Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 20. Mai 2011
Aktenzeichen: I-14 U 36/11

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 20.05.2011, Az.: I-14 U 36/11)

Tenor

Die Klägerin wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Die Klägerin erhält Gelegenheit, hierzu innerhalb einer Frist von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen und sich zur etwaigen Rücknahme der Berufung zu erklären.

Gründe

Die Berufung der Klägerin hat nach dem gegebenen Sachstand keine Aussicht auf Erfolg. Da die zugrundeliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung durch Urteil auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, soll über das Rechtsmittel gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss entschieden werden.

Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis mit Recht abgewiesen. Die Berufungsbegründung rechtfertigt demgegenüber keine abweichende Beurteilung.

Die Klage ist entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung zulässig. Die Klägerin ist im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits wirksam vertreten. Zwar klagt hier nicht der Mitgesellschafter G in eigener Person, weshalb das vom Landgericht angenommene Rechtsinstitut der ‚actio pro socio‘ nicht einschlägig sein kann, weil sich in diesem Rahmen typischerweise die Frage nach dem wirksamen Handeln eines (Mit-) Gesellschafters stellt, der allein und in eigenem Namen klagt (vgl. nur Palandt/Sprau, BGB, 70. Aufl., § 714 Rdn. 9). Der Mitgesellschafter/-geschäftsführer G, der nach dem unstreitigen Sachverhalt einzelvertretungsberechtigt ist (vgl. HR-Auszug, Anlage K 9 AH), kann die Gesellschaft jedoch prozessual wirksam vertreten, was aus den insoweit zutreffenden Gründen der Berufungsbegründung auch bei der Inanspruchnahme eines anderen Gesellschafter-Geschäftsführers zulässig ist (vgl. BGH Urt. v. 26.10.1981 - II ZR 72/81 - juris).

Der Geschäftsführer G ist an der prozessualen Vertretung der Gesellschaft auch nicht infolge wirksamer Ausschließung gehindert, denn es fehlt an der erforderlichen rechtskräftigen Feststellung seines wirksamen Ausschlusses. Eines rechtsgestaltenden Urteils bedarf es zur Ausschließung eines Gesellschafters aus der GmbH nur dann nicht, wenn schon die Satzung der Gesellschaft einen Ausschluss durch einen rechtsgestaltenden Gesellschafterbeschluss vorsieht (allgemeine Ansicht, vgl. etwa BGHZ 32, 17; BGH GmbHR 2003, 1062; OLG Düsseldorf OLGR 2008, 180; OLG Düsseldorf, Urteil vom 22. Oktober 1998 - 6 U 78/97 - juris). Das ist vorliegend nicht der Fall, weshalb es hier nicht mehr entscheidend darauf ankommen kann, ob überhaupt ein wirksamer Abberufungsbeschluss vorliegt.

Die prozessuale Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Beklagten bedurfte auch keines vorherigen Beschlusses der Gesellschafter nach § 46 Nr. 8 GmbHG. Auf die Wirksamkeit der Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung vom 27.05.2010 (Anlage K 26, Bl. 164 ff. d.A.) kommt es daher ebenfalls nicht an. Ein Gesellschafterbeschluss ist zwar grundsätzlich materielles Erfordernis für die Geltendmachung einer Forderung einer GmbH, so dass eine ohne Beschluss der Gesellschafter erhobene Klage gegen den Geschäftsführer wegen materiellen Fehlens einer materiellen Anspruchsvoraussetzung abzuweisen wäre (vgl. BGH NZG 2004, 962; NJW 1999, 2115; 1998, 1646; jew. m.w.N.).

Die vorliegende Fallgestaltung kann jedoch keine andere Beurteilung erfahren als die praktisch gleichgelagerte Klage eines Gesellschafters einer GmbH gegen einen Mitgesellschafter, die ebenfalls auf Leistung an die Gesellschaft gerichtet ist (vgl. BGHZ 65, 15). Eine solche Klage kann auch ohne vorhergehenden Gesellschafterbeschluss, dessen Herbeiführung namentlich beim Vorliegen einer Pattsituation zwischen den Gesellschaftern (einer Zwei-Mann-GmbH) Schwierigkeiten indiziert, insbesondere dann erhoben werden, wenn - wie auch hier - eine Schädigung des Vermögens der Gesellschaft geltend gemacht wird (vgl. BGH WM 2005, 281; 1990, 1240; BGHZ 65, 15; BGH ZIP 1982, 1203). Auch im gegebenen Fall liefe es auf eine reine Förmlichkeit hinaus, wollte man zur Durchsetzung etwaiger Ansprüche die Erzwingung eines Gesellschafterbeschlusses voraussetzen.

In der Sache ist die Klage dagegen nicht begründet. Ein Schadensersatzanspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG ist ebenso wenig schlüssig dargetan worden wie ein Ersatzanspruch auf anderer rechtlicher Grundlage. Der Klägerin ist es schon nicht gelungen, einen vom Beklagten pflichtwidrig verursachten Schaden darzutun.

Im Rahmen des Anspruchs aus § 43 Abs. 2 GmbHG gilt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Die Gesellschaft hat hiernach grundsätzlich den Eintritt eines Schadens und dessen Verursachung durch ein Verhalten des Geschäftsführers, das sich als möglicherweise pflichtwidrig darstellt, darzulegen und zu beweisen. Demgegenüber muss der Geschäftsführer Umstände dafür darlegen und beweisen, dass das schadensauslösende Verhalten nicht pflichtwidrig gewesen ist oder ihn zumindest kein Schuldvorwurf hinsichtlich der Pflichtverletzung trifft (BGH NJW 2003, 358; OLG Köln NZG 2009, 1223).

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH NZG 2008, 705; BGHZ 152, 280 ff.) greift zugunsten des Geschäftsführers einer GmbH ein Haftungsprivileg ein, wenn er im Rahmen unternehmerischen Ermessens handelt und sein Handeln auf einer sorgfältigen Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruht. Der dem Geschäftsführer einer GmbH zuzubilligende unternehmerische Ermessensspielraum ist regelmäßig überschritten, wenn der Geschäftsführer Mittel der Gesellschaft für gesellschaftsfremde oder eigennützige Zwecke verwendet (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 05.06.2008 - 12 U 116/07 - juris m.w.N.).

Eine zum Ersatz verpflichtende Pflichtwidrigkeit und ein hierauf beruhender Schaden sind mit diesen Vorgaben nicht hinreichend zur Anspruchsbegründung vorgetragen worden. Insbesondere ist nicht dargetan, dass der Beklagte sorgfaltswidrig eine überhöhte Steuerberatervergütung veranlasst und dadurch die Gesellschaft geschädigt hat.

Mit dem als angemessen anzusehenden Steuerberaterhonorar setzt sich das Klagevorbringen nicht auseinander. Die Vergütung eines Steuerberaters richtet sich nach der StBerGV, weshalb es auch im Rahmen kaufmännischer Sorgfalt unverfänglich ist, gesetzliche Honoraransprüche vertraglich zu begründen.

Für die Buchführung, die im Zentrum der klägerischen Argumentation steht und zu denen sich die vorliegenden Einzelabrechnungen des Steuerberaters Raasch verhalten, ist z. B. gemäß § 33 Abs. 1 StBerGV eine Monatsgebühr geschuldet, die als Rahmengebühr - 2/10 bis 12/10 einer vollen Gebühr ausmacht. Nach § 11 StBGebV bestimmt der Steuerberater bei Rahmengebühren die Gebühren im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der beruflichen Tätigkeit nach billigem Ermessen. Dabei ist nicht schematisch von einer bestimmten Gebühr, auch nicht von einer "Mittelgebühr" auszugehen. Nach allgemeinen Grundsätzen hat der Steuerberater ein Bestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1999, 510; OLG Düsseldorf OLGR 2002, 173; OLG Düsseldorf NJW-RR 2005, 1152). Auf die Mindestgebühr kann der Steuerberater dabei nur verwiesen werden, wenn er eine einfache Angelegenheit mit geringem Umfang bearbeitet und die Angelegenheit für den Auftraggeber nur geringe Bedeutung hat. Handelt es sich dagegen um eine Angelegenheit von durchschnittlicher Bedeutung mit durchschnittlichem Umfang und Schwierigkeitsgrad, ist regelmäßig die Mittelgebühr gerechtfertigt (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.). Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Mittelgebühr im Rahmen des § 11 StBGebV in Durchschnittsfällen angemessen (vgl. BGH NJW-RR 2001, 494).

Der Steuerberater R hat - soweit aus den vorgelegten Einzelabrechnungen erkennbar ist - jeweils eine 6/10-Gebühr für die Buchführung und Belegkontierung in Ansatz gebracht. Dass diese Vergütung oder sonstige Honoraransätze für die GmbH einen ersatzfähigen Schaden beinhalteten, entzieht sich jeder Nachvollziehbarkeit. Die mangels konkreter Anhaltspunkte für andere Honorarkriterien als verordnungsgerecht und angemessen zu beurteilende Vergütung umschreibt damit eine bloße vertragliche Verbindlichkeit, nicht jedoch einen pflichtwidrig verursachten Schaden im Rechtssinne.

Ein solcher Schaden ergibt sich auch nicht aus einer Gegenüberstellung der

tatsächlich angefallenen und derjenigen Kosten, die aus den Angeboten vom 05.02.2009 (Anlage K 2) und vom 12.02.2010 (des Steuerberaters A, Anlage K 3) hervorgehen. Unabhängig von der Frage, ob dem Beklagten die Angebote bei der Auftragsvergabe als Erkenntnisquelle vorlagen, vermitteln die hierin enthaltenen Ansätze insgesamt keine gesetzeskonforme Gebührenberechnung, die einen zuverlässigen Vergleich ermöglichen könnte. Beide Aufstellungen beschränken sich vielmehr auf pauschale Vergütungsansätze und auf die Ausweisung von Einsparungen, ohne indessen die gebührenrechtlichen Grundlagen erkennbar und transparent zu machen. Sie rechtfertigen aus sich heraus nicht den Rückschluss auf eine der GmbH zum pflichtwidrigen Nachteil gereichende Gebührenüberhöhung, soweit es die Vergütung des Steuerberaters Raasch angeht. Eine Abweichung von den Honorarsätzen der StBerGV ist jedenfalls insgesamt nicht feststellbar.

Die vorgelegten Angebote können auch im Übrigen keinen Fehlgebrauch des unternehmerischen Ermessens auf Seiten des Beklagten belegen. Soweit die Angebote die vom Steuerberater R berechneten Gebühren teilweise um mehr als 50 % unterschreiten, stehen vielmehr sowohl die vertragliche Verbindlichkeit und Bestimmtheit entsprechender Vergütungskriterien als auch ihre Seriosität durchgreifend in Frage. Die von der Klägerin vorgelegten Angebote lassen letztlich offen, welche Umstände für die (künftige) Honorierung maßgeblich sein sollten. Da der Gegenstand der Steuerberatertätigkeit von den gebührenrelevanten Umständen her einem (insbesondere wertabhängigen) Wechsel unterliegt, hätte es hinreichend bestimmter Vertrags und Abrechnungskriterien bedurft, nach denen das künftige Honorar abzurechnen sein sollte. Daran fehlt es gänzlich. Eine verlässliche Vertrags- und Berechnungsgrundlage sowie eine hinreichend sichere Prognose künftiger Einsparungen waren auf dieser Grundlage überhaupt nicht gewährleistet.

Eine vertragssichere Handhabung stand auch deshalb in Frage, weil das Anerbieten einer so gravierenden Gebührenermäßigung - zumal vor dem Hintergrund einer nicht widerlegten angemessenen (gesetzlichen) Vergütung zugunsten des Steuerberaters Raasch - für ein standeswidriges Vorgehen des bzw. der Anbietenden sprechen kann. Zwar führt eine Unterschreitung der gesetzlichen Gebühren nicht schlechthin zur zivilrechtlichen Unwirksamkeit einer entsprechenden Gebührenvereinbarung (etwa nach § 134 BGB, vgl. hierzu BGH VersR 2002, 1570; NJW 1996, 1954); gleichwohl kann sie in mehrfacher Hinsicht zu rechtlichen Komplikationen führen. So kann unlauterer Wettbewerb wegen Unterbietens vorliegen (§ 1 UWG), der insbesondere bei der Intervention in ein laufendes Steuerberatungsverhältnis einschlägig sein kann. Auch kann eine Gebührenunterschreitung einen Verstoß gegen das Werbeverbot (§ 8 StBerG) beinhalten (zu den dann aufgeworfenen Nichtigkeitsfragen vgl. Schall BB 1994, 1541). Jedenfalls bestimmt Abschnitt 22 Abs. 2 der Richtlinien für die Berufsausübung des Steuerberaters ausdrücklich, dass eine Unterschreitung der angemessenen Vergütung berufswidrig ist.

Eine gegenüber der GmbH zu beachtende Pflicht des Beklagten, nichtige Vergütungsvereinbarungen zu treffen oder einen Steuerberater zu standeswidrigen Abreden zu veranlassen, kann unter keinem Gesichtspunkt ernsthaft in Betracht gezogen werden. Es kommt daher nicht mehr entscheidend darauf an, ob die Vertragsfreiheit ohnehin dort ihre Grenze findet, wo die Systematik der Gebührenverordnung so weit verlassen wird, dass sogar eine sittenwidrige Gebührenunterschreitung (§ 138 BGB) in Betracht kommt (vgl. BGH a.a.O.).

Bei dieser Sachlage scheiden auch anderweitige Ersatzansprüche - etwa auf deliktischer Grundlage - sicher aus.






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 20.05.2011
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