Landgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 21. Dezember 2007
Aktenzeichen: 3-10 O 132/07, 3-10 O 132/07

(LG Frankfurt am Main: Urteil v. 21.12.2007, Az.: 3-10 O 132/07, 3-10 O 132/07)

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Beklagten, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs den Verkauf von preisgebundenen Büchern mit der blickfangmäßigen Herausstellung eines Preises und dem Hinweis "..." zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wenn dies geschieht wie in der Anlage K1;

2. an die Klägerin 189,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 05.09.2007 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte betreibt Buchhandlungen, unter anderem die .... Mit dem als Anlage K1 vorgelegten Verkaufsprospekt bewarb die Beklagte zahlreiche Bücher, die allesamt der Buchpreisbindung unterliegen. In dem Verkaufsprospekt wird der gebundene Preis in einem runden weißen Feld mit schwarzer Schrift hervorgehoben und in der oberen Rundung dieses Feldes mit "..." überschrieben. Mit der gleichen Art der Preisangabe bewirbt die Beklagte in diesem Prospekt auch einen College-Block und verschiedene DVDs aus ihrem Sortiment. Wegen des genauen Erscheinungsbildes der Werbung wird auf die Anlage K1 (Bl. 14 ff. und Bl. 88 d.A.) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 11.07.2007 (Anlage K2, Bl. 22 ff. d.A.) mahnte die Klägerin die Beklagte wegen dieser Werbung ab und forderte sie erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Zahlung eines angemessenen Aufwendungsersatzes auf.

Die Klägerin behauptet, die beanstandete Werbung erwecke beim Verbraucher den Eindruck, als handele es sich bei dem Kaufpreis um einen Sonderpreis, mithin um einen Preis, zu dem die beworbenen Bücher nur bei der Beklagten, nicht aber auch bei anderen Buchhändlern erhältlich seien. Durch die besondere Hervorhebung des Kaufpreises und dessen Bezeichnung als "..." werde dem Käufer suggeriert, dass es sich um ein besonders günstiges Angebot handele, obwohl der Preis bei anderen Händlern ebenso hoch sei. Dass die relevanten Verkehrskreise nicht um die gegenwärtige rechtliche und tatsächliche Bedeutung der Buchpreisbindung wüssten, werde durch die vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels veröffentlichte Studie "Buchkäufer und Leser 2005" belegt, aus der hervorgehe, dass 47% der befragten Verbraucher keine Angaben hinsichtlich der Frage machen könnten, ob es in Deutschland eine Buchpreisbindung gäbe, beziehungsweise sogar annehmen würden, eine solche existiere nicht. Die Klägerin ist der Ansicht, diese Form der Werbung sei im Hinblick auf § 5 Abs. 1 UWG irreführend. Zum Zahlungsanspruch behauptet die Klägerin, ihr entstünden durch eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung Kosten in Höhe von 200,92 Euro. Sie meint, daher sei der verlangte Betrag von 176,64 Euro netto und 189,00 Euro brutto angemessen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Beklagten, unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs den Verkauf von preisgebundenen Büchern mit der blickfangmäßigen Herausstellung eines Preises und dem Hinweis "..." zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wenn dies geschieht wie in der Anlage K1.

2. an die Klägerin 189,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, der hier maßgebliche Verkehrskreis sei über die Existenz fester Buchpreise informiert und könne folglich darüber nicht in die Irre geführt werden. Der Umstand, dass Bücher preisgebunden seien, gehöre zum festen Bestandteil des allgemeinen Kenntnisstandes der Bürger, erst Recht des lesenden Publikums. Der an Büchern interessierte, durchschnittlich informierte Konsument wisse, dass es im Buchhandel € abgesehen von Mängelexemplaren € keine Sonderpreise geben dürfe. Er wisse mithin auch, dass es sich bei dem "..." um den normalen Listenpreis des jeweiligen Buches handele, der sämtlichen Buchhändlern durch die Buchpreisbindung vorgegeben sei. Darüber hinaus enthalte der Prospekt keine Angaben, die den Käufer zur Annahme veranlassen könnten, bei den beworbenen Büchern handele es sich Sonderangebote. Ein entsprechender Eindruck werde auch nicht durch das übrige beworbene Angebot erzeugt, vielmehr würden sowohl die College-Blöcke als auch die DVDs mit Zusatzangaben und Reizworten versehen, die sie für jedermann erkennbar als Sonderangebote auswiesen. Die Beklagte meint, die von der Klägerin herangezogene Studie stütze deren Auffassung nicht.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3, 3, 5 Abs. 1 UWG zu. Die Beklagte handelt unlauter, weil die im streitgegenständlichen Verkaufsprospekt vorgenommene Werbung für Bücher zum "..." geeignet ist, den Verbraucher in die Irre zu führen und dadurch den Wettbewerb nicht unerheblich zu beeinträchtigen.

Gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 UWG besteht ein Unterlassungsanspruch, wenn der Handelnde unlautere Wettbewerbshandlungen tätigt, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber oder der Verbraucher nicht unerheblich zu beeinträchtigen. Unlauter handelt nach § 5 Abs. 1 UWG, wer irreführend wirbt. Eine Werbeaussage ist irreführend im Sinne dieser Vorschrift, wenn das Verständnis, das sie bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Für die Beurteilung dieser Frage ist der Gesamteindruck der Werbung maßgeblich (§ 5 Abs. 2 UWG), wobei auf das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten abzustellen ist, der die Werbung mit einer der Situation entsprechend angemessenen Aufmerksamkeit zu Kenntnis nimmt (vgl. BGH, WRP 2005, 474, 475 € Direkt ab Werk; WRP 2005, 480, 483 € Epson-Tinte).

Adressaten der streitgegenständlichen Werbung sind potentielle Kunden. Diese setzen sich nicht nur € wie es im Vorbringen der Beklagten anklingt € aus Viel- und Durchschnittslesern, sondern auch aus Wenig- und Nichtlesern zusammen. Die im streitgegenständlichen Prospekt angebotenen Werke richten sich erkennbar an ein breites Publikum. Sowohl die Auswahl der beworbenen Bücher als auch die Art der Werbung soll nicht nur Viel- und Durchschnittsleser ansprechen. Vielmehr hat die Präsentation einer Auswahl "vielseitiger Urlaubsbücher" zu verhältnismäßig günstigen Preisen auch den (vorsorglichen) Kauf eines Buches für die Urlaubszeit im Blick und schließt als Adressaten den Personenkreis an, der üblicherweise kaum Bücher liest. Darüber hinaus eignen sich die angebotenen Bücher als Geschenke, so dass sich das Angebot auch an Personen richtet, die selbst zur Gruppe der Nichtleser zählen. Vom Adressatenkreis ausgenommen sein kann allenfalls die in der vorgelegten Verbraucherstudie des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels (Anlage B2, Bl. 101 ff. d.A.) als "Buchresistente" bezeichnete Personengruppe, die allerdings nach den dortigen Angaben lediglich einen Anteil von 9% ausmacht.

Ausgehend von diesem Adressatenkreis ist die beanstandete Werbung der Beklagten irreführend. Die besondere Hervorhebung des Buchpreises in einem weiß unterlegten Feld, der in der oberen Rundung dieses Feldes als "..." bezeichnet wird, ist geeignet, bei den maßgeblichen Verkehrskreisen den Eindruck zu erzeugen, dass der jeweilige Artikel zu einem besonderen Preis angeboten wird, der von dem der Mitbewerber abweicht, obgleich es sich um den gebundenen Buchpreis handelt, zu dem die beworbenen Werke bei allen Buchhändlern erhältlich sind. Dabei erweckt der auffällig angebrachte, verhältnismäßig große Hinweis auf den Preis sowie dessen Bezeichnung als "..." beim durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten den Eindruck, dass das beworbene Produkt zu einem besonders günstigen Preis angeboten wird.

Verstärkt wird der Eindruck eines Sonderangebotes dadurch, dass die Beklagte tatsächliche Sonderangebote auf gleiche Art und Weise kennzeichnet. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind nämlich weder die DVD-Angebote noch der beworbenen College-Block mit auffälligen Zusatzangaben versehen, die sie vom übrigen Angebot abheben. Weder der Hinweis "College-Blöcke € jetzt zugreifen" noch das spezielle Angebot beim Kauf von zwei DVDs, das zudem nur einen geringen Teil des DVD-Angebots betrifft, oder das Wörtchen "nur" im orangefarbenen Zackenfeld sind geeignet, dem Verbraucher einen Unterschied zwischen den der Buchpreisbindung unterliegenden Angeboten und den übrigen beworbenen Waren zu vermitteln.

An dieser Einschätzung ändert sich nichts dadurch, wenn € wie die Beklagte behauptet € weite Teile der Leserschaft um die grundsätzliche Buchpreisbindung wissen.

Zum einen ergibt sich aus der vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels veröffentlichten Erhebung zur Bekanntheit der Buchpreisbindung (vgl. Anlage K4, Bl. 76 d.A.), dass eine relativ hoher Prozentsatz, nämlich 47% der Befragten, gerade keine Kenntnis von der Buchpreisbindung hat. Zwar wissen nach der Studie 53% der Befragten, dass es in Deutschland eine Buchpreisbindung gibt; 15% hingegen verneinten die Frage "Gibt es Ihrer Meinung nach in Deutschland eine Buchpreisbindung, d.h. kosten Bücher überall das Gleiche€" beziehungsweise wussten hierauf keine Antwort.

Zum anderen kann € unabhängig von der Studie € weder von einer Kenntnis der angesprochenen Verkehrskreise über die genaue Ausgestaltung der Buchpreisbindung ausgegangen werden noch lässt die streitgegenständliche Werbung erkennen, ob die Buchpreisbindung für die angebotenen Werke derzeit noch besteht. So dürfte bereits die Frage, für welche Bereiche die Buchpreisbindung Geltung beansprucht, ob sie auch für Kalender, kartographische Produkte, Hörbücher oder Musiknoten besteht, sowie welche Ausnahmen beispielsweise für fremdsprachige Werke (§ 2 Abs. 2 Buchpreisbindungsgesetz) oder Mängelexemplare (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 Buchpreisbindungsgesetz) geregelt sind, einem Großteil der angesprochenen Verkehrskreise € zu denen, wie ausgeführt, auch Wenig- und Nichtleser zählen € nicht im Detail bekannt sein. Abgesehen davon führt selbst eine genaue Kenntnis über die Buchpreisbindung nicht dazu, dass der Verbraucher weiß, dass er die beworbenen Bücher bei anderen Buchhändlern zum selben Preis erhält, vielmehr kann die Werbung mit dem "..." beim informierten Kunden zu der Annahme führen, dass bezüglich der angebotenen Bücher keine Buchpreisbindung mehr besteht. Es trifft nämlich nicht zu, dass sämtliche Bücher generell überall zum gleichen Preis erhältlich sind. Stattdessen können Bücher auch vollständig aus der Preisbindung herausgenommen werden; Verleger und Importeure sind gemäß § 8 Abs. 1 Buchpreisbindungsgesetz berechtigt, die Preisbindung für Buchausgaben aufzuheben, deren erstes Erscheinen länger als 18 Monate zurückliegt.

Die streitgegenständliche Werbung ist schließlich geeignet, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen. Der Kaufpreis ist auch im Buchhandel € gerade wenn es nicht um den Kauf eines bestimmten Buches, sondern um den Erwerb der von der Beklagten beworbenen Urlaubslektüre geht € ein entscheidender Faktor und Beweggrund für den Erwerb. Der Kunde wird infolge der streitgegenständlichen Werbung seine Kaufentscheidung bezüglich der angebotenen preisgebundenen Bücher eher zugunsten der Beklagten treffen, weil er annimmt, dieses Buch bei ihr besonders günstig zu erhalten, obgleich dies nicht der Fall ist. Dies gilt nicht zuletzt angesichts der mit dem Prospekt angebotenen "einfachen und bequemen" Einkaufsmöglichkeiten über die ... Telefonhotline oder unter www.....de.

Der von der Klägerin geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von 189,00 Euro ist gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG ebenfalls begründet. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG sollen die Berechtigten eines Unterlassungsanspruchs vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens den Schuldner abmahnen und können € soweit die Abmahnung berechtigt war € Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen. In diesem Sinne war die Klägerin zur Abmahnung berechtigt, weil ihr gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch zustand. Hinsichtlich der Höhe der verlangten Aufwendungen bestehen keine Bedenken, da die Beklagte dem substantiierten Vortrag der Klägerin nicht entgegengetreten ist, dieser mithin als zugestanden gilt (§ 138 Abs. 3 ZPO).

Die Berechtigung der Zinsforderung folgt aus § 288 Abs. 1, 286 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.






LG Frankfurt am Main:
Urteil v. 21.12.2007
Az: 3-10 O 132/07, 3-10 O 132/07


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