung jedenfalls dann nicht entgegen dem Willen des Erklärenden ausgelegt (BFH-Beschlüsse vom 2. November 2004 X B 59/04, BFH/NV 2005, 209; vom 6. Juni 2006 V R 8/06, BFH/NV 2006, 1852) oder umgedeutet (BFH-Beschluss vom 12. Februar 2004 II B 38/03, BFH/NV 2004, 803, m.w.N.) werden kann, wenn sie von einem sachkundig vertretenen Beteiligten abgegeben worden ist (BFH-Beschlüsse vom 31. Januar 2007 I B 110/06, BFH/NV 2007, 1069; vom 20. Dezember 2006 I B 47/05, BFHE 216, 276, BStBl II 2009, 766).

Die Prozessbevollmächtigte hat sowohl in ihrem Einspruch vom 4. Juli 2005 als auch in ihrer Klage vom 29. Juni 2007 die angefochtenen Steuer- und Feststellungsbescheide einzeln aufgeführt und explizit benannt. Der Bescheid über Körperschaftsteuer für 1998 war darin nicht enthalten. Eine Erweiterung des Einspruchs und der Klage über die ausdrücklich aufgeführten Steuer- und Feststellungsbescheide hinaus auch auf den Bescheid über Körperschaftsteuer 1998 scheidet danach aus.

3. Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtmäßig, als der Beklagte den von der Klägerin in den Steuererklärungen für 1999 erklärten steuerlichen Korrekturposten in Höhe von 434.588 DM nicht anerkannt und den erklärten Gewinn um diesen Betrag erhöht hat. Die Antragstellerin hat im Veranlagungszeitraum 1999 keinen Anspruch auf eine Gewinnminderung in Höhe von 434.588 DM.

Eine Berücksichtigung dieses Betrags nach den Grundsätzen des formellen Bilanzenzusammenhangs ist nicht möglich. Über die Grundsätze des formellen Bilanzenzusammenhangs können lediglich solche Gewinne oder Verluste nachgeholt werden, die unmittelbar auf der fehlerhaften Buchung eines individuellen Bilanzpostens beruhen (vgl. Heinicke in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 29. Aufl., § 4 Rz 709f.). Ein solcher fehlerhafter Bilanzansatz wird aber von der Klägerin nicht behauptet und ist auch nicht erkennbar. Vielmehr ergibt sich die - zwischen den Beteiligten unstreitig fehlerhafte - Erhöhung des Gewinns im Jahr 1995 aus der vom Beklagten unterlassenen außerbilanziellen Korrektur des zutreffend aktivierten Körperschaftsteuererstattungsanspruchs nach § 10 Nr. 2 KStG. Eine außerbilanzielle Korrektur aber kann über die Grundsätze des Bilanzenzusammenhangs nicht nachgeholt werden.

Auch ansonsten ist keine Rechtsgrundlage dafür ersichtlich, den im Rahmen der Veranlagung für das Jahr 1995 erfolgten Fehler im Rahmen der Veranlagung für das Jahr 1999 zugunsten der Klägerin auszugleichen. Die gegenteilige Auffassung der Klägerin beruht auf der Annahme, dass zu Unrecht versteuerte Einnahmen bei späterer (besserer) Erkenntnis zu Ausgaben oder negativen Einnahmen desselben Steuerpflichtigen führen müssten. Dies würde ein allgemeines Korrespondenzprinzip voraussetzen, welches eine von Zu- und Abfluss losgelöste Gesamtbetrachtung eines Vorganges ermöglichen müsste. Indes ist ein solches generelles Korrespondenzprinzip dem Einkommensteuergesetz fremd (BFH-Urteil vom 26. Februar 2002 IX R 20/98, BFHE 198, 425, BStBl II 2002, 796 m.w.N.; BFH-Beschluss vom 19. Februar 2004 VI B 146/02, DStRE 2004, 560). Das Prinzip der Abschnittsbesteuerung erfordert eine Jahresbetrachtung. Enthalten Bescheide aus vorangegangenen Veranlagungszeiträumen materielle Fehler, können diese keinesfalls dadurch korrigiert werden, dass in dem nächsten noch offenen Jahr ein weiterer materieller Fehler - als Ausgleich - bewusst eingearbeitet wird (BFH-Urteil in BFHE 198, 425, BStBl II 2002, 796). Die Abgabenordnung regelt mit ihren Änderungsvorschriften, wann der materiellen Gerechtigkeit Vorrang vor dem Rechtsfrieden einzuräumen ist. Kann eine Änderung bestandskräftiger Bescheide nicht mehr erfolgen, so mag dies unbillig erscheinen. Jedoch rechtfertigt dies keinen neuen materiellen Fehler (vgl. auch das zwischenzeitlich ergangene BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 VI 61/09).

Der Beklagte war auch befugt, den zunächst erklärungsgemäß und unter Berücksichtigung des von der Klägerin gebildeten Korrekturpostens ergangenen Körperschaftsteuerbescheid 1999 vom 8. Oktober 2002 gemäß § 164 Abs. 2 AO zu ändern. Insbesondere steht dieser Änderung entgegen der Auffassung der Klägerin der Grundsatz von Treu und Glauben nicht entgegen.

In der Rechtsprechung ist es zwar anerkannt, dass der Grundsatz von Treu und Glauben zu einer Bindung der Finanzbehörde führen kann. Die Verdrängung gesetzten Rechts durch den Grundsatz von Treu und Glauben kann aber nur in besonders liegenden Fällen in Betracht kommen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maß schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen (z.B. BFH-Urteile vom 5. Februar 1980 VII R 101/77, BFHE 130, 90, 95; vom 31. Oktober 1990 I R 3/86, BFHE 163, 478, BStBl II 1991, 610, unter 3.a). In diesem Zusammenhang verlangt der Grundsatz von Treu und Glauben einen von der Finanzbehörde gesetzten Vertrauenstatbestand, aufgrund dessen der Steuerpflichtige disponiert hat (BFH-Urteile vom 26. April 1995 XI R 81/93, BFHE 178, 4, BStBl II 1995, 754; vom 10. April 1991 XI R 25/89, BFH/NV 1991, 720; in BFHE 163, 478, BStBl II 1991, 610, m.w.N.). Der Vertrauenstatbestand besteht in einer bestimmten Position oder einem bestimmten Verhalten des einen Teils, aufgrund dessen der andere bei objektiver Beurteilung annehmen konnte, jener werde an seiner Position oder seinem Verhalten konsequent und auf Dauer festhalten (z.B. BFH-Urteil in BFHE 163, 478, BStBl II 1991, 610; in BFHE 178, 4, BStBl II 1995, 754). Dies kommt nach ständiger Rechtsprechung dann in Betracht, wenn dem Steuerpflichtigen eine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden ist oder wenn die Finanzbehörde durch ihr früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. Die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben setzt nach der Rechtsprechung des BFH dabei regelmäßig voraus, dass sich der Steuerpflichtige und die Verwaltungsbehörde als Partner eines konkreten Rechtsverhältnisses (§§ 33 ff. AO) gegenüberstehen (BFH-Urteile in BFHE 163, 478, BStBl II 1991, 610; vom 9. August 1989 I R 181/85, BFHE 158, 31, 34, BStBl II 1989, 990, 992).

Ein solcher, das gesetzte Recht verdrängender besonderer Ausnahmefall, liegt nicht vor. Hiergegen spricht bereits, dass die Veranlagung des Jahres 1999 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO erfolgte. Ein Vorbehalt der Nachprüfung aber verhindert in der Regel die Entstehung des für die Bindung durch Treu und Glauben notwendigen Vertrauensschutzes. Denn ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangener Bescheid kann gemäß § 164 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 AO bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist ohne sachliche Einschränkung jederzeit in vollem Umfang aus formellen oder materiellen Gründen geändert werden (BFH-Urteile vom 5. November 2009 IV R 13/07, BFH/NV 2010, 652; vom 21. März 2002 III R 30/99, BFHE 198, 184, BStBl II 2002, 547; vom 5. Juni 2003 III R 26/00, BFH/NV 2003, 1529; BFH-Beschluss vom 28. August 2002 V B 71/02, BFH/NV 2003, 4; Rüsken in Klein, AO, § 164 Rz 21; Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 164 AO Rz 32 ff.). Indem der Beklagte die Steuererklärung der Klägerin für das Jahr 1999, in welcher diese den streitigen steuerlichen Korrekturposten geltend machte, lediglich zur Grundlage einer Veranlagung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung machte, durfte die Klägerin bereits kein schützenswertes Vertrauen darauf bilden, dass es bei dieser Veranlagung bleiben würde.

Zudem kann nicht festgestellt werden, dass dem Prüfer, dem Beklagten oder einer anderen Finanzbehörde ein widersprüchliches Verhalten vorzuwerfen ist, durch welches die Klägerin in ihrem ggfs. gebildeten Vertrauen enttäuscht worden wäre. Soweit die Klägerin vorträgt, der Beklagte setze sich zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch, ist dieser Vortrag zwar grundsätzlich geeignet eine Bindungswirkung aus Treu und Glauben zu bewirken (zu diesem Grundsatz bereits BFH-Urteil vom 4. November 1975 VII R 28/72, BFHE 117, 317). Der erkennende Senat ist allerdings nicht davon überzeugt, dass der Betriebsprüfer oder eine Finanzbehörde ihr gegenüber versichert hat, es werde eine gewinnmindernde Berücksichtigung des Betrags von 434.588 DM mit Wirkung für den Veranlagungszeitraum 1999 erfolgen. Aus den Akten ergibt sich eine derartige Zusage nicht. Allein die Tatsache, dass die Klägerin in diesem Punkt entsprechend einem an den Prüfer gerichteten Anschreiben und ihrer Steuererklärung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt wurde, ersetzt nicht die Notwendigkeit, ein konkretes Verhalten des Prüfers festzustellen, zu dem sich der Beklagte später in Widerspruch gesetzt haben soll. Konkrete Anhaltspunkte hierfür sind von der insoweit darlegungsbelasteten Klägerin weder substantiiert vorgetragen noch nachgewiesen worden.

Hiernach kommt es nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob die Klägerin aufgrund eines etwaigen Verhaltens des Prüfers oder des Veranlagungsbeamten unwiderruflich disponiert hat (vgl. zu diesem Erfordernis bei einer Körperschaftsteuerfestsetzung z.B. BFH-Urteil vom 9. August 1989 I R 181/85, BStBl II 1989, 990). Allerdings hat die Klägerin in Kenntnis dieses Erfordernisses bereits keinen Sachverhalt vorgetragen, der eine unwiderrufliche Vermögensdisposition im Sinne einer ihr nachteiligen Vertrauensfolge des angeblichen behördlichen Verhaltens erkennen lässt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, wie die Klägerin anderweitig gegen den Fehler in der Veranlagung 1995 hätte vorgehen können, da diese Veranlagung im August 2002 bereits festsetzungsverjährt war. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Klägerin durch Dispositionen im Vertrauen auf das Verhalten der Finanzbehörden im Jahr 2002 sonstige Nachteile erlitten hat, die eine zutreffende Besteuerung billigerweise als unzumutbar erscheinen ließe. Die bloße Behauptung einer Vermögensdisposition reicht hierfür nicht aus. Dies gilt insbesondere auch für den erstmals in der mündlichen Verhandlung erfolgten Vortrag, die Klägerin habe im Vertrauen auf die Korrektur des Bescheids über Körperschaftsteuer 1999 darauf verzichtet, Regressansprüche gegen ihre Bevollmächtigten geltend zu machen. Insoweit hat die Klägerin nicht substantiiert dargelegt, dass ihr konkrete Schadenersatzansprüche gegenüber ihren steuerlichen Beratern zugestanden hätten, auf deren Geltendmachung sie gerade im Hinblick auf das Verhalten der Finanzbehörden verzichtet habe und welche sie später nicht mehr habe verfolgen können. Der insoweit pauschale Vortrag der Klägerin führt daher nicht dazu, dass im vorliegenden Verfahren über das Bestehen von Regressansprüchen zu entscheiden wäre. Es kann daher offen bleiben, ob der behauptete Verzicht auf Regressansprüche gegen steuerliche Berater überhaupt geeignet ist, als Vermögensdisposition eine Korrektur über den Grundsatz von Treu und Glauben zu ermöglichen.

Im Streitfall wurde auch unstreitig keine verbindliche Zusage gemäß den §§ 204 ff. AO oder eine verbindliche Auskunft erteilt. Andere Gründe, die einer Änderung der ursprünglichen Veranlagung für das Jahr 1999 entgegenstünden, sind nicht erkennbar.

4. Auch im Wege einer Billigkeitsentscheidung kann der im Jahr 1995 vom Beklagten fehlerhaft gewinnerhöhend angesetzte Betrag von 434.588 DM im Jahr 1999 nicht gewinnmindernd berücksichtigt werden. Die Ermessensentscheidung des Beklagten vom 1. Juni 2010, den Antrag der Klägerin auf Festsetzung der Körperschaftsteuer 1999 unter gewinnmindernder Berücksichtigung dieses Betrags gemäß § 163 AO im Billigkeitswege auf Null €, abzulehnen, ist nicht zu beanstanden.

Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne die Steuer erhöhende Besteuerungsgrundlagen unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Die danach zu treffende Billigkeitsentscheidung ist eine Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung (§ 5 AO), die gemäß § 102 FGO (i.V.m. § 121 FGO) grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt (Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603; Urteil des BFH vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297). Sie kann im finanzgerichtlichen Verfahren nur dahin geprüft werden, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (§ 102 FGO).

Eine "Unbilligkeit" i.S. des § 163 AO kann nach ständiger Rechtsprechung des BFH auf sachlichen oder auf persönlichen Gründen beruhen (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 163 AO Rz 8, m.w.N.). Auch Gründe des Vertrauensschutzes als Ausfluss des Grundsatzes von Treu und Glauben können eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO rechtfertigen (BFH-Urteil vom 7. Oktober 2010 V R 17/09, juris).

Die Festsetzung einer Steuer ist aus sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft (BFH-Urteile vom 11. Juli 1996 V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259; vom 18. Dezember 2007 VI R 13/05, BFH/NV 2008, 794). Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte (BFH-Beschluss vom 12. September 2007 X B 18/03, BFH/NV 2008, 102, 105, m.w.N.). Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt dagegen keine Billigkeitsmaßnahme (BFH-Urteile vom 16. August 2001 V R 72/00, BFH/NV 2002, 545; vom 4. Februar 2010 II R 25/08, BFHE 228, 130, BStBl II 2010, 663, jeweils m.w.N.). Ein Billigkeitserlass ist grundsätzlich auch nicht dazu bestimmt, die Folgen der Nichteinlegung eines Rechtsbehelfs auszugleichen (BFH-Beschluss vom 17. Dezember 1993 IV B 21/93, BFH/NV 1994, 606). Dennoch sind nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteile vom 26. Februar 1987 IV R 298/84, BFHE 149, 126, BStBl II 1987, 612; vom 9. September 1994 III R 17/93, BFHE 175, 395, BStBl II 1995, 8, sowie BFH-Beschluss vom 29. März 2000 XI B 147/99, BFH/NV 2000, 952, jeweils m.w.N.) selbst bestandskräftig festgesetzte Steuern ausnahmsweise sachlich zu überprüfen, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig ist und es dem Steuerpflichtigen darüber hinaus nicht möglich oder nicht zumutbar war, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren. Doch darf die unrichtige Festsetzung auch nicht ganz oder doch zum überwiegenden Teil auf Umstände zurückzuführen sein, die der Steuerpflichtige zu vertreten hat (BFH-Urteil vom 17. Juni 2004 IV R 9/02, BFH/NV 2004, 1505).

Danach kommt eine Gewinnminderung aus sachlichen Billigkeitsgründen in Höhe von 434.588 DM im Veranlagungszeitraum 1999 nicht in Betracht. Letztlich begehrt die Klägerin im Jahr 1999 die Korrektur eines bei der Veranlagung des Jahres 1995 erfolgten - unstreitigen - Fehlers durch den Beklagten. Die Klägerin ist darauf zu verweisen, dass sie die fehlerhafte Veranlagung des Jahres 1995 durch Einlegung eines Rechtsbehelfs hätte angreifen und den Fehler des Beklagten hätte beseitigen können. Sie hat keine Gründe vorgetragen, nach denen ihr die Einlegung eines Rechtsbehelfs unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre. Eine Korrektur der Veranlagung des Jahres 1995 aus sachlichen Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO ist aus diesem Grunde ausgeschlossen. Ist aber eine Korrektur derjenigen Veranlagung nicht mehr möglich, im Rahmen derer der korrekturbedürftige Fehler erfolgt ist, scheidet eine Korrektur eines anderen Veranlagungszeitraums aus sachlichen Billigkeitsgründen ebenfalls aus. Eine solche Korrektur bedürfte eines allgemeinen Korrespondenzprinzips, welches dem Einkommensteuergesetz aber fremd ist (vgl. oben Ziffer 3.). Eine Billigkeitsmaßnahme aber darf die Folgen eines nicht eingelegten oder nicht weiterverfolgten Rechtsbehelfs nicht auszugleichen versuchen (vgl. Rüsken in Klein, AO, § 163 Rz 40 m.w.N.).

Eine Billigkeitsmaßnahme unter Vertrauensschutzgesichtspunkten ist aus den oben ausgeführten Gesichtspunkten (vgl. dazu o. Ziff. 3.) ebenfalls nicht gerechtfertigt; ein widersprüchliches Verhalten des Beklagten, im Vertrauen auf welches die Klägerin disponiert hat, ist nicht festzustellen.

Eine Unbilligkeit aus persönlichen Gründen ist im Streitfall weder von der Klägerin geltend gemacht worden noch nach Aktenlage erkennbar.

5. Zutreffend hat der Beklagte die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG durch die T GmbH versagt. Die atypisch stille Beteiligung der T GmbH an der L GmbH ab dem 30. Dezember 1998 steht der von der Klägerin begehrten erweiterten Kürzung entgegen.

Gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG tritt auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, an Stelle der Kürzung gemäß Satz 1 der Vorschrift (= 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitzes) die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrages, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Begünstigt sind nur die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes (Vermögensverwaltung). Zweck der sog. erweiterten Kürzung ist es, die Erträge aus der bloßen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes der kraft ihrer Rechtsform gewerbesteuerpflichtigen Kapitalgesellschaften von der Gewerbesteuer aus Gründen der Gleichbehandlung mit Steuerpflichtigen freizustellen, die nur Grundstücksverwaltung betreiben (dazu grundlegend BFH-Urteil vom 18. April 2000 VIII R 68/98, BFHE 192, 100, BStBl II 2001, 359, m.w.N.). Eine Betätigung, die nicht zu den in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG genannten unschädlichen Nebentätigkeiten zählt, schließt daher die sog. erweiterte Kürzung aus.

Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des BFH (zuletzt BFH-Urteil vom 19. Oktober 2010 I R 67/09, juris; bspw. BFH-Urteil vom 22. Januar 1992 I R 61/90, BFHE 167, 144, BStBl II 1992, 628), verstößt das Halten einer Kommanditbeteiligung durch ein grundstücksverwaltendes Unternehmen an einer gewerblich geprägten, ebenfalls grundstücksverwaltenden Personengesellschaft gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Zum einen fehlt es an der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes, weil Wirtschaftsgüter, die bürgerlichrechtlich oder wirtschaftlich Gesamthandsvermögen einer gewerblich tätigen oder einer gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägten Personenhandelsgesellschaft sind, einkommensteuerrechtlich grundsätzlich zu deren Betriebsvermögen - und nicht zu dem ihrer Gesellschafter - gehören. Diese Rechtslage ist auch für § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG maßgebend. Zum anderen ist das Halten der Beteiligung aber auch deswegen kürzungsschädlich, weil es sich hierbei um eine Tätigkeit handelt, die nicht zum Katalog der prinzipiell unschädlichen Tätigkeiten in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG gehört (vgl. auch BFH-Beschluss vom 2. Februar 2001 VIII B 56/00, BFH/NV 2001, 817; BFH-Urteil in BFHE 192, 100, BStBl II 2001, 359). Aus diesem letzten Grund ist es nach Auffassung des BFH unerheblich, dass es sich bei der Beteiligungsgesellschaft nicht um eine gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägte, sondern eine rein vermögensverwaltend tätige Personengesellschaft handelt. Auch eine solche Beteiligung verstößt gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Dabei kommt es nicht darauf an, ob Sinn und Zweck der Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG dieses Rechtsverständnis erzwingen. Ist eine Begünstigung verfassungsrechtlich nicht geboten, ist der Gesetzgeber frei darin, diese von eng umschriebenen Voraussetzungen abhängig zu machen (BFH-Urteil vom 19. Oktober 2010 I R 67/09, juris). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an.

Danach kann die T GmbH aufgrund ihrer stillen Beteiligung an der L AG die erweiterte Kürzung des § 9 Satz 1 Nr. 2 GewStG nicht in Anspruch nehmen. Es ist unstreitig und ergibt sich aus dem Gesellschaftsvertrag vom 30. Dezember 1998, dass sich die T GmbH in der Weise atypisch still am Handelsgewerbe der L AG beteiligt hat, dass sie Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfalten kann. Insoweit zutreffend hat der Beklagte mit Bescheiden vom 30. Januar 2006 die Einkünfte der L & atypisch Still für die Jahre 1999 und 2000 einheitlich und gesondert festgestellt. Im Gegensatz zur typisch stillen Beteiligung (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG) erzielt der atypisch still am Handelsgewerbe eines anderen Beteiligte mitunternehmerische Einkünfte gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG. Diese mitunternehmerische Tätigkeit aber verstößt gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, unabhängig davon, ob die Tätigkeit im Rahmen einer Personenaußengesellschaft oder einer Personeninnengesellschaft ausgeübt wird. Denn der nach den oben genannten Rechtsprechungsgrundsätzen eng auszulegende Katalog unschädlicher Tätigkeiten enthält die mitunternehmerische Beteiligung an einer Innengesellschaft nicht.

Der erkennende Senat sieht sich damit im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH. Entgegen der Auffassung der Klägerin bezieht sich die bisherige Rechtsprechung des BFH nicht ausschließlich auf Beteiligungen an Personenaußengesellschaften. Vielmehr hat der VIII. Senat des BFH im Urteil vom 18. April 2000 (VIII R 68/98, BFHE 192, 100, BStBl II 2001, 359), wenn auch lediglich im Rahmen eines Hinweises für das weitere Verfahren, geäußert, dass auch die Beteiligung an einer gewerblichen Personeninnengesellschaft dazu führt, dass die erweiterte Kürzung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht in Anspruch genommen werden kann.

Der Senat teilt nicht die Auffassung der Klägerin, wonach das aktienrechtliche Verbot einer Teilgewinnabführung gemäß § 301 AktG dazu führt, dass der - auch atypisch - still am Handelsgewerbe einer Aktiengesellschaft Beteiligte die Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG erfüllt. Dabei kann offen bleiben, ob zivilrechtlich der Vertrag über die stille Beteiligung im Sinne der §§ 230 ff. HGB an einer Aktiengesellschaft einen Teilgewinnabführungsvertrag im Sinne des § 301 AktG darstellt. Entscheidend ist vielmehr allein, ob die stille Beteiligung ertragsteuerrechtlich als mitunternehmerische Beteiligung im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG oder aber als Kapitalbeteiligung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG anzusehen ist. Liegt - wie im Streitfall - eine mitunternehmerische Beteiligung vor, so sind die Einkünfte den Mitunternehmern entsprechend ihrer Beteiligungsquote im Rahmen der gesonderten und einheitlich Feststellung gemäß §§ 179, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) AO zuzurechnen, ohne dass es auf ein aktienrechtliches Auszahlungsverbot gemäß § 301 AktG ankäme. Zudem lässt § 301 AktG die Qualifizierung der Tätigkeit T GmbH als mitunternehmerische Tätigkeit unberührt. Nach den vorgenannten, vom erkennenden Senat geteilten Rechtsprechungsgrundsätzen des BFH, kommt es aber entscheidend darauf an, ob die zu beurteilende Tätigkeit zum Katalog der prinzipiell unschädlichen Tätigkeiten gehört, ohne dass es darauf ankommt, inwiefern aus dieser Tätigkeit tatsächlich Einkünfte erwirtschaftet werden. Da die mitunternehmerische Beteiligung an einer Personen(innen)gesellschaft im Katalog der unschädlichen Tätigkeiten gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht enthalten ist, liegen die Voraussetzungen für die erweiterte Kürzung nicht vor.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. § 709 der Zivilprozessordnung.

7. Die Revision war hinsichtlich der Frage, ob es der Gewährung der erweiterten Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes entgegensteht, dass ein Unternehmen, welches ansonsten ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet, atypisch still im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG an dem Handelsgewerbe eines anderen beteiligt ist, gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Die Frage, ob eine mitunternehmerische Beteiligung an einer Personeninnengesellschaft gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG verstößt ist für eine Vielzahl von Fällen und damit von grundsätzlicher Bedeutung. Der BFH (Urteil vom 18. April 2000 VIII R 68/98, BStBl II 2001, 359) konnte sich bislang lediglich im Rahmen eines obiter dictums zu dieser Problematik äußern.






FG Köln:
Urteil v. 10.02.2011
Az: 13 K 2516/07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/ef85600bbc6b/FG-Koeln_Urteil_vom_10-Februar-2011_Az_13-K-2516-07




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