Landessozialgericht der Länder Berlin und Brandenburg:
Urteil vom 5. November 2014
Aktenzeichen: L 16 R 406/11

(LSG der Länder Berlin und Brandenburg: Urteil v. 05.11.2014, Az.: L 16 R 406/11)

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Februar 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Klägerin für den Zeitraum vom 10. Juli 2008 bis zum 30. April 2010 für die Tätigkeit, die sie in dieser Zeit bei der Beigeladenen zu 1) ausübte, von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien muss.

Die 1972 geborene Klägerin ist Volljuristin. Die Beigeladene zu 1) war im Streitzeitraum ein als GmbH geführtes Unternehmen mit ca. 240 Mitarbeitern, jedoch ohne eigene Rechtsabteilung. Die Beigeladene zu 2) leistet ihren Mitgliedern und sonstigen Leistungsberechtigten Versorgung nach Maßgabe ihrer Satzung.

Die Klägerin ist als zugelassene Rechtsanwältin seit dem 2004 Mitglied der Rechtsanwaltskammer (RAK) Berlin und hierdurch ab diesem Zeitpunkt auch Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 2). Auf ihren Befreiungsantrag vom 29. Februar 2004 wurde sie durch Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2004 ab dem 27. Januar 2004 für ihre Tätigkeit als €Rechtsanwältin€ von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung der Angestellten befreit.

Seit dem 2008 war die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) als Geschäftsführerin angestellt. Der geschlossene €Dienstvertrag€ wurde nach Liquidation der Beigeladenen zu 1) zum 2010 beendet; wegen der Einzelheiten wird auf den Vertrag, die Stellenbeschreibung der Beigeladenen zu 1) vom 15. November 2008 und die Ergänzung hierzu vom 14. August 2009 sowie die Syndikuserklärung der Beigeladenen zu 1) zur Vorlage bei der RAK ebenfalls vom 14. August 2009 Bezug genommen.

Am 4. September 2008 stellte die Klägerin bei dem Beklagten unter Beifügung der Stellenbeschreibung einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1). Dieser Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. Oktober 2008 mit der Begründung ab, die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch € Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) lägen nicht vor, da die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) nicht anwaltlich beschäftigt sei. Von einer derartigen Beschäftigung könne nur ausgegangen werden, wenn die Aufgabenfelder Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung kumulativ wahrgenommen würden, was im Falle der Klägerin aufgrund der Stellenbeschreibung jedoch nicht der Fall sei. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. April 2009 zurück.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen, sie habe bei der Beigeladenen zu 1) eine anwaltliche Tätigkeit ausgeübt, da sie als Geschäftsführerin unter anderem für die alle in ihrem Tätigkeitsbereich anfallenden Rechtsfragen zuständig und dabei von Weisungen unabhängig gewesen sei. Sie habe Verträge geprüft und die Beigeladene zu 1) nach außen und in gerichtlichen Verfahren vertreten. Damit habe sie alle Aufgaben erfüllt, die ein typisches anwaltliches Berufsbild ausmachten. Im Gerichtsverfahren hat die Klägerin noch eine Bestätigung der RAK Berlin vom 29. November 2009, wonach eine Prüfung die Vereinbarkeit der Nebentätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) mit dem Rechtsanwaltsberuf ergeben habe, vorgelegt, auf deren Inhalt verwiesen wird.

Durch Urteil vom 25. Februar 2011 hat das Sozialgericht (SG) Berlin die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VI hätten nicht vorgelegen. Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal dieser Norm sei die Ausübung einer berufsspezifischen Tätigkeit, welche bei einer anwaltlichen Tätigkeit die vier Kriterien rechtsberatende, rechtsentscheidende, rechtsgestaltende und rechtsvermittelnde Tätigkeit erfüllen müsse. Als Geschäftsführerin sei der Klägerin eine unabhängige Bewertung und Analyse von betriebsrelevanten, konkreten Rechtsfragen als Charakteristikum der Rechtsberatung nicht möglich gewesen. Die Beratung der Beigeladenen zu 1) habe gerade nicht unabhängig, sondern anhand der von der Beigeladenen zu 1) entwickelten Handlungs- und Verhaltensprinzipien und Richtlinien erfolgen müssen. Die von der Klägerin ausgeübte rechtsvermittelnde Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) - etwa im Rahmen der Verhandlungen mit dem Betriebsrat € hätte die anwaltliche Zulassung nicht erfordert. Letztlich hätten die Aufgaben der Klägerin primär im betriebswirtschaftlichen und nicht im juristischen Bereich gelegen. Ihre Tätigkeit sei danach insgesamt nicht als anwaltliche Tätigkeit zu bewerten gewesen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie meint, sie sei bei der Beigeladenen zu 1) im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und nicht aufgrund individueller Vorgaben der Unternehmensgruppe unabhängig beratend und rechtlich analysierend tätig gewesen. Es komme zudem gerade nicht darauf an, ob die konkrete Tätigkeit ausschließlich von einem Rechtsanwalt habe wahrgenommen werden können, denn auch Anwälte würden häufig in Bereichen beraten, in welchen kein Anwaltszwang bestehe. Es sei auch nicht entscheidend, ob sie auch Managementaufgaben wahrgenommen habe. Denn maßgebend sei gewesen, dass sie im Rahmen ihrer juristischen Tätigkeit wie eine Rechtsanwältin aufgetreten sei. Sie genieße zudem Vertrauensschutz, da sie mit Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2004 arbeitgeberunabhängig von der gesetzlichen Versicherungspflicht als Rechtsanwältin befreit worden sei. Als GmbH-Geschäftsführerin habe sie zudem zivilrechtlich eine arbeitgeberähnliche Stellung innegehabt, weshalb es bereits an einer abhängigen Beschäftigung fehle. Denn sie sei gerade nicht in eine vom Arbeitgeber vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Februar 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 8. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie für ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) vom 10. Juli 2008 bis 30. April 2010 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend und ist der Ansicht, aus der Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VI folge zwingend, dass ein innerer Zusammenhang zwischen der Tätigkeit, für die eine Befreiung begehrt werde, und dem Versicherungsschutz durch die berufsständische Versorgungseinrichtung bestehen müsse. Ein solcher Zusammenhang werde durch das Merkmal €berufsspezifisch€ gewährleistet. Die Tätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) erfülle diese Voraussetzung nicht, weil diese primär im betriebswirtschaftlichen Bereich angesiedelt gewesen sei. Zudem sei die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit als Geschäftsführerin einer GmbH nach objektiven Maßstäben nicht ausschließlich für Juristen mit der Befähigung zum Richteramt zugänglich gewesen. Im Übrigen nimmt die Beklagte auf die zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 3. April 2014 (- B 5 RE 13/14 R € ua) Bezug.

Der Senat hat schriftliche Auskünfte zu der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) vom 5. September 2012 und von der ehemaligen Personalleiterin der Beigeladenen zu 1), Beate Misere, vom 20. April 2013 angefordert, auf deren Inhalt verwiesen wird.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Im Ergebnis zutreffend hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat für den streitigen Zeitraum gegen die Beklagte kein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund ihrer Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1).

Materiell-rechtlich einschlägig ist § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in der Neufassung von Art. 1 Nr. 3a des Gesetzes zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze vom 15. Dezember 1995 (BGBl I 1824), der am 1. Januar 1996 in Kraft getreten und durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 3242) ab dem 1. Januar 2005 (Art 86 Abs 1 aaO) geringfügig modifiziert worden ist. Danach werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn

a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,

b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und

c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.

Die Klägerin ist im Streitzeitraum in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig bei der Beigeladenen zu 1) beschäftigt gewesen; sie verrichtete nichtselbständige Arbeit als Geschäftsführerin. Versicherungspflichtig in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch € Arbeitsförderung (SGB III) sind gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch € Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung € (SGB IV) die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, die der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen zB: BSG, Urteile vom 29. August 2012 - B 12 KR 14/10 R und 25/10 R -, 30. April 2013 - B 12 KR 19/11 R -, sowie 30. Oktober 2013 - B 12 KR 17/11 R - jeweils mwN - alle in juris; zur Verfassungsmäßigkeit der anhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - juris). Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl BSG aaO).

Bei Fremdgeschäftsführern - wie vorliegend der Klägerin -, die nicht am Gesellschaftskapital beteiligt sind, hat das BSG regelmäßig eine abhängige Beschäftigung angenommen, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die eine Weisungsgebundenheit im Einzelfall ausnahmsweise aufheben (vgl BSG, Urteile vom 18. Dezember 2001 - B 12 KR 10/01 R -; 6. März 2003 - B 11 AL 25/02 R -; 4. Juli 2007 - B 11a AL 5/06 R - alle in juris). Die Klägerin war als Fremdgeschäftsführerin nicht am Gesellschaftskapital der Beigeladenen zu 1) beteiligt und es liegen auch keine besonderen Umstände vor, die einer Weisungsgebundenheit entgegenstehen: sie hatte keinerlei Unternehmerrisiko und sie unterlag in ihrer Stellung als Geschäftsführerin den Bestimmungen der Geschäftsordnung der Geschäftsführung und der Satzung (§ 1 des Dienstvertrages). Sie bezog eine feste Grundvergütung, deren monatliche Auszahlungshöhe festgelegt war (§ 4 des Vertrags), hatte einen festen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Tagen (§ 8 des Vertrags) und Anspruch auf Weiterzahlung der Bezüge im Krankheitsfall (§ 5 des Vertrags). Außerdem konnte sie nach § 12 ihres mit der Beigeladenen zu 1) geschlossenen Dienstvertrages auf Verlangen der Gesellschafter jederzeit freigestellt werden. Sie war damit letztlich trotz der Handlungsfreiheit im Einzelnen, die auch von der ehemaligen Personalleiterin Misere bestätigt wurde, als Fremdgeschäftsführerin den Weisungen der Gesellschafter unterworfen. Sie war mithin abhängig Beschäftigte und erbrachte bei der Beigeladenen zu 1) nichtselbständige Arbeit in einem Arbeitsrechtsverhältnis (§§ 611 ff Bürgerliches Gesetzbuch € BGB -).

Selbst wenn die Klägerin, wie sie zuletzt vorgetragen hat, als Geschäftsführerin selbständig tätig gewesen wäre, ergäbe sich indes im Ergebnis keine andere Beurteilung. Der nicht versicherungspflichtigen Klägerin wäre die hier begehrte Befreiung von der Versicherungspflicht dann nämlich bereits deshalb zu versagen gewesen, weil ein Rechtsschutzinteresse für die Stellung eines zulässigen Befreiungsantrags insoweit gar nicht bestanden hätte. Bei fehlender Versicherungspflicht kommt eine Befreiung von derselben von vornherein nicht in Betracht (vgl auch BSG, Urteil vom 3. April 2014 € B 5 RE 13/14 R = SozR 4-26700 § 6 Nr 12 Rn 25).

Die Klägerin ist auch ab dem 27. Januar 2004 durch die RAK Berlin zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden. Gemäß § 12 Abs. 3 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) wurde sie damit kraft gesetzlicher Verpflichtung obligatorisches Pflichtmitglied der RAK Berlin und gleichzeitig obligatorisches Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 2).

Ein Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht steht der Klägerin für die in Rede stehende Beschäftigung vom 10. Juli 2008 bis 30. April 2010 jedoch nicht zu. Nach der Rechtsprechung des BSG in seinen Urteilen vom 3. April 2014 ( € B 5 RE 13/14 R €; - B 5 RE 3/14 R - juris; - B 5 RE 9/14 R € juris), die der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, haben versicherungspflichtige Beschäftigte, die gleichzeitig - wie vorliegend die Klägerin - verkammertes Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nur für die €von der Beschäftigung erfasste Erwerbstätigkeit€ (vgl BSG, Urteil vom 3. April 2014 € B 5 RE 13/14 R € Rn 28), wegen der sie auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Nur in diesem Fall wird das Tatbestandsmerkmal €derselben Beschäftigung€ iSd § 6 Abs. 1 SGB IV erfüllt.

Eine Erwerbstätigkeit, die € wie hier - im Rahmen einer Beschäftigung iSv § 7 Abs. 1 SGB IV bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber geschuldet ist, kann von vornherein nicht dem Bereich anwaltlicher Berufstätigkeit zugeordnet werden (BSG aaO Rn 31). Die anwaltliche Berufsausübung ist in der äußeren Form einer Beschäftigung nicht möglich. Umgekehrt bedarf es mangels Tätigkeit in einer konkreten fremden Angelegenheit damit für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen gegenüber einem Arbeitgeber auch keiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Maßgebend ist damit, dass die Tätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) in der äußeren Form einer abhängigen Beschäftigung gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV ausgeübt wurde. Eine lediglich inhaltliche Überschneidung der Tätigkeiten der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) mit den Tätigkeiten einer Rechtsanwältin, deretwegen die Klägerin von der Rentenversicherung befreit worden war, reicht nicht aus.

Dementsprechend ist auch unerheblich, ob die Tätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen Elemente der anwaltlichen Tätigkeit aufwies. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI fordert stets zusätzlich, dass die Tätigkeit, die zur Versicherungspflicht bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung führt, gleichzeitig in der Form der Beschäftigung als Anwalt ausgeübt wird. Dies ist für eine Tätigkeit als Rechtsanwalt bei einem nicht dem Standesrecht unterworfenen Arbeitgeber € wie nunmehr vom BSG in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des für das Berufsrecht der Rechtsanwälte zuständigen Bundesgerichtshofs, des BVerfG und des Europäischen Gerichtshofs entschieden (vgl BSG aaO Rn 34 mwN) - von vornherein ausgeschlossen. Auf die vom SG zitierte sog Vier-Kriterien-Theorie (€rechtsberatend, rechtsvermittelnd, rechtsentscheidend, rechtsgestaltend€) kommt es deshalb ebenso wenig an wie auf den konkreten Inhalt der Geschäftsführertätigkeit der Klägerin, wenn bereits aufgrund ihrer äußeren Form ausscheidet, dass dadurch mehrfach Versicherungspflicht als €Rechtsanwältin€ € nämlich in der gesetzlichen Rentenversicherung und im berufsständischen Versorgungswerk € begründet werden könnte.

Es kommt auch nicht in Betracht, abhängige Beschäftigung und eine daneben ausgeübte selbständige Tätigkeit als Rechtsanwältin im Sinne einer einheitlichen Betrachtung zusammenzuziehen. Dem Einwand der Klägerin, wonach die einmal erteilte Befreiung von der Versicherungspflicht (nur) für die Tätigkeit als €Rechtsanwältin€ auch für die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) gleichsam weitergilt, kann deshalb nicht gefolgt werden. Wenn die Befreiung von der Versicherungspflicht aufgrund einer abhängigen Beschäftigung € hier bei der Beigeladenen zu 1) € in Frage steht, können Gesichtspunkte der selbständigen Erwerbstätigkeit keine Rolle spielen. Denn es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG im Rentenversicherungsrecht, dass, wenn nebeneinander verschiedene rentenversicherungsrechtlich bedeutsame Sachverhalte vorliegen, das Bestehen von Versicherungspflicht hinsichtlich des einen Sachverhalts grundsätzlich keine Wirkung für den anderen Sachverhalt hat, jeder Sachverhalt mithin selbständig zu beurteilen ist. Es kommt schließlich auch nicht darauf an, ob die von der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) ausgeübte Beschäftigung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft entgegensteht.

Entgegen der Ansicht der Klägerin gehört sie als abhängig Beschäftigte iSv § 7 SGB IV zum Kernbereich der typisiert Schutzbedürftigen und deshalb grundsätzlich in allen Zweigen der Sozialversicherung und insbesondere in der gesetzlichen Rentenversicherung Zwangsversicherten. Eine Ausnahme sieht die gesetzliche Regelung insoweit nicht vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.






LSG der Länder Berlin und Brandenburg:
Urteil v. 05.11.2014
Az: L 16 R 406/11


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