Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. November 2000
Aktenzeichen: 32 W (pat) 82/00

(BPatG: Beschluss v. 29.11.2000, Az.: 32 W (pat) 82/00)

Tenor

Die Beschwerde der Widesprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist die Bezeichnung CEBELLA für Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Fleisch, Obst und Gemüse sowie hieraus fertig zubereitete Speisen; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtmuse; Kaffeeweißer auf Eiweiß- oder Pflanzenbasis; Milch, Kondensmilch und Milchpulver für Nahrungszwecke; Milchprodukte, Milch-Cremespeisen und Dessertspeisen aus Milchprodukten; Milchgetränke; Kaffee, Kaffee-Ersatzmittel, Tee und Kräutertee; Kakao; Schokolade, Schokoladewaren, Süßwaren und Zuckerwaren; Kaffeegetränke, Getränke aus Kaffee-Ersatzmitteln, Teegetränke, Kakaogetränke, koffeinhaltige, teehaltige und kakaohaltige Getränke; kakaohaltigeund schokoladehaltige Getränkepulver; Trinkschokolade; Nuß-Nougat-Creme, Kakao- und Nußpasten; Getreidepräparate (ausgenommen Futtermittel), Nudeln, Makkaroni und andere Teigwaren; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren; Hefe, Backpulver, Speiseeis, Essigsaucen (Würzmittel), Gewürze; Zucker, Fruchtzucker, Invertzucker, Traubenzucker und Honig; Mehl, Grieß, Leinsamen und Stärke für Nahrungszwecke; Trockenfrüchte; Speiseeis, Speiseeispulver; fertige Backmischungen; Alkoholfreie Getränke; alkoholfreie Fruchtgetränke, Fruchtteegetränke, Fruchtsaftgetränke, Obstsäfte und Gemüsesäfte; Fruchtsirupe, Schokoladensirupe und andere alkoholfreie Präparate für die Zubereitung von Getränken; isotonische Getränke; zuckerhaltige Getränkepulver zur Herstellung von alkoholfreien und isotonischen Getränken; sämtliche vorgenannten Waren - soweit möglich - auch in Instantform und auch für diätetische, nichtmedizinische Zweckeunter der Nr 397 04 136 in das Register eingetragen worden.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der prioritätsälteren Marke 2 020 149 Libella, die Schutz genießt für Aromatisierte Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte sowie Grundstoffe, Essenzen und Präparate zur Herstellung alkoholfreier Getränke Nachdem die Markeninhaberin die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten hatte, hat die Markenstelle für Klasse 30 den Widerspruch mit Beschluß vom 1. Juli 1998 durch einen Beamten des gehobenen Dienstes wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die den Vergleichsmarken gemeinsame Endung "-ella" sei in überaus zahlreichen Drittmarken enthalten und damit kennzeichnungsschwach (unter Bezugnahme auf Heil, Verwechslungsgefahr 1976 bis 1984, Anhang "Verbrauchte Wortendungen"). Auch wenn diese verbrauchten, kennzeichnungsschwachen Bestandteile bei der Würdigung des Gesamteindrucks mitberücksichtigt werden müßten, sei das Publikum zu größerer Aufmerksamkeit hinsichtlich der übrigen Bestandteile veranlaßt, so daß bereits geringfügige Abweichungen ausreichten. An den ohnehin stärker beachteten Wortanfängen wichen die Vergleichsmarken durch "CE-" und "Li" klanglich und schriftbildlich hinreichend deutlich voneinander ab.

Nachdem die Widersprechende eine eidesstattliche Versicherung zur Glaubhaftmachung der Benutzung und zur Geltendmachung einer erhöhten Kennzeichnungskraft eingereicht hatte, hat die Markenstelle - besetzt mit einer Beamtin des höheren Dienstes - die Erinnerung durch Beschluß vom 1. Dezember 1999 ebenfalls wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, selbst bei Unterstellung eines erhöhten Schutzumfangs der Widerspruchsmarke für "alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte" und Berücksichtigung einer teilweise gegebenen Warenidentität seien die Vergleichsmarken ausreichend verschieden. Da das Zeichenelement "-ella" wegen seines häufigen Vorkommens verbraucht sei, betrachte der Verkehr verstärkt die übrigen Bestandteile. Demgemäß würden die markanten Abweichungen in den Anfangssilben "CE-" gegenüber "Li-" nicht unbemerkt bleiben. Auch in klanglicher Hinsicht werde sich selbst bei einer Betonung auf der jeweiligen Mittelsilbe die in der Regel als "Zebella" wiedergegebene jüngere Marke markant von dem weich und fließend klingenden Widerspruchswort "Libella" abheben, zumal sich diese deutlichen Abweichungen am stärker beachteten Wortanfang befänden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.

Sie macht eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke geltend. Sie habe erhebliche Umsätze in den letzten Jahren mit unter "Libella" vertriebenen Produkten erzielt. Seit zwei Jahren betreibe sie intensive Werbung mit "Libella", um die Marke "wieder in den Vordergrund zu rücken". Die Markenstelle habe bei ihrer Entscheidung nicht den Beschluß des Bundespatentgerichts vom 23. Juli 1977 - 24 W (pat) 316/75 berücksichtigt, wonach eine Kollisionsgefahr zwischen "Libella/Bizzella" für gleiche und gleichartige Waren festgestellt worden sei. Angesichts der hochgradigen Warenähnlichkeit und des erhöhten Schutzumfangs seien deshalb Verwechslungen nicht auszuschließen. Der Klang beider Marken werde wesentlich von der gemeinsamen Lautfolge "(e)-ella" bestimmt. Die Vokale "i" und "e" seien klanglich ähnlich. Die Kennzeichnungsschwäche der Endung "-ella" werde dadurch zurückgedrängt, daß der Ton beider Marken regelmäßig auf der Mittelsilbe liege und der Wortteil "-ella" daher den Gesamtklang erheblich mitpräge. Die Anfangslaute "C" und "L" seien nicht besonders deutlich verschieden. Der Mitlaut "b'" sei in beiden Zeichenworten identisch enthalten. Außerdem handele es sich um Massenartikel, bei denen der Verbraucher keine allzu große Aufmerksamkeit aufwende.

Sie beantragt sinngemäß, die Beschlüsse vom 1. Juli 1998 und 1. Dezember 1999 aufzuheben und die angegriffene Marke für "alkoholfreie Getränke, alkoholfreie Fruchtgetränke, Fruchtteegetränke, Fruchtsaftgetränke, Obst- und Gemüsesäfte, isotonische Getränke" und außerdem für "Sirupe und andere alkoholfreie Präparate für die Zubereitung von Getränken" zu löschen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie bestreitet nach wie vor die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke, weil sich aus der eidesstattlichen Versicherung nicht ergebe, wie sich die angegebenen Mengen auf die einzelnen Waren verteilten. Dies sei notwendig gewesen, um festzustellen, für welche Waren im einzelnen die Widerspruchsmarke rechtserhaltend benutzt worden sei. Auch sei der Gesamtumsatz nicht geeignet, im Vergleich mit dem Umsatz aller Getränkehersteller zu einer gesteigerten Kennzeichnungskraft gelangen zu können. Eine erhöhte Verkehrsbekanntheit hätte sich nur durch eine Verkehrsbefragung annähernd zutreffend ermitteln lassen.

Eine Verwechslungsgefahr aus der Entscheidung 24 W (pat) 326/59 herleiten zu wollen, sei schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil in dem dortigen Fall die ersten, stärker kennzeichnenden Silben "Li-" und "Bi-" im Vokal übereinstimmten. Die Widerspruchsmarke "Libella" sei wesensgleich mit "Libelle", womit jedermann im deutschen Sprachraum ein Insekt verbinde.

II.

Die nach § 66 Abs 1, 2 und 5 MarkenG zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist unbegründet, da eine Verwechslungsgefahr der Vergleichsmarken im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG nicht besteht.

Nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen älteren Marke und der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfaßten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, daß die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Frage der Verwechslungsgefahr ist dabei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH WRP 1998, 39, 41 "Sabèl/Puma"). Die markenrechtliche Ähnlichkeit ist hierbei nach den die Vergleichsmarken unterscheidenden und dominierenden Elementen zu beurteilen (vgl EuGH GRUR Int 1999, 734, 736 "Lloyd"; BGH GRUR 2000, 506, 509 "ATTACHÉ/TISSERAND").

Hiernach ist eine Verwechslungsgefahr der Vergleichsmarken nicht gegeben. Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr kann eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke und eine erhebliche Warennähe unterstellt werden, so daß grundsätzlich strenge Anforderungen an den Markenabstand zu stellen sind (BGH GRUR 1995, 216, 219 "Oxygenol II"). Dabei kann aber nur von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen werden, nachdem die Markeninhaberin eine erhöhte Verkehrsbekanntheit bestritten hat. Wenngleich das Bestreiten nicht dazu führt, daß die Behauptung einer gesteigerten Kennzeichnungskraft schlechthin unberücksichtigt bleibt, muß doch eine abschließende Beurteilung ohne weitere Ermittlungen möglich sein (BPatG GRUR 1997, 840, 842 "Lindora/Linola"). Die angegebenen Umsatzzahlen erlauben keine hinreichend klaren Rückschlüsse auf einen durch entsprechende Bekanntheit gesteigerten Schutzumfang (vgl die - in Kurzform bei PAVIS veröffentlichten - Entscheidungen des BPatG 25 W (pat) 267/99; 25 W (pat) 527/98; 25 W (pat) 130/98; 30 W (pat) 19/95, 30 W (pat) 127/99; 33 W (pat) 163/98; vgl auch Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 139), da in der Regel nur Verkehrsbefragungen oder möglicherweise ein vergleichsweise hoher Werbeaufwand zeigen können, inwieweit eine Marke den Verbrauchern bekannt ist. Dazu hat die Widersprechende in der mündlichen Verhandlung sogar einräumen müssen, daß sie erst seit zwei Jahren durch eine Intensivierung der Werbung versucht, die Widerspruchsmarke "wieder in den Vordergrund zu rücken", ein Umstand, der nicht geeignet ist, eine durch Bekanntheit gesteigerte Kennzeichnungskraft zum Zeitpunkt der Anmeldung (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 9 Rdn 139), im Januar 1997 zu belegen.

Ausgehend von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und einer erheblichen Warennähe reichen die zwischen den Vergleichsmarken bestehenden Unterschiede aus, um ein sicheres Auseinanderhalten gewährleisten zu können. Wenngleich die sich gegenüberstehnden Marken lediglich in den ersten beiden Buchstaben "CE-" und "Li-" voneinander abweichen, ist der Verkehr wegen der häufig vorkommenden und damit verbrauchten Endung "-ella" bzw "bella" (vgl Heil, Verwechslungsgefahr 1976 bis 1984, Anhang Wort-Endungen, S 189) gezwungen, besonders auf die sonstigen Unterschiede zu achten (vgl BGH GRUR 2000, 605, 606 "comtes/ComTel"). Da sich die Abweichung zudem am erfahrungsgemäß stärker beachteten Wortanfang befindet, werden die Unterschiede sowohl in klanglicher als auch in schriftbildlicher Hinsicht nicht unbemerkt bleiben.

Akustisch weichen das "C" und das "L" deutlich voneinander ab. Sowohl bei einer Aussprache des "C" in "Cebella" wie "Z" als auch (wie in "Cello") "Tsch" besteht eine erhebliche klangliche Abweichung zu dem "L" in "Libella". Zudem tragen auch die Unterschiede in den Vokalen "e" und "i" zu einem unterschiedlichen Gesamteindruck bei. Darüber hinaus erinnert die Widerspruchsmarke "Libella" an die jedermann geläufige Bezeichnung "Libelle" (Insekt und Haarspange) so daß auch dieser ohne weiteres erkennbare Begriffsanklang der Gefahr von Verwechslungen zusätzlich entgegenwirkt.

Darüber hinaus besteht auch nicht die Gefahr schriftbildlicher Verwechslungen. Die Vergleichsmarken unterscheiden sich sowohl bei Klein- als auch Großschreibung hinreichend deutlich voneinander. Angesichts der verstärkten Aufmerksamkeit, die dem Wortanfang ohnehin und wegen der verbrauchten Endung im vorliegenden Fall in besonderem Maße zukommt, führen die Unterschiede in den Buchstaben "CE(ce)" und "LI(li)" zu deutlich erkennbaren figürlichen Abweichungen.

Die Entscheidung des 24. Senats vom 23. Juli 1977 - 24 W (pat) 316/75 - worin eine Kollisionsgefahr zwischen "Libella/Bizella" festgestellt worden war, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die dort zu beurteilenden Marken sind schon deshalb nicht mit der vorliegenden Fallkonstellation vergleichbar, weil "Bizzella" als zweiten Buchstaben denselben Vokal wie "Libella" aufweist.

Eine Kostenauferlegung ist nach der Sach- und Rechtslage nicht veranlaßt (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Winkler Dr. Fuchs-Wissemann Klantebr/Hu/Na






BPatG:
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