Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. Januar 2008
Aktenzeichen: 6 W (pat) 303/05

(BPatG: Beschluss v. 31.01.2008, Az.: 6 W (pat) 303/05)

Tenor

Das Patent 42 42 031 wird in vollem Umfang aufrechterhalten.

Gründe

I.

Gegen das am 30.9.2004 veröffentlichte Patent 42 42 031 mit der Bezeichnung "Metallgerüst" ist am 20.12.2004 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

In der Einspruchsbegründung verweist die Einsprechende neben den bereits im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt berücksichtigten Druckschriften D1: EP 03 17 695 A1 D2: DE 40 21 602 A1 noch auf folgende Druckschriften:

D3: WO 82/02 733 A1 D4: DE 30 11 075 A1.

Die Einsprechende beantragt, das Patent 42 42 031 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent 42 42 031 in vollem Umfang aufrecht zu erhalten.

Sie ist der Auffassung, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Der erteilte Anspruch 1 lautet:

"Metallgerüst für Bauwerke, insbesondere Rohrgerüst, dessen eine Elemente (9) und Stehelemente (3) mit Kupplungen verbunden sind, deren an je einem Element vorhandene Kupplungshälften formschlüssig verbindbar und über einen Treibkeil (13) verspannbar sind, wobei der Treibkeil (13) in einem Spalt (12) läuft, der in einer Kupplungshälfte ausgespart ist und beim Eintreiben mit seiner der anderen Kupplungshälfte zugewandten Keilfläche (28) auf einer Keilfläche (35) eines drehbeweglich im Spalt (12) festgelegten Riegels (32) gleitet, der über eine weitere hintere Keilfläche (36) mit Eintreiben des Treibkeils (13) gegenüber dem Stehelement (3) über eine Keilfläche (7) der mit dem Stehelement (3) verbundenen Kupplungshälfte (1) in eine Verschlussstellung verspannbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Riegel (32) für eine weitere Verspannstelle mit einem Vorsprung (37) und mit einer Verspannfläche (38) ausgebildet ist, wobei der Vorsprung (37) in Verschlussstellung die feste Kupplungshälfte hintergreift und gegenüber dem Stehelement bei eingetriebenem Keil eine weitere Verspannstelle bildet, und dass die weitere hintere Keilfläche (36) des Riegels (32) zwischen dem Vorsprung (37) und der vorderen Keilfläche (35) des Riegels angeordnet ist, so dass der Riegel (32) in Verschlussstellung mit eingetriebenem Keil über zwei Verspannstellen, nämlich bei der Verspannfläche (38) und dem Vorsprung (37), sowie der hinteren Keilfläche (36) gegen das Stehelement (3) verspannt ist."

Wegen der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 und 3 sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1. Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den vorliegenden Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung zuständig geworden, weil der Einspruch im in dieser Vorschrift genannten Zeitraum beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen ist. Gegen die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für das Einspruchsverfahren nach dieser Vorschrift bestehen weder unter dem Aspekt der Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) noch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungsrechtliche Bedenken (vgl. BGH GRUR 2007, 859, 861 f. - Informationsübermittlungsverfahren I).

Das Bundespatentgericht ist auch nach der ab 1. Juli 2006 in Kraft getretenen Fassung des § 147 Abs. 3 PatG gemäß dem Grundsatz der perpetuatio fori, der u. a. in § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO seine gesetzliche Ausprägung gefunden hat, zuständig geblieben (vgl. hierzu auch BPatG GRUR 2007, 499 - Rundsteckverbinder; BPatG GRUR 2007, 907 - Gehäuse/perpetuatio fori; BGH GRUR 2007, 862 f. - Informationsübermittlungsverfahren II).

2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und auch im Übrigen zulässig.

Dies ist seitens der Patentinhaberin nicht bestritten worden.

3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.

a. Die erteilten Ansprüche sind zulässig.

Der erteilte Anspruch 1 ergibt sich aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 2 in Verbindung mit S. 6, letzter Abs. bis S. 8, Abs. 1 und Fig. 7 der Anmeldungsunterlagen. Die erteilten Ansprüche 2 und 3 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 3 und 4.

Die Zulässigkeit der Ansprüche ist im Übrigen seitens der Einsprechenden nicht bestritten worden.

b. Das zweifelsfrei gewerblich anwendbare Metallgerüst nach dem erteilten Anspruch 1 ist neu, da keine der genannten Druckschriften sämtliche im Anspruch 1 enthaltenen Merkmale zeigt, wie auch die folgenden Ausführungen zeigen.

Die Neuheit ist seitens der Einsprechenden auch nicht in Zweifel gezogen worden.

c. Das Metallgerüst gemäß dem erteilten Anspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Grundgedanke der vorliegenden Erfindung besteht darin, dass der bewegliche Riegel zwei voneinander unabhängige Verspannstellen erzeugt: eine erste Verspannstelle zwischen der Keilfläche 36 und der Keilfläche 7 (vgl. im Anspruch 1 die letzten 5 Zeilen des Oberbegriffs) und eine zweite Verspannstelle zwischen der Verspannfläche 38 und dem Stehrohr 3 (vgl. S. 4, li. Sp. 2, Z. 9 bis 12).

Eine Ausgestaltung, bei welcher der bewegliche Riegel zwei voneinander unabhängige Verspannstellen erzeugt, ist im nachgewiesenen Stand der Technik jedoch nicht vorhanden, so dass von dort auch keine Anregung zu einer solchen Ausgestaltung ausgehen kann.

Bei der WO 82/02 733 A1 (D3), die ein gattungsgleiches Metallgerüst zeigt, ist nur eine einzige Verspannstelle vorhanden, nämlich zwischen dem beweglichen Riegel 14 und dem Kupplungsflansch 3 (vgl. Fig. 1 und 2 sowie Anspruch 1 und S. 10, Z. 10 bis S. 11, Z. 7). Dies ist von der Einsprechenden sowohl in ihrem Schriftsatz vom 20.12.2004 (vgl. dort S. 5, Mitte) als auch in der mündlichen Verhandlung ebenso gesehen worden.

Bei der DE 40 21 602 A1 (D2), die ebenfalls ein gattungsgleiches Metallgerüst zeigt, hintergreift ein beweglicher Riegel 8 mit einem an seinem freien Ende ausgebildeten und eine Keilfläche aufweisenden Vorsprung die mit dem Stehelement verbundene Kupplungshälfte. Zusätzlich stützt sich die Stirnfläche des Riegels auch an dem Stehelement ab (vgl. Fig. 1). Dort bildet somit der Vorsprung des Riegels einen Keil, der sich einerseits an dem Stehelement und andererseits an der mit dem Stehelement verbundenen Kupplungshälfte abstützt, aber nur eine einzige Verspannstelle bildet. Denn ein Keil stützt sich naturgemäß immer über seine beiden Keilflächen ab, welche in einem Zusammenspiel von Kraft und Gegenkraft wirken, aber eben nicht unabhängig voneinander sind. Somit ist bei dem Gerüst nach der DE 40 21 602 A1 (D2) entgegen den Ausführungen der Einsprechenden lediglich eine einzige Verspannstelle realisiert.

Bei der EP 0 317 695 A1 (D1) ist ebenfalls nur eine einzige Verspannstelle vorhanden, die zwischen dem Riegel 34 und der mit dem Stehelement verbundenen Kupplungshälfte 5 gebildet ist.

Die DE 30 11 075 A1 (D4) liegt noch weiter vom Patentgegenstand ab, da dort keinerlei Verspannung stattfindet. Dort wird vielmehr lediglich eine Lagesicherung der horizontal verlaufenden Gerüstelemente durch das Eigengewicht des Riegels 8 erreicht (vgl. Anspruch 1).

Somit weist der Stand der Technik ausschließlich Metallgerüste auf, bei denen die Anbindung der horizontalen Gerüstelemente an die vertikalen Gerüstelemente über eine einzige Verspannstelle erfolgt.

Erfindungsgemäß dagegen sollen zwei unabhängig voneinander wirkende Verspannstellen vorgesehen sein. Eine derartige Ausgestaltung ist im nachgewiesenen Stand der Technik jedoch nicht zu finden, so dass selbst dessen Zusammenschau keine Anregung zur erfindungsgemäßen Lehre geben kann.

Hieran vermag auch der Vortrag der Einsprechenden nichts zu ändern (vgl. Schriftsatz vom 20.12 2004, S. 10, Abs. 4.4), wonach es für den Fachmann naheliegend gewesen sei, den Vorsprung der Klaue 14 nach der WO 81/01 733 (D3) bis an die Stütze 1 entsprechend der Lehre der DE 40 21 602 A1 (D2) zu verlängern. Denn ein "Naheliegen" setzt grundsätzlich voraus, dass die durch die Erfindung geschützte Weiterentwicklung einem Fachmann mit seinem Fachwissen in Kenntnis des Standes der Technik möglich gewesen wäre. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall, da der Fachmann keinerlei Veranlassung hatte, die Stirnfläche des Riegels bis an das Stehelement zu verlängern, um dadurch eine zweite Verspannstelle zu schaffen. Denn eine Befestigung über zwei Verspannstellen ist im Stand der Technik unbekannt.

Der erteilte Anspruch 1 ist somit bestandsfähig.

d. Zusammen mit dem Anspruch 1 sind auch die auf ihn rückbezogenen Unteransprüche bestandsfähig, da sie nicht platt selbstverständliche Ausgestaltungen des erfindungsgemäßen Metallgerüstes betreffen.

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BPatG:
Beschluss v. 31.01.2008
Az: 6 W (pat) 303/05


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