Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Dezember 2009
Aktenzeichen: 14 W (pat) 307/06

(BPatG: Beschluss v. 16.12.2009, Az.: 14 W (pat) 307/06)

Tenor

Das Patent 100 27 551 wird widerrufen.

Gründe

I Die Erteilung des Patents 100 27 551 mit der Bezeichnung

"Verfahren zur Herstellung von Formkörpern aus einer plastisch verarbeitbaren Formmasse auf der Basis von Bienenwachs, Lösungsmittel und sinterfähigen Pulvern und eine Verwendung der Formmasse"

ist am 29. September 2005 veröffentlicht worden. Es umfasst 9 Patentansprüche, von denen die Ansprüche 1 und 9 wie folgt lauten:

1. Verfahren zur Herstellung poröser oder dichter Formkörper, bei dem ein Gemisch aus unter 500¡ C nicht schmelzbarem Pulver oder Pulverkomposit, Lösungsmittel und Bienenwachs zu einem Grünkörper verarbeitet wird und dieser anschließend getrocknet, entbindert und gesintert wird, dadurch gekennzeichnet, dass zunächst das Gemisch derart aus dem Pulver, dem Lösungsmittel und dem Bienenwachs gebildet wird, dass es als fließfähige oder plastisch verformbare Masse vorliegt, wonach diese in die vorbestimmte Form drucklos oder unter Druck vergossen oder mittels Extruder verarbeitet wird, wobei der Wachsanteil im Gemisch mindestens 10 Vol% beträgt und die Masse vor, während oder nach dem Formgebungsprozeß und der Formkörper während des Trocknens so temperiert wird, dass die Temperatur unter der Erweichungstemperatur des Bienenwachses liegt.

9. Verwendung der gemäß Anspruch 1 hergestellten Masse zur Beschichtung eines Körpers durch Aufsprühen, Aufstreichen der Masse oder durch kurzzeitiges Eintauchen eines Körpers in die Masse.

Zum Wortlaut der sich anschließenden, rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 8 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Gegen dieses Patent ist mit dem am 29. Dezember 2005 eingegangenem Schriftsatz Einspruch erhoben worden. Er ist auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand des Streitpatentes sei offenkundig vorbenutzt und daher nicht neu, auch beruhe er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Inhalt des Streitpatentes sei zudem im Zusammenhang mit dem Einsprechenden und einem seiner Mitarbeiter erarbeitet und ohne deren Einwilligung widerrechtlich entnommen. Schließlich gehe der Gegenstand des Streitpatentes über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinaus, in der sie bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist.

Zur Stütze ihres Vorbringens verweist die Einsprechende auf die Dokumente E1: Eidesstattliche Erklärung von Prof. Dr. Grathwohl vom 22. Dezember 2005 E2: Schreiben der Metrohm AG an Prof. Dr. Grathwohl vom 26. Oktober 1998 E3: EP0473022A2 E4: Streitwieser/Heathcock, Organische Chemie, VCH 1986, S. 603 bis E5: Forschungsbericht TU Hamburg-Harburg Nr. 5.08.032 (1995), Dr. R. Janssen (www.tuharburg.de/forschung/fobe/1992-1995/ fb95-5.08.032.html)

E6: M. Sajko, T. Kosmac, T. Dirscherl, R. Janssen, Journal of Materials Sciences 32 (1997), S. 2647 bis 2651 E7: Email von Herrn Dr. Meinhard Kuntz an Herrn Christian Böck vom 28. März 2000 E8: Protokoll vom 28. März 2000 mit Anmerkungen von Herrn Christian Böck E9: Agenda für den Besuch der Fa. Metroglas AG/Metrohm AG vom 27. März 2000 E10: Protokoll vom 11. Februar 2000 Die Einsprechende hat zuletzt erklärt, dass sie sich nicht mehr auf den Einspruchsgrund der widerrechtlichen Entnahme stützt.

Die Einsprechende beantragt, den Widerruf des deutschen Patents DE 100 27 551 in vollem Umfang gemäß § 61 Patentgesetz.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent aufrecht zu erhalten.

Sie bestreitet das Vorliegen einer widerrechtlichen Entnahme. Ferner sei der Gegenstand des Streitpatentes vor seiner Anmeldung auch nicht in neuheitsschädlicher Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden und beruhe darüber hinaus auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II 1.

Der Einspruch ist fristund formgerecht erhoben und mit Gründen versehen. Der Einspruch ist somit zulässig. Er führt auch zum Erfolg.

2.

Der Einspruch führt zum Widerruf des Streitpatents, weil der Gegenstand des Patentanspruches 1 über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.

3.

Gemäß geltendem, erteiltem Patentanspruch 1 wird ein Verfahren zur Herstellung von porösen oder dichten Formkörpern bereitgestellt, bei dem zunächst ein Gemisch aus einem unter 500¡ C nicht schmelzbaren Pulver, einem Lösungsmittel sowie Bienenwachs als fließfähige oder plastisch verformbare Masse vorgelegt wird, und diese vor, während oder nach dem Formgebungsprozess so temperiert wird, dass die Temperatur unter der Erweichungstemperatur des Bienenwachses liegt. Mit diesem Patentanspruch wird somit ein Verfahren angegeben, dessen Arbeitstemperatur nach oben begrenzt ist, nachdem diese unterhalb der Erweichungstemperatur von Bienenwachs liegen soll. Dem gegenüber war die Arbeitstemperatur des Verfahrens im ursprünglich eingereichten Patentanspruch 1 zusätzlich dadurch charakterisiert, dass das Lösungsmittel bei keinem Verfahrensschritt erstarren darf. Damit aber war der in Rede stehende Temperaturbereich ursprünglich auch nach unten begrenzt. Dass eine Eingrenzung des Bereiches der Arbeitstemperatur sowohl nach oben als auch nach unten aber eine wesentliche Maßnahme zur erfolgreichen Durchführung des beanspruchten Formgebungsverfahrens darstellt, ergibt sich auch aus dem Gesamtinhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen. Danach soll die zur Verarbeitung kommende Form-Masse entweder im warmen Zustand fließfähig oder im erkalteten Zustand plastisch formbar sein (vgl. Erstunterlagen S. 1 Z. 33 bis 37 und 43 bis 49). Erreicht wird dieses durch die Zusammensetzung der Masse. Dabei wird deren Konsistenz sowohl im fließfähigen wie im erkalteten Zustand -wie der Fachmann weiß -zu einem wesentlichen Teil vom Binder und dem Lösungsmittel beeinflusst. Dem entsprechend wird sodann im mit der Anmeldung vorgelegten Ausführungsbeispiel neben dem Bindemittel Bienenwachs Oktan genannt, ein Lösungsmittel, dessen Schmelzpunkt bekanntlich bei -57¡ C -damit weit unterhalb der Raumtemperatur liegt und das somit bei den für das beanspruchte Verfahren üblichen Arbeitstemperaturen, bei denen die Masse bzw. der Formkörper hergestellt werden, nicht erstarrt (vgl. Erstunterlagen S. 1 Z. 19 bis 25, Z. 33 bis 37 und Z. 43 bis 54 sowie S. 2 Ausführungsbeispiel). Hinweise dahingehend jedoch, dass das beanspruchte Verfahren auch ohne die Einhaltung dieser Untergrenze für die Arbeitstemperaturen erfolgreich durchgeführt werden kann, sind den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen an keiner Stelle zu entnehmen. Nachdem der erteilte Patentanspruch 1 jedoch auch Lösungsmittel umfasst, die bei einem der Verfahrensschritte erstarren können, geht der Gegenstand dieses Patentanspruches daher über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus (vgl. Schulte PatG 8. Aufl. § 38 Rdn. 21 und 22).

Der erteilte Patentanspruch 1 ist damit schon aus diesem Grunde nicht beständig.

Bei dieser Sachlage erübrigt es sich auf die Frage der widerrechtlichen Entnahme und der Patentfähigkeit einzugehen.

4. Die Patentansprüche 2 bis 9 teilen das Schicksal des Patentanspruches 1 (BGH GRUR 1997, 120 -"Elektrisches Speicherheizgerät").

Schröder Harrer Proksch-Ledig Gerster Fa






BPatG:
Beschluss v. 16.12.2009
Az: 14 W (pat) 307/06


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