Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 4. Juni 2009
Aktenzeichen: 16 U 204/08

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 04.06.2009, Az.: 16 U 204/08)

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19.9.2008 € 2-12 O 102/07 € wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger beansprucht von den beklagten Mitgliedern einer Rechtsanwaltssozietät Schadensersatz wegen anwaltlicher Pflichtverletzungen.

Der Kläger erstrebte die Durchsetzung mehrerer gegenüber seinem Schuldner A, einem rechtskräftig verurteilen und inzwischen verstorbenen Kreditbetrüger, titulierter Ansprüche. Auf schriftliche Empfehlung einer ihm bekannten weiteren Geschädigten, Frau B, vom 15.3.00 wandte er sich an Rechtsanwalt Dr. C (den Beklagten und Berufungsbeklagten zu 1), Mitglied der Sozietät der Beklagten, der Frau B schon in ihrem Schadensersatzprozess gegen A vertreten hatte, und beauftragte ihn mit Schreiben vom 16.3.2000, auf Grundlage der vorliegenden Titel Pfändungen der Rückkaufswerte von vier Lebensversicherungen des Schuldners auszubringen. Mit Schreiben vom 17.3.2000 teilte er dem Beklagten zu 1) ferner mit, er fühle sich von seinem vormaligen anwaltlichen Vertreter im Zusammenhang mit dieser Rechtsangelegenheit €benachteiligt€, und fragte an, ob man €hier nicht auch etwas tun könnte€; er stützte dies darauf, dass €es immer derselbe Anwalt€ gewesen sei€ und €es bei Frau B immer auf Anhieb funktioniert€ habe, bei ihm hingegen nur im €zweiten Anlauf€, er €neige dazu, hier eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung zu sehen€. Dieser Anwalt hatte sowohl Frau B als auch den Kläger hinsichtlich der Wahrnehmung ihrer Ansprüche gegenüber A vertreten.

Der Beklagte zu 1) erwirkte zugunsten des Klägers am 2.4.2000 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, der der Lebensversicherung (D) als Drittschuldnerin am 2.5.2000 zugestellt wurde. Es lagen vorrangige Pfändungen zugunsten eines Unternehmens des Schuldners (erstrangig, Forderung rund 380.000.- DM) und zugunsten von Frau B (seit 7.1.93, Forderung knapp 98.000.- DM) vor. Die Drittschuldnerin bezifferte den Rückkaufswert der Lebensversicherungen mit 145.445,98 €. Der der erstrangigen Pfändung zugrundeliegende Pfändungs- und Überweisungsbeschluss war mangels darin enthaltenen Drittschuldnerverbots unwirksam, was der Beklagte zu 1) allerdings übersah. Auf Anfrage des Klägers vom 14.11.2000 teilte der Beklagte zu 1) dem Kläger mit, nach zwischenzeitlicher Löschung des aus der erstrangigen Pfändung berechtigten Unternehmens könnte er €Anfechtungsklage€ erheben; dazu kam es nicht. Als der Beklagte zu 1) am 22.6.01 schriftlich anfragte, ob €angesichts der fehlenden Kostendeckung die Anfechtungsakte € geschlossen werden€ solle, antwortete der Kläger mit Schreiben vom 29.6.01, er wolle dies €bejahen, weil er für eine solche Klage weder einen Sinn sehe noch kostendeckenden Rechtsschutz€ habe; darüber hinaus sehe er €auch gewisse Interessenskollisionen im Hinblick auf die gleichzeitige Mandantschaft mit Frau B€, die €wohl eher zu einer abwartenden Haltung€ tendiere und im Gegensatz zu ihm €ihre wesentlichen Interessen bereits befriedigen€ konnte. Bereits zuvor hatte der Beklagte zu 1) für Frau B Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung gegen das Unternehmen des Schädigers wegen einer Forderungshöhe von 112.659,34 € erhoben; diese Klage der Frau B hatte im Ergebnis Erfolg; sie obsiegte am 7.6.02 durch Versäumnisurteil.

Aufgrund eines Schreibens des Amtsgerichts O1 vom 2.5.2000 wurde dem Kläger bekannt, dass eine Grundpfandgläubigerin einer im Gerichtsbezirk gelegenen Immobilie des Schuldners auf einen Teil des Grundschuldkapitals (in Höhe von 128.300.- DM) verzichte und daraufhin die Eigentümerrechte des Schuldners pfändbar würden; tatsächlich sah der Verteilungsplan 110.356,85 DM als Forderung As vor. Der Kläger fragte bei dem Beklagten zu 1) an, ob er den vorliegenden € nämlich für die Pfändung der Lebensversicherungsrückkaufwerte erwirkten - Pfändungs- und Überweisungsbeschluss dem Amtsgericht O1 übersandt habe, sonst solle er das tun, damit ihm der sonst A zufallende Betrag zukomme. Der Beklagte zu 1) unternahm nichts. Der Kläger beauftragte ihn mit weiterem Schreiben vom 10.5.2000, seine Rechte im Versteigerungstermin am 19.5.2000 wahrzunehmen. Am 17.5.2000 hatte der Beklagte zu 1) einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss für Frau B erwirkt, auf dessen Grundlage der Restzuteilungsbetrag an Frau B ausgezahlt wurde.

Der Kläger ging leer aus. Mit Schreiben vom 30.10.2002 entzog er dem Beklagten zu 1) unter Bezugnahme auf die Parallelvertretung das Mandat und führte aus, er sehe €in der Tat€ seinen €seinerzeitigen Verdacht auf eine bestehende Interessenkollision für gegeben€

Eine später durch den Beklagten zu 1) für Frau B erhobene Klage gegen die Lebensversicherungsgesellschaft hatte teilweise Erfolg; hieraus erlangte sie weiteren Schadensersatz in Höhe von ca. 37.000.- €.

Im Vorfeld der vorliegenden Klage kam es am 15.11.2006 zur Erörterung von Verjährungsfragen zwischen dem jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers und dem Beklagten zu 1), in dem der Beklagte zu 1) erklärt hat, berechtigte Ansprüche würden nicht an der Verjährungsfrage scheitern. Mit Schreiben vom 21.12.2006 erklärte der Beklagte zu 1) gegenüber dem anwaltlichen Vertreter des Klägers unter Bezugnahme auf das vorangegangene Telefongespräch folgendes:

€In vorbezeichneter Angelegenheit weise ich zunächst die erhobenen Ansprüche, wie mehrfach telefonisch besprochen, als unbegründet zurück. Ohne Anerkennung jeglicher Rechtsverpflichtung erkläre ich mich allerdings bereit, soweit Verjährung nicht bereits eingetreten ist, befristet bis zum 31.3.2007 auf die Einrede der Verjährung bezüglich vermeintlicher Schadenersatzansprüche gegen uns zu verzichten.

Der Beklagte zu 1) hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat die auf Verurteilung des Beklagten zu 1) zur Zahlung von 219.344,91 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltkosten (3.015,70 €) gerichtete Klage abgewiesen. Der Kläger hatte nach Schluss der mündlichen Verhandlung am Tag vor der Urteilsverkündung noch einen Schriftsatz übersandt, in dem er die Erweiterung der Klage auf die weiteren Sozietätsmitglieder der Rechtsanwaltskanzlei des Beklagten ankündigte. Diesen Schriftsatz hat das Landgericht in seiner Entscheidung nicht mehr berücksichtigt, sondern angefragt, ob die beabsichtigte Erweiterung statt dessen als neue Klage behandelt werden solle.

Zur Begründung der Klageabweisung hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt, es könne offenbleiben, ob dem Kläger vertragliche oder deliktische Ansprüche zustünden, denn sie seien jedenfalls verjährt. Die Verjährung etwaiger vertraglicher Ansprüche richte sich nach § 51 b 2. Alt. BRAO in der Fassung vom 1.1.2000. Es handele sich um eine objektive kenntnisunabhängige Frist, die an die Beendigung des Auftrages anknüpfe und taggenau drei Jahre später ende. Aufgrund der Kündigung des Auftragsverhältnisses vom 30.10.2002 seien damit jegliche vertraglichen Schadensersatzansprüche mit Ablauf des 30.10.2005 verjährt; die Klage in ihrer damals noch auf Zahlung von 5.000.- € gerichteten ersten Ausprägung sei erst nach Ablauf der Verjährungsfrist am 3.1.2006 bei Gericht eingegangen. Dieselbe Frist gelte auch für eine vertragliche Sekundärhaftung, denn hinsichtlich des Sekundäranspruchs bestehe eine nachvertragliche Hinweispflicht nicht (BGHZ 94, 380, 390):. Ein Verzicht auf die Erhebung der Einrede sei nicht erklärt, die Berufung des Beklagten darauf auch nicht treuwidrig; seine Erklärung im Telefongespräch vom 15.11.2006 besage nicht, dass er auch wegen schon verjährter Forderungen auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichten wolle, und dem entspreche auch seine unbeanstandet hingenommene schriftliche Erklärung vom 21.12.2006. Ein deliktischer Anspruch des Klägers wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) ergebe sich nicht daraus, dass der Beklagte zu 1) die Unwirksamkeit der erstrangigen Pfändung der Lebensversicherungsrückkaufwerte zugunsten des Unternehmens des Schädigers übersehen habe, denn von einem Vorsatz des Beklagten zu 1), eine sittenwidrige Handlung begehen zu wollen, sei nicht auszugehen. Sonstige deliktische Ansprüche (§§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 43 a BRAO € Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen - und 356 StGB € Geheimnisverrat) seien spätestens am 31.12.2005 verjährt, weil der Kläger bereits 2001 verjährungsauslösende Kenntnis über die anspruchsbegründenden Umstände gehabt oder sich solcher Erkenntnis grob fahrlässig verschlossen habe (Art. 229 §§ 6 Nr. 4 EGBGB, 195, 199 Abs. 1 Nr. 2 1. Alt. BGB).

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein Klageziel uneingeschränkt € jetzt jedoch gegenüber allen Anwälten der Sozietät des Beklagten - weiterverfolgt.

Er beanstandet Mängel der Tatsachenfeststellung und Rechtsfehler:

Er meint, das Landgericht hätte die mündliche Verhandlung wiedereröffnen und den Klageerweiterungsschriftsatz vom 18.8.08 zustellen müssen. In tatsächlicher Hinsicht habe das Landgericht zu Unrecht unterstellt, der Kläger habe gewusst, dass der Beklagte zu 1) Frau B auch im Zwangsversteigerungsverfahren vertrat, sie habe ihm im März 2000 nur mitgeteilt, dass der Beklagte ihren Ehemann in einer anderen Angelegenheit zur Zufriedenheit vertrete und habe nicht gesagt, dass sie damals €eigene gleich gelagerte Interessen verfolgte. Der Kläger habe erst im Herbst 2000 von dem dem Beklagten zu 1) erteilten Mandat im Komplex €Lebensversicherungen€ erfahren. Im Komplex €Zwangsversteigerungsverfahren€ habe er €sichere Kenntnis€ erst aufgrund des Schreibens des Amtsgerichts O1 als Vollstreckungsgericht vom 19.9.2005 erlangt, das die Mitteilung enthielt, der Beklagte 1) habe dem Gericht einen am 17.5.2000 für Frau B erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vorgelegt. Im Jahre 2001 habe der Kläger noch nicht in verjährungsrechtlich relevanter Weise (§ 119 Abs. 1 Nr. 2 BGB) Kenntnis (oder grob fahrlässig Unkenntnis) von den anspruchsbegründenden Umständen gehabt. Der Beklagte habe schon nicht bestritten, dass der Kläger erst durch das Schreiben vom 19.9.05 €Kenntnis€ von der Doppelvertretung im Zwangsversteigerungsverfahren erhalten habe. Schadensversursachende Handlungen des Beklagten zu 1) seien die Unterlassung der Unterrichtung des Klägers über die Doppelvertretung, die Weiterleitung von Informationen des Klägers aus seinem Schreiben vom 6.5.2001 über eine weitere Vollstreckungsmöglichkeit an Frau B und die Nutzung der Informationen zu ihrem Vorteil und des Klägers Nachteil. Das Schreiben des Amtsgerichts O1 habe keinen Hinweis auf Frau die Stellung Frau B enthalten, und der Kläger habe auch nicht damit rechnen müssen, dass sein Anwalt seine Interessen verrate. Auch die Mandatskündigung vom 30.10.02 sei nicht in Kenntnis der schadensersatzrechtlich relevanten Umstände erfolgt.

Er meint ferner, trotz seiner Kündigung vom 30.10.2002 und der Regelungen des Verjährungsrechts sei dem Beklagten zu 1) die Berufung auf die Verjährung vertraglicher Ansprüche nach § 242 verwehrt. Der Beklagte zu 1) habe im übrigen auf die Verjährungseinrede verzichtet; es habe kein Anlass bestanden, auf eine Korrektur der schriftlichen Erklärung vom 21.12.06 zu drängen, zumal vor Jahreswechsel €vorrangige Fristsachen zu bearbeiten waren€.

Dass der Beklagte zu 1) die Unwirksamkeit der erstrangigen Pfändung (Komplex €Lebensversicherungen€) nicht erkannt habe, beruhe auf Leichtfertigkeit und führe zu einem Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB. Der Beklagte zu 1) habe den Kläger auch über die Höhe der Ansprüche der Frau B getäuscht, so dass dieser nur daraufhin von der Verfolgung eigener Ansprüche absah; der Kläger habe mehrfach vergeblich versucht, Auskunft über die tatsächliche Höhe zu erhalten, er sei im Jahre 2002 noch nicht der Auffassung gewesen, dass sie und der Beklagte zu 1) €vorsätzlich eine unbegründete Forderung geltend machen€, er habe nur ein €eigenartiges Gefühl€ gehabt.

Der Kläger beantragt,

die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 219.344,91 € nebst 14,5 % Zinsen aus 76.969,73 € seit dem 1.4.2002 und aus verbleibenden 142.375,28 € seit dem 25.11.06 zu zahlen zuzüglich vorgerichtlicher nicht anrechenbarer Anwaltskosten in Höhe von 3.015,70 €.

Der Beklagte zu 1) beantragt - zugleich für die weiteren Beklagten -,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Er wiederholt seinen Vortrag, dass er die ihm vom Kläger übermittelte Information über eine neue Vollstreckungsmöglichkeit gleichermaßen auch von Frau B nach ein von ihr mit der zuständigen Rechtspflegerin E beim Vollstreckungsgericht geführten Gespräch erhalten habe. Auch der (neue) Vortrag des Klägers, er habe bei Erteilung des Mandats nicht gewusst, dass der Beklagte zu 1) Frau B schon umfassend mit der Wahrnehmung ihrer Interessen gegenüber A betraut hatte, sei falsch (vorsorglich: Zeugin B). Außerdem komme es darauf nicht einmal an, denn das Landgericht habe etwaige Ansprüche nicht abschließend verneint, sondern die Klage mit der Begründung abgewiesen, solche seien jedenfalls verjährt. Er meint, die parallele Vertretung zweier Mandanten in einem Zwangsversteigerungsverfahren könne nicht zu Interessenkonflikten führen, weil die Rangreihenfolge von Maßnahmen im Vorfeld des Verfahrens abhänge; ein Mandat über die Erwirkung eines weiteren Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, das ggf. anders zu beurteilen wäre, habe der Kläger nicht erteilt.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Sie hat jedoch keinen Erfolg; zu Recht hat das Landgericht in Betracht kommende Schadensersatzansprüche als verjährt angesehen und die erhobene Einrede der Verjährung zugelassen.

1. Das landgerichtliche Verfahren war nicht insoweit fehlerhaft, als es die nach Schluss der mündlichen Verhandlung am Vortage der Urteilsverkündung übermittelte Klageerweiterung nicht zum Anlass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung genommen hat.

In Rechtsprechung und Literatur wird die Frage, wie geänderte, neue oder erweiterte Klage- oder Widerklageanträge nach Schluss der mündlichen Verhandlung zu behandeln sind, zwar unterschiedlich beantwortet. Einigkeit besteht allerdings darin, dass solche Anträge unzulässig sind (BGH, 9.7.1997, IV ZB 11/97 = NJW-RR 1997, 1486; OLG Düsseldorf, 1.9.2000, 9 W 69/00 = MDR 2000, 1457 m.w.N.). Dies folgt nach einhelliger Auffassung aus §§ 256 Abs. 2, 261 Abs. 2, 297 ZPO. Insbesondere aus § 297 ZPO ergibt sich, dass Sachanträge, wenn sie Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung sein sollen, in der mündlichen Verhandlung gestellt werden müssen. Neue Anträge nach der letzten mündlichen Verhandlung sind prozessual wirkungslos (so auch: OLG Karlsruhe € 7.2.06 € 15 W 72/05 = OLGR Karlsruhe 2007, 592). Das Landgericht war mithin nicht verpflichtet, die mündliche Verhandlung gemäß § 156 ZPO wiederzueröffnen.

Da die Berufung des Klägers indes die Klageerweiterung aufgreift und sachlich wiederholt, ist sie an § 533 ZPO zu messen. Nämlichkeit des relevanten Sachverhalts i.S.d. § 533 2. Alt. ZPO ist gegeben; eine Erstreckung der Klage auf weitere Beklagte in der zweiten Instanz ist allerdings nur dann zulässig, wenn sie zustimmen oder ihre Weigerung rechtsmissbräuchlich wäre (Baumbach-Lauterbach, 67. Aufl. 2009, § 533 ZPO Rn. 4 m.w.N.). Das ist geschehen; der Beklagte zu 1) hat der subjektiven Klageerweiterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat namens der weiteren nunmehr ebenfalls verklagten Mitglieder seiner Rechtsanwaltssozietät zugestimmt, so dass auch sie als Beklagte wirksam in das Berufungsverfahren einbezogen worden sind.

2. Zu Recht und mit treffender Begründung hat das Landgericht etwaige vertragliche Schadensersatzansprüche des Klägers als verjährt angesehen.

a) § 51b BRAO in der bei Beauftragung des Beklagten zu 1) im Jahre 2000 gültigen Fassung lautete wie folgt: Verjährung von Ersatzansprüchen Der Anspruch des Auftraggebers auf Schadensersatz aus dem zwischen ihm und dem Rechtsanwalt bestehenden Vertragsverhältnis verjährt in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist, spätestens jedoch in drei Jahren nach der Beendigung des Auftrags.

Gemäß Art. 229 §§ 12 Abs.1 Nr.3 i.V.m. 6 Abs. 4 EGBGB ist diese Regelung für die verjährungsrechtliche Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreits noch anzuwenden (vgl. auch BGH € 7.2.08 € IX ZR 149/04 = NJW 2008, 2041). Mit der Kündigung des Mandatsverhältnisses durch den Kläger am 30.10.2002 begann die dreijährige Verjährung nach dieser Regelung zu laufen; Verjährung trat mit Ablauf des 30.10.2005 ein. Die Klage (in ihrer damaligen noch recht rudimentären Form) ist demgegenüber erst 3.1.2006 € also nach Eintritt der Verjährung - gerichtshängig geworden.

b) Ein Sekundäranspruch wegen unterlassenen Hinweises des Beklagten zu 1) auf einen etwaigen Schadenersatzanspruch gegen ihn kommt nicht in Betracht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein solcher Sekundäranspruch dann begründet, wenn der Anwalt während noch laufender Primärverjährung bei einem neuen Auftrag über denselben Gegenstand eine Pflicht, den Mandanten auf die eigene Regresshaftung hinzuweisen, schuldhaft verletzt hat (BGH € 7.2.08 € IX ZR 149/04 = NJW 2008, 2041; 29. November 1983 - VI ZR 3/82, VersR 1984, 162, 163; 10. Oktober 1985 - IX ZR 153/84, WM 1985, 1475, 1477 f.; v. 21. Januar 1988 - IX ZR 65/87, WM 1988, 629, 631; v. 24. Juni 1993 - IX ZR 216/92, WM 1993, 1889, 1895; v. 16. November 1995 - IX ZR 148/94, WM 1996, 540, 541 f.; v. 17. Januar 2002 - IX ZR 182/00, WM 2002, 513, 515). Die Hinweispflicht folgt dabei aus dem neuen Auftrag ( BGH, Urt. v. 29. November 1983 - VI ZR 3/82, a.a.O; v. 24. Juni 1993 - IX ZR 216/92, a.a.O).

Einen solchen neuen Auftrag über denselben Gegenstand hat der Kläger nicht erteilt.

c) Entgegen der Ansicht des Klägers hat der Beklagte zu 1) für die so gegebene Fallgestaltung nicht auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichtet.

Die schriftliche Erklärung des Beklagten zu 1) bezog sich ausdrücklich und eindeutig nur auf noch nicht verjährte Ansprüche. Der Kläger und sein für ihn handelnder Prozessbevollmächtigter haben die - ausdrücklich verlangte und in der vorstehend wörtlich zitierten Weise erteilte - schriftliche Erklärung so hingenommen, wie sie formuliert ist, und müssen sich nun hieran gebunden halten. Für eine andere Auslegung ist angesichts der eindeutigen Formulierung kein Raum. Der Versuch des Klägers, die Hinnahme dieser Erklärung mit fristgebundenen anwaltlichen Aufgaben vor Jahreswechsel zu erklären, überzeugt nicht; zum einen wäre die € angebliche - Abweichung mit einem Blick erkennbar gewesen, zum anderen haben der Kläger oder sein anwaltlicher Bevollmächtigter offenbar auch später keine Abänderung oder Klarstellung mehr erbeten.

Jedenfalls im Lichte dieser schriftlichen Erklärung des Beklagten zu 1) und ihrer Hinnahme durch den Kläger vermag der Senat auch dem Inhalt des telefonischen Vorgesprächs zwischen den Parteivertretern vom 15.11.2006 € ebenso wie das Landgericht - keinerlei anderen Gehalt zuzumessen.

d) Der Beklagte zu 1) ist auch nicht nach Treu und Glauben gehindert, die Verjährungseinrede zu erheben. Die Reichweite seines Einredeverzichts ist in seiner Erklärung vom 21.12.2006 unmissverständlich klargestellt; er hat den Kläger nicht etwa hingehalten und in die Verjährung getrieben, der Kläger selbst hatte die Verjährungsfrist schon zuvor verstreichen lassen. Dem Beklagten kann unter solchen Umständen nicht zum Nachteil gereichen, dass er von einer ihm gesetzlich ausdrücklich eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat.

3. Auch deliktische Schadensersatzansprüche sind verjährt (§§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).

Gemäß § 199 Abs. 2 Nr. 2 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB (drei Jahre) mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen konnte. Das objektive Erfordernis des Abs. 1 Nr. 1 € die Entstehung des Anspruchs - gilt auch für deliktische Ansprüche; es ist nach dem Grundsatz der Schadenseinheit i.d.R. hinsichtlich des Gesamtanspruchs erfüllt, wenn aus der unerlaubten Handlung ein fälliger Anspruch auf Ersatz eines Teilschadens entstanden ist (Palandt-Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 68. Aufl. 2009, § 199 BGB Rn. 16).

Die zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs angeführten Verhaltensweisen des Beklagten haben sich zwischen seiner Mandatierung durch den Kläger im März 2000 und der Kündigung des Mandats am 30.10.2002 ereignet. Nach der Überzeugung des Senats verbleibt letztlich kein Zweifel daran, dass der Kläger spätestens zu diesem Zeitpunkt selbst fest von einer anwaltlichen Pflichtverletzung des Beklagten zu 1) durch parallele Vertretung sowohl der Interessen der Frau B als auch seiner Interessen und insbesondere von einer Bevorzugung der anderen Mandantin zu seinem Nachteil ausging.

Dafür spricht schon der insoweit eindeutige Wortlaut seiner Begründung der Kündigung:

€€ sehe ich meine Interessen verletzt und mich finanziell durch Sie geschädigt€; €ich sehe in der Tat meinen seinerzeitigen Verdacht auf eine bestehende Interessenkollision für gegeben€.

Letztere Formulierung des Klägers hat das Landgericht in seiner Entscheidung zwar nicht ausdrücklich zitiert, gerade sie bringt aber unmissverständlich zum Ausdruck, dass der Kläger sich der naheliegenden Möglichkeit einer unzulässigen Doppelvertretung bei widerstreitenden Interesse bewusst war und von ihrem Vorliegen ausging. Er war in dieser Hinsicht - entgegen seiner Darstellung € auch keineswegs unbedarft, im Gegenteil: Er hatte den Beklagten zu 1) selbst schon kurz nach dessen Mandatierung mit Schreiben vom 17.3.00 darüber informiert, er fühle sich von seinem vormaligen anwaltlichen Vertreter im Zusammenhang mit dieser Rechtsangelegenheit €benachteiligt€, und fragte an, ob man €hier nicht auch etwas tun könnte€; er stützte dies darauf, dass €es immer derselbe Anwalt€ gewesen sei€ und €es bei Frau B immer auf Anhieb funktioniert€ habe, bei ihm hingegen nur im €zweiten Anlauf€, er €neige dazu, hier eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung zu sehen€. Die grundsätzliche Problematik einer anwaltlichen Parallelvertretung bei konkurrierenden Interessen war ihm also sehr wohl schon von vornherein bewusst. Es kommt noch hinzu, dass er sich mit Frau B ohnehin ständig austauschte und sogar ein koordiniertes Vorgehen anstrebte (vgl. etwa den Schriftsatz des Klägers vom 23.3.2007, S. 6: €Der Kläger und Frau B hatten in Erfahrung gebracht, dass der Schuldner A Eigentümer eines Grundstücks € war€; oder: Schreiben des Klägers vom 21.11.2001 an den Beklagten zu 1), letzte Zeile: €Ich werde nun erst einmal eine Antwort der D abwarten, bevor ich weitere Schritte einleite (gegenüber der Versicherung oder mit Frau B)€.

In einer Gesamtwürdigung dieser Umstände und angesichts der insoweit eindeutigen Formulierungen in dem Kündigungsschreiben vom 30.10.2002 verbleibt kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass der Kläger sich der tatsächlichen Grundlagen und des möglichen Bestehens (auch) deliktischer Ansprüche gegen den Beklagten zu 1) einschließlich eines konkreten Vermögensnachteils jedenfalls hinreichend bewusst war, und zwar hinsichtlich beider Sachverhaltskomplexe. Das Bemühen des Klägers, sich nun möglichst unerfahren und uninformiert darzustellen, ist auch übrigen unverkennbar: So wirft er dem Beklagten zu 1) zwar vor, er habe nicht erkannt, dass der zur Pfändung der Rückgewähransprüche erwirkte Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zur Verwendung im Zwangsversteigerungsverfahren vor dem Amtsgericht O1 nicht geeignet sei, weil der Beklagte zu 1) ihn darüber nicht aufgeklärt habe; genau das hatte ihm das Amtsgericht O1 allerdings mit Schreiben vom 2.5.2000 und vom 8.5.2000 ausdrücklich mitgeteilt, und der Kläger hat die Mitteilungen auch richtig verstanden, wie sein Antwortschreiben vom 6.5.2000 an die zuständige Rechtspflegerin zeigt. Dass der Kläger den Beklagten zu 1) € wie er behauptet € insoweit überhaupt mit der Erwirkung eines weiteren Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses beauftragt habe, erscheint ebenfalls schwerlich nachvollziehbar; trotz der im übrigen umfangreichen und ausführlichen schriftlichen Korrespondenz des Klägers liegt eine schriftliche Beauftragung des Beklagten zu 1) hierzu liegt nicht vor, und zwar obwohl er dem Beklagten zu 1) in seinem Schreiben vom 6.5.2000 als ersichtlich generell gemeinte Vorgabe Zurückhaltung bei kostenauslösenden Schritten auferlegt hatte: €Weitergehende Schritte wollen Sie bitte erst einleiten, wenn Ihnen die pfändbaren LV-Rückkaufswerte auch schriftlich definitiv vorliegen und die Frage einer Übernahme durch eine meiner Rechtsschutzversicherungen abgeklärt werden konnte€.

Letztlich mag dies angesichts der jedenfalls eingetretenen Forderungsverjährung aber dahinstehen.

4. Und selbst wenn der Kläger etwa Schwierigkeiten bei der Bezifferung eines Schadensersatzanspruchs befürchtet haben sollte - wofür die von ihm selbst verfasste Erstvariante der vorliegenden Klage allerdings nicht spricht -, wäre ihm doch jedenfalls die rechtzeitige Erhebung einer Feststellungsklage möglich gewesen. Beginnt die Verjährung etwaiger Ansprüche des Schadensersatzklägers € wie nach § 51 b Fall 2 BRAO € unabhängig von einer Schadensentstehung spätestens mit der Beendigung des Mandats, so folgt daraus ohne weiteres ein rechtliches Interesse des Klägers an einer alsbaldigen Klärung der Haftungsfrage (BGH, NJW 2008, 2041; 21.7.2005 € IX ZR 49/02, WM 2005, 2110; 19.1.2006 € IX ZR 232/01).

5. Die Kostenentscheidung zu Lasten des unterlegenen Klägers folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO.

6. Die Revision ist nicht gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; sie betrifft nur die Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze und die Rechtsprechung in einem Einzelfall. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 04.06.2009
Az: 16 U 204/08


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