Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Dezember 2001
Aktenzeichen: 5 W (pat) 438/00

(BPatG: Beschluss v. 12.12.2001, Az.: 5 W (pat) 438/00)

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterabteilung I - vom 10. Oktober 2000 im Kostenpunkt aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug tragen die Beteiligten je zur Hälfte.

Im übrigen wird die Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe

I Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des mit Anmeldetag 16. Februar 1996 am 14. August 1996 in die Rolle eingetragenen, eine Sandwanne mit Sandschieber (Glätter) und Sandrechenbetreffenden deutschen Gebrauchsmusters 296 02 805. Die Schutzdauer ist verlängert.

Mit der Anmeldung wurden zehn Schutzansprüche eingereicht.

Der Eintragung wurden die am 15. Juli 1996 nachgereichten zehn Schutzansprüche zugrundegelegt. Die eingetragenen Ansprüche 1 bis 6 unterscheiden sich von der ursprünglichen Fassung lediglich dadurch, daß im Anspruch 2 anstelle des Wortes "Schweißsand" nun "Quarzsand" steht. Sie lauten:

1. Wanne mit einem Rahmen (2+3), an einer daran befestigten Bodenplatte (1) und einer feinkörnigen Füllung 2. Wanne nach Anspruch 1 wobei die Füllung feiner Sand ist, vorzugsweise Quarzsand 3. Wanne nach Anspruch 1 wobei die Füllung Kunststoffgranulat ist 4. Wanne nach Anspruch 1 wobei der Rahmen aus Kunststoff ist 5. Wanne nach Anspruch 1 wobei der Rahmen aus Holz ist, vorzugsweise Buchenholz 6. Wanne nach Anspruch 1 dadurch gekennzeichnet, daß der Boden aus transparentem, glatten Material (Kunststoff oder Glas) ist.

Bevorzugtes Material: Sicherheitsglas Die Antragsgegnerin hat am 2. Februar 1999 neue Schutzansprüche 1 bis 10 zur Registerakte gegeben.

Die Schutzansprüche 1 bis 6 dieser Fassung lauten:

1. Sandwanne mit einem Rahmen (2+3), mit einer am Rahmen (2+3) befestigten Bodenplatte (1) und einer flachen Sandschicht als feinkörnige Füllung, wobei die Bodenplatte (1) aus transparentem, glatten Material besteht.

2. Wanne nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Füllung Schweißsand ist.

3. Wanne nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Rahmen aus Kunststoff besteht.

4. Wanne nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Rahmen aus Holz ist, vorzugsweise aus Buchenholz besteht.

5. Wanne nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Bodenplatte aus Kunststoff besteht.

6. Wanne nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Bodenplatte (1) aus Glas, vorzugsweise aus Sicherheitsglas, besteht.

Die Antragstellerin hat am 10. März 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung des Gebrauchsmusters im Umfang der Ansprüche 1 und 2 beantragt. Zur Begründung ihres Antrags hat sie geltend gemacht, die Gegenstände der eingetragenen Schutzansprüche 1 und 2 wie auch der 1. Februar 1999 nachgereichten Schutzansprüche des Gebrauchsmusters seien nicht schutzfähig. In bezug auf Schutzanspruch 2 in der Fassung vom 2. Februar 1999 hat sie eine unzulässige Erweiterung geltend gemacht.

Die Antragsgegnerin hat dem Löschungsantrag widersprochen. Sie hat das Gebrauchsmuster mit dem Schutzanspruch 1 vom 2. Februar 1999 und mit einen Anspruch 2 vom 10. Oktober 2000 folgenden Wortlauts verteidigt:

2. Wanne nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Füllung Quarzsand ist.

Von der Antragstellerin wurde im Löschungsverfahren folgender Stand der Technik genannt:

E1 Katalog 90/91 der Fa Fröbelhaus Forstmeyer, S 23, 74 E2 Katalog 94 der Fa Wehrfritz, S 91, 193, 235, 257, 265, 330 E3 DE-Buch: E. Albrecht: Käfig- und Volierenbau, 1989, S 158 bis 160, 170.

Die Gebrauchsmusterabteilung I hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Oktober 2000 das Streitgebrauchsmuster im Umfang der eingetragenen Schutzansprüche 1 und 2 gelöscht, soweit es über den Schutzanspruch 1 vom 2. Februar 1999 und den Schutzanspruch 2 vom 10. Oktober 2000 hinausgeht.

Die Antragstellerin hat hiergegen Beschwerde eingelegt.

Sie hat noch auf die Entgegenhaltung E4 DE 81 02 361 U1 verwiesen und die Schutzfähigkeit verneint.

Die Antragstellerin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Gebrauchsmuster im Umfang der Schutzansprüche 1 und 2 zu löschen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie sieht die Schutzvoraussetzungen als erfüllt an.

II Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, aber in der Hauptsache nicht gerechtfertigt. Im Umfang der von der Gebrauchsmusterabteilung bereits ausgesprochenen Löschung hat es - da insoweit mit der Beschwerde nicht angegriffen - mit dem angefochtenen Beschluß sein Bewenden. Der darüber hinausgehende Löschungsantrag ist aber nicht begründet. Denn der geltend gemachte Löschungsanspruch, gestützt auf mangelnde Schutzfähigkeit (§ 15 Abs 1 Nr 1 GebrMG) ist nicht gegeben.

1. Die Schutzansprüche 1 und 2 sind zulässig: Bedenken unter dem Gesichtspunkt unzulässiger Erweiterung sind nicht begründet.

1.1 Anspruch 1 ist gebildet aus den Merkmalen des ursprünglichen bzw eingetragenen Schutzanspruchs 1, aus Merkmalen der ursprünglichen bzw eingetragenen Schutzansprüche 2 und 6 sowie aus der Beschreibung (Z 1 und Abs 3 Z 1) entnehmbaren Merkmalen.

Das den Gegenstand des Gebrauchsmusters gegenüber der eingetragenen Fassung einschränkende Merkmal des verteidigten Schutzanspruchs 1 "wobei die Bodenplatte (1) aus transparentem, glatten Material besteht" ist dem eingetragenen - nicht angegriffenen - Schutzanspruch 6 entnommen. Die Beschränkung ist durch Aufnahme dieses Merkmals vor Stellung des Löschungsantrags vorgenommen worden. Dies ist zulässig.

1.2 Das Kennzeichen des ursprünglichen Anspruchs 2 hatte geheißen: "wobei die Füllung feiner Sand ist, vorzugsweise Schweißsand." In dem Anspruch 2, der der Eintragung zugrundegelegt wurde, lautete das Kennzeichen: "wobei die Füllung feiner Sand ist, vorzugsweise Quarzsand." Diese Änderung war zulässig, da Schweißsand eine Feinsandmischung mit dem Hauptbestandteil Quarzsand und dazu weiteren Sandsorten ist. Die genannte Änderung stellte somit eine Einschränkung gegenüber dem zuvor fakultativ Beanspruchten dar.

Der jetzt verteidigte Anspruch 2 stellt erneut eine (zulässige) Beschränkung dar, nämlich eine Zurückführung auf das im eingetragenen Anspruch 2 verbliebene (bevorzugte) Material "Quarzsand".

2. Es läßt sich nicht feststellen, daß der Gegenstand dieser verteidigten Schutzansprüche der Schutzfähigkeit ermangelt.

2.1 Der Anspruch 1 lautet in gegliederter Form:

a Sandwanneb1 mit einem Rahmen (2+3), b2 mit einer am Rahmen (2+3) befestigten Bodenplatte (1)

c und einer flachen Sandschicht als feinkörnige Füllung, d1 wobei die Bodenplatte (1) aus transparentem Material besteht, d2 wobei die Bodenplatte (1) aus glattem Material besteht.

2.2 Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 ist neu (§ 3 GebrMG).

Keine der Entgegenhaltungen zeigt einen Gegenstand mit allen Merkmalen des Anspruchs 1. Es wird auf die nachfolgenden Ausführungen zum erfinderischen Schritt verwiesen.

Die offensichtlich gewerblich anwendbare Sandwanne nach Schutzanspruch 1 beruht auf einem erfinderischen Schritt (§ 1 GebrMG).

Nach der Beschreibung (s dort le Abs), liegt dem Gegenstand des Streitgebrauchsmusters das Problem zugrunde, eine Sandwanne zum Zeichnen und Spielen zu schaffen, in der man mit den Fingern oder dem Sandrechen "zeichnen" kann.

Die Entgegenhaltung E3, Käfig- und Volierenbau, offenbart eine Sandwanne mit einer flachen Sandschicht als feinkörnige Füllung gemäß den Merkmalen a und c (s Abb auf S 170). Eine solche Sandwanne wird zB in einem "Landschaftskäfig" für Vögel eingesetzt und bildet darin einen Teil des Bodenbereichs. Auf S 160 ist der Aufbau der Sandwanne mit einem Rahmen und mit einer am Rahmen befestigten Bodenplatte entsprechend den Merkmalen b1 und b2 gezeigt und beschrieben. Auch ohne besondere Erwähnung ist davon auszugehen, daß die Bodenplatte aus glattem Material - beschichtete Spanplatte ist genannt - besteht (vgl Merkmal d2).

Der Unterschied liegt im Merkmal d1, nach dem die Bodenplatte aus transparentem Material besteht.

Dadurch, daß die Bodenplatte aus transparentem Material besteht, wird ein unter der Wanne befindliches Objekt (zB Bild oder farbiges Blatt) beim "Zeichnen", dh beim stellenweisen Wegschieben der Sandschicht, schrittweise sichtbar. Das Gezeichnete ist deutlich erkennbar und kann durch eine Änderung des untergelegten Objekts eine Variation im Aussehen erfahren.

Die Entgegenhaltung E3 gab dem Fachmann aus sich heraus keine Anregung, für die Bodenplatte transparentes Material zu wählen. Als Fachmann ist vorliegend ein Pädagoge mit Erfahrungen in der Entwicklung von (heil-)pädagogischem Spielzeug anzusehen.

Zu Unrecht macht die Antragstellerin geltend, daß es selbstverständlich sei, die Bodenplatte der Sandwanne aus transparentem Material herzustellen, wenn man durch den Boden hindurch etwas sehen wolle. Sie hat dazu noch vorgetragen, die Idee, in einer flachen Sandschicht zu zeichnen, sei dem Fachmann bereits allein durch Vogelsandwannen vorgegeben. Schon einem Kind sei beim Betrachten von Vögeln im Vogelkäfig die Beobachtung geläufig, "wie die Vogelfüße Spuren in den Sand zeichnen".

Der Umstand, daß Vogelfüße Spuren in den Sand zeichnen, führt den Fachmann nicht in Richtung der beanspruchten Lösung, da für derartige Spuren die Abbildung auf der Oberfläche der Sandschicht, nicht aber das Durchdringen auf ein darunterliegendes Medium charakteristisch ist. Durch die Erfindung erst wird die Erkenntnis nutzbar gemacht, daß für die Erkennbarkeit einer solchen Zeichnung - die in Form von den Boden freilegenden Bewegungsspuren in der Sandschicht vorliegen muß - die optischen Eigenschaften der unter dem Sand liegenden Bodenplatte der Wanne entscheidend sind. Die beanspruchte Ausbildung der Bodenfläche aus transparentem Material gestaltet diese Erkenntnis in einer speziellen, vorteilhaften Weise aus.

Auch in Verbindung mit dem übrigen Stand der Technik ergaben sich für den Fachmann keine Hinweise, bei der Sandwanne nach der Druckschrift E3 mit den Merkmalen a bis c und d2 die Bodenplatte aus transparentem Material herzustellen.

Der Katalog der Fa Fröbelhaus Forstmeyer, E1, zeigt (auf S 74, Mitte) "transparente Legerahmen" von sechseckiger Form, in die transparente trapezförmige Steine gelegt werden können. Die unstreitig aus transparentem Material bestehende Bodenplatte des gezeigten Geräts weist verschiedene Öffnungen auf. Zwischen den von den sechs Seiten der Bodenplatte her hochgebogenen Randstükken liegen Spalten, die bis zur Bodenplatte hin offen sind. Diese Öffnungen sind zweifelsfrei für Sand durchlässig. Schon dies würde den Fachmann davon abhalten, den Legerahmen für die Verwendung mit eingefülltem Sand vorzusehen. Aber auch eine Modifikation des bekannten Legerahmens in der Weise, daß er sich für die Aufnahme einer flachen Sandschicht und das Zeichnen in dieser Sandschicht eignen würde, lag für den Fachmann ohne Kenntnis der Erfindung nicht auf der Hand. Denn in der Beschreibung der Entgegenhaltung E1 ist angegeben: "Fertig gelegte Rahmen ergeben einen schönen Fensterschmuck, da die Transparenz der Steine das Licht in vielen bunten Farben erscheinen läßt." Hier geht es also im Unterschied zum Gegenstand des Streitgebrauchsmusters darum, daß das in flacher Schicht im Rahmen ausgelegte Material selbst, nämlich die Schicht aus farbigen, transparenten Steinen, durchstrahlt wird. Beim Gegenstand des Streitgebrauchsmusters soll jedoch der Sand nicht durchstrahlt werden, vielmehr soll an den vom Sand befreiten Stellen das unter der Wanne Liegende sichtbar werden bzw durchscheinen. Ein Hinweis, daß man für die Bodenplatte einer Sandwanne transparentes Material einsetzen sollte, damit man mit den Fingern oder dem Sandrechen - klarer bzw deutlicher - in einer an sich undurchsichtigen Sandschicht zeichnen kann, wird dem unbefangenen Fachmann somit nicht vermittelt.

Der auf S 23 des Katalogs der Fa Fröbelhaus Forstmeyer, E1, gezeigte Materialkasten E aus Holz mit eingenutetem Furnierholzboden ist vom Streitgegenstand noch weiter entfernt.

Die Unterlagen des DE 81 02 361 U1, E4, offenbaren einen Eimer mit doppeltem Boden, wobei jedes der beiden Bodenteile aus transparentem Material besteht (s Anspruch 1). Der Kinder-Eimer ist nach der Beschreibung des Gebrauchsmusters (s Abs 1 Z 2) für den Sand- oder Wassertransport vorgesehen. Der unbefangene Leser entnimmt der Druckschrift, daß eine Durchsicht durch den Boden und ein Erkennen von Objekten (z.B. bunte Plastiktierchen, vgl Anspruch 2) zwischen den beiden Bodenteilen bei leerem oder bei mit Wasser gefülltem Eimer ermöglicht werden soll. Es wird jedoch auch hier kein Hinweis gegeben, eine Bodenplatte aus transparentem Material einzusetzen, um mit den Fingern oder dem Sandrechen klarer bzw deutlicher in einer flachen Sandschicht zeichnen zu können.

Entgegenhaltung E2, Katalog der Fa Wehrfritz, offenbart (auf S 265 unter Nr 22) eine Sandwanne mit einem Boden. Die Verwendung von transparentem Material für den Boden ist hier ebenfalls nicht angesprochen.

2.3 Mit dem Gegenstand des Schutzanspruchs 1 widersteht auch der des Schutzanspruchs 2, eines echten Unteranspruchs, dem Löschungsantrag.

3. Der Erfolg der Beschwerde im Kostenpunkt gründet darin, daß das Gebrauchsmuster vor der Löschungsabteilung in geringerem Umfang, als es zunächst verteidigt worden ist, dem Löschungsantrag widerstehen konnte (§ 17 Abs 4 GebrMG iVm § 84 Abs 2 PatG, § 92 Abs 1 ZPO).

Die Kostenentscheidung bezüglich der Beschwerdeinstanz folgt aus § 18 Abs 3 GebrMG iVm § 84 Abs 2 PatG, § 97 Abs 1 ZPO. Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung, zumal da der Erfolg der Antragstellerin im Kostenpunkt neben dem Unterliegen in der Hauptsache insoweit in den Hintergrund tritt.

Goebel Dr. Frowein Richter Dr. W. Maier ist wegen Urlaubs verhindert zu unterschreiben Goebel Pr/Fa






BPatG:
Beschluss v. 12.12.2001
Az: 5 W (pat) 438/00


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