Landgericht Mönchengladbach:
Beschluss vom 21. März 2007
Aktenzeichen: 5 T 85/07

(LG Mönchengladbach: Beschluss v. 21.03.2007, Az.: 5 T 85/07)

Für die Festsetzung einer Einigungsgebühr gem. Nr. 2508 VV RVG im Rahmen der Beratungshilfe bedarf es weder des Abschlusses eines durch wechselseitiges Nachgeben gekennzeichneten Vergleiches noch einer Protokollierung der Einigung. Es genügt vielmehr, wenn der Rechtsanwalt beim Abschluss eines - auch stillschweigend geschlossenen - Vertrages mitwirkt, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht.

Tenor

Unter Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 22.12.2006 wird die Kostenfestsetzung der Urkundsbeamtin vom 27.10.2006 teilweise dahingehend abgeändert, dass die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 249,40 € festgesetzt werden.

Gründe

I.

Auf eine Zahlungsaufforderung der ARGE für Beschäftigung Mönchengladbach in Höhe von 723,01 € wegen zu Unrecht bezogenen Arbeitslosengeldes II hat sich Rechtsanwalt X für den Antragsteller bestellt; er hat um nähere Erläuterung gebeten und für den Fall, dass die Forderung berechtigt sei, Ratenzahlung von monatlich 20,00 € angeboten. Nach weiteren Schreiben der ARGE wurde dem Antragsteller Ratenzahlung in Höhe von 20,00 € monatlich bewilligt.

Rechtsanwalt X hat daraufhin um nachträgliche Bewilligung von Beratungshilfe gebeten und u.a. die Festsetzung einer Einigungsgebühr in Höhe von 125,00 € gem. Nr. 2508 VV RVG beantragt, was die Urkundsbeamtin des Amtsgerichts abgelehnt hat. Dagegen legte Rechtsanwalt X Erinnerung ein, der das Amtsgericht - Urkundsbeamtin - nicht abgeholfen hat. Das Amtsgericht - Richter - hat darauf hin die Erinnerung mit Beschluss vom 22.12.2006 zurückgewiesen und die sofortige Beschwerde zugelassen. Die Einigungsgebühr sei nicht entstanden, weil diese die Protokollierung eines als Vollstreckungstitel tauglichen Vergleichs voraussetze. Daran fehle es im vorliegenden Fall. Dagegen legte Rechtsanwalt X fristgerecht sofortige Beschwerde ein, der das Amtsgericht nicht abgeholfen und der Kammer zur Entscheidung vorgelegt hat.

II.

Da das Amtsgericht die sofortige Beschwerde zugelassen hat, kommt es für die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht darauf an, dass der Beschwerdewert von 200,00 € gem. § 33 Abs. 3 RVG nicht erreicht ist. Die sofortige Beschwerde ist auch rechtzeitig eingelegt worden und deshalb insgesamt zulässig.

Sie ist auch begründet. Das Amtsgericht hat zu Unrecht die Einigungsgebühr gem. Nr. 2508 VV RVG abgesetzt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor.

Nr. 2508 Abs. 1 VV RVG verweist auf Nr. 1000 VV RVG. Nach dieser Bestimmung entsteht die Einigungsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. In der Gesetzesbegründung zu dieser Vorschrift wird davon ausgegangen, dass bei einer Ratenzahlungsvereinbarung vielfach die Einigungsgebühr entstanden ist (BT-Drucksache 15/1971 S. 215). Hier hat sich Rechtsanwalt X mit Schreiben vom 19.04.2006 an die ARGE gewandt und um Erläuterung des angeblich zu Unrecht bezogenen Arbeitslosengeldes II gebeten. Außerdem hat er gegen die beabsichtigte Aufrechnung in Höhe von 30% der Regelleistung erhoben und für den Fall der Rechtmäßigkeit des Rückforderungsanspruchs Ratenzahlung in Höhe von 20 € monatlich angeboten. Ausweislich der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Vereinbarung vom 31.05.2006 haben sich die ARGE einerseits und der Antragsteller mit seiner Ehefrau andererseits sowohl über die Höhe der Rückzahlung als auch über die Ratenzahlung von 20 € monatlich durch Einbehaltung von den laufenden Leistungen geeinigt. Dem hat der Verfahrensbevollmächtigte mit Schreiben vom 01.06.2006 zugestimmt. Angesichts dessen kann es nicht zweifelhaft sein, dass die Ungewissheit der Eheleute Y über die Höhe der Rückforderung und den Rückzahlungsmodus durch Einschaltung des Beschwerdeführers beseitigt worden ist und damit die Voraussetzungen der Einigungsgebühr gem. Nr. 2508 Abs. 1 und Nr. 1000 VV RVG vorliegen.

Der Zubilligung einer Einigungsgebühr steht entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht entgegen, dass es hier an der Protokollierung eines für die Vollstreckung tauglichen Vergleichs fehlt. Im Gegensatz zum früheren § 23 BRAGO (Vergleichsgebühr) stellt die neue Fassung in Nr. 1000 VV RVG sowohl durch die Änderung der Bezeichnung "Vergleichsgebühr" in "Einigungsgebühr" wie auch durch die neu formulierten Voraussetzungen klar, dass es nicht mehr auf den Abschluss eines durch wechselseitiges Nachgeben gekennzeichneten echten Vergleiches ankommt. Es soll vielmehr genügen, wenn durch Vertrag der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird (BT-Drucksache 15/1971, S. 204 zu Nr. 1000). Eines Vergleiches bedarf es also nicht.

Ebenso wenig ist eine Protokollierung erforderlich. Denn die vom Amtsgericht zitierten Entscheidungen des OLG Hamm (JurBüro 2005, 588) und des BGH vom 28.03.2006 (JurBüro 2006, 360) sind nicht einschlägig. Zum Einen hat das OLG Hamm die Frage, ob für die Einigungsgebühr ein Vergleich protokolliert werden muss, ausdrücklich offen gelassen und lediglich Zweifel an einem entsprechenden Beschluss des BGH vom 26.09.2002 (NJW 2002, 3713) geäußert. Zum Anderen beziehen sich sowohl der Beschluss des OLG Hamm als auch die Entscheidung des BGH auf die Erstattungsfähigkeit einer Einigungsgebühr im Rahmen eines Rechtsstreits gem. Nr. 1000 VV RVG. Die Erstattungsfähigkeit einer Einigungsgebühr durch den Prozessgegner ist jedoch von der Entstehung einer solchen Gebühr im Verhältnis zum Auftraggeber bzw. im Verhältnis zu der für den Auftraggeber eintretenden Staatskasse zu unterscheiden. Nach der Entscheidung des BGH vom 28.03.2006 (a.a.O.) bedarf es eines protokollierten Vergleiches nur, wenn die Einigungsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren festgesetzt werden, also vom Prozessgegner erstattet werden soll. Im vorliegenden Fall geht es dem gegenüber um eine Einigungsgebühr im Rahmen der Beratungshilfe gem. Nr. 2508 VV RVG - also außerhalb eines Rechtsstreites. Für den Ansatz einer Einigungsgebühr in einem solchen Fall die Protokollierung eines für die Vollstreckung tauglichen Vergleichs zu verlangen, gibt der Wortlaut von Nr. 1000 VV RVG nichts her. Denn danach entsteht die Gebühr lediglich für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, wobei ein solcher Vertrag auch stillschweigend geschlossen werden kann (BGH a.a.O). Reicht für das Entstehen einer Einigungsgebühr auch ein stillschweigend abgeschlossener Vertrag aus, so wäre die Forderung nach einer Protokollierung eines Vergleiches damit nicht in Einklang zu bringen.

Da somit dem Beschwerdeführer die Einigungsgebühr in Höhe von 125,00 € zusteht, war seinem Festsetzungsantrag in Höhe von insgesamt 249,40 € ungekürzt zu entsprechen.

Für eine Kostenentscheidung besteht kein Anlass (§ 56 Abs. 2 RVG).

Für eine Zulassung der weiteren Beschwerde besteht ebenfalls kein Anlass, da die Voraussetzungen gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 6 RVG nicht vorliegen.

Jopen






LG Mönchengladbach:
Beschluss v. 21.03.2007
Az: 5 T 85/07


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