Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Juli 2007
Aktenzeichen: 28 W (pat) 100/06

(BPatG: Beschluss v. 04.07.2007, Az.: 28 W (pat) 100/06)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Angemeldet ist die Wortmarke Biofriendsfür die Waren der Klassen 29 und 30

"Kräuter, Snacks, Trockenobst, Nüsse, Tee".

Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung zurückgewiesen. In Verbindung mit den beanspruchten Waren bilde die angemeldete Marke eine aus sich heraus verständliche schlagwortartige Angabe, mit der auf die Zielgruppe der fraglichen Produkte hingewiesen werde. Bei diesem Personenkreis handle es sich um Verbraucher, die besonderen Wert auf Waren aus ökologischem Landbau legten bzw. auf Zutaten, die nach biologischen Kriterien angebaut oder hergestellt würden. Vom Verkehr werde das Markenwort nur als beschreibende Sachaussage ohne betriebliche Kennzeichnungswirkung aufgefasst. Neben der fehlenden Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG stehe der Eintragung der Marke zudem das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Die Marke besitze durchaus die erforderliche Unterscheidungskraft, zumal jede noch so geringe Unterscheidungskraft nach der Rechtsprechung ausreichend sei. Das Markenwort liege auch sonst völlig außerhalb der Kriterien des § 8 Abs. 2 MarkenG. Es stelle für die angemeldeten Waren keine unmittelbar beschreibende Sachaussage dar, insbesondere werde nicht deren spezielle Herkunft oder ihr Verwendungszweck beschrieben. Eine Marke solle nach der Rechtsprechung zudem keineswegs nur eine bestimmte Zielgruppe ansprechen. Selbst wenn ein kleiner Teil des Verkehrs die Begriffe "Bio" und "friends" kenne und möglicherweise mit "Biofreunde" übersetze, werde er darin keine Bestimmungsangabe für die beanspruchten Waren erkennen, insbesondere nicht für "Tee".

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Auch nach Auffassung des Senats steht der Eintragung der Marke bereits das absolute Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.

Unterscheidungskraft i. S. v. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die konkrete Eignung einer Marke, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von ihr erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (stRspr., EuGH GRUR Int. 2005, 1012, Rdn. 27; BGH, GRUR 2003, 1050 - Cityservice). Nur wenn eine Marke diese Herkunftsfunktion erfüllen kann, ist es gerechtfertigt, dass sie der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft entzogen und durch die Eintragung ins Register zugunsten des Anmelders monopolisiert wird (vgl. EuGH GRUR Int. 2004, 631, 634, Rdn. 48 - Dreidimensionale Tablettenform I). Marken, denen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen, ist die erforderliche Unterscheidungskraft im Sinne dieses Ausschlusstatbestands abzusprechen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 ff., Rdn. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2006, 850 ff. Rdn. 19 - FUSSBALL WM 2006).

Die erforderlichen Feststellungen zur Unterscheidungskraft sind im Hinblick auf die konkret angemeldeten Waren und/oder Dienstleistungen zu treffen, wobei auf die Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 943 ff., Rdn. 24 - SAT 2; EuGH GRUR 2003, 514, Rdn. 41 - Linde, Winward u. Rado). Dem markenrechtlichen Prüfungsverfahren ist also nicht etwa das Bild eines Verbrauchers zugrunde zu legen, der mit einer modernen "Konsumgesellschaft" noch nicht in Berührung gekommen ist, sondern ein Verkehrsteilnehmer, der insoweit über einen durchschnittlichen Erfahrungsschatz verfügt. Dies bedeutet auch, dass dieser Verbraucher mit den Gepflogenheiten der allgemeinen Medienwerbung vertraut ist und dementsprechend eine zumindest durchschnittliche Verständnisfähigkeit der modernen und damit häufig englischsprachigen Werbesprache besitzt. Dies lässt die Anmelderin offensichtlich unberücksichtigt, wenn sie sinngemäß vorträgt, allenfalls ein kleiner Teil des angesprochenen Verkehrs werde die Begriffe "Bio" und "friends" mit ihrem jeweiligen Bedeutungsgehalt erkennen bzw. verstehen. Diese Wertung ist umso weniger nachzuvollziehen, als das Präfix "Bio" in der inländischen Fach- und Werbesprache gerade auch im Zusammenhang mit Lebensmitteln geradezu inflationär als Hinweis auf natürliche, unbehandelte Nahrungsmittel Verwendung findet (vgl. hierzu etwa Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl., 2006 [CD-ROM] zu "Biobauer; sowie HABM, R1090/05-4 - Biolite, veröffentlicht auf PAVIS PROMA CD-ROM). Auch die Anmelderin selbst beschreibt ihre Produkte mit dem Hinweis "... als BIO-Tee im Teebeutel " (auf ihrer Homepage, unter http://www.teafriends.de/abgepacktetees.html). Der weitere Wortbestandteil "friends" gehört zum englischen Grundwortschatz (vgl. Weis, Grund- und Aufbauwortschatz Englisch, Klett Verlag, 2005, zu "friend") und ist dem inländischen Publikum in seinem Bedeutungsgehalt "Freunde" unmittelbar verständlich.

Die beiden genannten Wörter sind in der angemeldeten Marke in sprachüblicher Weise zu einem Gesamtbegriff verbunden, dem die angesprochenen Verbraucher den Aussagegehalt "Biofreunde" und damit den unmissverständlichen Hinweis darauf entnehmen werden, dass sich die fraglichen Waren gezielt an Personen richten, die Bio-Produkte besonders schätzen. Dass mit derartigen zielgruppenkonkretisierenden Hinweisen gleichzeitig ein Qualitätsversprechen verbunden ist, nach dem die betreffenden Waren den speziellen Anforderungen des genannten Personenkreises Rechnung tragen sollen, entspricht der allgemeinen Werbepraxis und dem Verständnishorizont jedes Durchschnittsverbrauchers. Der angesprochene Verkehr wird die Bezeichnung "Biofriends" somit unmittelbar und unzweideutig als beschreibenden Hinweis auf die angesprochene Zielgruppe "Biofreunde" und damit als werbeübliche Zusicherung einer Bioqualität der fraglichen Waren verstehen.

Wenn die Anmelderin darauf verweist, dass nach den Grundsätzen des BGH jede noch so geringe Unterscheidungskraft genüge, ist dieser Hinweis nach Ansicht des Senats zumindest insoweit ergänzungsbedürftig, als der EuGH diesen Maßstab in dieser Form nicht übernommen hat. Vielmehr hat er eine Abgrenzung zwischen dem Begriff der fehlenden Unterscheidungskraft, wie er dem Gesetzeswortlaut entspricht, und dem der minimalen Unterscheidungskraft ausdrücklich abgelehnt (vgl. EuGH GRUR 2003, 58, 59, Rdn. 20 - Companyline). Stattdessen geht der EuGH in seiner Entscheidungspraxis davon aus, dass nur "merkliche" oder "erhebliche" Unterschiede gegenüber schutzunfähigen Angaben oder Zeichen die Schutzfähigkeit einer Marke begründen können (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678, Rdn. 100 - Postkantoor; GRUR Int. 2005, 135, 137, Rdn. 31 - Maglite). Die zwingend erforderliche Eignung einer Marke, ihre betriebliche Herkunftsfunktion erfüllen zu können, bedarf somit positiver Feststellungen und ist nicht etwa bereits dann zu bejahen, wenn es letztlich nicht völlig ausgeschlossen werden kann, dass eine angemeldetes Zeichen bei entsprechend herausgestellter Verwendung nicht doch noch von einem Teil des Verkehrs als Marke angesehen wird - ein Nachweis, wie er im Übrigen wohl kaum jemals zu führen wäre (vgl. hierzu Ströbele, in Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 8, Rdn. 71, m. w. N.). Berücksichtigt man im Einklang mit den höchstrichterlichen Vorgaben das Allgemeininteresse, das dem Ausschlusstatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zugrunde liegt, also das Ziel, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. hierzu auch Ströbele, Festsschrift für Ullmann, S. 425, 434 - Vom Freihaltungsbedürfnis zum Allgemeininteresse im Markenrecht), ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass die Eintragung der angemeldeten Marke mit den schutzwürdigen Belangen des freien Wettbewerbs nicht zu vereinbaren ist. Zu den wettbewerblichen Grundfreiheiten zählt nämlich auch die Möglichkeit der Wettbewerber, ihre Waren mit solchen Begriffen gezielt zu bewerben, mit denen zentrale Produktaussagen schlagwortartig transportiert und dadurch die Marktchancen der fraglichen Waren gesteigert werden können. Dies ist bei dem angemeldeten Markenwort der Fall. So ist beispielsweise im Hinblick auf die von der Anmelderin besonders hervorgehobene Ware "Tee" festzustellen, dass der Anteil der "Teefreunde" bzw. Teeliebhaber ständig wächst, die bei ihrer Kaufentscheidung Produkte aus kontrolliert biologischem Anbau bevorzugen. Dies nicht zuletzt wegen der zunehmenden Berichterstattung über die hohe Pestizidbelastung in zahlreichen Anbaugebieten. Dass dieser Personkreis - wiederum unter Berücksichtigung des Verständnishorizonts eines typischen Durchschnittsverbrauchers - mit der unmittelbar verständlichen, beschreibenden Produktaussage bzw. Qualitätsberühmung "Biofriends", mit ihrem nahe liegendsten Bedeutungsgehalt " für Biofreunde " umworben werden kann, liegt für den Senat auf der Hand.

Nach alldem verfügt das angemeldete Zeichen nicht über die Eignung, die zentrale Funktion einer Marke zu erfüllen, die darin besteht, die gewerbliche Herkunft der Ware oder Dienstleistung zu identifizieren (vgl. EuG, Urteil vom 26. Oktober 2006, Rdn. 22 - HAIRTRANSFER, veröffentlicht unter http://curia.europa.eu). Die Markenstelle hat ihr daher zu Recht die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen. Ob die angemeldete Marke darüber hinausauch als merkmalsbeschreibende Angabe i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG freizuhalten ist, lässt der Senat dahingestellt.

Die Beschwerde war somit zurückzuweisen.






BPatG:
Beschluss v. 04.07.2007
Az: 28 W (pat) 100/06


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