Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 13. Februar 2003
Aktenzeichen: 4a O 131/02

(LG Düsseldorf: Urteil v. 13.02.2003, Az.: 4a O 131/02)

Tenor

I.

Die Beklagte wird verurteilt,

1.

es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung fest- zusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- Euro, ersatzweise Ordnungs- haft bis zu 6 Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,

Spundfässer aus thermoplastischem Kunststoff mit einem im Nahbereich des Oberbodens an der Fasswandung angeordneten umlaufenden Trage- und Transportring und mit wenigstens einem im Randbereich des Oberbodens angeordneten Spundlochstutzen der in einem Spundlochstutzengehäuse der- art eingesenkt ist, dass die Stirnfläche des Spundlochstutzens bündig mit oder geringfügig unterhalb der Außenfläche des Oberbodens abschließt,

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen der Oberboden zusätzlich zum bzw. neben dem Spundlochstutzen- gehäuse ein im wesentlichen kreisabschnittsförmiges Flächenteil bzw. eine Abschrägung aufweist, die symmetrisch beidseitig zum Spundlochstutzen ausgebildet ist und - in Normalposition des Fasses betrachtet - flach schräg nach innen in den Fasskörper abgeschrägt verlaufend eingezogen ist, wobei die Abschrägung ihre tiefste Stelle auf der Seite des Fassmantels im Nahbe- reich des Spundlochstutzens aufweist und dort in die tiefer liegende Ebene des Spundlochstutzengehäusebodens bzw. in den Spundlochstutzen einmün- det,

wobei Fässer gemäß den Spezifikationen der nachstehenden VCI- Rahmen- bedingungen ausgenommen sind:

- hier folgt eine Ablichtung -

und wobei diese Ausnahme auch dann gilt, wenn deren Gewicht von dem angegebenen Gewichtsbereich abweicht;

2.

der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen geordneten Verzeichnisses da- rüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1) bezeichneten Handlungen seit dem 29.1.1994 begangen haben, und zwar unter Angabe

a)

der Herstellungsmengen und -zeiten der Menge der erhaltenen oder bestell- ten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b)

der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und

-preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Ab- nehmer,

c)

der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und

-preisen und Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d)

der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Aufla- genhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e)

der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

3.

die im unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten be- findlichen unter Ziffer I. 1. beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von der Klägerin zu benennenden Treu- händer zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszuge- ben.

II.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. 1. be- zeichneten, seit dem 29.1.1994 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entsteht.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.

IV.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,-- Euro vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, Sicherheit auch durch die unbedingte und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse zu erbringen.

Tatbestand

Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin der Mauser-Werke GmbH, die als Inhaberin des europäischen Patents 0 515 390 eingetragen ist. Sie nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Anteils ihres Patents (nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Schadensersatz in Anspruch.

Das Klagepatent wurde am 21.12.1990 unter Inanspruchnahme von Prioritäten vom 15.2.1990 und 23.5.1990 angemeldet. Die Veröffentlichung der Anmeldung erfolgte am 2.12.1992 und die Veröffentlichung der Patenterteilung am 29.12.1993. Eine von dritter Seite gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage ist vom Bundespatentgericht mit Urteil vom 14.10.1997 abgewiesen und die dagegen gerichtete Berufung vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 9.5.2000 zurückgewiesen worden.

Patentanspruch 1 des in deutscher Verfahrenssprache abgefassten Klagepatents hat folgenden Wortlaut:

Spundfass aus thermoplastischem Kunststoff mit einem im Nahbereich des Oberbodens (12) an der Fasswandung (22) angeordneten umlaufenden Tra- ge- und Transportring (30) und mit wenigstens einem im Randbereich des Oberbodens (12) angeordneten Spundlochstutzen (16), der in einem Spund- lochstutzengehäuse (18) derart eingesenkt ist, dass die Stirnfläche des Spundlochstutzens (16) bündig mit oder geringfügig unterhalb der Außenflä- che des Oberbodens (12) abschließt, dadurch gekennzeichnet, dass der Oberboden zusätzlich zum bzw. neben dem Spundlochstutzengehäuse (18) ein im wesentlichen kreisabschnittsförmiges Flächenteil bzw. eine Abschrä- gung (10) aufweist, die symmetrisch beidseitig zum Spundlochstutzen (16) ausgebildet ist und - in Normalposition des Fasses betrachtet - flach schräg nach innen in den Fasskörper abgeschrägt verlaufend eingezogen ist, wobei die Abschrägung ihre tiefste Stelle auf der Seite des Fassmantels (22) im Nahbereich des Spundlochstutzens (16) aufweist und dort in die tiefer liegen de Ebene des Spundlochstutzengehäusebodens (20) bzw. in den Spundloch stutzen (16) einmündet.

Die nachfolgend wiedergegebenen Zeichnungen stammen aus dem Klagepatent und zeigen ein erfindungsgemäßes Ausführungsbeispiel. Der Bereich des Spundlochs des Fasses ist - jeweils ausschnittsweise - in Figur 1 in Normalposition und in Figur 2 gekippter Restentleerungsposition dargestellt. Figur 4 zeigt ein weiteres Ausführungsbeispiel in der Draufsicht:

- hier folgen vier Zeichnungen -

Die Klägerin ist außerdem unter der Firma ihrer Gesamtrechtsvorgängerin eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 40 16 600 (nachfolgend: deutsches Klagepatent), das unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 15.2.1990 am 23.5.1990 angemeldet wurde. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 22.8.1991 und die Veröffentlichung der Patenterteilung am 15.7.1993. Wegen des Wortlauts von Anspruch 1 des deutschen Klagepatents wird auf die Anlage K 11 verwiesen.

Die Beklagte zu 1), deren Komplementärin die Beklagte zu 2) ist, stellt her und vertreibt Spundfässer aus thermoplastischem Kunststoff.

Auf Antrag der Klägerin hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf die Beklagte zu 2) sowie deren Komplementärin durch Urteil vom 14. Februar 2002 unter dem Aktenzeichen 4 O 157/00 wegen Verletzung des Klagepatents durch Benutzung des nachfolgend abgebildeten 120 l-Spundfasses (dortige Anlage K 7, 2. Ablichtung) zur Unterlassung, Rechnungslegung und Auskunftserteilung verurteilt sowie festgestellt, dass die Beklagten jenes Rechtsstreits zum Schadensersatz verpflichtet sind. Über die von den Beklagten dagegen beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegte Berufung ist noch nicht entschieden worden. Der Rechtsstreit wird beim Oberlandesgericht Düsseldorf unter dem Aktenzeichen 2 U 35/02 geführt.

- hier folgt eine Ablichtung -

Mit ihrer hiesigen Klage wendet sich die Klägerin gegen 136 l-Spundfässer, die die Beklagte zu 1) herstellt und unter der Bezeichnung Ecodrum E1 vertreibt. Zur Veranschaulichung der angegriffenen Ausführungsform hat die Klägerin Fotografien eines solchen Fasses als Anlage K 8 sowie einen das Fass betreffenden Prospekt als Anlage K 9 vorgelegt. Außerdem haben die Beklagten Darstellungen ihres Spundfasses als Anlagen B 3 und B 4 eingereicht. Nachfolgend wird die dritte Fotografie der Anlage K 8 wiedergegeben.

- hier folgt eine Ablichtung -

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die angegriffene Ausführungsform von der in Anspruch 1 des Klagepatents unter Schutz gestellten Lehre wortlautgemäßen Gebrauch macht.

Sie beantragt,

im Hauptantrag, wie zuerkannt.

Wegen des auf das deutsche Klagepatent gestützten Hilfsantrags wird auf die Seiten 5 bis 8 der Klageschrift vom 26. April 2002 verwiesen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie sind der Ansicht, der Klage stehe bereits die Rechtshängigkeit der Klage in dem nunmehr vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf anhängigen parallelen Rechtsstreit entgegen. Zudem erheben sie die Einrede aus § 145 PatG im Hinblick darauf, dass nach dem Klageantrag zu Ziffer I. in beiden Verfahren Fässer mit identischen Merkmalen angegriffen werden.

Des weiteren beruft sich die Beklagte auf zwischen Vertretern der chemischen Industrie und Fassherstellern in den Jahren 1996 und 1997 geführte Gespräche betreffend die Gewährleistung einer Mehrlieferantenbeziehung für die chemische Industrie und eine Standardisierung der für die Verpackung verwendeten Fässer. Um dieses Ziel zu erreichen, sie am 8.8.1996 vereinbart worden, dass zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits für andere Fässer als das 220 l-Fass "eine gemeinsame Reglung im Sinne einer Kompensation" gesucht werden sollte. Bis zum Abschluss einer entsprechenden "Kompensations"-Vereinbarung sollten von der Klägerin keine weiteren rechtlichen Schritte unternommen werden. Dies sei ein pactum de non petendo, das auch für den hiesigen Rechtsstreit gelte.

Im Übrigen stellen die Beklagten eine Verletzung des Klagepatents in Abrede. Die angegriffene Ausführungsform weise weder ein Spundlochstutzengehäuse noch einen kreisabschnittsförmigen Flächenteil auf, der schräg nach innen in den Fasskörper abgeschrägt verlaufend eingezogen ist.

Die Akte des Rechtsstreits Landgericht Düsseldorf 4 O 157/00 - OLG Düsseldorf 2 U 35/02 war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig.

1.

Der Klage steht eine anderweitige Rechtshängigkeit nicht entgegen, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Sowohl die unter dem Aktenzeichen Landgericht Düsseldorf 4 O 157/00 - OLG Düsseldorf 2 U 357/02 geführte Klage als auch die hiesige Klage werden zwar auf dasselbe Klagepatent gestützt. Die Klagen betreffen jedoch unterschiedliche Ausführungsformen. Während das 120 l-Spundfass jenes Rechtsstreits jeweils beidseitig des Spundlochstutzens eine abgeschrägte Fläche aufweist, die fasswandseitig eine Knickkante mit dem Spundlochstutzengehäuseboden und zur Fassmitte hin eine Knickkante mit dem Oberboden bildet, so dass - ähnlich dem in Figur 4 gezeigten Ausführungsbeispiel - ein im Wesentlichen abgeschrägtes kreisabschnittsförmiges Flächenteil um den Spundlochstutzen herum entsteht, ist das Spundlochstutzengehäuse bei der hier angegriffenen Ausführungsform, die ein Fassungsvermögen von 136 l hat, breiter angelegt, weil es lediglich von sich zur Spundwand hin verjüngenden und zugleich in diese Richtung abgeschrägten Ablaufrinnen eingerahmt wird. Auch die Beklagte stellt auf diese unterschiedliche Gestaltung maßgeblich ab, wenn sie - was nachfolgend weiter zu behandeln sein wird - die Ansicht vertritt, dass das hier angegriffene Spundfass die Lehre des Klagepatents nicht verwirklicht, während sie dies in dem Parallelrechtsstreit im Hinblick auf die dort beanstandete Ausführungsform nicht in Abrede gestellt hat.

Im Übrigen besteht im Verhältnis zwischen den beiden von der Klägerin erhobenen Klagen beklagtenseits Personenidentität nur hinsichtlich der hiesigen Beklagten zu 2), die die Beklagte zu 1) der ersten Klage gewesen ist.

2.

Auch die von der Beklagten im frühen ersten Termin erhobene Einrede der Klagekonzentration greift nicht durch. Die Vorschrift des § 145 PatG, die als Ausnahmebestimmung und auch aus verfassungsrechtlichen Gründen eng auszulegen ist (vgl. BGH, GRUR 1989, 187, 188 - Kreiselegge II; Busse/Keukenschrijver, 5. Aufl., § 145 PatG, Rn. 2 f. mit weiteren Nachweisen auch aus der obergerichtlichen Rechtsprechung) betrifft allein den Fall, dass nach vorangegangener Verletzungsklage wegen derselben oder einer gleichartigen Handlung auf Grund eines anderen Patents eine weitere Klage erhoben wird. Hier macht die Klägerin jedoch - jedenfalls mit dem Hauptantrag, den sie auf das europäische Klagepatent stützt - nicht mit einer zweiten Klage Ansprüche aus einem zweiten Patent geltend, sondern greift aus demselben Klagepatent, auf das sie bereits die gegen das 120 l-Spundfass der Beklagten gerichtete Klage gestützt hat, nunmehr das - wie dargelegt - im Bereich des Spundlochgehäuses abweichend ausgestaltete 136 l-Spundfass der Beklagten an. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 145 PatG sind demnach nicht gegeben. Aber auch eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht, weil es sich bei der Bestimmung um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift handelt.

3.

Schließlich ist auch der von der Beklagten erhobene Einwand, die Parteien hätten ein die hiesige Verletzungsklage betreffendes Stillhalteübereinkommen abgeschlossen, nicht begründet.

Die Beklagte trägt insoweit vor, die Parteien hätten am 8.8.1996 ein Stillhalteabkommen (pactum de non petendo) betreffend andere Fässer als das 220 l-Ringfass, das unstreitig von der Klägerin im Rahmen der VCI-Rahmenbedingungen auch gegenüber der Beklagten freigestellt worden ist, geschlossen. Deshalb sei die Klägerin gehindert, gegenüber der Beklagten eine Verletzung des Klagepatents durch das angegriffene 136 l-Spundfass geltend zu machen. Das ergebe sich aus dem als Anlage 10 vorgelegten Protokoll des am 8.8.1996 zwischen den Parteien sowie weiteren Unternehmen geführten Gesprächs. Darin werde im Hinblick auf das 120 l-Ringfass festgehalten, dass keine völlige Übereinstimmung erzielt werden konnte, dass die Herr Dr. Schönfelder - der damalige Geschäftsführer der Klägerin - und Herr Schütz - der Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten zu 2) - den Teilnehmern jedoch zugesagt hätten, kurzfristig eine gemeinsame Regelung im Sinne einer Kompensation zu suchen, die einerseits den Interessen der abpackenden chemischen Industrie entspricht, andererseits die Interessen der Parteien dieses Rechtsstreits wahre und dass bis zu diesem Zeitpunkt keine weiteren rechtlichen Schritte der Klägerin unternommen würden.

Auch in dieser Ansicht kann der Beklagten jedoch nicht gefolgt werden. Dabei bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob die Parteien am 8.8.1996 tatsächlich ein auch die angegriffene Ausführungsform erfassendes Stillhalteabkommen rechtswirksam geschlossen haben (zu den allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen von Stillhalteabkommen zwischen Prozessparteien vgl. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., Vor § 128 ZPO, Rn. 32). Denn selbst wenn dies zugunsten der Beklagten angenommen wird, folgt daraus nicht, dass sich diese auch im hiesigen Klageverfahren darauf berufen kann.

Bei verständiger Auslegung der sich aus dem Protokoll vom 8.8.1996 ergebenden Vereinbarung sollte die Klägerin allenfalls bis zum Abschluss der Verhandlungen über die zwischen den Parteien streitige Frage, gegen welche "Kompensations"leistungen der Beklagten auch andere als 220 l-Ringfässer von der Klägerin freigestellt werden, daran gehindert sein, Verletzungsklage zu erheben. Dabei kam als das Stillhalteübereinkommen beendender Schluss der Verhandlungen nicht nur das Zustandekommen eines entsprechenden Lizenz- bzw. Kompensationsvertrages zwischen den Parteien in Betracht, sondern auch ein Scheitern der Verhandlungen. Denn anderenfalls hätte sich die Klägerin dauerhaft der Möglichkeit begeben, die ihr aus dem Klagepatent zustehenden Ansprüche klageweise durchzusetzen, weil sich die Beklagten gegenüber einer solchen Klage jederzeit auf die Stillstandsvereinbarung hätten berufen können. Faktisch hätte dies die Vereinbarung einer Freilizenz bedeutet, die aber - wie die in dem Rechtsstreit 4 O 157/00 durchgeführte Beweisaufnahme ergeben hat (vgl. Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 14. Februar 2002, Umdruck, Seiten 17 f.) - gerade nicht vereinbart worden ist.

Von einem Scheitern der Verhandlungen zwischen den Parteien ist spätestens mit Erhebung der Klage durch die Klägerin in dem unter dem Aktenzeichen 4 O 157/00 geführten Rechtsstreit auszugehen, die das 120 l-Spundfass der Beklagten betraf. Infolgedessen kann sich die Beklagte spätestens ab diesem Zeitpunkt nicht mehr erfolgreich auf den Abschluss einer Stillstandsvereinbarung berufen.

II.

Die Klage hat auch in der Sache Erfolg.

Die von der Klägerin wegen Verletzung des deutschen Anteils des europäischen Klagepatents geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung und Schadensersatzfeststellung sind begründet, Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 9, 139, 140 b PatG, §§ 242, 259 BGB.

1.

Das Klagepatent betrifft ein Spundfass aus thermoplastischem Kunststoff. In der Beschreibung des Klagepatents wird dazu ausgeführt, dass Kunststoff-Fässer mit wenigstens einem am oberen Umfangsbereich des Fassmantels angeordneten Greifring für einen Fassgreifer und gegebenenfalls zusätzlichen Rollringen auf dem Fassumfang allgemein bekannt seien. Die bekannten Kunststoff-Fässer mit oberem Trage- und Transportring wiesen jedoch den Nachteil auf, dass sich aufgrund der Einsenkung des Spundlochstutzens bzw. des Spundlochgehäuses im Fassoberboden Probleme bei der Restentleerung derartiger Fässer ergeben. Auch mit manuellem Hin- und Herschwenken des Fasses in schräg gekippter Überkopfsituation sei nur eine unbefriedigende Restentleerung erreichbar, auch wenn das Fass so gehalten werde, dass das Spundloch an der tiefstmöglichen Stelle verweilt.

Aus der EP-A 0 287 966 sei - so wird in der Klagepatentschrift weiter erläutert - ein Spundfass bekannt, bei dem der Entleerungsspundstutzen nahe an der Behälterwandung angeordnet sei, um das Fass in der üblichen Schräglage möglichst restfrei zu entleeren. Eine solche Ausgestaltung weise jedoch den Nachteil auf, dass der Spundlochstutzen auch bei Anordnung in einem als muldenförmige Vertiefung ausgebildeten Spundlochstutzengehäuse wenig gegen seitlich von außen auf das Fass einwirkende Kräfte geschützt ist.

Um die Elastizität des Fasses um den Spundlochstutzenbereich herum zu erhöhen, sei eine Verformungszone - die bei üblichen Fässern mit von der Fasswandung beabstandetem Spundlochstutzen zwischen dem Stutzenteil und der Fasswandung ausgebildet sei - auf der zum Behälterinneren weisenden Seite zwischen Stutzenteil und der schrägen Begrenzung des tiefergelegenen und etwas vergrößert ausgebildeten Stutzengehäuses als von außen eingeformte Falte vorgesehen. Durch die entsprechend im Fassinneren gebildete Schwelle könne bei der letzten Phase der Restentleerung das sich noch im Bereich der muldenförmigen Vertiefung (Spundlochstutzengehäuse) befindliches Füllgut besser gesammelt und mit sachgemäßer Bewegung (Verschwenken während des gesamten Entleerungsvorgangs bei allen Schrägstellungen des Fasses) aus dem Fassinneren bzw. durch den Spundlochstutzen herausbefördert werden.

Der Erfindung liegt das Problem zugrunde, dass einerseits in an sich bekannter Weise ein Schutz des Spundlochstutzens, zugleich aber andererseits auch eine (annähernd) vollständige Restentleerung in statischer Schrägposition erreicht werden soll.

Zur Lösung dieses Problems sieht Patentspruch 1 ein Spundfass aus thermoplastischem Kunststoff mit den folgenden Merkmalen vor:

einem im Nahbereich des Oberbodens 12 an der Fasswandung 22

angeordneten umlaufenden Trage- und Transportring 30,

wenigstens einem im Randbereich des Oberbodens 12 angeordneten

Spundlochstutzen 16,

der Spundlochstutzen 16 ist in einem Spundlochstutzengehäuse 18

derart eingesenkt, dass die Stirnfläche des Spundlochstutzens 16 bündig

mit oder geringfügig unterhalb der Außenfläche des Oberbodens 12

abschließt,

4.1 der Oberboden 12 weist zusätzlich zum beziehungsweise neben

dem Spundlochstutzengehäuse 18 einen im Wesentlichen kreisab-

schnittsförmigen Flächenteil auf oder

4.2 der Oberboden 12 weist zusätzlich zum beziehungsweise neben

dem Spundlochstutzengehäuse 18 eine Abschrägung 10 auf,

5. die Abschrägung 10 ist symmetrisch beidseitig zum Spundlochstutzen

16 ausgebildet,

6. die Abschrägung 10 ist - in Normalposition des Fasses betrachtet -

flach schräg nach innen in den Fasskörper abgeschrägt verlaufend ein-

gezogen,

7. die Abschrägung 10 weist ihre tiefste Stelle auf der Seite des Fass-

mantels 22 im Nahbereich des Spundlochstutzens 16 auf,

8.1 die Abschrägung 10 mündet auf der Seite des Fassmantels 22 im

Nahbereich des Spundlochstutzens 16 in der tiefer liegenden Ebene

des Spundlochstutzengehäusebodens 20 ein, oder

8.2 die Abschrägung 10 mündet auf der Seite des Fassmantels 22 im

Nahbereich des Spundlochstutzens 16 in den Spundlochstutzen 16 ein.

Durch die Abschrägung eines Teils des Fass-Oberbodens beidseits des Stutzengehäuses in Richtung auf die Außenwand und auf den Innenraum des Fasses wird zwar einerseits der Fass-Innenraum und die waagerechte Fläche des Fass-Oberbodens verkleinert, andererseits aber bewirkt, dass bei einem zur Restentleerung in Schräglage auf den Kopf gestellten Fass der tiefste Teil des Fass-Innenraums nicht mehr unterhalb der Ausflussöffnung des Spundlochstutzens liegt. Der Fassinhalt kann daher weitgehend vollständig in statischer Schrägposition des Fasses (ohne Hin- und Herschwenken) zum Spundloch hin abfließen.

2.

Das angegriffene 136 l-Spundfass der Beklagten verwirklicht die in Patentanspruch 1 des europäischen Klagepatents unter Schutz gestellte Lehre wortlautgemäß. Da die Verwirklichung der Merkmale 1 und 2 sowie 5 bis 8.1 zwischen den Parteien - zu Recht - außer Streit steht, bedarf es insoweit keiner weiteren Ausführungen.

a) Die angegriffene Ausführungsform erfüllt aber auch die in Merkmal 3 genannten Voraussetzungen.

Zwar meint die Beklagte unter Bezugnahme auf Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof.-Dr. Severin in dessen schriftlichen Gutachten vom 17. Mai 1999, das der Bundesgerichtshof in dem das Klagepatent betreffenden Berufungsnichtigkeitsverfahren eingeholt hat, dass sich bei einem erfindungsgemäßen Spundlochstutzengehäuse der waagerecht liegende Spundlochstutzengehäuseboden und die geneigte Fläche des abgeknickten, kreisabschnittsförmigen Teils des Oberbodens so treffen müssen, dass sie eine Knickkante miteinander bilden, die parallel zu der Knickkante zwischen dem Oberboden und dem abgeschrägten Teil des Oberbodens verlaufe (vgl. Anlage K 4, Seite 10). Demgegenüber weise der Verletzungsgegenstand um den Spundlochstutzen herum eine groß dimensionierte, abgesenkte Fläche auf, zu dem der Oberboden in zwei dem Spundlochstutzen umfassenden "Armen" abfalle. Von Knickkanten könne insoweit keine Rede sein, geschweige denn von parallelen Knickkanten.

Der Ansicht der Beklagten kann jedoch nicht beigetreten werden. Die wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen beziehen sich erkennbar allein auf das in Figur 4 des Klagepatents gezeigte Ausführungsbeispiel. für die Bestimmung des Schutzbereichs des Klagepatents ist jedoch der Wortlaut des Patentanspruchs maßgebend. Beschreibung und Zeichnungen der Klagepatentschrift sind (lediglich) zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen, Art. 69 EPÜ. Dem Spundlochstutzengehäuse dient - wie sich bereits aus dem Begriff ergibt - der Aufnahme des Spundlochstutzens. Da der Spundlochstutzen nach Merkmal 3 derart eingesenkt sein soll, dass dessen Stirnfläche bündig mit oder geringfügig unterhalb der Außenfläche des Fass-Oberbodens abschließt, muss auch das Spundlochstutzengehäuse unterhalb des Oberbodens in Richtung Innenraum des Fasses angeordnet sein. Das Klagepatent nimmt insoweit die aus der EP-A 0 287 966 vorbekannte Ausgestaltung eines Spundlochstutzengehäuses auf, bei der es sich um eine muldenförmige Vertiefung des Fass-Oberbodens handelt, in der sich der Spundlochstutzen befindet (vgl. Klagepatent, S. 2, Sp. 29, 36 f.; EP-A 0 287 966, Sp. 8, Z. 48 ff., Figuren 1 und 3). Entsprechend ist auch der Spundlochstutzen der erfindungsgemäßen Ausführungsbeispiele, die in der Beschreibung der Klagepatentschrift erläutert und in den Figuren gezeigt werden, als muldenförmige Vertiefung ausgebildet. Dabei kommt dem Spundlochstutzengehäuse die - ohne weiteres vom Fachmann zu erkennende - Funktion zu, den darin angeordneten Spundlochstutzen vor äußeren Belastungen zu schützen (vgl. Klagepatent, S. 2, Sp. 29; Gutachten, Anlage K 4, S. 26). Dieser wird daher unter einem Spundlochstutzengehäuse im Sinne von Merkmal 3 nicht mehr und nicht weniger als eine muldenförmige Vertiefung im Oberboden des Spundfasses verstehen, der den Spundlochstutzen aufnimmt, um diesen vor äußeren Belastungen zu schützen, dessen weitere Ausgestaltung aber erst in den folgenden Merkmalen 4.1 bis 8.2 festgelegt wird.

Danach verwirklicht die angegriffene Ausführungsform Merkmal 3, weil sie unstreitig über eine muldenförmige Vertiefung des Oberbodens verfügt, die den Spundlochstutzen aufnimmt und diesen gegen äußere Belastungen schützt.

b) Die Beklagte stellt zudem in Abrede, dass - wie in Merkmal 4.2 vorgesehen - der Oberboden ihres Fasses neben dem Spundlochstutzengehäuse eine Abschrägung aufweist. Dieses verfüge vielmehr stattdessen über zwei sich absenkende, in Umfangrichtung verlaufende rampenartige Stege, die bei Überkopfentleerung keine schräge Fläche, sondern enge Ablaufrinnen am Deckelrand bilden. Durch die am Umfang angeordneten Ablaufrinnen werde der Ablaufbereich für die Restflüssigkeit klein gehalten, was den Vorteil habe, dass die Restentleerung insbesondere bei viskosen Flüssigkeiten beschleunigt werde. Demgegenüber liefen die Flüssigkeitsreste nach dem Klagepatent von der Innenseite des Oberbodens im Wesentlichen rechtwinklig über die Knickkante bis an die innere gewölbte Fasswandung und hieran entlang bis in die Senke im Bereich des Spundlochstutzengehäusebodens, um von dort in den Spundlochstutzen und über diesen aus dem Fass geführt zu werden. Das habe den Nachteil, dass die Restflüssigkeit über den ganzen Bereich der Knickkante des Oberbodens abfließe, was insbesondere bei zähen Flüssigkeiten zu einer starken Verzögerung führe und so den Restentleerungsgrad verschlechtere.

Auch in dieser Einschätzung kann der Beklagten nicht gefolgt werden. Die von der Beklagten als erfindungsgemäß gekennzeichnete Ausgestaltung entspricht zwar dem in der Figur 4 des Klagepatents gezeigten Ausführungsbeispiel. Darauf beschränkt sich die in Anspruch 1 unter Schutz gestellte Lehre des Klagepatents jedoch nicht. In der hier relevanten Alternative 4.2 der Merkmalsgruppe 4 ist lediglich vorgesehen, dass der Oberboden neben dem Spundlochstutzengehäuse eine Abschrägung aufweist. Die Ausgestaltung der Abschrägung ist weiter in den Merkmalen 5 bis 8.2 spezifiziert. Weder in Merkmal 4.2 noch in den weiteren Merkmalen 5 bis 8.2 ist jedoch bestimmt, dass es sich bei der Abschrägung um eine (plane) Fläche handeln muss. Eine solche Beschränkung ergibt sich auch nicht aus funktionalen Erwägungen, weil die Abschrägung - für den Fachmann erkennbar - allein dazu dient, bei einem in Schräglage auf den Kopf gestellten Fass die Restflüssigkeit dem Spundlochstutzen zuzuführen. Dafür ist es nicht erforderlich, dass die Abschrägung eine Fläche ist. Der Fachmann hat demnach keinen Grund, Anspruch 1 des Klagepatents auf schräge Flächen zu beschränken.

Ob - wie die Beklagte vorträgt - die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform mit schräg verlaufenden Ablaufrinnen besondere Vorteile bietet, bedarf keiner Feststellung. Denn selbst wenn dies zugunsten der Beklagten angenommen und zudem zu ihren Gunsten unterstellt wird, dass eine solche Ausgestaltung erfinderisch ist und die Beklagte zu 2) dafür aufgrund des ihr unter der Registernummer 41 06 655 erteilten Patents (Anlage B 1) Schutz beanspruchen kann, handelt es sich dabei doch lediglich um eine abhängige Erfindung, die einer Verwirklichung der Lehre des älteren Klagepatents nicht entgegensteht (vgl. BGH, GRUR 1991, 436, 440 - Befestigungsvorrichtung II).

3.

Aus der Verletzung des Klagepatents ergeben sich folgende Rechtsfolgen:

a) Weil die Beklagten den Gegenstand der Klageschutzrechte rechtswidrig benutzt haben, sind sie der Klägerin zur Unterlassung im beantragten Umfang verpflichtet, Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG.

b) Außerdem kann die Klägerin von den Beklagten nach Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG Schadensersatz verlangen. Denn als Fachunternehmen hätte die Beklagte zu 1) die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Die Haftung der Beklagten zu 2) folgt aus §§ 128, 161 Abs. 2 HGB. Da es überdies hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin jedoch noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.

c) Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern, sind die Beklagten ihr gegenüber zur Rechnungslegung verpflichtet, §§ 242, 259 BGB. Denn die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über welche sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt und die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

d) Gemäß § 140b PatG haben die Beklagten schließlich über den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen. Die nach Absatz 2 dieser Vorschriften geschuldeten Angaben sind in der Urteilsformel zu I.2. mit den Angaben zusammengefasst, welche zum Zwecke der Rechnungslegung vorzunehmen sind.

Soweit der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 26. Februar 2003 neues tatsächliches Vorbringen enthält, ist dieses nach Schluss der mündlichen Verhandlung und damit verspätet erfolgt. Es darf nicht mehr berücksichtigt werden, § 296 a ZPO. Eine Wiedereröffnung der Verhandlung ist nicht veranlasst, § 156 ZPO.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 108, 709 S. 1 ZPO.

Streitwert: 500.000,-- Euro.

Dr. Grabinski Matz Klepsch






LG Düsseldorf:
Urteil v. 13.02.2003
Az: 4a O 131/02


Link zum Urteil:
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