Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 8. März 2001
Aktenzeichen: 7 U 146/00

(OLG Köln: Urteil v. 08.03.2001, Az.: 7 U 146/00)

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 05.07.2000 - 1 O 337/99 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger wie folgt: Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen der Kläger zu 1) zu 2/3 und die Kläger zu 2) als Gesamtschuldner zu 1/3. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen die Kläger selbst. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die zu leistende Sicherheit beträgt für den Kläger zu 1) 7.500,00 DM, für die Kläger zu 2) 4.500,00 DM. Den Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung durch eine unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- oder Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts zu erbringen.

Tatbestand

Die Kläger sind Fehler! Textmarke nicht definiert.außenstehende Aktionäre der Ersten K.A. AG (i.K.) mit Sitz in K.. Diese schloss am 04.05.1990 mit ihrer damaligen Mehrheitsaktionärin, der Gebrüder M. AG (i.K.) mit Sitz in R., auf deren Verlangen einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Die Erste K.A. AG unterstellte darin die Leitung ihres Unternehmens der Gebrüder M. AG und verpflichtete sich überdies, ihren gesamten Gewinn an die Gebrüder M. AG abzuführen. Diese verpflichtete sich wiederum, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs der Ersten K.A. AG dessen Aktien gegen eine Barabfindung von 1.625,00 DM je Aktie im Nennbetrag von 50,00 DM zu erwerben.

Der Kläger zu 1) hält nach seinen Angaben noch fünf Aktien der Ersten K.A. AG. Weitere 2.836 Aktien hat er gegen die im Unternehmensvertrag angebotene Abfindung eingetauscht.

Die Kläger zu 2) halten nach ihren Angaben noch 391 Aktien. Weitere 196 Aktien haben sie zur Annahme der Abfindung eingereicht.

Nach Abgabe des Barabfindungsangebots führten die Kläger mit der Begründung, das Angebot sei unangemessen, das Spruchstellenverfahren gem. § 305 Abs. 5 AktG durch. Nach Ausschöpfung des Instanzenweges setzte das Bayrische Oberste Landesgericht mit - rechtskräftigem - Beschluss vom 29.09.1998 die angemessene Barabfindung auf 2.200,00 DM je Aktie mit einem Nennwert von 50,00 DM (zuzüglich Zinsen) fest.

Noch vor Abschluss des Spruchstellenverfahrens wurde über das Vermögen der Gebrüder M. AG und der Ersten K.A. AG mit Beschluss vom 10.04.1996 bzw. 30.04.1996 das Konkursverfahren eröffnet. Beide Konkursverfahren sind noch nicht abgeschlossen. Nach Angaben der Kläger ist völlig offen, ob und in welcher Höhe die festgesetzte Barabfindung gezahlt wird.

Mit der vorstehenden Klage nehmen die Kläger die beklagte B. im Wege der Teilklage auf Entschädigungszahlung bzw. Schadensersatz in Anspruch. Im wesentlichen haben sie dazu geltend gemacht: Durch die Regelung der §§ 291 ff. AktG werde in die grundrechtlich geschützte Eigentumsposition der außenstehenden Aktionäre eingegriffen. Ein solcher Eingriff sei von Verfassungs wegen und nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur unter der Voraussetzung zulässig, dass die Minderheitsaktionäre voll entschädigt würden. Hinter diesem vom Grundgesetz vorgegebenen Maßstab bleibe die gesetzliche Regelung der §§ 291 ff., 304 ff. AktG zurück. Das Aktiengesetz gebe den Minderheitsaktionären zwar Abfindungsansprüche, jedoch enthalte es keine Sicherung dafür, dass die Ansprüche auch erfüllt würden. Eine solche zur wirtschaftlich vollen Entschädigung der Minderheitsaktionäre führende Sicherung hätte der Gesetzgeber nach dem Vorbild der Sicherheitsleistung gem. §§ 303, 225, 321 AktG, § 22 UmwG vornehmen müssen. Die beklagte B. hafte deshalb den Klägern für die nicht ausnahmslose, verfassungsrechtlich aber gebotene Umsetzung des Eigentumsschutzes von Minderheitsaktionären sowohl nach den Grundsätzen der sogenannten Bergschäden-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 53, 226) als auch aus enteignendem Eingriff.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

an den Kläger zu 1) 50.000,00 DM und an die Kläger zu 2) als Gesamtgläubiger weitere 50.000,00 DM

zu zahlen, jeweils zuzüglich 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit und jeweils Zugum-Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Kläger in der entsprechenden Höhe auf Zahlung einer angemessenen Barabfindung nach dem Beschluss des Bayrischen Oberlandesgerichts vom 29. September 1998 gegen die Firma Gebrüder M. AG i.K., vertreten durch den Konkursverwalter, Rechtsanwalt W.F., G.A. 11, F..

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat geltend gemacht: Die Regelungen im Aktiengesetz über die Ausgleichszahlungen seien verfassungsgemäß. Dies gelte auch, soweit der Gesetzgeber keine Absicherung der Abfindungsansprüche für den Fall der Insolvenz vorgesehen habe. Das Risiko der Insolvenz sei kein besonderes, welches über das allgemeine Insolvenzrisiko, das die Rechtsordnung jedem Gläubiger auferlege, hinausgehe. Ebensowenig sei der außenstehende Minderheitsaktionär in weitergehendem Maße schutzwürdig als ein Minderheitsgesellschafter innerhalb einer Gesellschaft, der ebenfalls Entscheidungen des Mehrheitsgesellschafters zu dulden habe.

Aus der Bergschäden-Entscheidung folge nichts anderes. Zum einen sei dieses Urteil ohnehin durch die Nassauskiesungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts überholt, zum anderen sei das Urteil aber auch nicht mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar. So fehle es schon an den besonderen Duldungspflichten eines vom Bergbau betroffenen Grundstückseigentümers, da der Aktionär aufgrund einer freien Willensentscheidung seine Rechtsposition einnehme.

Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus den Grundsätzen zum enteignenden Eingriff. Die Voraussetzungen hierfür seien nicht erfüllt, da es sowohl an einem unmittelbaren Eingriff fehle als auch - mangels ungewöhnlichen Insolvenzrisikos - an einem Sonderopfer.

Selbst aber für den Fall der Verfassungswidrigkeit der Vorschriften des Aktiengesetzes bestünden keine Entschädigungsansprüche, da in diesem Fall zwar ein enteignungsgleicher Eingriff vorläge, der jedoch, da es sich um legislatives Unrecht handele, nicht zu einer Entschädigung führe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung darauf verwiesen, dass kein den Staat zur Entschädigung verpflichtendes Unterlassen des Gesetzgebers vorliege. Den Klägern stehe deshalb ein Entschädigungsanspruch weder nach den Grundsätzen der Bergschäden-Entscheidung des Bundesgerichtshofs noch aus enteignendem oder enteignungsgleichem Eingriff zu. Ebensowenig könne die Beklagte auf Schadensersatz gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG in Anspruch genommen werden.

Der Kläger zu 1) hat gegen das ihm am 07.07.2000 zugestellte Urteil mit bei Gericht am 03.08.2000 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die er innerhalb der ihm bis zum 03.11.2000 gewährten Fristverlängerung mit bei Gericht am selben Tage eingegangenem Schriftsatz begründet hat. Die Kläger zu 2) haben gegen das ihnen am 10.07.2000 zugestellte Urteil mit bei Gericht am 07.08.2000 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie innerhalb der ihnen bis zum 09.10.2000 gewährten Fristverlängerung mit bei Gericht am selben Tage eingegangenem Schriftsatz begründet haben.

Die Kläger wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Der Kläger zu 1) beantragt unter Erweiterung seiner Klage,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte auf die Teilklage zu verurteilen, an ihn 100.000,00 DM zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von p.a. 2 % über dem jeweiligen Basiszinssatz der D.B. seit Rechtshängigkeit und Zugum-Zug gegen die Abtretung der Ansprüche des Klägers zu 1) in der entsprechenden Höhe auf Zahlung einer angemessenen Barabfindung nach dem Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 29. September 1998 gegen die Firma Gebrüder M. AG i.K., vertreten durch den Konkursverwalter, Rechtsanwalt W.F., G.A. 11, F..

Die Kläger zu 2) beantragen,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte auf die Teilklage zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger 50.000,00 DM zuzüglich Zinsen zu zahlen, und zwar 4 % für die Zeit vom 20. August 1999 bis zum 30. April 2000 und für die Zeit ab dem 1. Mai 2000 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskont-Überleitungs-Gesetzes vom 9. Juni 1998 (BGBl I S. 1242), Zugum-Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Kläger zu 2) in der entsprechenden Höhe auf Zahlung einer angemessenen Barabfindung nach dem Beschluss des Bayerischen Obersten Landgerichts vom 29. September 1998 - 3 Z BR 159/94 - gegen die Firma Gebrüder M. AG i.K., vertreten durch den Konkursverwalter, Rechtsanwalt W.F., G.A. 11, F..

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Auch sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt die Feststellungen des Landgerichts.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseits gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandenden Berufungen haben in der Sache selbst keinen Erfolg. Den Klägern steht gegenüber der beklagten B. weder ein Entschädigungs- noch ein Schadensersatzanspruch zu.

I.

1.

a)

Die Kläger stützen ihr Klagebegehren auf Zahlung einer Entschädigung zum einen darauf, dass der Gesetzgeber den Minderheitsaktionären mit den Regelungen über die Sicherung der außenstehenden Aktionäre bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen (§§ 304-307 AktG) zwar einen Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Ausgleichs gegeben, jedoch keine Vorsorge dafür getroffen hat, dass diese im Falle von Insolvenzen der beteiligten Unternehmen die festgesetzte Abfindung auch tatsächlich erhalten. Geltend gemacht wird damit ein Versagen des Gesetzgebers, das darin liegen soll, eine nur unzureichende Regelung zum Schutz der außenstehenden Aktionäre getroffen zu haben.

b)

Auf dieser Grundlage ist ein Entschädigungsanspruch der Kläger aus e n t e i g n e n d e m Eingriff nicht gegeben. Der enteignende Eingriff erfasst nur die Verletzung von Rechtspositionen, die als Eigentum i.S.d. Art. 14 GG geschützt sind. In eine solche Rechtsposition muss durch eine rechtmäßige hoheitliche Maßnahme "eingegriffen" worden sein, wobei als Eingriff alle unmittelbaren Auswirkungen der betreffenden hoheitlichen Maßnahme in Betracht kommen und dem Betroffenen ferner ein Sonderopfer auferlegt sein muss.

Hier fehlt es schon, stellt man nur auf die nach Auffassung der Kläger unterbliebene (unterlassene) Sicherung des Ausgleichsanspruchs ab, an einem Eingriff des Gesetzgebers in eine geschützte Rechtsposition. Ein Eingriff kann zwar auch im Wege von Rechtsetzungsakten erfolgen (vgl. etwa Kreft, Öffentlichrechtliche Ersatzleistungen, 2. Aufl., Rz. 110 (S. 83)). Im Wege des Unterlassens ist er aber schon begrifflich nicht möglich, da nur bei Bestehen einer Handlungspflicht ein Unterlassen dem aktiven Tun gleichgesetzt werden kann, eine Unterlassung dann aber rechtswidrig wäre (ebenso: Klein, in Soergel, 12. Aufl., § 839 Anh., Rdnr. 158; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 17, Rz. 61).

Nicht anders beurteilt sich die Sachlage, wenn man davon ausgeht, dass die Regelungen der §§ 304 ff. AktG die hier in Rede stehenden Lebenssachverhalt lückenlos regeln. In diesem Fall wäre der Eingriff als rechtmäßig zu qualifizieren.

Indessen hat das Bundesverfassungsgericht im Anschluss an seine Feldmühle-Entscheidung (BVerfGE 14, 263 (282) = NJW 1963, 1767), bei der es um die Verfassungsmäßigkeit des Umwandlungsgesetzes ging, die hier in Rede stehenden Regelungen für verfassungsgemäß erklärt (Beschluss vom 27.01.1999 - 1 BvR 1805/94 - NJW 1999, 1699). Der Eingriff in die Rechtsposition der Kläger wäre mithin rechtens, ein Anspruch aus enteignendem Eingriff käme prinzipiell in Betracht. In diesem Fall fehlt es jedoch an der Unmittelbarkeit des Eingriffs. Nach der heute ganz überwiegend, insbesondere von der Rechtsprechung vertretenen Ansicht wird zwar nicht gefordert, dass es sich um einen gezielten Eingriff handeln muss (vgl. etwa: BGHZ 37, 44 (47); 55, 229 (231); 91, 20 (26)). Vielmehr ist das Merkmal der Unmittelbarkeit (bereits) erfüllt, wenn nicht erst weitere Umstände die Beeinträchtigung verursacht haben (vgl. etwa: Aust/Jacobs, Die Enteignungsentschädigung, 4. Aufl., S. 95). Es kann daher nicht genügen, dass zwischen der hoheitlichen Maßnahme und der Eigentumsbeeinträchtigung ein adäquater Ursachenzusammenhang besteht (so ausdrücklich: BGHZ 55, 229 (231) und BGH NVwZ 1988, 1086). Zur näheren Konkretisierung stellt der Gesetzgeber dabei darauf ab, ob die Eigentumsbeeinträchtigung auf ganz außerhalb der hoheitlichen Maßnahme liegenden selbständigen Ereignissen beruht oder nicht, eine aus der Eigenart dieser Maßnahme sich ergebende Folge bildet und eine von dieser Maßnahme ausgehende typische Gefahr sich verwirklicht (so etwa: BGH NJW 1980, 770 = VersR 1980, 266; BGHZ 92, 34 (41/42) = NJW 1984, 2516 (2517) = JZ 1984, 987 (989) mit Anm. Papier; BGHZ 100, 335 (338) = NJW 1987, 2573 (2574)).

Danach ist aber vorliegend die Unmittelbarkeit zu verneinen. Zwar liegt es nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit, dass im Zusammenhang mit dem Abschluss von Unternehmensverträgen das übernehmende Unternehmen zahlungsunfähig wird und deshalb die Ausgleichsansprüche nicht mehr erfüllt werden. Es handelt sich damit um eine adäquate Folge der Übernahme, jedoch nicht um eine von der Übernahme ausgehende typische Gefahr.

2.

a)

Ebensowenig besteht eine Entschädigungspflicht aus enteignungsgleichem Eingriff (zum Fortbestand des Rechtsinstituts vgl. BGHZ 90, 17 u. 91, 20). Selbst wenn unterstellt wird, dass die vom Gesetzgeber in den §§ 304 ff. AktG getroffenen Regelungen die Kläger in ihren von Verfassungs wegen geschützten Rechtspositionen verletzen, weil sie den Ausgleichsanspruch nicht gegen ein Konkursausfallrisiko absichern, so haftet die Beklagte gleichwohl nicht unter dem Gesichtspunkt des enteignungsgleichen Eingriffs für die nachteiligen Folgen des danach verfassungswidrigen (formellen) Gesetzes. Der eignungsgleiche Eingriff stellt nämlich, wie der Bundesgerichtshof bereits mehrfach entschieden hat (vgl. etwa BGHZ 100, 136 (145 ff.) - Kleingartenpacht-; BGHZ 102, 350 (359) - Waldschäden -; BGH VersR 1988, 1046 (1047) - Investitionshilfe -) keine geeignete Grundlage für den Ausgleich von Vermögensnachteilen dar, die durch ein rechtswidriges Parlamentsgesetz verursacht worden sind.

Maßgeblich hierfür ist zum einen, dass es insoweit an einer ausreichenden Legitimation für eine richterrechtliche Lösung der Haftungsproblematik fehlt und deshalb eine Regelung dieser Frage dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben muss (BGH a.a.O. und DVBL 1993, 718 (719); ferner: Papier in Maunz/Dürig, Art. 34, Rz. 34; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung (1987), Rdnr. 446; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., S. 104 ff.; Kreft, a.a.O., Rz. 110 m.w.N.). Das folgt schon daraus, dass mit Blick auf die erheblichen finanziellen Lasten für die öffentliche Hand, die mit einer Staatshaftung für rechtswidrige formelle Gesetze verbunden sein können, die Haushaltsprärogative des Parlaments in möglichst weitgehendem Umfang gewahrt bleiben sollte. Auch das - aus anderen Gründen - gescheiterte Staatshaftungsgesetz vom 26.06.1981 sah in § 6 Abs. 1 S. 2 eine (originäre und verschuldensunabhängige Entschädigungspflicht des Staates für rechtswidrige Parlamentsgesetzgebung nur vor, "wenn der Gesetzgeber innerhalb von 18 Monaten nach verfassungsrechtlicher Feststellung der Rechtswidrigkeit keine andere Regelung trifft". Aufgrund der bestehenden Gesetzeslage kann deshalb eine verfassungswidrige Inhaltsbestimmung des Eigentums nicht in eine Enteignung umgedeutet und der Verfassungsverstoß nicht durch die Zubilligung einer gesetzlich nicht vorgesehenen Entschädigung "geheilt" werden (vgl. BVerfGE 52, 1 (27 ff.); 58, 137 (145); 58, 300 (320)). Es entspricht dem Grundsatz der Gewaltenteilung und dem demokratischen Prinzip, die Frage, ob und in welchem Umfang eine Ersatzpflicht des Staates für legislatives Unrecht eingreifen soll, dem Gesetzgeber zu überlassen und eine Kompetenz des Richters zur Schaffung gesetzesvertretenden Richterrechts zu verneinen (Boujong, in Festschrift für Geiger, S. 437). Bei dem gegenwärtigen Rechtszustand fehlt es mithin an einer Grundentscheidung des Gesetzgebers für eine Haftung wegen legislativen Unrechts, die der Richter im Wege der Rechtsfortbildung ausfüllen, ergänzen oder weiterentwickeln könnte (Boujong, a.a.O.).

Stellt man allein auf die unterlassene Regelung ab, die Ausgleichsforderung gegen ein Konkursausfallrisiko zu sichern, so tritt hinzu, dass durch ein bloßes Untätigbleiben ein entschädigungsrechtlich relevanter Tatbestand nicht verwirklicht werden kann (vgl. etwa BGHZ 12, 52 (56) = NJW 1954, 555; BGHZ 35, 209 (211) = NJW 1961, 1623 = VersR 1961, 754; BGH VersR 1987, 1038 (1039) = WM 1987, 1316 (1317/1318) = NVwZ 1987, 1115 (1116); VersR 1988, 1022 (1023) = NVwZ 1988, 1067), und zwar selbst dann nicht, wenn eine Rechtspflicht der verantwortlichen Stelle zum Handeln bestand (BGHZ 56, 40 (42) = NJW 1971, 1172 (1173); BGH NJW 1985, 1287 (1289) = VersR 1984, 1069 (1070) = WM 1984, 1971, 1172 (1173); BGH NJW 1985, 1287 (1289) = VersR 1984, 1089 (1070) = MN 1984, 1453); Papier in Maunz/Dürig, a.a.O., Rz. 43). Der Tatbestand des Eingriffs setzt voraus, dass dem Betroffenen etwas "genommen" wird; dadurch, dass ihm etwas "nicht gegeben", ihm etwas "vorenthalten" wird, wird die als Eigentum geschützte Rechtsposition noch nicht tangiert (Kreft, a.a.O., Rz. 114). Dementsprechend kann auch die Nichterfüllung eines Anspruchs als solche nicht als "Eingriff" gewertet werden (BGH NJW 1962, 2347 (2348) = DVBl. 1963, 24; BGH VersR 1963, 628 (630); BGHZ 125, 19 (23) = NJW 1994, 1468 = WM 1994, 1180 (1181)). Etwas anderes kann nur gelten, wenn das hoheitliche Verhalten sich als ein in den Rechtskreis des Betroffenen eingreifendes Handeln qualifizieren lässt, mithin seinem Wesen nach tatsächlich einen "Eingriff" (sogenanntes qualifiziertes Unterlassen) darstellt (vgl. etwa BGHZ 102, 350 (364/365); 118, 253 (261). Einen Eingriff in dem hier verstandenen Sinne würde es deshalb darstellen, wenn ein Antrag trotz eines darauf bestehenden Anspruchs nicht beschieden wird. Eine solche Sachlage ist ersichtlich nicht gegeben.

c)

Eine verfassungsrechtliche Pflicht zum Handeln wird ferner bei Vorliegen von Grundrechtsbeeinträchtigungen in Erwägung gezogen. Hier ist aber bereits fraglich, ob überhaupt eine Grundrechtsbeeinträchtigung gegeben ist. Wie oben bereits ausgeführt, hat das Bundesverfassungsgericht die getroffene Regelung als verfassungsgemäß erachtet. Richtig ist allerdings, dass es sich nicht ausdrücklich mit der Sicherung des Ausgleichsanspruchs auseinandersgesetzt hat. Es kann aber angenommen werden, dass es diesen naheliegenden, in der Feldmühle-Entscheidung bereits berührten Gesichtspunkt gesehen und gleichwohl die vom Gesetzgeber getroffene Regelung nicht für verfassungswidrig erachtet hat. Es tritt hinzu, dass die staatlichen Organe in eigener Verantwortung darüber zu entscheiden haben, wie sie ihren Grundrechtsgewährleistungspflichten nachzukommen haben. So hat denn auch der Bundesgerichtshof entschieden (BGHZ 102, 350 (366) unter Hinweis auf BVerfGE 56, 54 (80 f.)), dass allein eine e v i d e n t e Verletzung von Schutzpflichten geeignet ist, Entschädigungsansprüche auszulösen. Eine evidente Verletzung staatlicher Schutzpflichten durch den Gesetzgeber kann aber im Streitfall nicht angenommen werden. Dies folgt bereits daraus, dass sich die unterbliebene Regelung, wie die bisherige Praxis zeigt, nur in Einzelfällen nachteilig ausgewirkt hat. Die Kläger heben selbst hervor, dass bisher nur ein Fall bekannt geworden sei, bei dem das beherrschende Unternehmen in Vermögensverfall gekommen sei.

4.

Eine Haftung der beklagten B. für das hier verwirklichte Konkursausfallrisiko kann entgegen der Ansicht der Kläger auch nicht im Wege der Rechtsfortbildung den Grundsätzen, die der Bundesgerichtshof in der sogenannten Bergschäden-Entscheidung (BGHZ 53, 226) entwickelt hat, entnommen werden.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung zu den Waldschäden (BGHZ 102, 350 (356)) selbst in Frage gestellt, ob an den in jener Entscheidung entwickelten Grundsätzen überhaupt noch festzuhalten ist. Dem ist schon deshalb beizutreten, weil der Befugnis der Gerichte zur Rechtsfortbildung, wie oben bereits ausgeführt, durch den rechtsstaatlichen Grundsatz der richterlichen Rechts- und Gesetzesbindung Schranken gezogen werden (BGHZ 102, 350 (357) unter Hinweis auf BVerfGE 65, 182 (190 f. u. 194 f.); 69, 315, (371 f.)).

Anders verhält es sich hingegen bei der Bergschäden-Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Dort ging es jedoch um die Regelungen des Preußischen Allgemeinen Berggesetzes (PrBergG), also anders als im vorliegenden Fall um die Anwendung eines vorkonstitionellen Gesetzes mit der Folge, dass dem angerufenen Gericht eine eigene Prüfungskompetenz dazu zustand, ob die Entschädigungsregelung gegen Art. 14 GG verstößt (vgl. BVerfGE 2, 124 ff.; Maunz/Dürig, Art. 100, Rz. 12).

5.

Die Kläger können auch keinen Schadensersatz aus dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung beanspruchen (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG). Amtshaftungsansprüche wegen Versäumnisse des Gesetzgebers im Zusammenhang mit der Regelung von Abfindungsansprüchen scheiden schon deshalb aus, weil die öffentliche Hand insoweit keine drittbezogene Amtspflichten verletzt hat. Gesetze enthalten durchweg generelle und abstrakte Regeln; daher nimmt der Gesetzgeber - bei positiven Tun und bei Untätigbleiben - in der Regel ausschließlich Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit, nicht aber gegenüber bestimmten Personen oder Personengruppen als "Dritten" i.S.d. § 839 BGB wahr. Etwas anderes gilt allein bei sogenannten Maßnahme- oder Einzelfallgesetzen. Ein solcher Fall individueller Betroffenheit liegt hier indessen nicht vor. Das Aktiengesetz stellt weder ein Maßnahme- noch ein Einzelfallgesetz dar. Die hier interessierenden Regelungen wenden sich an die beteiligten Aktiengesellschaften und deren Aktionäre. Das ist aber ein unüberschaubarer und nicht individuell bestimmbarer Kreis von Betroffenen. Der Gesetzgeber hat es weder auf die Begünstigung noch auf die Belastung bestimmter Personen oder Unternehmen angelegt (vgl. dazu BGHZ 56, 40 (46 f.) = VersR 1961, 672 (673)). Im übrigen würde es auch einem Verschulden der Parlamentsmitglieder fehlen (vgl. dazu Boujong, a.a.O., S. 434), sofern diese überhaupt als Beamte im haftungsrechtlichen Sinne angesehen werden können.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren und zugleich Wert der Beschwer: 150.000,00 DM






OLG Köln:
Urteil v. 08.03.2001
Az: 7 U 146/00


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/e7bcb00e6953/OLG-Koeln_Urteil_vom_8-Maerz-2001_Az_7-U-146-00




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share