Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Oktober 2000
Aktenzeichen: 30 W (pat) 31/00

(BPatG: Beschluss v. 16.10.2000, Az.: 30 W (pat) 31/00)

Tenor

Die Beschwerden der Widersprechenden werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

In das Markenregister eingetragen ist unter der Rollennummer 396 38 473 die Bezeichnung LIFE ON MARS, als Kennzeichnung für die Waren und Dienstleistungen

"Geräte zur Aufzeichnung und Wiedergabe von Ton und Bild; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; sportliche und kulturelle Aktivitäten".

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der rangälteren, seit 1996 für zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 35, 37 und 42 eingetragenen Marke 395 25 446 MARS.

Widerspruch erhoben hat ferner die Inhaberin der rangälteren, 1992 für zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 35, 37, 42 bekanntgemachten Anmeldung M 70 602/25Wzsiehe Abb. 1 am Endederen Benutzung zum Teil bestritten worden ist.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat Verwechslungsgefahr verneint und die Widersprüche zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, daß sich die Marken wegen des völlig unterschiedlichen Gesamteindrucks ausreichend sicher voneinander unterscheiden ließen. Eine Verwechslungsgefahr käme zwar dann in Betracht, wenn die angegriffene Marke auf den Bestandteil "MARS" verkürzt werde, womit aber nicht zu rechnen sei, da sie von allen drei Wörtern gleichermaßen geprägt werde. Assoziative Verwechslungsgefahr besteht ebenfalls nicht, da es an Anhaltspunkten für die Annahme einer Zeichenserie auf Seiten der Widersprechenden fehle.

Die Widersprechenden haben Beschwerde erhoben. Sie sind mit näheren Ausführungen der Ansicht, daß die angegriffene Marke durch den Bestandteil "MARS" geprägt werde. Darüber hinaus bedeute die angegriffene Marke im Englischen auch "von Mars leben" und weise somit auf die Widerspruchsmarke hin.

Die Widersprechenden beantragen, den Beschluß der Markenstelle aufzuheben.

Die Markeninhaber beantragen, die Beschwerden zurückzuweisen.

Sie halten mit näheren Ausführungen den Beschluß der Markenstelle für zutreffend.

Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf den patentamtlichen Beschluß Bezug genommen.

II.

Die zulässigen Beschwerden haben in der Sache keinen Erfolg. Die nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobenen Widersprüche sind von der Markenstelle zu Recht gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Die Eintragung der angegriffenen Marke ist auch nach Auffassung des Senats wegen fehlender Gefahr von Verwechslungen (§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG) nicht zu löschen.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wechselbeziehung zueinanderstehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (ständige Rechtsprechung, zB EuGH MarkenR 1999, 22 - CANON; BGH MarkenR 1999, 297 - HONKA).

Aufgeworfene Benutzungsfragen können dahinstehen, da schon nach der Registerlage keine Verwechslungsgefahr besteht. Die sich danach gegenüberstehenden Waren sind im engsten Ähnlichkeitsbereich angesiedelt soweit es um die Widerspruchsmarke 395 25 446 geht, denn die "Datenverarbeitungsanlagen" umfassen die "Geräte zur Aufzeichnung und Wiedergabe von Ton und Bild" der angegriffenen Marke. Die "Bekleidungsstücke; Schuhwaren, Kopfbedeckungen" der älteren Anmeldung M 70 602/25Wz sind auch im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke enthalten; lediglich für "sportliche und kulturelle Aktivitäten" kann von einer am äußersten Rand angesiedelten Ähnlichkeit ausgegangen werden.

Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarken aus. Den Widerspruchsmarken kann ein erhöhter Schutzumfang nicht zugebilligt werden, denn allein die - bestrittene - Behauptung, das Wort "MARS" werde den Widersprechenden zugeordnet, trägt nicht die Rechtsfolge einer erhöhten Bekanntheit der Widerspruchsmarken für die hier maßgeblichen Waren. Selbst wenn aber strenge Anforderungen an den Markenabstand gestellt werden, wird die jüngere Marke diesen Anforderungen gegenüber beiden Widerspruchsmarken gerecht.

Eine Verwechslungsgefahr kann vorliegend nur dann ernsthaft in Betracht gezogen werden, wenn der Bestandteil "MARS" der angegriffenen Marke selbständig kollisionsbegründende Bedeutung hat. Davon kann jedoch nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen nicht ausgegangen werden.

Selbständig kollisionsbegründend ist einer von mehreren Markenbestandteilen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann, wenn er den Gesamteindruck der mehrgliedrigen Marke prägt; davon ist auszugehen, wenn die übrigen Markenteile für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktreten, daß sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (ständige Rechtsprechung vgl zB BGH GRUR 1998, 942 - ALKA-SELTZER; MarkenR 2000, 20 - RAUSCH/ELFI RAUCH). Vorliegend besteht kein hinreichend sicherer Anhaltspunkt dafür, daß die angegriffene Marke allein durch "MARS" geprägt wird. Denn sie stellt sich als einheitlicher Gesamtbegriff dar. Wer die Marke übersetzt, wird darin die Aussage "Leben auf dem Mars" erkennen. Für diejenigen Teile des angesprochenen Publikums, die nicht dazu neigen, Marken zu analysieren und auf mögliche Bedeutungsinhalte hin zu überprüfen, tritt ohnehin die angegriffene Marke als geschlossenes Ganzes ins Blickfeld, so daß für sie kein Anlaß besteht, den Markenteil "MARS" gleichsam aus der Gesamtmarke herauszubrechen.

Ebenso sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß unter Berücksichtigung der vorliegenden Umstände die Marken gedanklich im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG miteinander in Verbindung gebracht und dadurch verwechselt werden. Wie bereits dargelegt ist für das hier maßgebende deutsche Publikum - soweit es bestrebt ist, den Begriffsinhalt der angegriffenen Marke zu erfassen - dessen Übersetzung mit "Leben auf dem Mars" naheliegend. Selbst wenn daneben im Einzelfall das Zeichen abstrakt auch mit "von Mars leben" interpretiert werden kann, so ist dies allenfalls aufgrund eines weiteren gedanklichen Zwischenschritts möglich. Denn es ist nicht möglich, vom Planeten oder Kriegsgott Mars zu leben. Somit müßte erst eine gedankliche Verbindung zu einem Schokoladenriegel hergestellt werden. Hierzu besteht aber kaum Anlaß, weil die Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke sich nicht auf Lebensmittel beziehen. Angesichts der schier unbegrenzten Fähigkeit des Menschen, gedankliche Assoziationen herzustellen, muß der Schutz aus § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG aber auf Fälle beschränkt bleiben, in denen eine Gedankenbrücke naheliegend ist und auch von breiten Kreisen des angesprochenen Verkehrs geschlagen wird (vgl BGH GRUR 1999, 240 STEPHANSKRONE I). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Die Beschwerden der Widersprechenden sind damit ohne Erfolg.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG. Das Gesetz geht von dem Grundsatz aus, daß jeder Verfahrensbeteiligte seine Kosten selbst trägt. Eine Abweichung von diesem Grundsatz kommt nur in Betracht, wenn dies der Billigkeit entspricht. Dafür bedarf es besonderer Umstände. Diese können insbesondere dann gegeben sein, wenn ein Verhalten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG 6. Aufl § 71 Rdn 18). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Die Rechtsverfolgung der Widersprechenden kann nicht als von vornherein aussichtslos oder kaum erfolgversprechend beurteilt werden; denn Fragen der kollisionsbegründenden Wirkung von Markenbestandteilen sind schwierig zu beurteilen und werden häufig kontrovers diskutiert.

Dr. Buchetmann Winter Schrammbr/Na Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/30W(pat)31-00.2.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 16.10.2000
Az: 30 W (pat) 31/00


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