Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Dezember 2003
Aktenzeichen: 26 W (pat) 191/02

(BPatG: Beschluss v. 17.12.2003, Az.: 26 W (pat) 191/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 4. Juli 2002 und vom 7. Juli 1999 dahingehend geändert, daß die angegriffene Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 183 158 zu löschen ist für die Waren und Dienstleistungen "Weine, Schaumweine, weinhaltige Getränke; Unterhaltung, kulturelle Aktivitäten, Durchführen von Weinproben; Verpflegung von Gästen".

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für die Waren und Dienstleistungen

"Weine, Schaumweine, weinhaltige Getränke; Datenträger (einschließlich mit Daten beschriebene Datenträger), Videofilme; Druckerei- und Verlagserzeugnisse, Photographien; Unterhaltung, kulturelle Aktivitäten, Durchführen von Weinproben; Verpflegung von Gästen"

unter der Nummer 397 54 364 eingetragene Marke Goetheweinprobeist Widerspruch erhoben worden aus der Marke 1 183 158 Goethe, die für die Waren

"Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere), nämlich Wein und Sekt"

eingetragen ist.

Die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diesen Widerspruch zunächst wegen mangelnder Glaubhaftmachung der bestrittenen Benutzung zurückgewiesen. Die hiergegen von der Widersprechenden eingelegte Erinnerung hat der Erinnerungsprüfer zurückgewiesen und ausgeführt, zwischen den Vergleichszeichen bestehe auch bei Anlegen eines überdurchschnittlich strengen Maßstabs keine Verwechslungsgefahr. Die angegriffene Marke hebe sich in klanglicher, schriftbildlicher und begrifflicher Hinsicht deutlich von der Widerspruchsmarke ab. Eine Verwechslungsgefahr allein wegen des Bestandteils "Goethe" in der angegriffenen Marke könne nicht angenommen werden, da sich die beiden Zeichenelemente "Goethe" und "Weinprobe" zu einem Gesamtbegriff verbänden. Auch die Gefahr, dass die Vergleichsmarken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht würden, bestehe nicht. Dem betreffenden Bestandteil komme nämlich in der angegriffenen Marke nicht die Bedeutung eines eigenständigen betrieblichen Herkunftshinweises zu. Auch habe die Widersprechende nicht dargelegt, den Verkehr bereits an eine Serie aus ähnlich gebildeten Marken mit dem Stammbestandteil "Goethe" gewöhnt zu haben. Schließlich könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Name "Goethe" für Weinerzeugnisse der Widersprechenden bereits einen derartigen Bekanntheitsgrad erlangt habe, dass er in jeglichem Zusammenhang als Kennzeichen ihres Unternehmens anzusehen sei.

Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie legt zusätzlich zu den bereits im Verfahren vor dem Patentamt eingereichten Unterlagen weitere Benutzungsnachweise für den Zeitraum von 1998 bis 2003 vor. Darunter befinden sich zwei eidesstattliche Versicherungen für den Zeitraum von 1998 bis 2003 sowie Weinpreislisten bzw deren Deckblätter, Weinetiketten und Rechnungen. Angesichts der besonderen Bedeutung Goethes im Bereich der Weine und deren markenrechtlicher Relevanz sei es für das maßgebliche Publikum unmöglich, durch Marken mit dem Wortbestandteil "Goethe" nicht an den anerkannt größten deutschen Dichter erinnert zu werden und solche Marken mit dem Namen und der Person selbst nicht gedanklich miteinander in Verbindung zu bringen. Die Widersprechende beantragt demgemäß, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Demgegenüber beantragt der Inhaber der angegriffenen Marke, die Beschwerde zurückzuweisen. Die Benutzung sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Da der Schutzumfang der Widerspruchsmarke eng auszulegen sei, bestehe keine Verwechslungsgefahr.

II.

Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Nach Ansicht des Senats ist im Umfang der Waren und Dienstleistungen "Weine, Schaumweine, weinhaltige Getränke; Unterhaltung, kulturelle Aktivitäten, Durchführen von Weinproben; Verpflegung von Gästen" eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabèl/Puma). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen kann durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND). Bei der Beurteilung der Waren- bzw Dienstleistungsähnlichkeit auf Seiten der Widerspruchsmarke ist von den Waren Wein und Sekt auszugehen. Der Inhaber der jüngeren Marke hat die Benutzung der Widerspruchsmarke zulässigerweise bereits im Verfahren vor dem Patentamt bestritten. Die dort im Schriftsatz vom 12. Oktober 1998 verwendete Formulierung lässt sich wohl noch als zeitlich uneingeschränktes Bestreiten (nicht nur für die Jahre 1993 bis 1998) auslegen, und erstreckt sich damit auf beide Tatbestände des § 43 Abs 1 MarkenG. Die Widersprechende hat die Benutzung ihrer Marke für die eingetragenen Waren "Wein, Sekt" nach Art, Umfang und Dauer hinreichend dargetan. Dabei ist die Art der Benutzung der Widerspruchsmarke zusammen mit einem Bildbestandteil nicht zu beanstanden, um so mehr, als sich das sog "R im Kreis" gerade an dem Wortbestandteil "Goethe" befindet. Wegen der hinreichenden Anzahl von Benutzungsdarlegungen mit dem Wort "Goethe" kommt es auch auf die von dem Inhaber der jüngeren Marke bemängelte Benutzung in der Wortzusammenstellung "Goethewein" nicht mehr an, wobei auch gegen eine solche Benutzung der Widerspruchsmarke in einem beschreibenden Zusammenhang und unter Hinzufügung eines ohne weiteres erkennbar beschreibenden zweiten Wortelements nicht unmittelbar rechtliche Bedenken bestehen. Die dargetane Dauer der Benutzung deckt die beiden Zeiträume des § 43 Abs 1 MarkenG ohne weiteres ab, wobei an dieser Stelle nochmals zu betonen sei, daß es sich bei der Glaubhaftmachung um die Darlegung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit, nicht aber um eine lückenlose Beweisführung handelt. Der in den eidesstattlichen Versicherungen dargelegte Umfang der Benutzung ist zwar nicht sehr hoch, angesichts der Größe des Unternehmens (Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 26 Rdnr 81) und der Dauer der Benutzung bestehen jedoch keine Anhaltspunkte, an der Ernsthaftigkeit der Benutzungshandlungen zu zweifeln. Ein Anlaß, die Vorlage jedenfalls von Teilen der Benutzungsunterlagen als verspätet anzusehen, besteht nicht. Sogar erstmalig in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Unterlagen können nur dann zurückgewiesen werden, wenn eine Verzögerung des Verfahrens nicht zu vermeiden wäre (Ströbele/Hacker, aaO, § 43 Rdnr 64). Ausgehend von den Waren Wein und Sekt der Widerspruchsmarke besteht eine Warenidentität mit den Waren "Weine, Schaumweine" der jüngeren Marke und eine Warenähnlichkeit mindestens mittleren Grades mit weinhaltigen Getränken (Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl, S 362 reSp). Eine wenigstens mittlere Ähnlichkeit besteht auch zwischen den Waren der Widerspruchsmarke und den Dienstleistungen "Unterhaltung, kulturelle Aktivitäten, Durchführen von Weinproben; Verpflegung von Gästen". Eine Ähnlichkeit von Waren bzw Dienstleistungen liegt nämlich vor, wenn sie in Berücksichtigung aller erheblicher Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen - insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte und Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe - , so enge Berührungspunkte aufweisen, daß die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder ggf wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie mit identischen Marken gekennzeichnet sind (BGH GRUR 1999, 245 - LIBERO; 1999, 496 - TIFFANY; 2001, 507 - EVIAN/REVIAN). Die Waren der Widerspruchsmarke und die genannten Dienstleistungen werden teilweise von denselben Herstellern bzw Dienstleistern erzeugt und vertrieben bzw erbracht und können einander insoweit ergänzen.

Damit sind an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Abstand mindestens mittlere Anforderungen zu stellen, selbst wenn der Widerspruchsmarke eine lediglich geringe Kennzeichnungskraft zugebilligt würde. Diesen Anforderungen wird die jüngere Marke aber nicht gerecht. Allerdings ist eine unmittelbare Verwechslungsgefahr der Vergleichsmarken zu verneinen. Die Markenwörter "Goethe" und "Goetheweinprobe" weisen in ihrer Gesamtheit hinreichende Unterschiede auf. Zudem darf bei einem einheitlichen Markenwort wie "Goetheweinprobe" nicht ohne weiteres auf einzelne Bestandteile abgestellt werden, welche den "Gesamteindruck" des einheitlichen Worts prägen und insoweit für sich gesehen eine unmittelbare Verwechslungsgefahr mit anderen Marken begründen könnten. Diese gesamtbegriffliche Einheit der angegriffenen Marke steht auch der Annahme einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der "Abspaltung" entgegen (Ströbele/Hacker, aaO, § 9 Rdnr 444). Selbst wenn der Zeichenbestandteil "-weinprobe" im Hinblick auf eine ebensolche als beschreibend empfunden wird, rechtfertigt dies - unabhängig von branchentypischen Einschränkungen wie zum Beispiel auf dem Gebiet der Arzneimittelkennzeichnung - nicht die Anwendung der Abspaltung aus einem einheitlichen Wort.

Die Vergleichsmarken sind jedoch insoweit verwechselbar, als sie gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden können (§ 9 Abs 1 Nr 2 letzter Halbs MarkenG). Allerdings setzt die Annahme, der Verkehr werde als unterschiedlich erkannte Marken verwechseln, weil er sie beide einer Markenserie der Widersprechenden zuordnet, das Bestehen eines Stammbestandteils voraus, dem Hinweischarakter auf den Inhaber der älteren Marke zukommt. Eine Markenserie hat weder die Widersprechende vorgetragen noch ist eine solche gerichtsbekannt. Jedoch umfasst die Verwechslungsgefahr durch gedankliche Verbindung iSv § 9 Abs 1 Nr 2 auch andere Fallgestaltungen (vgl hierzu auch BGH GRUR 2000, 608, 609 "ARD-1"). Zwar kann das bloße Vorhandensein eines übereinstimmenden Wortteils allein noch nicht die Annahme einer derartigen Verwechslungsgefahr begründen, zumal hierfür nicht jegliche, wie auch immer geartete gedankliche Assoziationen ausreichen (st Rspr, vgl zB BGH GRUR 1999, 735, 736 "MONOFLAM/POLYFLAM"). Maßgeblich ist vielmehr, ob die als unterschiedlich erkannten Vergleichsmarken wegen Übereinstimmungen in Teilbereichen oder aus anderen Gründen auf die Ursprungsidentität der betroffenen Waren (vgl EuGH GRUR 1998, 922, 924 "Canon"; GRUR 2001, 1148, 1149 "Bravo") oder auf sonstige wirtschaftliche und organisatorische Verbindungen deren Hersteller bzw Anbieter (vgl EuGH GRUR Int 1999, 734, 736 "Lloyd") schließen lassen. Hierbei können neben den übereinstimmenden auch die jeweils abweichenden Elemente von wesentlicher Bedeutung sein, indem sie zB wegen eigener Kennzeichnungsschwäche oder einer an Marken desselben Unternehmens erinnernden Wortbildung die Aufmerksamkeit des Verkehrs auf den gemeinsamen Markenteil lenken und diesen als das eigentliche Betriebskennzeichen erscheinen lassen (Ströbele/Hacker, aaO, § 9 Rdnr 488 ff mwNachw). Diese Voraussetzungen treffen für das Verhältnis der beiden Marken "Goethe" und "Goetheweinprobe" zu, die auf dem einschlägigen Warengebiet den Eindruck erwecken können, es handle sich um Kennzeichen desselben Unternehmens, so daß eine mittelbare Verwechslungsgefahr im Bereich der versagten Waren und Dienstleistungen nicht auszuschließen ist. Hier nämlich weist das Wortelement "-weinprobe" auf die Eignung der so bezeichneten Waren und Dienstleistungen hin, im Rahmen einer solchen verkostet oder serviert zu werden. Insoweit liegt für die angesprochenen Durchschnittsverbraucher die Annahme nahe, bei den mit der Bezeichnung "Goetheweinprobe" bezeichneten Waren und Dienstleistungen handle es sich um solche einer Marke "Goethe". Damit wird der Schutzbereich der Widerspruchsmarke "Goethe" durch die jüngere Marke "Goetheweinprobe" entscheidungserheblich beeinträchtigt. In diesem Umfang war der Beschwerde der Widersprechenden deshalb stattzugeben.

Im übrigen konnte die Beschwerde der Widersprechenden allerdings keinen Erfolg haben, da im Verhältnis der Waren "Wein und Sekt" der Widerspruchsmarke und der verbleibenden Waren "Datenträger (einschließlich mit Daten beschriebene Datenträger), Videofilme; Druckerei- und Verlagserzeugnisse, Photographien" der jüngeren Marke keinerlei Ähnlichkeit vorliegt. Diese Vergleichswaren unterscheiden sich in Beschaffenheit, betrieblicher Herkunft, wirtschaftlicher Bedeutung und Verwendung in einem solchen Maße, daß auch keine noch so entfernte Ähnlichkeit und damit Verwechslungsgefahr anzunehmen ist. Die Beschwerde war deshalb insoweit zurückzuweisen.

Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlaß, gemäß § 71 Abs 1 MarkenG einer der Verfahrensbeteiligten aus Gründen der Billigkeit die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Albert Reker Eder Bb






BPatG:
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Az: 26 W (pat) 191/02


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