Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Februar 2001
Aktenzeichen: 14 W (pat) 65/00

(BPatG: Beschluss v. 16.02.2001, Az.: 14 W (pat) 65/00)

Tenor

1. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

2. Die Sache wird zur weiteren Behandlung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I Mit dem angefochtenen Beschluss vom 25. August 2000 hat die Prüfungsstelle für Klasse C 01 G des Deutschen Patent- und Markenamts die vorliegende Patentanmeldung mit der Bezeichnung

"Herstellung von Titandioxid"

aus den Gründen des Bescheids vom 22. Dezember 1999 zurückgewiesen.

Dem Beschluss liegen die ursprünglichen Ansprüche 1 bis 3 zugrunde, die wie folgt lauten:

1. Herstellung von Titandioxid nach dem Sulfatverfahren, bei dem aufgemahlene titanhaltige Rohstoffe mit 80 bis 94 %-iger Schwefelsäure aufgeschlossen und aus dem entstandenen festen, lösbaren Aufschlusskuchen die Metallsulfate mit Wasser oder verdünnter Schwefelsäure ausgewaschen werden, die ungelösten Rückstände abgetrennt werden und Titanylsulfat hydrolysiert und das Titanoxyhydrat nach Filtration und Waschen durch Kalzinieren in Titandioxid überführt wird, dadurch gekennzeichnet, dass dem aufzumahlenden titanhaltigen Rohstoff oder dem aufgemahlenen titanhaltigen Rohstoff oder der Schwefelsäure Metalloxide, Metallhydroxide, Metallhalogenide, Metallsalze der Sauerstoffsäuren der Elemente der 4., 5. und 7. Hauptgruppe des Periodensystems, und Metallsalze organischer Carbonsäuren einzeln oder im Gemisch oder in Form von Mischverbindungen zugesetzt werden.

2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die zugesetzten Substanzen als Stücke, Pulver, Suspension oder Lösung zugesetzt werden.

3. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Zusätze 0,2 bis 10 Gew.-%, vorzugsweise 0,5 bis 4 Gew.-%, bezogen auf die titanhaltigen Rohstoffe, betragen.

Im Bescheid vom 22. Dezember 1999 waren fehlende Neuheit der Gegenstände der ursprünglichen Patentansprüche gegenüber dem durch

(1) DE 35 13 121 A1 belegten Stand der Technik beanstandet worden. Aus (1) sei nämlich ein Verfahren zur Herstellung von Titanoxid bekannt, wie es im wesentlichen auch durch die Anmelderin beansprucht werde. Wie die Beispiele 6 und 7 von (1) zeigten, würde der Aufschluss von Ilmenit ebenfalls in Gegenwart von Metallsulfaten und einer Schwefelsäure mit einer Konzentration von zB rund 86 bzw 84 % vorgenommen. Die Gegenstände der geltenden Ansprüche 1 bis 3 würden somit gegenüber dem bekannten nichts Neues mehr erkennen lassen.

In (1) werde zwar nicht erwähnt, dass zum Aufschluss des Rohstoffes auch Metallsalze von bestimmten Sauerstoffsäuren oder Metallsalze von organischen Carbonsäuren verwendet würden, doch müssten diese Salze als äquivalent zu den bekannten Metallsulfaten angesehen werden. Aufgabe der vorliegenden Anmeldung sollte es nämlich sein, den Aufschlussgrad von TiO2 in titanhaltigen Rohstoffen zu verbessern. Die Ausführungsbeispiele vorliegender Anmeldung würden dazu Ausbeutewerte von 88,5, 89 und 90 % aufweisen. Die Beispiele 6 und 7 von (1) würden jedoch TiO2-Ausbeutewerte von rund 95 % ergeben. Genau genommen seien diese Werte sogar besser als jene der vorliegenden Beispiele. Damit könnte auch diese Variante (mit Sauerstoffsäuresalzen und Carbonsäuresalzen) nicht mehr als neu gelten. Mit den vorliegenden Unterlagen sei daher keine Patenterteilung möglich.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Im Hinblick auf den bekannt gewordenen Stand der Technik verfolgt sie ihr Patentbegehren mit den am 06. September 2000 eingegangenen Ansprüchen 1 bis 3 weiter, von denen der Anspruch 1 wie folgt lautet:

1. Herstellung von Titandioxid nach dem Sulfatverfahren, bei dem aufgemahlene titanhaltige Rohstoffe mit 80 bis 94 %-iger Schwefelsäure aufgeschlossen und aus dem entstandenen festen, lösbaren Aufschlusskuchen die Metallsulfate mit Wasser oder verdünnter Schwefelsäure ausgewaschen werden, die ungelösten Rückstände abgetrennt werden und Titanylsulfat hydrolysiert und das Titanoxyhydrat nach Filtration und Waschen durch Kalzinieren in Titandioxid überführt wird, dadurch gekennzeichnet, dass dem aufzumahlenden titanhaltigen Rohstoff oder dem aufgemahlenen titanhaltigen Rohstoff Metalloxide, Metallhydroxide, Metallhalogenide, Metallsalze der Sauerstoffsäuren der Elemente der 4., 5. und 7. Hauptgruppe des Periodensystems, und Metallsalze organischer Carbonsäuren einzeln oder im Gemisch oder in Form von Mischverbindungen zugesetzt werden.

Die neuen Ansprüche 2 und 3 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 2 und 3.

Die Anmelderin trägt im wesentlichen vor, dass gemäß dem neuen Anspruch 1 die beschriebenen Zusätze (Metalloxide, Metallhydroxide, Metallhalogenide, Metallsalze der Sauerstoffsäuren der Elemente der 4., 5. und 7. Hauptgruppe des Periodensystems, und Metallsalze organischer Carbonsäuren) nur noch dem aufzumahlenden titanhaltigen Rohstoff oder dem aufgemahlenen titanhaltigen Rohstoff, nicht jedoch der Schwefelsäure zugesetzt würden.

Aufgabe der Entgegenhaltung (1) sei es, ein Aufschlussverfahren für TiO2-Rohstoffe zu finden, das auch mit rezirkulierter, metallsulfathaltiger Schwefelsäure eine gleich hohe Aufschlussausbeute liefere wie mit frischer, feststofffreier Schwefelsäure. Aufgabe der vorliegenden Anmeldung sei es demgegenüber, die Aufschlussausbeute durch Zusätze noch weiter zu erhöhen.

In der Entgegenhaltung würden Aufschlüsse im Produktionsbetrieb als Beispiele genannt, in der vorliegenden Anmeldung dagegen Laboraufschlüsse. Da Ausbeuten bei Laboraufschlüssen in der Regel 3-10 % niedriger als im Betrieb ausfallen würden - die genaue Differenz hänge vom Rohstofftyp ab - wären die Zahlenwerte der Ausbeuten in der Entgegnhaltung mit denen der Anmeldung nicht ohne weiteres vergleichbar. An Titanrohstoffen für das Sulfatverfahren seien grundsätzlich Ilmenite als leicht aufschließbar von Schlacken als schwer aufschließbar zu unterscheiden. Insofern könne man Verlauf und Ausbeute von Schlacke- und Ilmenitaufschlüssen auch nicht direkt miteinander vergleichen. In der Patentliteratur sei jedoch noch nicht beschrieben, dass man durch bewusste Zusätze die Aufschlussausbeute erhöhen könne. Die wirtschaftliche Nutzung könne zB darin bestehen, dass man den TiO2-lnhalt teurer Rohstoffe besser ausnutzen oder den Durchsatz durch die Anlage erhöhen könne, indem man nicht so fein aufmahle oder Aufschlusssäure einspare und daher weniger rezirkulieren müsse.

Im Bescheid vom 22. Dezember 1999 werde zwar ausgeführt, dass die Zusätze in Schwefelsäure sowieso alle zu Sulfaten umgesetzt würden und der Zusatz von Sulfaten schon beschrieben sei. Versuche der Anmelderin würden jedoch zeigen, dass die bei der Rezirkulierung der Dünnsäure vor der 2. Eindampfung abgetrennte Mischung von Metallsulfaten als bewusster Zusatz über die in der rezirkulierten Säure hinaus vorhandenen Metallsulfate die Aufschlussausbeute (um 4%) senke, reines MgSO4 sie jedoch erhöhe. Für diese positiven Ergebnisse mit Zusätzen von Metallverbindungen, außer den schon bekannten Sulfaten, könnten auch plausible wissenschaftliche Erklärungen angeboten werden: Zum Beispiel würden die Zusätze die Durchfeuchtung des trockenen, hydrophoben Pulvers und die Benetzung der einzelnen Körnchen beschleunigen. Die Reaktionswärme bei der Auflösung der Zusätze in Schwefelsäure und ihrer Umwandlung in Sulfate lasse die Aufschlussreaktion der Titanrohstoffe schneller anspringen und schneller/vollständiger verlaufen. Das bei der Verwendung von Carbonsäuresalzen freiwerdende CO2 wirke darüber hinaus als Treibmittel gegen Verklumpungen unvollständig benetzter/aufgeschlossener Rohstoffkörnchen. Insbesondere Magnesiumsalze könnten bei der Mahlung je nach Mahlenergie auch Oberflächenphasen mit den TiO2-haltigen Verbindungen der Rohstoffkörnchen bilden, die eine mineralogisch günstigere Zusammensetzung für die Aufschliessbarkeit mit Schwefelsäure haben würden. Insofern sei es chemisch einfach einsehbar, warum es nicht egal sein könne, ob man andere Metallsalze als Sulfate oder gleich die daraus entstehenden Sulfate zum Aufschluss dazugebe. Aus den dargelegten Gründen werde es von der Anmelderin als neu und erfinderisch angesehen, die Aufschlussausbeute bei der Herstellung von Titandioxid nach dem Sulfatverfahren durch Zugabe der beschriebenen Zusätze zum Rohstoff zu steigern.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß

1. Der Beschwerde abzuhelfen und die Sache zur weiteren Behandlung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.

2. Die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet; sie führt zu dem im Tenor angegeben Ergebnis.

Das Patentbegehren hat im Beschwerdeverfahren eine wesentliche Änderung erfahren und kann damit nicht als vom Deutschen Patent- und Markenamt ausreichend geprüft angesehen werden; die bisher ins Verfahren eingeführte Druckschrift ermöglicht noch keine abschließende Beurteilung des Vorbringens der Anmelderin.

Die ursprüngliche Offenbarung des geänderten Patentbegehrens ist anzuerkennen.

Das beanspruchte Verfahren zur Herstellung von Titandioxid ist neu, weil der bisher ermittelten Entgegenhaltung nicht explizit entnommen werden kann, dass dem aufzumahlenden titanhaltigen Rohstoff oder dem aufgemahlenen titanhaltigen Rohstoff Metalloxide, Metallhydroxide, Metallhalogenide, Metallsalze der Sauerstoffsäuren der Elemente der 4., 5. und 7. Hauptgruppe des Periodensystems, und Metallsalze organischer Carbonsäuren einzeln oder im Gemisch oder in Form von Mischverbindungen zugesetzt werden. Diese Maßnahme ist hinsichtlich der geltend gemachten Bedeutung für die Patentfähigkeit noch nicht abschließend geprüft. Die zur Beurteilung der Frage, ob der Stand der Technik die Verwendung derartiger Zusatzstoffe bei der Herstellung von Titandioxid nahe legt, erforderlichen Ermittlungen kann die Prüfungsstelle - schon aufgrund des ihr zur Verfügung stehenden Prüfstoffs - besser durchführen als der erkennende Senat.

Bei dieser Sachlage war die Sache ohne eigene Sachentscheidung gemäß § 79 Abs 3 Satz 1 Nr 1 PatG antragsgemäß zur weiteren Behandlung an das Deutsche Patentamt zurückzuverweisen (vgl Schulte PatG 5. Aufl § 79 Rdn 7, 9 und 13).

Von einer Rückzahlung der Beschwerdegebühr war abzusehen, weil auch die beantragte Abhilfe den Mangel der Fristenüberschreitung nicht mehr hätte gegenstandslos machen können und der Erlass des Zurückweisungsbeschlusses Folge einer ordnungsgemäßen und angemessenen Sachbehandlung durch die Prüfungsstelle war. Der Grundsatz der Verfahrensökonomie verlangt nämlich eine zügige Erledigung der Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt.

Moser Vogel Harrer F. Feuerlein Ko






BPatG:
Beschluss v. 16.02.2001
Az: 14 W (pat) 65/00


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