Amtsgericht Essen:
Urteil vom 21. März 2005
Aktenzeichen: 11 C 81/05

(AG Essen: Urteil v. 21.03.2005, Az.: 11 C 81/05)

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von Gebührenansprüchen der Rechtsanwälte X und L, W-Ring 9, ..... F, gemäß Rechnung vom 16.11.2004 in Höhe von 76,94 € frei zu stellen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten einen Freistellungsanspruch wegen des Restbetrages eines Anwaltshonorars geltend.

Von ihrem Prozessbevollmächtigten wurden der Klägerin mit Rechnung vom 16.11.2004 Anwaltsgebühren für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 223,76 € in Rechnung gestellt, was einer 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2400 VV-RVG entspricht. Auf diesen Betrag hat die Beklagte 146,82 € gezahlt, so daß sich eine offene Forderung von 76,94 € ergibt.

Der anwaltlichen Tätigkeit lag ein Verkehrsunfallgeschehen zugrunde, an welchem die Klägerin und der bei der Beklagten Haftpflichtversicherte PKW des Unfallgegners beteiligt waren. Im Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ermittelten diese zunächst die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners, führten eine Eingangsbesprechung mit der Klägerin durch und holten ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung des Schadenswertes ein.

Es fand des weiteren eine weitere Besprechung mit der Klägerin bzgl. der Schadenshöhe am 02.11.2004 statt. Im Rahmen dieser Erörterung mußte die Partei aufgeklärt werden, daß die Anspruchshöhe durch Feststellung eines wirtschaftlichen Totalschadens beschränkt war. Zudem waren die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin mit dem Inkasso der Schadensforderung über die Konten der Rechtsanwaltskanzlei und Überwachung der Zahlung beauftragt.

Es wurde insgesamt ein Schaden ermittelt in Höhe von 1.799,28 €. Der Schadensersatzbetrag wurde innerhalb weniger Tage durch die Beklagte reguliert, ohne dass von der Beklagten irgendwelche Einwendungen gegenüber dem Anspruch der Klägerin erhoben worden wären und ohne daß eine weitere Korrespondenz mit der Beklagten geführt worden wäre.

Die Klägerin ist der Ansicht:

Der Rechnungserstellung läge die Mittelgebühr von 1,5 gemäß Nr. 2400 VV-RVG zugrunde. Dieser grundsätzlich angefallene Gebührenwert sei deshalb nicht angesetzt worden, da Nr. 2400 VV- RVG vorschreibe, daß eine Gebühr von mehr als 1,3 nur dann gefordert werden könne, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig gewesen sei. Jedenfalls sei jedoch die sogenannte Schwellengebühr von 1,3 anzusetzen. Der Gesetzgeber habe mit Einführung des RVG ausdrücklich eine Gebührenerhebung vornehmen wollen und die nach der BRAGO möglichen drei Gebühren auf jedenfalls eine reduzieren wollen, so daß mit dieser einen Gebühr die in der Regel nach BRAGO anfallenden Geschäfts- und Besprechungsgebühren abgegolten werden sollte, die nach der Mittelgebühr insgesamt 15 / 10 betragen habe. Bei der Abwicklung eines üblichen Verkehrsunfalles handele es sich grundsätzlich um eine durchschnittliche Angelegenheit, bei der der Mittelwert zugrunde zu legen sei.

Die Klägerin beantragt,

Die Beklagte zu verurteilen, sie in Höhe von 96,96 € gemäß der Rechnung vom 16.11.2004 der Rechtsanwälte X und L, W-Ring 9, ..... F, freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht:

Die Inanspruchnahme der anwaltlichen Hilfe bei der Regulierung des vorliegenden Verkehrsunfalls sei nicht notwendig gewesen. Die Beklagte habe bereits zwei Tage nach dem Unfallgeschehen ihre Eintrittspflicht mitgeteilt. Auf Grund eines einfachen Vorfahrtsverstoßes des Versicherungsnehmers der Beklagten sei die Haftungslage völlig eindeutig gewesen. Eine Geschäftsgebühr sei jedoch maximal in Höhe von 0,8 entstanden, die auch von der Beklagten reguliert worden sei. Eine Gebühr von mehr als 1,3 könne nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig gewesen sei. Eine Regelgebühr von 1,3 könne nur angesetzt werden, wenn die Sache dem Umfang und der Schwierigkeit der Sache nach von durchschnittlicher Natur gewesen sei.

Vorliegend habe es sich jedoch um eine einfache rechtliche Angelegenheit gehandelt, so daß lediglich eine 0,8 Geschäftsgebühr angemessen sei. Nach der alten BRAGO sei für den vorliegenden Fall allenfalls eine Geschäftsgebühr in Höhe von 7,5/10 erstattungsfähig gewesen, so daß eine 8 / 10-Gebühr nach BRAGO, wie sie vorliegend reguliert wurde, angemessen sei. Für eine übliche Schadensregulierung sei eine Geschäftsgebühr von 1,0 angemessen und im Hinblick auf die unterdurchschnittliche Schadensregulierung im vorliegenden Fall müsse dieser Wert unterschritten werden.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf weiteren Schadensersatz aus dem Verkehrsunfallereignis vom 25.10.2004 in ..... F, W Berg / M-Straße, gerichtet auf Freistellung von den restlichen Anwaltsgebühren aus der Rechnung ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 16.11.2004 aus § 3 Pflichtversicherungsgesetz in Verbindung mit 249 BGB und §§ 2,13. 14 RVG in Verbindung mit Nr. 2400 VV-RVG zu.

Zu den Schäden, die der Schädiger im Rahmen eines Verkehrsunfallereignisses dem Geschädigten zu ersetzen hat, gehören auch die Anwaltskosten, die dem Geschädigten für die außergerichtlichen Geltendmachung von Ersatzansprüchen entstehen.

Das Gericht ist der Auffassung, das auch im vorliegenden Fall eine Geschäftsgebühr von 1,3 gerechtfertigt ist.

Die Geschäftsgebühr gemäß den §§ 13, 14 RVG in Verbindung mit Nr. 2400 VV-RVG ist an die Stelle des § 118 BRAGO getreten. Nach der Neufassung des anwaltlichen Gebührenrechts im RVG soll nunmehr für alle in einer Angelegenheit anfallenden Tätigkeiten des Rechtsanwalts lediglich eine Gebühr anfallen. Für die außergerichtliche Gebühr eines Rechtsanwalts ist dies in erster Linie die Geschäftsgebühr mit einem Gebührensatzrahmen von 0,5 bis 2,5. Unter Berücksichtigung der in § 14 RVG enthaltenen Grundsätze ist nach Auffasusng des erkennenden Gerichts davon auszugehen, daß im Rahmen der Gebühren Nr. 2400 VV-RVG in durchschnittlichen Angelegenheiten grundsätzlich von der Mittelgebühr (1,5) auszugehen ist. Dies wird jedoch durch die Anmerkung zu Nr. 2400 VV-RVG dahingehend eingeschränkt, daß eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Wenn jedoch Umfang und Schwierigkeit der Sache von durchschnittlicher Natur sind, verbleibt es nach den so formulierten Willen des Gesetzgebers bei der Regelgebühr bei 1,3 (vgl. insoweit auch das Urteil des AG Landstuhl vom 23.11.2004 in NJW 2005, Seite 161).

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts handelt es sich - auch bei der zügigen Abwicklung eines Schadenersatzanspruchs aufgrund eines Verkehrsunfalles - um eine durchschnittliche Angelegenheit. Dementsprechend wurde auch früher im Rahmen des § 118 BRAGO insoweit die Mittelgebühr von 7,5 /10 in Ansatz gebracht. Durch die Geschäftsgebühr nach Nummer 2400 VV RVG wird die außergerichtliche Tätigkeit des Prozeßbevollmächtigten des Geschädigten, die in dem Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information und möglicherweise auch der Teilnahme an Besprechungen besteht, im vollem Umfang abgegolten. Bei der Abwicklung eines Schadenersatzanspruchs aus einem Verkehrsunfall gehört dazu in der Regel, daß der Anwalt zunächst die Haftpflichtversicherung des Schädigers zu ermitteln hat und dann mit dem Geschädigten den tatsächlichen Hergang des Unfallgeschehen zu erörtern hat, um insoweit festzustellen, ob und in welchem Umfang Schadensersatzansprüche gegenüber der anderen Unfallbeteiligten geltend gemacht werden können. Im Anschluß daran hat der Rechtsanwalt die möglichen Schadensposition zu ermitteln und mit dem Geschädigten und gegebenenfalls auch mit dem Sachverständigen zu besprechen.

Insoweit handelt es sich bei dem vorliegenden Fall um den typischen bei einem Verkehrsunfall anfallenden Geschäftsablauf. Es handelte sich nicht um eine Angelegenheit, deren Behandlung keine besonderen Schwierigkeiten bereitete und die sich nach Auffassung des Gerichts als eine "durchschnittliche” Angelegenheit darstellt.

Es ist insbesondere zu berücksichtigen, daß durch die Gebühr Nr. 2400 VV RVG im Gegensatz zu der Regelung der Anwaltsgebühren in der BRAGO auch im Zusammenhang mit der Abwicklung des Verkehrsunfalls schadensanfallende Besprechungen abgegolten werden. Es soll nunmehr nach den Grundsätzen des RVG den außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts in Verkehrsunfallsachen durch eine Gebühr gemäß Nr. 2400 VV RVG voll abgedeckt werden, so daß durch rechtzeitige Kontaktaufnahme zwischen den Prozeßbevollmächtigten des Geschädigten und dem Versicherer eine außergerichtliche Regelung herbeigeführt werden kann, ohne daß im Rahmen eines zuführenden Prozesses weitere Rechtsanwaltsgebühren anfallen, mit denen dann möglicherweise im Ergebnis der Versicherer des Schädigers belastet werden könnte. Mit der Zusammenfassung der Rechtsanwaltsgebühren in einer Gebühr wird durch den Gesetzgeber auch zum Ausdruck gebracht, daß das gesamte außergerichtliche Tätigwerden durch diesem eine Gebühr abgegolten werden soll, ohne daß im Einzelfall jedes Mal konkret überprüft werden soll, ob tatsächlich eine Besprechung zwischen Haftpflichtversicherer und dem Rechtsanwalt des Geschädigten stattgefunden hat. Bei einer Angelegenheit von durchschnittlicher Schwierigkeit und Umfang fällt dann insgesamt die Gebühr von 1,3 an.

Lediglich wenn sich Besonderheiten ergeben hinsichtlich der Schwierigkeit und des Umfanges kann diese Gebühr überschritten werden.

Die Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer gemäß § 14 Abs. 2 RVG war nicht erforderlich, da in dieser Vorschrift mit "Rechtsstreit” lediglich der Gebührenprozeß zwischen dem Anwalt und seinem Auftraggeber zu verstehen ist, nicht aber - wie vorliegend - der Schadensersatzanspruch seines des Auftraggebers des Rechtsanwalts gegen seinen Gegner, (vgl. Gerold - Schmidt -Mardert RVG 16. Auflage, § 14 Rdnr. 109, 112).

Die Klageforderung ist lediglich im tenorierten Umfang begründet, da die Beklagte nach Rechtshängigkeit einen Teilbetrag von 19,82 € gezahlt hat.

Das Gericht hat die Berufung zugelassen, da die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung dies erfordert.

Die prozessualen Nebenentscheidung beruhen auf den §§ 91, 92 Abs.2, 708 Nr. 11, 713 ZPO.






AG Essen:
Urteil v. 21.03.2005
Az: 11 C 81/05


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