Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. September 2011
Aktenzeichen: 21 W (pat) 27/09

(BPatG: Beschluss v. 13.09.2011, Az.: 21 W (pat) 27/09)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

BPatG 154

Gründe

I Die am 11. September 2007 beim Deutschen Patentund Markenamt eingereichte Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Verfahren zur dynamischen Anpassung von Prüfständen" ist durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 01 M vom 5. November 2008 aus den Gründen des Bescheids vom 2. Juni 2008 zurückgewiesen worden, nachdem die Anmelderin mit Eingabe vom 16. Oktober 2008 mitgeteilt hat, dass im Hinblick auf den genannten Bescheid eine Äußerung in der Sache nicht beabsichtigt ist.

Im Prüfungsverfahren sind die Druckschriften D1: DE 103 25 349 A1 D2: DE3416496A1 D3: EP1491874B1 D4: EP0340206B1 D5: AT 008 090 U2 und D6: US 4 939 985 entgegengehalten worden.

Im Prüfungsbescheid vom 2. Juni 2008 hat die Prüfungsstelle ausgeführt, dass der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 vom Anmeldetag im Hinblick auf den Stand der Technik nach den Druckschriften D2 und D4 bzw. D2 und D5 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Unter Bezugnahme auf diesen Prüfungsbescheid erfolgte am 5. November 2008 die Zurückweisung der Anmeldung, gegen die sich die Beschwerde der Anmelderin richtet.

Die Anmelderin verfolgt ihre Patentanmeldung auf der Grundlage der ursprünglichen Patentansprüche 1 bis 8 als Hauptantrag und der Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hilfsantrag, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 13. September 2011, weiter.

Der mit Gliederungspunkten versehene, ansonsten wörtlich wiedergegebene Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

M1 Verfahren zur dynamischen Anpassung von Prüfständen mittels der Kompensation von dynamischen Merkmalen einer Prüfstandsankopplung (2), M2 welche durch eine Torsionsfederdämpfung (1a, 2a) oder durch eine Torsionsfederdämpfung (1a, 2a) und eine Rotationszwischenmasse (1b, 2b) oder durch eine Vielzahl von Einheiten, jeweils bestehend aus einer Torsionsfederdämpfung (1a, 2a) und einer Rotationszwischenmasse (1b, 2b), bezeichnet ist, M3 und welche einerseits einen Prüfling (7) am Prüfstand ankoppelt und andererseits mit einem Prüfstandsantrieb (5) verbunden ist, wobei M4 -zwischen der nicht angepassten Prüfstandsankopplung (2) und einem Prüfstandsantrieb (5) mindestens eine physikalische Bauteilvariable eines mechanischen Übertragungselements von mindestens einem Sensor (4) aufgenommen und in Form eines Sensorsignals (10) einer dynamischen Anpassung (8) zugeführt wird, M5 -die dynamischen Anpassung (3) mindestens ein modifiziertes Sensorsignal (11) ausgibt und mindestens einer Sollwertvorgabe (6) zuführt, M6 -mindestens ein Sollwert (12) der dynamischen Anpassung (3) zugeführt und von dieser modifiziert wird und als mindestens ein modifizierter Sollwert (13) dem Prüfstandsantrieb (5) zugeführt wird, dadurch gekennzeichnet, dass M7 die dynamische Anpassung (3) durch einen Vierpol (8) dargestellt ist.

Hinsichtlich des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 8 gemäß Hauptantrag wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Der mit Gliederungspunkten versehene, ansonsten wörtlich wiedergegebene Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag lautet:

M1 Verfahren zur dynamischen Anpassung von Prüfständen mittels der Kompensation von dynamischen Merkmalen einer Prüfstandsankopplung (2), M2 welche durch eine Torsionsfederdämpfung (1a, 2a) oder durch eine Torsionsfederdämpfung (1a, 2a) und eine Rotationszwischenmasse (1b, 2b) oder durch eine Vielzahl von Einheiten, jeweils bestehend aus einer Torsionsfederdämpfung (1a, 2a) und einer Rotationszwischenmasse (1b, 2b), bezeichnet ist, M3 und welche einerseits einen Prüfling (7) am Prüfstand ankoppelt und andererseits mit einem Prüfstandsantrieb (5) verbunden ist, wobei M4 -zwischen der nicht angepassten Prüfstandsankopplung (2) und einem Prüfstandsantrieb (5) mindestens eine physikalische Bauteil variable eines mechanischen Übertragungselements von mindestens einem Sensor (4) aufgenommen und in Form eines Sensorsignals (10) einer dynamischen Anpassung (8) zugeführt wird, M5 -die dynamischen Anpassung (3) mindestens ein modifiziertes Sensorsignal (11) ausgibt und mindestens einer Sollwertvorgabe (6) zuführt, M8 die sowohl für eine nicht angepasste Prüfstandsankopplung als auch für eine angepasste Prüfstandsankopplung aus einem Sensorsignal einen Sollwert für den Prüfstandsantrieb berechnet, wobei bei einer nicht angepassten Prüfstandsankopplung ein durch die dynamische Anpassung modifiziertes Sensorsignal und ein modifizierter Sollwert verwendet werden, M6 -mindestens ein Sollwert (12) der dynamischen Anpassung (3) zugeführt und von dieser modifiziert wird und als mindestens ein modifizierter Sollwert (13) dem Prüfstandsantrieb (5) zugeführt wird, wobei M7 die dynamische Anpassung (3) durch einen Vierpol (8) dargestellt ist, M9 dessen Parameter entsprechend einer gewünschten Übertragungsfunktion berechnet und vorgegeben werden.

Hinsichtlich des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 8 gemäß Hilfsantrag wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Anmelderin beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 01 M des Deutschen Patentund Markenamts vom 5. November 2008 aufzuheben und das Patent DE 10 2007 043 261 mit den Patentansprüchen 1 bis 8, der Beschreibung und der Zeichnung Figuren 1 bis 3 gemäß Offenlegungsschrift, zu erteilen, hilfsweise mit den in der mündlichen Verhandlung als Hilfsantrag übergebenen Ansprüchen 1 bis 8, im Übrigen mit den genannten Unterlagen.

Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft sowie formund fristgerecht eingelegt worden (§ 73 Abs. 1, Abs. 2, PatG). Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Wie aus der Beschreibungseinleitung vorliegender Anmeldung hervorgeht, betrifft die Erfindung ein Verfahren zur dynamischen Anpassung von Prüfständen, insbesondere für die Anpassung von längsdynamischen Prüfständen (vgl. Seite 1, Zeilen 5 bis 7 der ursprünglichen Beschreibung).

Bei technischen Anlagen unterscheidet sich häufig das reale Übertragungsverhalten des Systems von einem idealen beziehungsweise gewünschten Übertragungsverhalten. So können beispielsweise die in einem Prüfstand eingebauten Federn und Massen, insbesondere Rotationsmassen, häufig nicht so nachgebildet werden, dass sie einem realen Betriebsaufbau entsprechen, wie vielleicht einem Auto mit Motor, Getriebe, Wellen und Rädern. Dies ist insbesondere bei der Betrachtung von Prüfständen dann der Fall, wenn auf dem Prüfstand unterschiedliche Konfigurationen nachgebildet werden sollen. Verschiedene Konfigurationen können beispielsweise durch einen Motor mit oder ohne Getriebe oder unterschiedliche Gänge des Getriebes jeweils für sich betrachtet unterschiedliche Systemcharakteristika aufweisen (vgl. Seite 1, Zeilen 9 bis 22 der ursprünglichen Beschreibung).

Prüfstandsanpassungen sind bei dem Wechsel zwischen Systemkonfigurationen, die zu unterschiedlicher Zeit auf einem Prüfstand betrieben werden, notwendig, da eine Prüfstandsankopplung unterschiedliche Auswirkungen auf jede Konfiguration zeigt (vgl. Seite 1, Zeilen 24 bis 28 der ursprünglichen Beschreibung).

Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur dynamischen Anpassung bereitzustellen, an dem verschiedene Arten von Prüflingen getestet werden können, ohne den Prüfstand wesentlich mechanisch umzubauen (vgl. Seite 1, Zeile 30 bis 33 der ursprünglichen Beschreibung).

Hauptantrag:

Die Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hauptantrag sind die ursprünglichen eingereichten Patentansprüchen 1 bis 8 und damit zulässig.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist zwar neu, er ergibt sich jedoch für den Fachmann einen mit der Entwicklung von Prüfständen befassten berufserfahrenen Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Messtechnik, in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach der Druckschrift D2.

So ist aus der Druckschrift D2 (vgl. Seite 8, Zeile 30, bis Seite 9, Zeile 34: "...ein Verfahren und eine Schaltungsanordnung zur Nachbildung dynamischer Drehmoment-Anteile, insbesondere zum Simulieren von Prüfstandträgheitsmomenten, ... bei denen die Simulationsgüte verbessert wird. Dabei soll die elastische Ankopplung an den Prüfling wie im realen Fahrzeug berücksichtigt werden", Seite 21, Zeilen 1 und 2: "...eine gezielte Anpassung an die Fahrzeugdynamik.") ein Verfahren zur dynamischen Anpassung von Prüfständen mittels der Kompensation von dynamischen Merkmalen einer Prüfstandsankopplung (= Merkmal M1) bekannt, welche (vgl. die Figur 2 mit Beschreibung) durch eine Torsionsfederdämpfung (vgl. Seite 11, Zeilen 4 bis 5: "Die elastische Welle 11, 14 weist eine Federkonstante C und ein Dämpfungsmaß d auf.") oder durch eine durch eine Torsionsfederdämpfung (C, d) und eine Rotationszwischenmasse (Masse des Prüfstands 15) oder (vgl. die Figur 3 mit Beschreibung, 3-Massensystem) durch eine Vielzahl von Einheiten, jeweils bestehend aus einer Torsionsfederdämpfung (CKFZ, dKFZ, C, d) und einer Rotationszwischenmasse (Jpr 19, JKFZ 20), bezeichnet ist (= Merkmal M2), und welche (vgl. die Figur 1 mit Beschreibung) einerseits einen Prüfling (Prüfling 10, Verbrennungsmotor) am Prüfstand (über die Kupplungen 12, 13 und die elastische Welle 11 am Prüfstand 15) ankoppelt und andererseits mit einem Prüfstandsantrieb (elektrische Maschine 15) verbunden ist (= Merkmal M3), wobei (vgl. die Figur 1 mit Beschreibung) zwischen der nicht angepassten Prüfstandsankopplung (elastische Welle 11) und einem Prüfstandsantrieb (elektrische Maschine 15) mindestens eine physikalische Bauteilvariable (Prüfstandswinkelgeschwindigkeit oder Drehzahl) eines mechanischen Übertragungselements (Abtriebswelle 14) von mindestens einem Sensor (Drehzahlsensor 17) aufgenommen und in Form eines Sensorsignals einer dynamischen Anpassung (vgl. die Figur 4 mit Beschreibung, insbesondere Seite 14, zweiter Absatz, elektrische Schaltungsanordnung) zugeführt wird (= Merkmal M4), wobei die (vgl. die Figur 4 mit Beschreibung, insbesondere Seite 14, dritter Absatz) dynamische Anpassung (elektronische Funktionsglieder 24, 25, 27, 32, 33, 34) mindestens ein modifiziertes Sensorsignal ("Das von der Summationsstelle 32 abgegebene Signal MPR ist ein durch die elektronischen Funktionsglieder 24, 25, 27, 32, 33, 34 gebildeter leistungsarmer Sollwert.") ausgibt und mindestens einer Sollwertvorgabe (Sollwert) zuführt (= Merkmal M5), und wobei mindestens (vgl. die Figur 5 mit Beschreibung) ein Sollwert (Summationsstelle 32) der dynamischen Anpassung (Momentenregelkreis 34) zugeführt und von dieser modifiziert (Momentenregler 36) wird und als mindestens ein modifizierter Sollwert (Stromregelkreis 37) dem Prüfstandsantrieb (elektrische Maschine 15) zugeführt wird (= Merkmal M6).

Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 unterscheidet sich vom aus der Druckschrift D2 bekannten Stand der Technik lediglich dadurch, dass die dynamische Anpassung statt allgemein durch einen Mehrpol, wie es die in den Figuren 4 und 5 bei der Druckschrift D2 gezeigte Schaltung darstellt, speziell durch einen Vierpol dargestellt wird, wie im Merkmal M7 beansprucht ist.

Dem Fachmann sind jedoch auch Mehrpole in Form von Vierpolen allgemein geläufig und er wird je nach Bedarf den entsprechenden benötigten Mehrpol einsetzen. Beabsichtigt der Fachmann z. B. für eine umfassendere und genauere dynamische Anpassung von Prüfständen nicht nur einen Parameter, wie die in der Druckschrift D2 erwähnte Drehzahl, sondern mehrere Parameter wie z. B. Drehzahl und Drehmoment durch Sensorsignale zu messen und zu verarbeiten, ist es für ihn nahegelegt, bei einem Prüfstand speziell einen Vierpol zur Modellbeschreibung einzusetzen (= Merkmal M7), wodurch sich somit bis zu vier Übertragungsfunktionen realisieren lassen.

Auch die von der Anmelderin vorgebrachten Argumente, wonach beim Anmeldungsgegenstand nicht nur Drehzahlen sondern auch Drehmomente gemessen werden, und die Struktur des Regelungskreises anders sei als beim Stand der Technik nach der Druckschrift D2 führten zu keiner geänderten Auffassung des Senats, da diese Merkmale keinen Niederschlag im Patentanspruch 1 finden.

Hilfsantrag:

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag ist durch die ursprüngliche Offenbarung nicht gedeckt und damit unzulässig.

So wird im gegenüber dem ursprünglichen Patentanspruch 1 neu aufgenommenen Merkmal M8 beim Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag neben der nicht angepassten Prüfstandsankopplung auch eine angepasste Prüfstandsankopplung beansprucht. Diese weist jedoch, wie aus der Figur 2 mit Beschreibung, insbesondere Seite 6, Zeilen 15 bis 18 ("Da entsprechend Figur 2 die Prüfstandsankopplung bereits angepasst ist, ist die dynamische Anpassung 3 beziehungsweise der Vierpol 4 im Regelkreis entfernt worden."), vorliegender Anmeldung hervorgeht, keine dynamische Anpassung bzw. keinen Vierpol mehr auf, wie jedoch in den Merkmalen M4, M5 und M7 weiterhin unverändert und somit auch in diesem Zusammenhang beansprucht ist.

Außerdem werden bei einer nicht angepassten Prüfstandsankopplung durch die Sollwertvorgabe (6) weder aus einem Sensorsignal ein Sollwert für den Prüfstandsantrieb berechnet noch aus einem modifizierten Signal ein modifizierter Sollwert, wie ebenfalls im Merkmal M8 beansprucht, sondern, wie aus der Figur 1 mit Beschreibung vorliegender Anmeldung hervorgeht, aus einem modifizierten Sensorsignal ein Sollwert berechnet.

Mit den nicht patentfähigen Patentansprüchen 1 des Hauptund Hilfsantrags fällt aufgrund der Antragsbindung auch der jeweilige nebengeordnete Patentanspruch 7 sowie die abhängigen Patentansprüche 2 bis 6 und 8 (vgl. BGH, GRUR 1983, 171 -Schneidhaspel).

Im Übrigen hat eine Überprüfung des Senats ergeben, dass auch die Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche und der Unteransprüche nicht patentfähig sind.

Da sich das Beanspruchte als nicht patentfähig erweist, ist die Beschwerde der Anmelderin zurückzuweisen.

Dr. Winterfeldt Baumgärtner Dr. Morawek Dr. Müller Pü






BPatG:
Beschluss v. 13.09.2011
Az: 21 W (pat) 27/09


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