Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. März 2001
Aktenzeichen: 17 W (pat) 4/00

(BPatG: Beschluss v. 15.03.2001, Az.: 17 W (pat) 4/00)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G 07 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Oktober 1999 aufgehoben und das nachgesuchte Patent 38 41 394 unter der Bezeichnung "Verfahren für die Ausgabe von Postgebühren" mit folgenden Unterlagen erteilt:

Patentansprüche 1 bis 8, Beschreibung Seiten 1 bis 4 und 4a bis 16, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, 8 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 7 B, eingegangen am 22. Dezember 1988.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung ist am 8. Dezember 1988 beim Deutschen Patentamt mit der Bezeichnung

"Sicherheitssystem für die Ausgabe von Postgebühren"

eingereicht worden.

Sie wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G07B mit Beschluß vom 26. Oktober 1999 mit der Begründung zurückgewiesen, daß der beanspruchte Gegenstand dem Patentschutz nicht zugänglich sei, weil es sich bei ihm um eineOrganisationsregel für geschäftliche Tätigkeiten handle. Im Erstbescheid hat die Prüfungsstelle unter Bezug auf die Druckschriften 1) DE 36 44 319 A1 und 2) US 4 423 287 zusätzlich das Vorhandensein erfinderischer Tätigkeit bezweifelt.

Gegen den genannten Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Sie hat ihre Anmeldung auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Ansprüche 1 bis 8 weiterverfolgt.

Der Anspruch 1 lautet:

"Verfahren für die Ausgabe von Postgebühren in einem System mit einem als Eingabegerät dienenden Computer (12), einem Datenmeßzentrum (24), einem Drucker (16) und einem Geldmittelsteuerzentrum (26), mit folgenden Schritten:

a) Empfangen und Speichern einer Postversandinformation vom Computer (12), die eine der Anzahl von zu übersendenden Poststücken zugeordnete Adressenliste und eine die Postgebühr für die Poststücke anzeigende Information umfaßt, in dem Datenmeßzentrum (24), wobei die zu übersendenden Poststücke eine Versandmenge bilden;

b) Berechnen der für die Versandmenge erforderlichen Gesamtpostgebühr im Datenmeßzentrum (24);

c) Errichten einer Kommunikation zwischen dem Datenmeßzentrum (24) und dem Geldmittelsteuerzentrum (26), wobei das Geldmittelsteuerzentrum (26) einen Datenwert empfängt, der mit der Versandmenge in Beziehung steht und zusätzlich die Gesamtpostgebühr enthält;

d) Überweisen eines Geldbetrags in Höhe der gesamten Postgebühr an einen Beförderungsdienst;

e) nach der Durchführung der Geldüberweisung, Erzeugen eines Verschlüsselungsschlüssels und einer Versandmengenkennung, Speichern dieser Größen in einem Speicher (98) und Übersenden dieser Größen an das Datenmeßzentrum (24) als Bestätigung für die getätigte Geldüberweisung;

f) Empfangen des Verschlüsselungsschlüssels und der Versandmengenkennung in dem Datenmeßzentrum (24) und Erzeugen einer verschlüsselten, für jede Adresse in der Adressenliste eindeutige Zahl, undg) Ausgeben der Adressenliste an den Computer (12) oder den Drucker (16), wobei jede Adresse in der Liste mit der eindeutigen und verschlüsselten Zahl versehen ist."

Die Anmelderin trägt zur Begründung ihrer Beschwerde vor, daß beim herkömmlichen Frankierbetrieb mit Fernnachladung bei den am Frankierort eingesetzten Vorrichtungen entsprechende Sicherheitsmaßnahmen hinsichtlich der Portoguthabensspeicherung und der Portoabrechnung notwendig seien. Bei einer Vorgehensweise nach der beanspruchten Lehre seien solche kostspieligen Maßnahmen nicht erforderlich. Gegenüber dem im Erteilungsverfahren herangezogenen Stand der Technik sei diese Lehre neu und beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit.

Die Anmelderin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 8, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Seiten 1 bis 4 und 4a bis 16, überreicht in der mündlichen Verhandlung, 8 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 7B, eingegangen am 22. Dezember 1988.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet, da der beanspruchte Gegenstand nach den §§ 1 bis 5 PatG patentfähig ist.

Der Erteilungsantrag ist zulässig.

Der geltende Anspruch 1 geht aus den ursprünglichen Ansprüchen 10 und 15 sowie S. 11, 1. Abs., S. 14, 3. Abs. und S. 17, 1. Abs. der ursprünglich eingereichten Beschreibung hervor.

Die geltenden Ansprüche 2 bis 6 und 8 sind durch die Ansprüche 11 bis 15 und 17 vom Anmeldetag ursprünglich offenbart. Der geltende Anspruch 7 geht aus dem Anspruch 16 sowie aus S. 18, le. Abs. mit S. 19, 1. Abs. mit Fig. 5b, jeweils vom Anmeldetag, hervor.

Die Änderungen in der Beschreibung sind nur von redaktioneller Art und demzufolge ebenfalls zulässig.

Der Anspruch 1 bezieht sich auf ein Verfahren für die Ausgabe von Postgebühren in einem System mit einem als Eingabegerät dienenden Computer (12), einem Datenmeßzentrum (24), einem Drucker (16) und einem Geldmittelsteuerzentrum (26), das folgende Schritte umfaßt:

a) Empfangen und Speichern einer Postversandinformation vom Computer (12), die eine der Anzahl von zu übersendenden Poststücken zugeordnete Adressenliste und eine die Postgebühr für die Poststücke anzeigende Information umfaßt, in dem Datenmeßzentrum (24), wobei die zu übersendenden Poststücke eine Versandmenge bilden;

b) Berechnen der für die Versandmenge erforderlichen Gesamtpostgebühr im Datenmeßzentrum (24);

c) Errichten einer Kommunikation zwischen dem Datenmeßzentrum (24) und dem Geldmittelsteuerzentrum (26), wobei das Geldmittelsteuerzentrum (26) einen Datenwert empfängt, der mit der Versandmenge in Beziehung steht und zusätzlich die Gesamtpostgebühr enthält;

d) Überweisen eines Geldbetrags in Höhe der gesamten Postgebühr an einen Beförderungsdienst;

e) nach der Durchführung der Geldüberweisung, Erzeugen eines Verschlüsselungsschlüssels und einer Versandmengenkennung, Speichern dieser Größen in einem Speicher (98) und Übersenden dieser Größen an das Datenmeßzentrum (24) als Bestätigung für die getätigte Geldüberweisung;

f) Empfangen des Verschlüsselungsschlüssels und der Versandmengenkennung in dem Datenmeßzentrum (24) und Erzeugen einer verschlüsselten, für jede Adresse in der Adressenliste eindeutige Zahl, undg) Ausgeben der Adressenliste an den Computer (12) oder den Drucker (16), wobei jede Adresse in der Liste mit der eindeutigen und verschlüsselten Zahl versehen ist.

Diese Lehre, die entsprechend der erfindungsgemäßen Aufgabe dazu dient, bei der Ausgabe von Postgebühren die Zahl der benötigten Durchläufe zu verringern, die Kosten zu senken und das Erfordernis, teure Anlagen benützen zu müssen, zu reduzieren, ist technisch und erschöpft sich nicht in einer bloßen Regel für eine geschäftliche Tätigkeit, da sie auf dem Gebiet des Postversandes zur Erstellung von Adressenlisten für Poststücke, die jeweils eine Versandmenge bilden, dient, wobei jede Adresse in der Liste mit einer eindeutigen und verschlüsselten Zahl (für spätere Frankierkontrollen) versehen ist. Die beanspruchte Lehre ist außerdem neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Im Prüfungsverfahren wurden, wie eingangs erwähnt, die Druckschriften 1) DE 36 44 319 A1 und 2) US 4 423 287 herangezogen.

Beim System nach Druckschrift 1 befindet sich beim Postversender eine gesicherte Verrechnungseinheit als Dienstgerät, die ähnlich einer Frankiermaschine - also auch mit deren Sicherheitsmerkmalen - ausgebildet ist und die zur Versendung von Stapelpost , d.h. von Poststücken, die eine Versandmenge bilden, dient (Sp. 9, Z. 3-8 und Z. 30-32). Zum Dienstgerät gehört ein fallendes Register, das von einer als Verrechnungsstelle für den Postdienst fungierenden Zentrale (Sp. 9, Z. 21, 22) aus mit Portoguthaben (unter Verwendung von Verschlüsselungstechniken beim hierbei erforderlichen Datenverkehr) bestückt werden kann (Sp. 12, Z. 62-68; Sp. 14, Z. 40-63). Bei jedem dieser Bestückungsvorgänge wird der Kundenstation von der Zentrale eine neue "Transaktionsnummer" zugeteilt (Sp. 15, Z. 24-38).

Ist ein Stapel Postgut zu versenden, so werden die entsprechenden Daten mit einem Prozessor 38 in das Dienstgerät eingegeben . Mit einem ersten Drucker werden dann die Poststücke mit Adresse und einer - gegebenenfalls verschlüsselten - Überprüfungszeile mit Datum, Transaktionsnummer etc. versehen (Sp. 15, Z. 11-24; Sp. 18, Z. 48 bis Sp. 19, Z. 9). Ein zweiter Drucker ist für den Aufdruck von stapelbezogenen Daten - nämlich Transaktionsnummer, Anzahl der Poststücke im Stapel, Betrag des fallenden Registers, Datum, Zeit, Klasse, Stapelnummer, laufende Nummer und einer für den jeweiligen Postgutstapel einmaligen, verschlüsselten Autorisierungsnummer - auf einen zum Postgutstapel gehörenden Pass zuständig (Sp. 16, Z. 3-11; Sp. 20, Z. 11-25). Diese Daten des Begleitpasses werden der Zentrale automatisch nach jeder Abarbeitung eines Stapels übermittelt und für spätere Kontrollen gespeichert (Sp. 16, Z. 49 bis Sp. 17, Z. 23).

Beim Gegenstand der Druckschrift 1 werden somit für jede Adresse in der zum jeweiligen Poststapel gehörenden Adressenliste verschlüsselte Daten erzeugt, wie es vergleichbar entsprechend den im geltenden Anspruch 1 enthaltenen Maßnahmen (Merkmale e) und f)) geschieht. Auch hinsichtlich der Speicherung des Verschlüsselungsschlüssels und einer Versandmengenkennung (für spätere Überprüfungen von Poststücken) nach Merkmal f) gibt es ähnliche Vorgehensweisen beim Stand der Technik nach Druckschrift 1, da auch dort die Speicherung vergleichbarer Daten für denselben Zweck vorgesehen ist (Sp. 16, Z. 49-54; Sp. 20, Z. 11-25).

Diese für sich aus der Druckschrift 1 bekannten Maßnahmen sind jedoch nicht patenthindernd, da der nach der weiteren Lehre des geltenden Anspruchs 1 vorgesehene Einsatz des Geldmittelsteuerzentrums für die jeweils versandmengenbezogene Überweisung der gesamten Postgebühr an den Postbeförderungsdienst und die darauffolgende Erzeugung eines Verschlüsselungsschlüssels es gestattet, auf die Portozuweisung an die beim Postversender befindliche Geräteausrüstung mit Computer und Drucker zu verzichten. Durch diese Verwendung des Geldmittelsteuerzentrums sind zum einen keine diesbezüglichen Sicherungsmaßnahmen bei der Geräteausrüstung des Postversenders erforderlich und zum anderen kann durch Wegfall der Portozuweisungen die Zahl der notwendigen Aktivitäten bei der Postversendung verringert werden. Druckschrift 1 vermag zu dieser Vorgehensweise keine Anregung zu geben. Demnach sind Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Verfahrens nach Anspruch 1 bezüglich dieser Druckschrift 1 gegeben.

In Druckschrift 2 wird ein Verfahren zur Verschlüsselung von Finanztransaktionsdaten beschrieben, bei dem sich die Verschlüsselungsprozedur bei jeder Übertragung ändert (Zusammenfassung; Sp. 3, Z. 12-30; Sp. 4, Z. 62-66). Dieser Stand der Technik geht über jenen von Druckschrift 1 in Richtung auf den beanspruchten Gegenstand im wesentlichen nicht hinaus, da - wie bereits erwähnt - beim Gegenstand von Druckschrift 1 auf den jeweils zu bearbeitenden Stapel Postgut bezogene, verschlüsselte Daten vom Dienstgerät des Postversenders zur Zentrale übertragen werden (Sp. 15, Z. 24-36; Sp. 16, Z. 34-54). Demnach vermag Druckschrift 2 weder für sich noch in Verbindung mit Druckschrift 1 die Patentierbarkeit des Verfahrens nach Anspruch 1 in Frage zu stellen.

Somit ist der Anspruch 1 gewährbar.

Die Ansprüche 2 bis 8 beinhalten zweckmäßige, nicht selbstverständliche Weiterbildungen der Erfindung und sind in Verbindung mit Anspruch 1 ebenfalls gewährbar.

Der Vorsitzende RichterGrimm ist wegenKrankheit an der Unterschrift gehindert.

Dr. Greis Dr. Greis Püschel Schuster Bb






BPatG:
Beschluss v. 15.03.2001
Az: 17 W (pat) 4/00


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/eb5f4623e182/BPatG_Beschluss_vom_15-Maerz-2001_Az_17-W-pat-4-00




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share