Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. September 2003
Aktenzeichen: 24 W (pat) 164/02

(BPatG: Beschluss v. 09.09.2003, Az.: 24 W (pat) 164/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. März 2000 und vom 27. Juni 2002 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Wortmarke STEELCASE sollte ursprünglich für zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 6, 11, 19, 35, 37, 39 und 42 in das Markenregister eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung nach vorheriger Beanstandung mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, teilweise, nämlich für die Waren und Dienstleistungen

"Baumaterialien aus Metall, insbesondere Fußboden-, Decken-, Wand- und Fassadenelemente und -systeme; Beleuchtungseinrichtungen und Lampen für Räume in Gebäuden, insbesondere für Büroräume; Baumaterialien (nicht aus Metall), insbesondere Fußboden-, Decken-, Wand- und Fassadenelemente und -systeme; Installation und Reparatur von Geschäfts- und Büromöbeln; Entsorgung von Büromöbeln und -einrichtungen; Renovierung und Restauration von Möbeln; Design von Büroräumen und Büroflächen; Design von Büromöbeln"

zurückgewiesen, weil der Kennzeichnung jegliche Unterscheidungskraft fehle und sie als beschreibende Angabe für die Waren und Dienstleistungen der Anmeldung dienen könne (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG). Es handele sich bei "STEEL-CASE" um einen lexikalisch nachweisbaren englischen Begriff, der die Bedeutung "stählerne Fassadenverkleidung" habe und außerdem im Sinne von "Stahlverkleidung, Stahlumhüllung" verstanden werden könne. Das angemeldete Zeichenwort sage deshalb lediglich aus, daß die Waren, die Gegenstand der teilweisen Zurückweisung seien, eine Stahlverkleidung bzw. Stahlumhüllung aufwiesen oder eine stählerne Fassadenverkleidung darstellten bzw. die Dienstleistungen auf Waren mit Stahlumhüllung spezialisiert seien. Hinsichtlich der Waren der Klasse 19 komme auch eine Täuschungsgefahr (§ 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG) in Betracht, weil nichtmetallische Baumaterialien z. B. durch Furnierung, Farbgebung etc. wirken könnten, als hätten sie einen Stahlüberzug.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die im Verfahren vor dem Bundespatentgericht das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen auf

"Baumaterialien (nicht aus Metall), insbesondere Fußboden-, Decken-, Wand- und Fassadenelemente und -systeme; Unternehmensverwaltung, insbesondere Inventarmanagement und Kontrollservice in Bezug auf Büroeinrichtungen; Lagerung von Waren, insbesondere Möbeln; Lieferung von Waren, insbesondere Möbeln, insbesondere mittels Fahrzeugen, Bahn und Flugzeugen"

beschränkt hat. Zur Begründung der Beschwerde wird vorgetragen, dem Zeichen fehle für die verbliebenen Waren weder die Unterscheidungskraft noch handele es sich um eine beschreibende Angabe. "STEELCASE" sei eine im deutschen Sprachraum ungewöhnliche Wortbildung, die nicht für die einschlägigen Waren als Fachausdruck oder direkte Warenbezeichnung verwendet werde. Das Zeichen erlaube zahlreiche unterschiedliche, nicht unmittelbar sachbezogene Interpretationen. Da das angemeldete Zeichen nicht als Sachangabe wirke, komme auch eine Zurückweisung wegen ersichtlicher Täuschungsgefahr nicht in Betracht.

Die Anmelderin beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und nach Einschränkung des Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen in der Sache auch in vollem Umfang begründet. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind noch die Waren "Baumaterialien (nicht aus Metall), insbesondere Fußboden-, Decken-, Wand- und Fassadenelemente und -systeme". Für diese Waren ist die angemeldete Marke nicht gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 und Nr. 4, § 37 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen. Der angemeldeten Kennzeichnung fehlt insoweit weder jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) noch kann der Senat ein Freihaltungsbedürfnis i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG oder eine ersichtliche Eignung zur Täuschung (§ 8 Abs. 2 Nr. 4, § 37 Abs. 1 und 3 MarkenG) an ihr feststellen.

1. Der angemeldeten Kennzeichnung steht nicht der Eintragungsversagungsgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Zwar setzt sich die angemeldete Kennzeichnung aus den englischen Wörtern "STEEL" und "CASE" zusammen. Das englische Wort "steel" bedeutet "Stahl"; "case" hat u.a die Bedeutungen "Gehäuse, Kasten, Kiste, Koffer" und weiterhin - wie die Markenstelle belegt hat - auf dem vorliegenden Warengebiet "Verkleidung, Umhüllung, Überzug". Somit kann das Zeichen im Sinne von "Stahlverkleidung, Stahlumhüllung, Stahlgehäuse" usw. übersetzt werden. Da aber nunmehr nur noch nicht aus Metall bestehende Baumaterialien Gegenstand des Verfahrens sind, ist "STEELCASE" insoweit nicht geeignet, als beschreibende Angabe zu dienen.

2. Der angemeldeten Kennzeichnung fehlt auch nicht die erforderliche Unterscheidungskraft. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Wortmarken nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihnen entweder ein im Hinblick auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Sinngehalt zukommt oder es sich um ein gängiges Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr stets nur als solches und nicht als individuelles Kennzeichnungsmittel verstanden wird (st. Rspr vgl. BGH WRP 2001, 1082, 1083 "marktfrisch"; BGH GRUR 2001, 1043 "Gute Zeiten - Schlechte Zeiten"; BGH GRUR 2001, 1042 "REICH UND SCHOEN"; BGH BlfPMZ 2001, 398 "LOOK"; BGH GRUR 2002, 64 "INDIVIDUELLE"; BGH MarkenR 2002, 338 "Bar jeder Vernunft"). Da es allein auf die Verkehrsanschauung ankommt, kann auch Angaben die Unterscheidungskraft fehlen, welche die konkreten Waren oder Dienstleistungen nicht beschreiben, wenn das Publikum sie für eine reine Sachangabe hält (vgl. dazu BGH GRUR 2002, 884 "B2-alloy"; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 8 Rn 116). Dies ist hier nicht der Fall. Zwar gibt es Baumaterialien, die nicht aus Metall bestehen, aber metallisch wirkende Anstriche oder Oberflächen besitzen. Zu denken ist hier vor allem an Kunststoffteile wie Leisten, Beschläge, Verblendungen usw.. Jedoch ist auf die Sicht des von den Waren angesprochenen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen (EuGH GRUR Int. 1999, 734, 736 Tz. 26 "Lloyd"; WRP 2000, 289, 292 Tz. 27 "Lifting-Creme"; GRUR Int. 1998, 795, 797 "Gut Springenheide"; BGH GRUR 2000, 506 "ATTACHÉ/TISSERAND"). Baumaterialien wenden sich in erster Linie an Fachleute des Baugewerbes oder an fachkundige Laien, die mit diesen Waren und ihren Eigenschaften vertraut sind. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß Baumaterialien in aller Regel zu einem konkreten Zweck erworben werden, für den die Beschaffenheit dieser Waren wichtig ist, so daß diese von den Abnehmern mit Sorgfalt geprüft und ausgewählt werden. Da sich die Eigenschaften von metallischen und nichtmetallischen Baumaterialien entsprechend ihrer stofflichen Beschaffenheit stark unterscheiden, etwa in Hinsicht auf Gewicht, Verformbarkeit, Elastizität, Kratzfestigkeit, Hitzebeständigkeit, Isolierfähigkeit, elektrische und thermische Leitfähigkeit usw., und auf diese Eigenschaften, die dem Sachkundigen meist schon bei flüchtiger Sichtprüfung erkennbar sind, auch in der Werbung und Beschreibungen hingewiesen wird, ist nicht zu erwarten, daß diese fachkundigen Verkehrskreise in entscheidungserheblichem Umfang "STEELCASE" als lediglich sachbezogene Angabe für Baumaterialien sehen, die nicht aus Metall bestehen.

3. Der Schutzversagungsgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG liegt ebenfalls nicht vor. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 4, § 37 Abs. 1 und 3 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ersichtlich geeignet sind, das Publikum über die Eigenschaften der Waren und Dienstleistungen der Anmeldung zu täuschen. Aus den unter 2. genannten Gründen ist es bereits sehr fraglich, ob ein erheblicher Teil des hier angesprochenen in aller Regel fachkundigen Publikums wegen der Kennzeichnung "STEELCASE" einem Irrtum über die Beschaffenheit der Waren unterliegen könnte (vgl. dazu Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl. § 8 Rn. 548). Entscheidend ist jedoch, daß eine Eignung zur Täuschung im vorliegenden Fall nicht ersichtlich ist (§ 37 Abs. 3 MarkenG). Im Rahmen dieses Schutzversagungsgrundes sind lediglich Täuschungen zu berücksichtigen, die in jedem nur denkbaren Fall der anmeldungsgemäßen Verwendung der Marke für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen auftreten. Die (auch nur theoretische) Möglichkeit einer rechtmäßigen Markenbenutzung schließt eine ersichtliche Täuschungsgefahr aus (vgl. BGH GRUR 2002, 540, 541 "OMEPRAZOK"; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 8 Rn. 554, 564). Eine solche Sachlage ist hier gegeben. Nachdem es zahlreiche nicht aus Metall bestehende Baumaterialien, etwa Sand, Betonplatten, Wand- und Abtrennelemente in Leichtbauweise usw. gibt, bei denen man unzweifelhaft und ohne jede Irreführungsgefahr erkennt, daß sie nicht mit einer Stahlverkleidung, Stahlumhüllung oder Stahlgehäuse versehen sind oder in irgendeiner funktionellen Verbindung damit stehen, ist eine rechtmäßige Benutzung des Zeichens für die noch verfahrensgegenständlichen Waren ohne weiteres möglich.

Ströbele Hacker Guth Ko






BPatG:
Beschluss v. 09.09.2003
Az: 24 W (pat) 164/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/ecb8b458c8b8/BPatG_Beschluss_vom_9-September-2003_Az_24-W-pat-164-02




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share