Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Februar 2000
Aktenzeichen: 7 W (pat) 5/99

(BPatG: Beschluss v. 23.02.2000, Az.: 7 W (pat) 5/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluß der Patentabteilung 13 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Oktober 1998 aufgehoben und das Patent in vollem Umfang aufrechterhalten.

Gründe

I Die Erteilung des Patents auf die am 27. März 1993 eingereichte Patentanmeldung ist am 30. April 1997 veröffentlicht worden.

Der Patentanspruch 1 lautet:

"Axiale Strömungsmaschine mit einem eine Mehrzahl von Schaufeln aufweisenden, um eine feste Drehachse umlaufenden Rotor und mit einem den Rotor in radialer Richtung umschließenden Gehäuse, wobei zwischen den Blattspitzen der Schaufeln und der Innenoberfläche des Gehäuses ein ringförmiger Spalt mit einer von der Fertigungstoleranz der Strömungsmaschine abhängigen minimalen Weite, die sicherstellt, daß keine Berührung zwischen den Blattspitzen der Schaufeln und der Innenoberfläche des Gehäuses auftritt, verbleibt und wobei im Bereich des Spalts ein Turbulenzerzeuger vorgesehen ist, der den Strömungswiderstand für eine Rückströmung in dem Spalt erhöht, dadurch gekennzeichnet, daß der Turbulenzerzeuger elastisch oder nachgiebig ausgebildet ist, daß der Turbulenzerzeuger in dem Spalt angeordnet ist und diesen zumindest teilweise überbrückt, wobei der Turbulenzerzeuger von der Strömung in dem Spalt durchströmt wird."

Dem Anspruch 1 sind auf diesen rückbezogene Patentansprüche 2 und 3 nachgeordnet.

Nach Prüfung eines auf den Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit gestützten Einspruchs hat die Patentabteilung 13 des Deutschen Patent- und Markenamts durch Beschluß vom 2. Oktober 1998 das Patent widerrufen, weil es im Hinblick auf die deutsche Gebrauchsmusterschrift 75 35 700 nicht auf einer erfinderischen Leistung beruhe.

Gegen diesen Beschluß hat die Patentinhaberin Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, der Gegenstand des Streitpatents sei patentfähig und beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.

Die Einsprechende hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und ist auch zur mündlichen Verhandlung am 23. Februar 2000 nicht erschienen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

II Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache auch Erfolg. Sie führt zur antragsgemäßen Aufhebung des Vorbeschlusses und zur Aufrechterhaltung des Patents in vollem Umfang.

1. Das Patent betrifft gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 im Prinzip eine axiale Strömungsmaschine mit einem eine Mehrzahl von Schaufeln aufweisenden Rotor und einem zwischen den Enden der Schaufeln und der Gehäuseinnenseite verbleibenden Ringspalt minimaler Weite, in dessen Bereich ein den Strömungswiderstand für eine Rückströmung in dem Spalt erhöhender Turbulenzerzeuger vorgesehen ist.

Nach der Beschreibung (S 3, Z 25 bis 27) besteht die zu lösende Aufgabe darin, eine axiale Strömungsmaschine dieser Art zu schaffen, die von vornherein eine begrenzte Schallemission, gleichzeitig aber einen guten Wirkungsgrad und einen großen nutzbaren Kennlinienbereich aufweist.

Diese Aufgabe wird durch die Gesamtheit der im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale gelöst.

Weitere Ausgestaltungen sind in den Patentansprüchen 2 und 3 angegeben.

2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 stellt eine patentfähige Erfindung iSd §§ 1 bis 5 PatG dar.

Die axiale Strömungsmaschine nach dem Patenanspruch 1 ist neu und gewerblich anwendbar, wie auch die Patentabteilung in ihrem Vorbeschluß bereits festgestellt hat. Sie beruht darüber hinaus auf erfinderischer Tätigkeit.

Der im Vorbeschluß zum Stand der Technik einzig aufgegriffenen deutschen Gebrauchsmusterschrift 75 35 700 ist nach Überzeugung des Senats kein Turbulenzerzeuger zu entnehmen, der im Sinne des Streitpatents elastisch oder nachgiebig ausgebildet ist, und zwar derart, daß er auch bei vollständig überbrücktem Spalt zu keinen Problemen bei einem Kontakt mit den umlaufenden Blattspitzen der Schaufeln führt (Streit-Patentschrift S 3 Z 51 bis 54). So ist in der genannten Gebrauchsmusterschrift angegeben (S 6 Abs 1), daß für die dortige Auskleidung 15 "irgendein poröses, schallabsorbierendes Material" verwendet werden kann, "beispielsweise verdichtete Metallwolle oder ein geschäumter Kunststoff. Ein bevorzugtes Material ist ein Faservlies, dessen Natur- oder Kunstfasern mit einem wärmehärtenden Kunstharz verbunden sind." Aus diesen Angaben ist für den Fachmann - einen mit der Konstruktion und Entwicklung von Strömungsmaschinen betrauten Maschinenbauingenieur mit entsprechenden Kenntnissen auf dem Gebiet der Strömungsmechanik - nicht zu entnehmen, daß die genannte Auskleidung elastisch oder nachgiebig sein soll, zumal hierfür wegen des dort vorhandenen großen radialen Abstands (12 mm) zu den Schaufeln auch keine Notwendigkeit besteht. Jedenfalls vermag die Angabe "verdichtete Metallwolle" für sich allein noch nichts über die Härte oder Weichheit dieses Materials auszusagen. Außerdem lehrt die in Rede stehende Gebrauchsmusterschrift (S 2, Abs 2 Satz 1), daß bei entsprechend kleinem Abstand zwischen den Schaufelenden und der Innenseite des Gehäuses, dh bei minimaler Weite des Ringspaltes - wie sie beim Streitpatent vorausgesetzt wird - praktisch keine weiteren Maßnahmen zur Geräuschminderung erforderlich sind, also auch nicht die dort für den Fall einer Spaltbreite von etwa 20 mm angegebene Auskleidung. Damit ist zumindest schon das im Kennzeichen des Patentanspruchs 1 enthaltene Merkmal, daß der Turbulenzerzeuger elastisch oder nachgiebig ausgebildet ist, durch die genannte Gebrauchsmusterschrift weder bekannt noch nahegelegt.

Auch das weitere kennzeichnende Merkmal des Patentanspruchs 1, daß der Turbulenzerzeuger von der Strömung in dem Spalt durchströmt wird, ist der genannten Gebrauchsmusterschrift nicht zu entnehmen. Zwar sind dort in Figur 2 Wirbel 26 dargestellt, die den Spalt 22 und auch die Auskleidung 15 durchdringen. In der Beschreibung hierzu (S 6 Abs 2) heißt es aber: "Die ... Auskleidung 15 ermöglicht, daß die Wirbel mindestens teilweise in die Auskleidung eindringen (was in Fig 2 durch gestrichelte Kurven angedeutet ist), wo ihre kinetische Energie mindestens teilweise in Wärme umgewandelt wird." Damit ist zum Ausdruck gebracht, daß zum Zwecke der mit der Auskleidung 15 beabsichtigten Geräuschminderung die kinetische Energie der in diese Auskleidung eingedrungenen Wirbelströmungen in Wärme umgewandelt werden soll. Dies ist nur möglich, wenn möglichst viele der in die Auskleidung eingedrungenen Luftteilchen dort abgefangen oder zumindest stark abgebremst werden, jedenfalls aber nicht ungehindert wieder ausströmen können. Die aus der genannten Gebrauchsmusterschrift bekannte Auskleidung 15 bezweckt also gerade nicht, daß sie von der Strömung in dem Spalt 22 durchströmbar sein soll. Damit vermag die in Rede stehende Schrift dem Fachmann auch kein Vorbild dafür zu vermitteln, den Turbulenzerzeuger so auszubilden, daß er von der Strömung in dem Spalt durchströmt wird.

Die übrigen, im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren nicht mehr aufgegriffenen Entgegenhaltungen aus dem Prüfungsverfahren kommen dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 ersichtlich nicht näher als die vorstehend abgehandelte Gebrauchsmusterschrift. Ein näheres Eingehen auf diese Druckschriften ist daher nicht geboten. Es sind auch keine Anzeichen dafür erkennbar, daß sich die Strömungsmaschine mit der Gesamtheit der Merkmale des Patentanspruchs 1 ohne rückschauende Betrachtungsweise aus der Kenntnis des Patentgegenstandes heraus für den Fachmann allein aufgrund seines Fachwissens ohne weiteres von selbst erschließt.

3. Die abhängigen Patentansprüche 2 und 3 werden von der Patentfähigkeit des übergeordneten Patentanspruchs 1 mitgetragen.

Dr. Schnegg Eberhard Köhn Hochmuth Cl






BPatG:
Beschluss v. 23.02.2000
Az: 7 W (pat) 5/99


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/eebef839e4ad/BPatG_Beschluss_vom_23-Februar-2000_Az_7-W-pat-5-99




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share