Verwaltungsgericht Köln:
Beschluss vom 12. November 2002
Aktenzeichen: 1 L 1805/02

(VG Köln: Beschluss v. 12.11.2002, Az.: 1 L 1805/02)

Tenor

1. Die Verfahren 1 L 1805/02 und 1 L 2419/02 werden zur gemeinsamen Entscheidung miteinander verbunden und unter dem Aktenzeichen 1 L 1805/02 fortgeführt.

2. Die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 6414/02 gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 1. Juli 2002 und vom 19. Juli 2002 wird hinsichtlich Ziff. 1. b), 1. c.), 1. i) sowie Ziff. 2 des Tenors der angegriffenen Bescheide insgesamt und hinsichtlich Ziff. 1. m), aa) und dd) und 2. teilweise angeordnet, soweit die Regelungen die Bereitstellung der Teilnehmeranschlussleitung in Glasfaserausführung betreffen.

Im übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

3. Der Streitwert wird auf 500.000,00 EUR festgesetzt.

4. Der Beschluss soll den Beteiligten vorab per Telefax übermittelt werden.

Gründe

Der gemäß § 80 Abs. 5 und Abs. 2 S. 1 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), § 80 Abs. 2 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) zulässige Antrag,

die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 6414/02 gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 1. Juli 2002 und vom 19. Juli 2002 anzuordnen, soweit sich diese gegen die Regelungen in Ziff. 1. b), 1. c.), 1. i), 1. m), aa) und dd) sowie in Ziff. 2 des Tenors der angegriffenen Bescheide richtet,

hat überwiegend Erfolg.

Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit der im Streit befindlichen Maßnahmen (§ 80 Abs. 2 TKG) und dem Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung fällt weitgehend zu Gunsten der Antragstellerin aus, weil die Bescheide der Antragsgegnerin vom 1. Juli 2002 und vom 19. Juli 2002 - soweit im vorliegenden Verfahren angefochten - mit überwiegender Wahrscheinlichkeit im Hauptsacheverfahren keinen Bestand haben werden.

1. Die Regelungen betreffend die Bereitstellung der Teilnehmeranschlussleitungen in Kupferdoppeladerausführung finden bei der im Rahmen der im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung - bis auf Ziff. 1. m) - keine ausreichende Fundierung in den angefochtenen Bescheiden.

Ermächtigungsgrundlage für die Aufforderung zur Anpassung des Standardangebots in Ziff. 1 b), c) der angefochtenen Verfügungen ist Art. 4 Abs. 3, Abs. 2 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 über den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss, ABl. 2000, L 336/4 ff., (TAL-VO). Nach Art. 4 Abs. 3 TAL-VO kann die Regulierungsbehörde in gerechtfertigten Fällen von sich aus tätig werden, um unter anderem fairen Wettbewerb - für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss - sicherzustellen. Nach Abs. 2 lit. a) TAL-VO ist sie insbesondere befugt, Änderungen des Standardangebots für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss und zu zugehörigen Einrichtungen, einschließlich der Preise, zu verlangen, wenn diese Änderungen gerechtfertigt sind. Dass die Antragstellerin als "gemeldeter Betreiber" im Sinne von Art. 2 lit. a) TAL-VO gemäß Art. 3 Abs. 1 TAL-VO verpflichtet ist, ein Standardangebot zu veröffentlichen und somit auch Adressatin einer entsprechenden Anordnung sein kann, unterliegt keinen Bedenken. Ebenso war die Antragsgegnerin berechtigt, diese Verpflichtung im Wege der besonderen Missbrauchsaufsicht nach § 33 Abs. 2 TKG durchzusetzen, denn das Missbrauchsverfahren nach § 33 Abs. 2 TKG ist ein nach Art. 4 Abs. 5 TAL-VO zur Anwendung kommendes Streitbeilegungsverfahren.

Vgl. die Beschlüsse des Gerichts vom 21. Juni 2001 - 1 L 1050/01 - und 1 L 1013/01 -, insoweit bestätigt durch Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) Beschluss vom 23. August 2001 - 13 B 865/01 -, Multimedia und Recht (MMR) 2001, 772 (773) - Line- Sharing.

Wann ein gerechtfertigter Fall vorliegt, in dem zur Sicherstellung des fairen Wettbewerbs Maßnahmen erforderlich sind (Art. 4 Abs. 3 TAL-VO), bzw. welcher Maßstab an die Prüfung anzulegen ist, ob die verfügten Änderungen des Standardangebots gerechtfertigt (Art. 4 Abs. 2 lit. a) TAL-VO) sind, regelt die TAL-VO nicht ausdrücklich. Ebenso wenig definiert sie den Zielbegriff der wettbewerblichen Fairness (vgl. auch Art. 3 Abs. 2 Satz 1 und Art. 4 Abs. 1 TAL-VO). Allerdings ergibt sich aus dem Erwägungsgrund (10) der TAL-VO, dass die Regulierungsermächtigung dazu dienen soll, das Ungleichgewicht zwischen den Verhandlungspositionen des zugangsberechtigten neuen Marktteilnehmers und der des gemeldeten Betreibers auszugleichen. Daraus lässt sich ableiten, dass im Rahmen der Regulierungsentscheidung die gegenläufigen Interessen trotz der unterschiedlichen Marktmacht gleich gewichtet werden sollen und dass sie im Rahmen eines Abwägungsprozesses in einen angemessenen Ausgleich zu bringen sind. Wie das Gericht zur vergleichbaren Situation bei der Festlegung von Mo- dalitäten einer Zusammenschaltungsanordnung entschieden hat,

VG Köln, Beschlüsse vom 24. Januar 2002 - 1 L 2574/01 -, Juris, und vom 13. Februar 2002 - 1 L 2712/01 -,

spricht vieles dafür, dass die getroffene Abwägungsentscheidung nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist und nur dann als rechtswidrig beanstandet werden kann, wenn der zugrunde liegende Sachverhalt unzutreffend oder unvollständig ermittelt worden ist, nicht alle maßgeblichen Gesichtspunkte in die Abwägung eingestellt wurden oder das Abwägungsergebnis schlechthin unvertretbar ist. Für diese Einschränkung der gerichtlichen Überprüfung spricht ferner, dass der Normgeber die nationalen Regulierungsbehörden zur Sicherstellung fairen Wettbewerbs und zur raschen Streitbeilegung (Art. 4 Abs. 5 TAL-VO) ermächtigt, ohne ihnen ein präzises normatives Entscheidungsprogramm an die Hand zu geben.

Zu vergleichbaren Konstellationen s. Bundesverfassungsgericht, Beschluss der 1. Kammer des 2. Senats vom 29. Mai 2002 - 2 BvR 723/99 -, Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl.) 2002, 1203 (1204); Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 17. April 2002 - 9 CN 1.01 -, DVBl. 2002, 1409 (1410).

Vor diesem Hintergrund bestehen gegen die angefochtenen Regelungen in den Bescheiden teilweise erhebliche Bedenken.

a) Dies gilt zunächst für die Regelungen in Ziff. 1 b) der angefochtenen Bescheide. Danach müssen die Wettbewerber der Antragstellerin ihre Bestellungen für die Schaltung der Teilnehmeranschlussleitungen mit einem Vorlauf von einem Monat an die Klägerin richten. Des Weiteren sollen die von den Wettbewerbern angegebenen Bestellmengen innerhalb einer Toleranzgrenze von plus/minus 20 % verbindlich sein, d.h. eine Unter- bzw. Überschreitung der in der Planungsangabe angegebenen Bestellmenge von bis zu 20 % berührt die Verbindlichkeit der Bereitstellungsfrist nicht und hat auch sonst keine nachteiligen Folgen für den Wettbewerber. Außerdem wurde eine "Bagatellgrenze" von 100 angeordnet, d.h. Abweichungen zwischen der Planungsangabe und der tatsächlichen Bestellung sollen unbeachtlich sein, wenn die geplante Nachfrage nach Teilnehmeranschlussleitungen und die tatsächliche Bestellmenge pro ASM (Auftragsmanagement) und Monat die Zahl von 100 jeweils nicht überschreiten. Eine Verpflichtung zur gleichmäßigen zeitlichen Verteilung der Bestellungen (Gleichverteilungsklausel) darf die Antragstellerin nicht vorsehen.

Diese Regelungen dürfen allerdings nicht isoliert gesehen werden, sondern nur im Zusammenhang mit der für die Bereitstellung der Teilnehmeranschlussleitung aufgrund des derzeit geltenden Standardangebots maßgeblichen und auch künftig vorgesehenen Frist von sieben Werktagen, die ab der endgültigen Bestellung der Schaltung der Teilnehmeranschlussleitung zu laufen beginnt. Die Anordnung einer Bearbeitungsfrist gehört zu den Punkten, die nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 TAL-VO in Verbindung mit deren Anhang im Standardangebot mindestens enthalten sein müssen. Denn zu den nach Art. 3 Abs. 1 TAL-VO aufzunehmenden "Lieferbedingungen" gehört nach dem Anhang zur TAL-VO ("Mindestbestandteile des von gemeldeten Betreibern zu veröffentlichenden Standardangebots für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss"), Abschnitt D. Ziff. 1. auch die Bearbeitungsfrist für Anträge auf Bereitstellung von Diensten und Einrichtungen. Dies berechtigt die Antragsgegnerin zu die Bearbeitungsfrist näher ausgestaltenden Regelungen, soweit diese nicht ohnehin von den "üblichen Vertragsbedingungen" in Ziff. 2 Anhang zur TAL-VO, Abschnitt D erfasst sind.

Insoweit lässt sich jedoch nicht feststellen, ob die Regulierungsbehörde zu Recht die Voraussetzungen für ein Tätigwerden bejaht hat bzw. ob die gewählten Rechtsfolgen sich im Rahmen der TAL-VO halten. Die TAL-VO dient der Beseitigung eines unfairen Verhaltens des gemeldeten Betreibers. Sie ermächtigt deshalb lediglich dazu, den gemeldeten Betreiber zu einer Änderung des Standardangebots aufzufordern, das den Wettbewerbern den Zugang zu Leistungen des gemeldeten Betreiber zu den Bedingungen ermöglicht, die dieser sich - tatsächlich - selbst einräumt. Sie verleiht der Regulierungsbehörde hingegen nicht die Befugnis, Wettbewerbern den Zugang zu einer Leistung zu Bedingungen zu verschaffen, die der gemeldete Betreiber - und sei es aufgrund von behebbaren Ineffizienzen in der Organisation seines Betriebs - sich intern tatsächlich nicht einräumt. Dies ergibt sich aus Art. 3 Abs. 2 Satz 4 TAL-VO. Danach müssen gemeldete Betreiber wie die Antragstellerin ihren Wettbewerbern von ihnen genutzte gleichwertige Einrichtungen "nur zu denselben Bedingungen und innerhalb desselben Zeitrahmens" zur Verfügung stellen. Zu den "Einrichtungen" gehört auch der Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung, wie sich unter anderem aus der Regelung des Art. 1 Abs. 4 in der der TAL-VO vorausgehenden, dort in der Begründungserwägung (13) genannten Empfehlung der Kommission vom 25. Mai 2000 (2000/417/EG) betreffend den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss (ABl. L 156/44) ergibt. Zwar betrifft die Regelung des Art. 3 Abs. 2 Satz 4 TAL-VO das Einzelzugangsbegehren eines Wettbewerbers. Für ein Standardangebot und damit die Regelung des Zugangs gegebenenfalls aller Wettbewerber kann aber nichts anderes gelten als für die Eingrenzung des Zugangs im Einzelfall.

Unter welchen Bedingungen die Antragstellerin ihren eigenen Endkunden die hier von den Wettbewerbern nachgefragte Leistung bereitstellt, hat die Regulierungsbehörde jedoch nicht ermittelt, obwohl sich im Verwaltungsverfahren genügend Hinweise darauf ergeben, dass die angefochtenen Forderungen über die von der Antragstellerin selbst gehandhabten Bedingungen hinausgehen: So soll nach den Angaben der Antragstellerin bereits keine vergleichbare Bereitstellungsfrist existieren, vielmehr wird die Bereitstellungsfrist aufgrund der aktuellen Bestellsituation individuell vereinbart; diese kann zwischen wenigen Tagen und mehreren Wochen liegen (Schriftsätze der Antragstellerin vom 26. April 2002, Bl. 2012 des Verwaltungsvorgangs (VV), und vom 8. Mai 2002, Bl. 2193 VV). Auch die Kapazitäten der Antragstellerin seien begrenzt; die Kundenbestellungen würden der Reihe nach abgearbeitet und es würden Prioritäten gesetzt (Schriftsatz der Antragstellerin vom 8. Mai 2002, Bl. 2195 VV). Engpässe und damit zögerliche Bereitstellung würden von der Antragstellerin gleichmäßig auf sich und die Wettbewerber verteilt (Schriftsatz vom 22. Februar 2002, Bl. 646 VV). Vor diesem Hintergrund bestand Anlass zu Ermittlungen (vgl. dazu: § 76 TKG), was gleichwertige Bedingungen sind, unter denen die Antragstellerin ihren Wettbewerbern Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung zu gewähren verpflichtet ist. Derartige Ermittlungen haben jedenfalls in den angefochtenen Bescheiden keinen Niederschlag gefunden. Keinesfalls geht es an, wie dies seitens der Wettbewerber im Verwaltungsverfahren gefordert wurde, der Antragstellerin die Darlegungslast dafür aufzubürden, dass sie sich die fraglichen Leistungen zu den gleichen "schlechten" Bedingungen zur Verfügung stellt. Insofern dürften für die TAL-VO keine anderen Grundsätze hinsichtlich der Darlegungslast gelten wie für den Missbrauchstatbestand des § 33 TKG, bei dem der Missbrauch der Marktmacht von der Regulierungsbehörde darzulegen ist und erst auf ausreichender Tatsachenbasis eine Vermutung entstehen kann, wie dies deutlich in § 33 Abs. 2 Satz 2 TKG zum Ausdruck kommt.

b) Die Vertragsstrafenregelung dürfte zwar grundsätzlich in der TAL-VO eine ausreichende Rechtsgrundlage finden (vgl. Anhang zur TAL-VO - Mindestbestandteil des Standardangebots - Abschnitt D Nr. 2 - Lieferbedingungen - "übliche Vertragsbedingungen, einschließlich etwaiger Entschädigung bei Nichteinhaltung von Bearbeitungsfristen" sowie Erwägungsgrund (10) Satz 3 TAL-VO). Sie steht aber - soweit die Teilnehmeranschlussleitung betroffen ist - mit der Nichteinhaltung der Bereitstellungsfrist, deren Lauf von der Wirksamkeit von Ziff. 1 b) abhängt, in so engem Zusammenhang, dass sie deren rechtliches Schicksal teilt.

Dies gilt im Rahmen der hier allein möglichen summarischen Prüfung auch für die Vertragsstrafe, soweit die Kollokationsräume (Gewährung des räumlichen Zugangs bzw. Angebotsfrist) betroffen sind. Ob eine die Vertragsstrafe auslösende Fristüberschreitung vorliegt, bestimmt sich nach der Angemessenheit der Fristbestimmung und damit letztlich wiederum nach den Bedingungen, die die Antragstellerin konzernintern einhält. Dazu fehlen Ausführungen in den ange- fochtenen Bescheiden.

c) Gegen die Aufforderung in Ziff. 1) m) aa) und dd), bestimmte technische Informationen zur Teilnehmeranschlussleitung bzw. Informationen über die Zuordnung von Kundenadressen zu den jeweiligen Anschlussbereichen für die Wettbewerber in einer elektronischen Form zugänglich zu machen, bestehen dagegen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Regelungen finden ihre Rechtsgrundlage in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 TAL-VO in Verbindung mit dem Anhang Abschnitt C. "Informationstechnische Systeme". Dass die Voraussetzungen für eine solche Regelung gegeben sind, hat die Regulierungsbehörde dargelegt; dies wird auch grundsätzlich von der Antragstellerin nicht bezweifelt. Auch auf der Rechtsfolgenseite hat die Antragsgegnerin es der Antragstellerin überlassen, in welcher Weise sie die gefragten Informationen über eine Schnittstelle bereitstellt. Dies ist schon angesichts des eingeschränkten Kontrollmaßstabs sowie des Umstands, dass die Antragstellerin im Verwaltungsverfahren selbst mehrfach sich dazu bereit erklärt hatte, die gewünschten Informationen zu übermitteln, nicht zu beanstanden. Dass aufgrund der Anordnung in Ziff. 1. m) aa) zwingend Ge- schäftsgeheimnisse der Antragstellerin offenbart würden, ist nach den ergänzenden Informationen in der Antragserwiderung (S. 33) nicht anzunehmen, da der Beschal- tungsgrad eines Kabels keine Rückschlüsse auf nachfragestarke oder nachfragearme Gebiete zulässt. Dass die Wettbewerber auf die Information angewiesen sind, steht außer Frage. Nichts anderes gilt für Regelung in dd); der Antragstellerin bleibt es unbenommen, durch die Gestaltung der Abfragemöglichkeiten die - zudem nur befürchtete - Ausforschung von Kundendaten zu verhindern. Allein die Modifikation der Informationsübermittlung - elektronisch statt topographischer Karten - vermag eine Rechtswidrigkeit angesichts des Entscheidungsspielraums der Regulierungsbehörde nicht zu begründen. Die Regelung ist auch ohne die außer Vollzug gesetzten Teile des Bescheides grundsätzlich existenzfähig und von der Regulierungsbehörde gewollt.

d) Es spricht des Weiteren alles für die Rechtswidrigkeit der Umsetzungsfrist von einem Monat in Ziff. 2. Soweit Ziff. 1. b) und c) betroffen sind, teilt die Umsetzungsfrist in Ziff. 2 der Verfügungen deren rechtliches Schicksal. Hinsichtlich der Umsetzung von Ziff. 1. m) begegnet sie ebenfalls erheblich rechtlichen Bedenken. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Umsetzungsfrist ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung,

vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2001 - 6 C 6.00 -, Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts 114, 160 (166 ff.).

Zwar streiten die Beteiligten bereits seit mehr als zwei Jahren über die zeitlich angemessene Bereitstellung der Teilnehmeranschlussleitung. Die relativ junge Forderung, die Informationen in Ziff. 1. m) aa) und dd) der angefochtenen Verfügungen in Form eines Datenbankzugriffs zur Verfügung zu stellen, erfordert eine Programmierarbeit, die offenkundig jedenfalls in einer Frist von einem Monat nicht geleistet werden kann. Ob dafür, wie in der von der Antragstellerin vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme ausgeführt, 45 Kalenderwochen erforderlich sind, kann dahinstehen, da das Gericht nur die tatsächlich gesetzte Frist überprüft.

2. Die Anordnungen unter Ziff. 1. b), 1. c.), 1. m), aa) und dd) sowie in Ziff. 2 des Tenors der angegriffenen Bescheide vom 1. Juli bzw. 19. Juli 2002 sind aufgrund des Ergeb- nisses der summarischen Prüfung insgesamt rechtswidrig, soweit sie sich auf die Bereitstellung der Teilnehmeranschlussleitung in Glasfasertechnik beziehen.

Diese Anordnungen lassen sich nicht auf die TAL-VO stützen. Teilnehmeranschluss im Sinne der TAL-VO ist nach Art. 2 c) die physische Doppelader-Metallleitung, die den Netzabschlusspunkt am Standort des Teilnehmers mit dem Hauptverteiler oder einer entsprechenden Einrichtung des öffentlichen Telefonfestnetzes verbindet. Soweit die Teilnehmeranschlussleitung in Glasfaser ausgeführt ist, ist nach dem eindeutigen Wortlaut der TAL-VO (Erwägungsgründe (3)) und (5) und Art. 2 lit. c)) die Verordnung nicht anwendbar. Eine entsprechende Anwendung aus den Erwägungen der Regulierungsbehörde (S. 24 des angefochtenen Bescheides) scheidet wegen des entgegenstehenden Wortlauts und vor allem mangels unbewusster Regelungslücke aus. Denn der Verordnungsgeber hat die Differenzierungsnotwendigkeit zwischen Glasfaser- und Kupfer- doppeladeranschlüssen gesehen und sich bewusst nur für eine Regelung für die her- kömmliche Anschlusstechnik entschieden. Dies hat die Regulierungsbehörde auch bislang so gesehen (vgl. etwa Bescheid vom 9. August 2001 (BK 3c-01/013).

Als Ermächtigungsgrundlage kommt daher nur § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG in Betracht, wie dies die Antragsgegnerin auf S. 24 des angefochtenen Bescheides vom 1. Juli 2002 auch erkannt hat. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG dürften zwar vorliegen; die Antragstellerin ist auf dem hier in den Blick zu nehmenden Markt der Teilnehmeranschlussleitungen marktbeherrschend. Dass es sich bei der Zurverfügungstellung der Teilnehmeranschlussleitung um eine wesentliche Leistung handelt, deren Bedingungen durch die angefochtenen Bescheide geregelt werden sollen, ist ebenso offensichtlich.

Jedoch leiden die Bescheide der Regulierungsbehörde insoweit ebenfalls an einem Ermittlungsdefizit, das zur teilweisen Rechtswidrigkeit der Verfügungen führt. Ein Einschreiten der Regulierungsbehörde nach § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG ist nur dann zulässig, wenn die Antragstellerin ihre Marktmacht missbräuchlich ausnutzt. Diese Voraussetzungen sind im Bescheid nicht im einzelnen festgestellt worden. Dies gilt auch dann, wenn man § 33 Abs. 2 Satz 3 TKG berücksichtigt, wonach ein Missbrauch vermutet wird, wenn ein Anbieter sich selbst günstigere Bedingungen ermöglicht, als er sie den Wettbewerbern einräumt. Eine Ermittlung und ein Ergebnis dazu, ob die Antragstellerin sich konzernintern die Teilnehmeranschlussleitung bei Glasfaseranschlüssen schneller als den Wettbewerbern bzw. innerhalb der Siebentagefrist zur Verfügung stellt, findet sich in den Verfügungen nicht. Offen bleiben kann daher die Frage, ob § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG auch zur Änderung des Standardangebots insoweit ermächtigt, als nicht nur Verträge ganz oder teilweise für unwirksam erklärt werden, sondern die Aufnahme bestimmter Regelungen aufgegeben wird.

3. Es spricht schließlich vieles auch für die Rechtswidrigkeit der Anordnung in Ziff. 1. i) der angefochtenen Bescheide, wonach die Antragsteller entweder die V 93- Schnittstelle offenlegen oder wahlweise durch eine V 5.2-Schnittstelle ersetzen soll. Soweit die Regelung sich auf die Zurverfügungstellung der Teilnehmeranschlussleitung in Glasfasertechnik bezieht, lässt sie sich auf die TAL- VO schon aus den vorstehend dargelegten Gründen nicht stützen. Auch soweit es um die Bereitstellung der Teilnehmeranschlussleitung in Gebieten mit hybrider Glasfaser/Kupferdoppeladertechnik geht, spricht vieles für die Rechtswidrigkeit der getroffenen Anordnung. Schon Erwägungsgrund (9) Satz 1 TAL-VO spricht gegen die Möglichkeit der getroffenen Anordnung in der 1. Alternative. Danach kann ein gemeldeter Betreiber nicht verpflichtet werden, bestimmte Zugangsarten bereitzustellen, die sich seiner Verfügungsbefugnis entziehen, beispielsweise wenn die gesetzlichen Rechte eines unabhängigen Dritten verletzt würden. Auch spricht alles dafür, dass der Forderung die fehlende "technische Machbarkeit" im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 TAL-VO (in entsprechender Anwendung) auch nach der Definition der Regulierungsbehörde entgegensteht. Grenze der Bereitstellungspflicht ist danach unter anderem, wenn die Bereitstellung nur mit einem Aufwand durchzuführen ist, der in keinem vernünftigen Verhältnis zum Zweck steht. Insoweit hat die Antragstellerin unter Vorlage von Schreiben der Firma T. angegeben, dass es sich um eine veraltete Schnittstelle aus dem Jahre 1993 handelt, deren genaue Spezifikationen auch bei der Eigentümerin, der Firma T. , nicht mehr vorhanden sei und aufwendig "nachprogrammiert" werden müsste. Inwieweit dies im einzelnen zutrifft und bzw. inwieweit die nach den - Vermutungscharakter tragenden - Ausführungen der Antragsgegnerin gegebenenfalls bei der Antragstellerin vorhande- nen Kenntnisse ausreichen, um die - von den Wettbewerbern wohl mit gutem Grund nicht geforderte - Offenlegung einer veralteten Schnittstellentechnik zu ermöglichen, ist eine Frage, die den Rahmen dieses Eilverfahrens sprengen würde. Unabhängig davon und vor allem für die zweite "wahlweise" zugelassene Alternative der Ersetzung der Schnittstelle gilt, dass die Antragstellerin nur dazu verpflichtet ist, den Wettbewerbern den Zugang zu ihrem Netz und auch zur Teilnehmeranschlussleitung im Ist-Zustand zu gewähren, eine Änderung der Netzstruktur - physisch oder logisch - kann von ihr nicht verlangt werden.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2001 - 6 C 6.00 -, BVerwGE 114, 160 (165); OVG NRW, Beschluss vom 23. Februar 2000 - 13 B 1996/99 -, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2000, 706 (707); VG Köln, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 1 L 1681/01 -.

Vor diesem Hintergrund bestehen auch erhebliche Zweifel daran, dass der Antragstellerin der Vorwurf des Missbrauchs im Sinne des § 33 TKG gemacht werden kann, wie dies in der Begründungsalternative der - darlegungspflichtigen - Regulierungsbehörde zum Ausdruck kommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 und 3 VwGO. Dabei hat das Gericht berücksichtigt, dass die Antragstellerin nur zu einem geringen Teil unterlegen ist .

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1 GKG, wobei das Gericht entsprechend seiner bisherigen Rechtsprechung

- vgl. unter anderem Urteil vom 13. Juni 2002 - 1 K 3225/01 -

für jeden der beiden Bescheide 500.000,00 EUR in Ansatz gebracht und diesen Wert für das Eilverfahren halbiert hat.






VG Köln:
Beschluss v. 12.11.2002
Az: 1 L 1805/02


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