Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Dezember 2000
Aktenzeichen: 15 W (pat) 3/00

(BPatG: Beschluss v. 13.12.2000, Az.: 15 W (pat) 3/00)

Tenor

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Auf die am 1. Dezember 1988 eingereichte Patentanmeldung wurde das Patent 38 40 536 mit der Bezeichnung

"Zweistrahlverfahren zur Sekundärionen-Massenspektrometrie"

erteilt.

Nach Prüfung eines Einspruchs hat die Patentabteilung 52 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent mit Beschluß vom 6. Oktober 1999 aufrechterhalten. Dem Beschluß lagen die erteilten Patentansprüche 1 bis 16 gemäß der Patentschrift DE 38 40 536 C2 zugrunde. Die Patentansprüche 1 und 8 lauten:

"1. Verfahren zur Bestimmung der Zusammensetzung einer festen Probe innerhalb eines bestimmten Analysebereichs (A), bei dem ein fokussierter Primärionenstrahl (PI1) auf die Probe gerichtet und innerhalb eines den Analysenbereich (A) enthaltenen ersten Bestrahlungsfeldes (B1) auf einer vorgegebenen Bahn über die Probenoberfläche geführt wird, wobei von der Probe Material abgetragen und Sekundärionen emittiert werden, die nach ihrer Masse getrennt und nachgewiesen sowie in Abhängigkeit von ihrem Emissionsort registriert werden, bei dem neben dem Strahl (PI1) noch ein von diesem chemisch verschiedener zweiter fokussierter Primärionenstrahl (PI2) auf einer vorgegebenen Bahn über ein den Analysenbereich (A) überdeckendes oder umschließendes zweites Bestrahlungsfeld (B2) geführt wird, welches das erste Bestrahlungsfeld (B1) zumindest an seinem Rand überdeckt.

8. Sekundärionen-Massenspektropie-Einrichtung mit zwei Primärionenstrahl-Erzeugungseinrichtungen (1, 1') zur Erzeugung von zwei Primärionenstrahlen (PI1, PI2) und mindestens einer Strahlformungseinrichtung (3) zum Bündeln der Primärionenstrahlen (PI1, PI2) und mindestens einer Ablenkeinrichtung (4) zur Ablenkung der gebündelten Primärionenstrahlen sowie einem Massenfilter (7) zur Analyse der von den Primärionenstrahlen (PI1, PI2) an einer Festkörperprobe (5) erzeugten Sekundärionen, wobei ein fokussierter Primärionenstrahl (PI1) innerhalb eines den Analysenbereich (A) enthaltenden ersten Bestrahlungsfeldes (B1) auf einer vorgegebenen Bahn über die Probenoberfläche geführt wird, bei dem zur Unterdrückung von Kraterrandeffekten bei der Analyse der mit dem ersten Primärionenstrahl (PI1) erzeugten Sekundärionen ein chemisch von diesem verschiedener zweiter fokussierter Primärionenstrahl (PI2) zusätzlich zu dem ersten Primärionenstrahl (PI1) auf einer vorgegebenen Bahn über ein den Analysenbereich (A) überdeckendes oder umschließendes zweites Bestrahlungsfeld (B2) führbar ist, welches das erste Bestrahlungsfeld (B1) zumindest an seinem Rand überdeckt."

Gegen diesen Beschluß hat die Einsprechende Beschwerde eingelegt. Im Einspruchsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt hat die Einsprechende unter anderen auf den Prospekt der Firma P... "ATOMIKA 6500 Ion Microprobe" und eine Liste der Spezifikationen (1) hingewiesen, in der die Einrichtung gemäß Patentanspruch 8 neuheitsschädlich vorbeschrieben sei. Die Einspruchsabteilung sah einen Unterschied zu diesem Stand der Technik darin, daß der Entgegenhaltung nicht zu entnehmen sei, "daß mit dieser Einrichtung und dem damit verbundenen Verfahren ein sich in einem Bestrahlungsfeld einer anderen Ionenart befindlicher Analysenbereich geschaffen werden" könne.

Im Beschwerdeverfahren wurde von den Beteiligten zur Sache nichts vorgetragen.

Die Einsprechende zog ihren hilfsweise gestellten Antrag auf eine mündliche Verhandlung zurück und beantragte, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellte keine Anträge.

Beide Parteien haben mitgeteilt, daß sie an der anberaumten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werden.

Der festgesetzte Termin für eine mündliche Verhandlung wurde daraufhin aufgehoben.

Wegen der auf die Patentansprüche 1 und 8 rückbezogenen Unteransprüche sowie wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingelegt worden und zulässig (PatG § 73). Sie ist auch erfolgreich.

Die Einrichtung gemäß Patentanspruch 8 ist gegenüber der bekannten Einrichtung gemäß Prospekt der Firma P... "ATOMIKA 6500 Ion Microprobe" mit der beiliegenden Liste der Spezifikationen nicht neu, was bereits zum Widerruf des Patents führt.

Der Patentanspruch 8 weist folgende Merkmale auf:

1. Sekundärionen-Massenspektroskopie-Einrichtung 2. mit zwei Primärionenstrahl-Erzeugungseinrichtungen (1, 1') zur Erzeugung von zwei Primärionenstrahlen (PI1, PI2)

3. und zumindest einer Strahlformungseinrichtung (3) zum Bündeln der Primärionenstrahlen (PI1, PI2)

4. und mindestens einer Ablenkeinrichtung (4) zur Ablenkung der gebündelten Primärionenstrahlen 5. sowie einem Massenfilter (7) zur Analyse der von den Primärionenstrahlen (PI1, PI2) an einer Festkörperprobe (5) erzeugten Sekundärionen, 6. wobei ein fokussierter Primärionenstrahl (PI1) innerhalb eines den Analysenbereich (A) enthaltenden ersten Bestrahlungsfeldes (B1) auf einer vorgegebenen Bahn über die Probenoberfläche geführt wird, 7. bei dem zur Unterdrückung von Kraterrandeffekten bei der Analyse der mit dem ersten Primärionenstrahl (PI1), erzeugten Sekundärionen ein zweiter fokussierter Primärionenstrahl (PI2) zusätzlich zu dem ersten Primärionenstrahl (PI1), 8. wobei der zweite Primärionenstrahl chemisch vom ersten Primärionenstrahl verschieden ist, 9 a/b. auf einer vorgegebenen Bahn über ein den Analysenbereich (A) überdeckendes oder umschließendes 10. zweites Bestrahlungsfeld (B2) führbar ist, welches das erste Bestrahlungsfeld (B1) zumindest an seinem Rand überdeckt.

Diese Merkmale hat aber auch das im oben angegebenen Prospekt dargestellte Gerät ATOMIKA 6500 Ion Microprobe. Die Vorveröffentlichung des Prospekts wurde von der Patentinhaberin nicht bestritten und ist durch das auf der Rückseite des Prospekts gedruckte Copyright-Jahr 1988 und das Datum 15. Mai 1988 auf der dazugehörigen Spezifikationsliste gegeben.

Übergreifend von der zweiten zur dritten Seite und auch im kleinen Bild rechts oben auf der dritten Seite des Prospekts ist eine Sekundärionen-Massenspektroskopie(SIMS)-Einrichtung dargestellt. Dort sind zwei Primärionenstrahl-Erzeugungseinrichtungen zur Erzeugung von zwei Primärionenstrahlen abgebildet mit einer Cäsiumquelle und einer Gasionenquelle, wobei die Gasionenquelle Sauerstoff oder Argon sein kann. Dabei werden beide Primärstrahlen unabhängig voneinander auf dem Weg zur Probe durch optische Einrichtungen gebündelt und abgelenkt (vgl Prospekt 2. S, liSp und dazugehörige Spezifikationsliste S 2 unter dem Stichwort "Primary Ion Gas Source-Optics Column"). Außerdem weist das kleine Bild auf der dritten Seite des Prospekts einen Massenfilter zur Analyse der von dem Primärionenstrahl an der Probe erzeugten Sekundärionen auf (vgl auch Prospekt, 2. S, reSp, Abs 1). Damit sind die Merkmale 1 bis 5 auch bei dem bekannten SIMS-Gerät ATOMIKA 6500 verwirklicht.

Aber auch bei dem bekannten Gerät wird während der Analyse der fokussierte erste Primärionenstrahl und zusätzlich auch der zweite fokussierte Primärionenstrahl über den selben Analysenbereich bzw das selbe Bestrahlungsfeld auf einer vorgegebenen Bahn geführt, d. h. daß sich die Bestrahlungsfelder überdecken. Dies ergibt sich aus der zweiten Seite des Prospekts, linke Spalte unten, wonach beide Ionenstrahlen simultan durch schnelles Umschalten der Strahlen über das Bestrahlungsfeld geführt werden können. Der von der Patentabteilung gesehene Unterschied liegt also nicht vor. Dabei ist die Bahn durch das Scannen vorgegeben (vgl 5. S des Prospekts, Abbildung des "spriral scan mode"). Damit sind aber auch die Merkmale 6 bis 9a und 10 bekannt. Da damit die erste Alternative (überdeckend) bekannt ist, kann der Patentanspruch mangels Neuheit keinen Bestand haben. Die Alternative 2 (umschließend) fällt bei dieser Sachlage mit der ersten Alternative.

Die Neuheit einer Vorrichtung kann nicht mit Verfahrensmerkmalen begründet werden, in der Form, daß mit ihr etwas "geschaffen werden kann" (Beschluß der Patentabteilung S 6 Abs 1), wenn die Vorrichtungsmerkmale als solche neuheitsschädlich vorbeschrieben sind.

In diesem Sinne wird noch auf die Entscheidung des BGH "Schießbolzen" verwiesen (GRUR 1979, 149 - 152), nach der Angaben zur Zweckbestimmung einer Vorrichtung (hier insbesondere die Angabe "zur Unterdrückung von Kraterrandeffekten bei der Analyse" in Merkmal 7) den Schutzbereich eines Patents nicht einschränken und dieser Patentanspruch als Sachanspruch zu werten ist.

Die mit dem Patentanspruch 8 beanspruchte Einrichtung ist daher mangels Neuheit nicht patentfähig. Mit dem Patentanspruch 8 fallen die auf ihn rückbezogenen Patentansprüche 9 bis 16, aber auch die Verfahrensansprüche 1 bis 7, da über einen Antrag nur im ganzen entschieden werden kann (vgl BGH GRUR 1997, 120 - Elektrisches Speicherheizgerät).

Kahr Niklas Jordan Schroeter Mü/prö






BPatG:
Beschluss v. 13.12.2000
Az: 15 W (pat) 3/00


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