Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. August 2005
Aktenzeichen: 34 W (pat) 6/02

(BPatG: Beschluss v. 01.08.2005, Az.: 34 W (pat) 6/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse B 65 D des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Oktober 2001 aufgehoben und das Patent erteilt.

B e z e i c h n u n g : Verfahren zum Herstellen eines blasgeformten Hohlkörpers aus Kunststoff sowie der durch das Verfahren hergestellte Container.

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 12, eingegangen am 7. Juli 2003, Beschreibung, Seiten 1 bis 11 gemäß Anlage zum Bescheid des Senats vom 9. Juli 2003, 3 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 4 a, eingegangen am Anmeldetag.

Gründe

I.

Mit dem angefochtenen Beschluß hat die Prüfungsstelle die Anmeldung zurückgewiesen mit der Begründung, der Gegenstand des seinerzeit verteidigten Hauptanspruchs beruhe im Hinblick auf die US 4.024.975 nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hat im Beschwerdeverfahren am 7. Juli 2003 zwölf neugefaßte Patentansprüche vorgelegt, von denen Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut hat:

Verfahren zum Herstellen eines Hohlkörpers aus einem Vorformling in einem Blasformprozess, wobei

(a) ein Kunststoff erweicht und unter einem Druck durch eine Düse (31,31*) gedrückt wird, aus der der Vorformling (K1) unter Bildung einer Wanddicke stetig entsteht,

(b) beim Entstehen des Vorformlings (K1) periodische Veränderungen der Wanddicke (d10) des Vorformlings gebildet werden, die axial beabstandet sind, und zur Ausbildung von verdickten Ringen (10r, 11r, 12r) im Hohlkörper nach dem Blasformprozess führen,

(c) die mehrfache Veränderung der Wanddicke zumindest in einem zentralen Bereich des Vorformlings erfolgt, der dem Bereich (B) einer späteren Schaufläche eines nach dem Blasformprozess entstehenden, blasgeformtem Hohlkörpers entspricht, auf welche Schaufläche eine Information aufgebracht werden kann,

(d) der Vorformling in einer Blasform (80) zum Hohlkörper geformt wird.

Die Patentansprüche 2 bis 7 kennzeichnen Ausgestaltungen des Verfahrens nach Patentanspruch 1. Der Patentanspruch 8 betrifft einen Container aus Kunststoff, der nach einem Verfahren nach einem der Patentansprüche 4 bis 7 hergestellt worden ist. Die Patentansprüche 9 bis 12 kennzeichnenden Ausgestaltungen des Containers nach Patentanspruch 8.

Ferner hat die Anmelderin eine an diese Ansprüche angepaßte Beschreibung vorgelegt. Der Senat hat der Anmelderin mit Bescheid vom 9. Juli 2003 Änderungs- und Berichtigungsvorschläge zur Beschreibung übersandt, zu denen die Anmelderin ihr Einverständnis erklärt hat.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent mit den im Tenor genannten Unterlagen zu erteilen.

Ferner bittet sie um Rückzahlung der Beschwerdegebühr im wesentlichen mit der Begründung, der Prüfer habe bei der Durchführung des Prüfungsverfahrens trotz vorangegangener Recherche nach § 43 Patentgesetz, bei der sechs Schriften ermittelt wurden, erneut recherchiert und erst dabei die vorstehend genannte US 4.024.975 ermittelt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie hat auch Erfolg.

Die Patentansprüche 1 bis 12, eingegangen am 7. Juli 2003, sind ebenfalls zulässig. Sie finden ihre Stütze in den ursprünglich eingereichten Unterlagen und gehen auch nicht über deren Inhalt hinaus.

Das Verfahren zum Herstellen eines Hohlkörpers nach Patentanspruch 1 ist patentfähig.

Es ist neu. Von den Herstellungsverfahren, die in der US 4.024.975, der DE 29 44 160 A1 und dem Artikel von V. Voelz, Beeinflussung der Wanddicke bei der Hohlkörperfertigung, in DE-Z Plastverarbeiter, 1981, Seiten 326 bis 330, beschrieben sind, unterscheidet es sich zumindest durch den Verfahrensschritt (b), wonach beim Entstehen des Vorformlings periodische Veränderungen der Wanddicke des Vorformlings gebildet werden, die axial beabstandet sind und zur Ausbildung von verdickten Ringen im Hohlkörper nach dem Blasformprozeß führen. Die übrigen im Rechercheverfahren ermittelten Schriften (deutsche Gebrauchsmuster 69 20 949, 1 937 837, 1 908 110 und 1 908 109) zeigen lediglich Flaschen, aber keine Verfahren zu deren Herstellung.

Das offensichtlich gewerblich anwendbare Verfahren nach Patentanspruch 1 beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit. Es geht aus von einem Verfahren zur Herstellung eines Hohlkörpers, wie es beispielsweise in der US 4.024.975 gezeigt und beschrieben ist. Bei diesem bekannten Verfahren wird erweichter Kunststoff extrudiert, wodurch ein Vorformling unter Bildung seiner Wanddicke stetig entsteht. Um bei glatter Außenfläche des fertigen Behälters auf dessen Innenfläche Rippen ausbilden zu können, die axial beabstandet sind, wird der Vorformling dann in einer ersten Blasform zu einem Zwischenprodukt in Form einer Flasche mit auf der Außenfläche angeordneten Rippen geformt, vgl Figuren 10 bis 12 der US 4.024.975. Beim Aufblasen des Zwischenprodukts in einer zweiten Blasform mit glatter Innenwand wandern die Rippen sodann von der Außenfläche auf die Innenfläche der Flasche, vgl Figuren 13 bis 15 der US 4.024.975.

Dieses bekannte Verfahren ist als verhältnismäßig aufwändig empfunden worden. Der Anmeldung liegt daher die Aufgabe zugrunde, dieses bekannte Verfahren zu vereinfachen. Die Aufgabe wird durch das Verfahren nach Patentanspruch 1 gelöst.

Durch die Bildung periodischer Veränderungen der Wanddicke entsprechend dem Merkmal (b) des Patentanspruchs 1 bereits beim Entstehen des Vorformlings kann auf die Herstellung des Zwischenprodukts verzichtet werden.

Eine Anregung, das aus der US 4.024.975 bekannte Verfahren in der beanspruchten Weise weiterzubilden, enthält diese Schrift ersichtlich nicht.

Bei dem in der DE 29 44 160 A1 beschriebenen Verfahren zum Herstellen einer dünnwandigen Kunststoffflasche wird ein Vorformling (Vorprodukt 11) im Spritzgußverfahren hergestellt und danach einem Blasformverfahren unterzogen. Eine Anregung, beim Entstehen des Vorformlings axial beabstandete, periodische Veränderungen an seiner Wanddicke vorzunehmen, ist auch dieser Schrift nicht zu entnehmen.

Der Aufsatz von V. Voelz, Beeinflussung der Wanddicke bei der Hohlkörperfertigung, beschäftigt sich mit der Aufgabe, eine möglichst gleiche Wanddicke in allen Richtungen beim blasgeformten Produkt zu erreichen. Hierzu erfolgt eine programmgesteuerte Wanddickenbeeinflussung des Vorformlings während des Extrudierens. Eine Anregung, periodische, axial beabstandete Veränderung der Wanddicke beim Entstehen des Vorformlings zu erzeugen, enthält auch diese Schrift nicht.

Die übrigen Schriften befassen sich nicht mit Herstellungsverfahren für blasgeformte Hohlkörper und konnten den Fachmann schon deshalb nicht anregen, das beispielsweise aus der US 4.024.975 bekannte Verfahren in der beanspruchten Weise weiterzubilden.

Der Patentanspruch 1 ist daher gewährbar.

Die kennzeichnenden Merkmale der Patentansprüche 2 bis 7 betreffen Ausgestaltungen des Verfahrens nach Patentanspruch 1, die nicht platt selbstverständlich sind. Gemeinsam mit dem Hauptanspruch sind daher auch die Unteransprüche 2 bis 7 gewährbar.

Die Teilungserklärung vom 6. Mai 2003 gilt gemäß § 39 Abs 3 PatG als nicht abgegeben.

Der Container aus Kunststoff nach Patentanspruch 8 ist durch ein Verfahren nach einem der Patentansprüche 4 bis 7 hergestellt. Da der Container nach diesen Verfahren hergestellt ist, setzt er deren Kenntnis voraus. Patentanspruch 8 wird daher von den Erwägungen zur Patentfähigkeit des Verfahrens nach den Patentansprüchen 4 bis 7 mitgetragen.

Die auf Anspruch 8 rückbezogenen Unteransprüche 9 bis 12 sind gemeinsam mit Patentanspruch 8 gewährbar.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist nicht geboten. Es ist kein wesentlicher Mangel des Prüfungsverfahrens, wenn die Prüfungsstelle bei einer Neufassung des Hauptanspruchs trotz vorausgegangener Recherche nach § 43 Patentgesetz erneut eine Recherche zur Patentfähigkeit des Gegenstandes des neugefaßten Hauptanspruchs durchführt. Es gibt keinen Rechtssatz, wonach die Prüfungsstelle im Prüfungsverfahren nur die im vorangegangenen Rechercheverfahren ermittelten Schriften entgegenhalten darf. Vielmehr ist sie bis zum Abschluß des Prüfungsverfahrens verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und dazu nötigenfalls auch ergänzende Recherchen durchzuführen.

Ipfelkofer Hövelmann Barton Ihsen Hu






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Az: 34 W (pat) 6/02


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