Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Februar 2002
Aktenzeichen: 5 W (pat) 439/00

(BPatG: Beschluss v. 27.02.2002, Az.: 5 W (pat) 439/00)

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterabteilung I - vom 6. Juni 2000 aufgehoben.

Das Gebrauchsmuster 297 16 599 wird gelöscht.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Antragsgegnerin.

Gründe

I Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des am 16. September 1997 angemeldeten und am 13. November 1997 mit zehn Schutzansprüchen in die Rolle eingetragenen Gebrauchsmusters 297 16 599 betreffend eine "Zerkleinerungseinrichtung mit kippfähigem Beladungsmechanismus", dessen Schutzdauer verlängert ist. Die Priorität einer niederländischen Voranmeldung vom 18. Dezember 1996 ist in Anspruch genommen worden.

Schutzanspruch 1 lautet:

Einrichtung für das Zerkleinern von Materialballen, versehen mit einem Behälter mit zumindest einem rotierbar darin angebrachten Zerkleinerungsorgan und Mitteln für die Beladung des Behälters mit den Ballen, daß das Zerkleinerungsorgan (3) um eine vertikale Achse rotierbar ist und die Beladungsmittel (5) für die Durchführung einer Schwenkbewegung (K) zwischen einer Aufnahmeposition und einer Abgabeposition gestaltet sind.

Wegen der auf eine Zerkleinerungseinrichtung nach Anspruch 1 gerichteten Unteransprüche 2 bis 9 wird auf die Akten Bezug genommen.

Der nebengeordnete Schutzanspruch 10 lautet:

Schwenkbare Beladungsmittel (5) für die Anwendung in einer Zerkleinerungseinrichtung nach einem der vorangehenden Ansprüche.

Die Antragstellerin hat am 28. Januar 1999 die Löschung des Gebrauchsmusters beantragt. Zur Begründung hat die Antragstellerin geltend gemacht, daß der Gegenstand des Gebrauchsmusters im Hinblick auf den Stand der Technik nicht schutzfähig sei. Sie verweist hierzu auf die folgenden Druckschriften:

1. EP 0 706 755 A1 2. DE 692 09 879 T2 3. DE 87 15 555 U1 Die Antragsgegnerin hat dem Löschungsantrag widersprochen und das Gebrauchsmuster sodann mit einer beschränkten Fassung der Schutzansprüche 1 bis 9, eingegangen am 6. Mai 1999, verteidigt.

Dieser Schutzanspruch 1 lautet:

Einrichtung für das Zerkleinern von Materialballen, versehen mit einem Behälter mit zumindest einem um eine vertikale Achse rotierbar darin angebrachten schneckenförmigen Zerkleinerungsorgan und schwenkbaren Mitteln für die Beladung des Behälters mit Ballen, dadurch gekennzeichnet, daß das bzw. die Zerkleinerungsorgan(e) (3) einseitig am Behälterboden gelagert ist bzw. sind und die Beladungsmittel (5) einen über zumindest einen Schwenkarm (7) mit dem Behälter (2) verbundenen Löffel (6) aufweisen, der um eine Schwenkachse (8) nahe dem Behälterboden zwischen einer unteren Aufnahmeposition und einer oberen Abgabeposition bewegbar ist, aus welcher der Ballen (25) in den Behälter (2) fällt.

Hieran schließen sich die auf diesen Hauptanspruch rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 8 an, zu deren Wortlaut auf die Akten Bezug genommen wird.

Der nebengeordnete Schutzanspruch 9 in verteidigter Fassung lautet:

Schwenkbare Beladungsmittel (5) mit zumindest einem Schwenkarm (7) und Löffel (6) angepaßt an eine Ballenzerkleinerungseinrichtung nach einem der Ansprüche 1 - 8.

Die Antragstellerin verneint auch die Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters in der verteidigten Fassung. Ferner vertritt sie die Auffassung, daß der verteidigte Schutzanspruch 1 unzulässig erweitert sei.

Die Gebrauchsmusterabteilung I hat das Gebrauchsmuster durch Beschluß vom 6. Juni 2000 gelöscht, soweit es über die Schutzansprüche 1 bis 9 vom 6. Mai 1999 hinausgeht. Im verteidigten Umfang hat sie das Gebrauchsmuster als schutzfähig erachtet. Die Kosten des Löschungsverfahrens sind der Antragstellerin nach §§ 91, 93 ZPO auferlegt worden.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie meint, daß es dem Schutzgegenstand gemäß verteidigter Fassung bereits an der erforderlichen Neuheit gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik mangele. Ferner werde das Gebrauchsmuster mit dem verteidigten Schutzanspruch 1 nicht in zulässiger Weise beschränkt, da dieser Schutzanspruch gegenüber den ursprünglichen und eingetragenen Unterlagen Merkmale enthalte, die für einen Fachmann bei verständiger Würdigung der gesamten Unterlagen nicht zum Gegenstand des Streitgebrauchsmusters gehörend erkennbar seien.

Die Kostenentscheidung sei nicht zutreffend, da kein sofortiges Teilanerkenntnis im Sinne einer Beschränkung des Schutzgegenstandes vorgenommen worden, dies vielmehr erst nach Einreichung des Löschungsantrages erfolgt sei. Damit sei § 93 ZPO nicht erfüllt.

Die Antragstellerin beantragt, das Gebrauchsmuster kostenpflichtig zu löschen.

Die Antragsgegnerin beantragtdie Zurückweisung der Beschwerde.

Sie verteidigt das Gebrauchsmuster in dem durch den angefochtenen Beschluß beschränkten Umfang. Sie regt ferner an, den Schutzanspruch 1 im Bedarfsfalle mit einer klarstellenden Änderung zu versehen, nämlich anstatt des Ausdrucks "einseitig am Behälterboden gelagert" zu setzen "im Behälter freistehend nur an seinem Boden gelagert."

Die Antragsgegnerin trägt vor, daß das vorliegende Gebrauchsmuster eine Kombination einer - seit 1989 an sich bekannten - Mischeinrichtung mit einer freistehenden Schnecke mit einer relativ einfachen, als schwenkbarer Löffel ausgebildeten Beschickungseinrichtung darstelle. Dies führe zu deutlichen Vorteilen im Zerkleinerungsverhalten. Indiz für die Schutzfähigkeit ihres Schutzrechtes sei, daß bereits kurz nach der Markteinführung der Technik gemäß Streitgebrauchsmuster auch die Konkurrenz Mischwagen mit freistehender Schnecke und schwenkbarer Ladeschaufel angeboten hätte, wozu sie dem Senat Prospektmaterial und Unterlagen überreicht. Überdies spreche für die Schutzfähigkeit des Streitgebrauchsmusters, daß kurz vor dessen Zeitrang von der Konkurrenz auch ein durch die entgegengehaltene EP 0 706 755 A1 dokumentierter völlig anderer Weg beschritten worden sei. Bei diesem Stand der Technik werde nämlich eine beiderseits gelagerte Schnecke mit einer schwenkbaren Ladeklappe kombiniert, welche das Material im wesentlichen seitlich gegen die Schnecke schiebe, und zwar durch die Wandöffnung des Behälters, die dann von der Ladeklappe verschlossen werde. Die Ladeklappe gemäß der EP 0 706 755 A1 sei - anders als beim Schutzgegenstand nach dem Streitgebrauchsmuster - nicht als Schaufel ausgebildet, die etwas in den Behälter kippen könne. So bestehe der Erfindungsgedanke darin, die Ladeklappe durch eine Schaufel zu ersetzen. Hierzu könne auch der Stand der Technik nach dem DE 87 15 555 U1 keinerlei Anregung geben, weil der dort vorgesehen Ladelöffel nicht für Ballenmaterial geeignet sei, sondern lediglich zur Beschickung der Mischvorrichtung mit Schüttgütern wie Körner o.ä. diene.

Zur Kostenentscheidung macht sie geltend, daß die Zeitspanne zwischen der Löschungsandrohung (vom 22. September 1998) und der Stellung des Löschungsantrages zu kurz gewesen sei, um noch mit einer Beschränkung des Schutzrechts reagieren zu können.

II Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Soweit das Gebrauchsmuster bereits gelöscht ist, verbleibt es bei dieser Entscheidung. Aber auch im übrigen ist der Löschungsantrag begründet. Der geltend gemachte Löschungsanspruch wegen mangelnder Schutzfähigkeit (§ 15 Abs 1 Nr 1 GebrMG) ist gegeben.

1. Gegenstand des verteidigten Schutzanspruchs 1 ist eine Einrichtung für das Zerkleinern von Materialballen.

A Die Einrichtung ist mit einem Behälter versehen.

A1 Der Behälter weist zumindest ein um eine vertikale Achse rotierbar darin angebrachtes schneckenförmiges Zerkleinerungsorgan auf.

A1.1 Das (die) Zerkleinerungsorgan(e) ist (sind) einseitig am Behälterboden gelagert.

B Die Einrichtung weist schwenkbare Mittel für die Beladung des Behälters mit Ballen auf.

B1 Die Beladungsmittel weisen eine über zumindest einen Schwenkarm mit dem Behälter verbundenen Löffel auf.

B1.1 Der Löffel ist um eine Schwenkachse nahe dem Behälterboden zwischen einer unteren Aufnahmeposition und einer oberen Abgabeposition bewegbar, aus welcher der Ballen in den Behälter fällt.

Nach der von der Antragsgegnerin noch angeregten Klarstellung des Schutzanspruchs 1 würde das Merkmal A1.1 dann lauten:

A.1.1' Das (die) Zerkleinerungsorgan(e) ist (sind) im Behälter freistehend nur an seinem Boden gelagert.

Der Schutzanspruch 1 läßt zwei Merkmalsgruppen erkennen, von denen die eine (A) auf einen Behälter mit darin angeordneten Zerkleinerungsorganen gerichtet ist, während die andere Merkmalsgruppe (B) die Beschaffenheit der Beladungsmittel beschreibt.

Unter der Bezeichnung "... am Behälterboden gelagert" (Merkmal A1.1) bzw "... an seinem Boden gelagert" (Merkmal A1.1') ist jeweils zu verstehen, daß der Boden des Behälters das "Fundament" bzw. den "tragenden Grund" für die Abstützung der Lagermittel für das (die) Zerkleinerungsorgan(e) bilden soll. Die Bezeichnung "einseitig am Behälterboden gelagert" (Merkmal A.1.1) ist in diesem Zusammenhang als Ortsangabe im Sinne von "an einer Seite" bzw. "an einem Ende der Welle gelagert" zu verstehen. Die Antragsgegnerin läßt dies auch durch die Klarstellung dieses Merkmals erkennen, wonach diese Formulierung dann heißt "... im Behälter freistehend nur an seinem Boden gelagert" (Merkmal A1.1'). Nachdem durch die Hinzunahme der Zeichnung (Fig 1) im Wege der Auslegung das Merkmal A1.1 bereits in der Weise zu verstehen ist, die dann die klarstellende Formulierung gemäß Merkmal A1.1' auch zum Ausdruck bringt, vermag die klargestellte Fassung des Schutzanspruchs 1 keinerlei Bedeutungsänderung oder Beschränkung gegenüber der bisherigen Fassung zu bewirken; der Senat sieht beide Fassungen als in technischer Hinsicht bedeutungsgleich an.

Unter der Bezeichnung "Materialballen" sind im Kontext der Unterlagen des Streitgebrauchsmusters in erster Linie Silageballen zu verstehen, welche zylindrisch geformt sind (sog. Rundballen). Mit Hilfe der beanspruchten Einrichtung sollen derartige Rundballen in erster Linie zerkleinert werden (vgl. S 1, Z. 34 bis S 2, Z 5 des Streitgebrauchsmusters). Die Einrichtung soll aber auch für Quaderballen und für geschnittene Silageblöcke oder sogar für "loses Produkt" geeignet sein, wie aus Seite 5, Zeilen 3 bis 5 der Beschreibung hervorgeht. Jedenfalls ist das Grundmaterial der zu zerkleinernden Ballen oder Blöcke immer Silage. Insoweit lediglich "loses Produkt" verarbeitet werden soll, wird die Einrichtung nicht vorrangig eine Zerkleinerungswirkung, sondern vielmehr eine Wirkung als Mischorgan entfalten, wie auch aus der Beschreibung (S 5, Z. 5 bis 7) hervorgeht. Somit entfaltet die Einrichtung nach Schutzanspruch 1 sowohl zerkleinernde (vorrangig im Sinne von Ballen oder Blöcke auflösende) als auch mischende Wirkung.

2. Mit den Merkmalen des Schutzanspruchs 1 in der verteidigten Fassung - auch unter Einführung der angeregten klarstellenden Änderungen - wird der Gegenstand des Gebrauchsmusters beschränkt. Der Schutzanspruch 1 beruht auf den eingetragenen Schutzansprüchen 1 und 2 unter Hinzunahme von Einzelheiten aus der Beschreibung sowie aus der Zeichnung. Inwieweit die lediglich in der Zeichnung offenbarten Merkmale für den Fachmann bereits zum Zeitrang des Streitgebrauchsmusters als zum Schutzgegenstand gehörend zu erkennen waren und demnach zu einer Beschränkung des Gegenstandes in zulässiger Weise beitragen konnten, kann dahingestellt bleiben, weil sich der Gegenstand in jedem Fall aus den nachfolgend dargelegten Gründen als nicht schutzfähig erwiesen hat.

3. Der Gegenstand des verteidigten Schutzanspruchs 1 - auch in seiner klargestellten Fassung - ist nicht schutzfähig, denn er beruht nicht auf einem erfinderischen Schritt.

Durch die DE 87 15 555 U1 ist ein landwirtschaftlicher Mischer bekannt geworden, welcher u.a. zur Vermischung von Viehfutter (S 2, 1. Abs.) geeignet ist und mit einer auf die Welle der Mischorgane lösbar aufbringbaren Messerscheibe auch u.a. zum Häckseln von Silage - dieses Häckselgut gelangt nach dem Schneiden in den Bereich der Mischorgane - Verwendung finden kann (vgl S 6, 1. Abs. der Entgegenhaltung). Jedenfalls sollen derartige Mischer möglichst universal verwendbar sein (S 2, 2. Abs), weswegen ein lösbar auf der Welle der Mischorgane anbringbares Schneidwerkzeug vorgesehen ist, welches im Bedarfsfall eingesetzt werden kann (S 2, 2. Abs). Für reine Mischzwecke indes kann die Schneideinrichtung auch weggelassen werden. Die Auflösung von Materialballen aus Silage, also bereits gehäckseltem Material - dies ist das zu bearbeitende Material im Sinne des Gebrauchsmustergegenstandes - wird auch im Falle des Gebrauchsmustergegenstandes überwiegend mit Mischorganen (dort Schnecke) durchgeführt. Somit kann eine derartige Aufgabe auch ein landwirtschaftlicher Universalmischer nach der DE 87 15 555 U1 übernehmen, welcher demnach auch eine Einrichtung für das Zerkleinern von Materialballen darstellt. Die Einrichtung nach der DE 87 15 555 U1 ist mit einem Behälter (1) versehen (vgl Fig 1), welcher zumindest ein um eine vertikale Achse (Welle 2) rotierbar darin angebrachtes Zerkleinerungsorgan (4, 5, 6) aufweist, so daß die Merkmale A und A1 (vgl Gliederung gemäß Punkt II. 1.), letzteres mit Ausnahme der schneckenförmigen Ausgestaltung des Zerkleinerungsorgans, bereits vorbeschrieben sind. Das Zerkleinerungsorgan ist auch gemäß Merkmal A1.1 einseitig im Sinne von an einem Ende bzw. gemäß Merkmal A1.1' freistehend gelagert, während anders als beim Gegenstand nach Schutzanspruch 1 eine Lagerung am Behälterboden nicht vorbeschrieben wird. Die entgegengehaltene Einrichtung weist ferner schwenkbare Mittel für die Beladung des Behälters auf, die auch Ballen im Sinne des Gebrauchsmustergegenstandes aufnehmen können. Die Beladungsmittel (24) weisen einen über zumindest einen Schwenkarm mit dem Behälter verbundenen Löffel auf (vgl Fig 5), wobei der Löffel um eine Schwenkachse nahe dem Behälterboden zwischen einer unteren Aufnahmeposition und einer oberen Abgabeposition bewegbar ist, aus welcher das Gut - mithin auch ein Ballen - in den Behälter fällt (vgl Fig 5). Demgemäß sind bei der entgegengehaltenen Einrichtung die Merkmale B, B1. und B1.1 in gleicher Weise wie beim Gegenstand nach Schutzanspruch 1 verwirklicht. Der Gegenstand nach Schutzanspruch 1 unterscheidet sich vom entgegengehaltenen Stand der Technik nach der DE 87 15 555 U1 lediglich noch in der schneckenförmigen Ausgestaltung seines Zerkleinerungs-(bzw. Misch)organs sowie durch die Lagerung des Zerkleinerungs-(bzw. Misch)organs am Boden des Behälters.

Diese Maßnahmen waren aber vom Fachmann - einem in der Konstruktion von landwirtschaftlichen Maschinen, insbesondere von Maschinen zur Futterbearbeitung, erfahrenen Fachhochschulingenieur des allgemeinen Maschinenbaus - im Bedarfsfall im Rahmen seiner fachlichen Routine zu erwarten. Wenn der Fachmann erkennt, daß die Mischorgane in der speziellen Ausgestaltung wie in Fig 1 der DE 87 15 555 U1 dargestellt gegenüber Silageballen nicht den optimalen Zerkleinerungseffekt erreichen, so ist es für ihn ein leichtes, dies mit einer freistehenden Schneid- und Mischschnecke alternativ zu versuchen. Derartige freistehende Schneid- und Mischschnecken sind dem Fachmann nach dem eigenen Vortrag der Antragsgegnerin bereits seit 1989, also lange vor dem Zeitrang des Streitgebrauchsmusters, bekannt und geläufig, und zwar für die Zerkleinerung von Silageblöcken u.ä.. Schneckenförmige Zerkleinerungs- und Mischorgane, und zwar zur Zerkleinerung von Silageblöcken, gehören jedenfalls zum Grundwissen eines Durchschnittsfachmannes, was auch durch die im Verfahren befindliche DE 692 09 879 T2 - hier werden u.a. im Ausführungsbeispiel gemäß Fig 5 horizontal liegende Zerkleinerungsschnecken gezeigt - belegt wird. Nachdem der landwirtschaftliche Mischer nach der DE 87 15 555 bereits über ein an einer einseitig gelagerten freistehenden Welle (2) befestigtes Mischorgan verfügt, bot es sich für den Fachmann an, dieses durch eine freistehende Mischschnecke zu ersetzen. Eine derartige Maßnahme erfordert bei dem bereits vorhandenen Konstruktionsprinzip gemäß dem DE 87 15 555 U1 nur einen geringen konstruktiven Aufwand, welchen ein Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens ohne weiteres bewältigen kann. Sollte nun noch die gesonderte Lagerung der Welle des Mischorgans bzw. der Zerkleinerungsschnecke unterhalb des Behälterbodens - von einer solchen ist beim Stand der Technik nach dem DE 87 15 555 U1 gemäß Beschreibung S 4, letzter Abs., wonach die Welle den Behälterboden lediglich durchdringt, auszugehen - zu viel Bauraum erfordern, wird der Fachmann hierfür Abhilfe schaffen und den Behälterboden als Tragteil für die Lagerung der (Schnecken-)Welle verwenden, um eine zusätzliche unterhalb des Behälterbodens befindliche Tragkonstruktion zu vermeiden. Auch eine derartige Maßnahme ist dem allgemeinen Fachwissen des Durchschnittsfachmanns zuzurechnen. Denn aus der im Verfahren befindlichen Druckschrift EP 0 706 755 A1 ist es beispielsweise aus Fig 5 und 11 sowie der Beschreibung Sp 5, Zeilen 29 bis 32 bekannt, aufrechtstehende rotierende Mischorgane u.a. im Behälterboden zu lagern, d.h. den Behälterboden selbst als tragende Konstruktion zur Anbringung von Lagermitteln für die Wellen von Mischorganen bei einschlägigen Zerkleinerungseinrichtungen für Silageblöcke u.ä. zu verwenden.

Somit bedurfte es für den Fachmann keines erfinderischen Schrittes, um ausgehend vom Stand der Technik nach der DE 87 15 555 U1 unter Zuhilfenahme seines allgemeinen Fachwissens zum Gegenstand nach Schutzanspruch 1 - auch in seiner klargestellten jedoch bedeutungsgleichen Fassung - zu gelangen.

Ein erfinderischer Schritt kann nach Auffassung des Senats auch nicht auf einer "Kombination" von schaufelartigen Beladungsmitteln mit freistehenden schneckenförmigen Zerkleinerungsorganen, wie dies die Antragsgegnerin vorträgt, beruhen. Eine derartige Zusammenstellung bietet sich vielmehr aufgrund der konstruktiven Verhältnisse bei einem landwirtschaftlichen Universalmischer nach der DE 87 15 555 U1 - wie oben dargelegt - bereits an. Hinzu kommt, daß auf diesem Gebiet bereits vielerlei unterschiedliche Beschickungsvorrichtungen mit jeweils unterschiedlichen Zerkleinerungseinrichtungen "kombiniert" worden waren. So wird bei einer Vorrichtung gemäß der EP 0 706 755 A1 der Materialballen von einer Ladeklappe seitlich gegen aufrechtstehende Rotoren geschoben und zwar durch eine Öffnung in der Behälterwand, welche von der Klappe in ihrer oberen Abgabeposition gleichzeitig verschlossen wird. Mit diesem Stand der Technik mit Priorität am 10.10.94 sei nach Auffassung der Antragsgegnerin im übrigen kurz vor dem Zeitrang des Streitgebrauchsmusters (Priorität 18.12.96) ein anderer konstruktiver Weg beschritten worden, welcher die Fachwelt von der Lösung nach Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters wegführe und diese damit als auf einem erfinderischen Schritt beruhend erscheinen lasse. Diese Einschätzung trifft nach Auffassung des Senats nicht zu, denn wiederum kurze Zeit vor dem Zeitrang des Standes der Technik nach der EP 0 706 755 A1 waren noch andere Kombinationen von Beladungsmitteln und Zerkleinerungseinrichtungen in Betracht gezogen worden, wie durch die DE 692 09 879 T2 (Priorität 01.08.91) dokumentiert wird. Diese Druckschrift läßt gemäß Fig 1 und 2 eine Beladungsvorrichtung ähnlich der nach der EP 0 706 755 A1, also mit einer Ladeklappe erkennen. Nach den Ausführungsbeispielen gemäß Fig 3 bis Fig 6 indes wird für die hier zu verarbeitenden Materialblöcke (mit Hilfe eines Siloblockschneiders herausgetrennte Silageblöcke) eine schaufelartige Beladungseinrichtung, welche die Höhe einer hier im übrigen als Führungsmittel dienenden (gitterartigen) Rückwand (150) überwindet (vgl S 8, 2. und 3. Abs.) und den Materialblock dann von (schräg) oben in den Behälter wirft, beschrieben. Mit dieser ähnlich dem Gegenstand des Streitgebrauchsmusters den Behälter von oben beschickenden Beladungseinrichtung werden dann die unterschiedlichen Zerkleinerungseinrichtungen "kombiniert". Dies beginnt mit einer Zerkleinerungseinrichtung auf der Basis umlaufender Endlosketten (155), welche zwischen sich Mitnehmerstangen (156) aufweisen und so für eine Durchmischung des Silagegutes, d.h. für die Auflösung der Blöcke sorgen (vgl Fig 3 bis 4b, Beschr. S 8, 4. Abs.). Gemäß dem Ausführungsbeispiel nach Fig 5 wird die vorher beschriebene Beladungseinrichtung mit einer Zerkleinerungseinrichtung bestehend aus horizontal im Behälter angeordneten Mischschnecken kombiniert, während das Zerkleinerungsorgan gemäß Fig 6 aus Querwellen besteht, welche jeweils rechenartig davon radial abstehende Arme aufweisen, um die Silageblöcke aufzulösen. Demnach waren schaufelartige Beladungsmittel für Silageballen bereits bekannt, welche den Behälter von oben beschicken. Nachdem diese schaufelartigen Beladungsmittel schon für Silageblöcke verwendet worden waren, bestand für den Fachmann kein Anlaß, sie von der Verwendung für Rundballen auszuschließen Der im Verfahren befindliche Stand der Technik läßt demnach erkennen, daß die unterschiedlichsten "Kombinationen" von Beladungseinrichtungen und Zerkleinerungseinrichtungen wenige Zeit vor dem Zeitrang des Streitgebrauchsmusters in Betracht zogen worden waren, ohne daß die Fachwelt eine bestimmte "Kombination" bevorzugt oder von einer anderen abgeraten hätte. Demnach war das Auffinden der "Kombination" gemäß Schutzanspruch 1 im Rahmen fachüblichen Handelns im Wege der Optimierung bekannter Einrichtungen möglich, ohne daß es hierzu eines erfinderischen Schrittes bedurfte. Auch war eine überraschende Wirkung von einer "Kombination" wie sie im Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters beansprucht ist, nicht zu erwarten. Vielmehr führt eine derartige Maßnahme über eine einfache Aggregation von Merkmalen nicht hinaus.

Nach alledem bedurfte es für den Fachmann keines erfinderischen Schrittes, um zur Lehre des Schutzanspruchs 1 - auch in dessen klargestellten Fassung - zu gelangen. Da die vorgelegte klargestellte Fassung des Schutzanspruchs 1 keinen anderen technischen Gegenstand beschreibt als dies bereits im verteidigten Schutzanspruch 1 aus dem patentamtlichen Löschungsverfahren der Fall war, konnte auch ein Schutzanspruch dieser Fassung den Senat nicht zu einer anderen Wertung führen.

4. Die dem Schutzanspruch 1 nachgeordneten verteidigten Unteransprüche 2 bis 8 kennzeichnen Ausgestaltungen einer Zerkleinerungseinrichtung, die dem Fachmann aus dem entgegengehaltenen Stand der Technik bekannt sind bzw. die er aufgrund seines allgemeinen Fachwissens im Bedarfsfall ohne weitres vornehmen wird. Diese Schutzansprüche, für die ein eigenständiger erfinderischer Gehalt weder geltend gemacht wurde noch seitens der Senats erkennbar ist, teilen daher das Schicksal des Hauptanspruchs.

5. Der Gegenstand des nebengeordneten Schutzanspruchs 9 in der verteidigten Fassung weist gegenüber dem Stand der Technik nach der DE 87 15 555 U1 nicht die erforderliche Neuheit auf, denn die genannte Entgegenhaltung offenbart bereits schwenkbare Beladungsmittel (24) mit zumindest einem Schwenkarm und Löffel angepaßt an eine Zerkleinerungseinrichtung (vgl Fig 5).

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 17 Abs 4, § 18 Abs 3 Satz 2 GebrMG iVm § 84 Abs 2 Satz 1 und 2 PatG, § 91 Abs 1 ZPO.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens vor der Gebrauchsmusterabteilung ist nicht im Hinblick auf § 93 ZPO zu ändern. Zwar liegt mit dem beschränkten Widerspruch seitens der Antragsgegnerin ein sofortiges (Teil-)Anerkenntnis iSd § 93 ZPO vor. Doch fehlt es für eine Auferlegung des entsprechenden Kostenanteils auf die Antragstellerin an der weiteren gesetzlichen Voraussetzung, daß die Antragsgegnerin keine Veranlassung für den Löschungsantrag gegeben hat. Sie ist nämlich nicht mit dem Löschungsantrag "überfallen" worden, sondern hat mit dem Schreiben der Antragstellerin vom 22. Dezember 1998 die Ankündigung eines Löschungsantrags erhalten. Die hieraus für sie zur Vermeidung eines Löschungsverfahrens - jedenfalls soweit das Gebrauchsmuster nicht mehr verteidigt werden sollte - sich anbietende Konsequenz, nämlich vor der Geltendmachung des Schutzrechts in unbeschränktem Umfang abzusehen und es durch neue Schutzansprüche selbst zu beschränken, hat sie nicht gezogen, obwohl sie hierzu ausreichend Zeit hatte. Denn der Löschungsantrag ist erst am 28. Januar 1999, also mehr als ein Monat nach seiner Ankündigung eingereicht worden.

Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung.

Dies gilt auch für die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Goebel Richter Dr. C. Maier ist wegen Eintritts in den Ruhestand verhindert zu unterschreiben.

Goebel Dr. Huber Pr






BPatG:
Beschluss v. 27.02.2002
Az: 5 W (pat) 439/00


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