Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. März 2003
Aktenzeichen: 28 W (pat) 22/02

(BPatG: Beschluss v. 26.03.2003, Az.: 28 W (pat) 22/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes - Markenstelle für Klasse 29 - vom 21. März 2000 und 4. Dezember 2001 aufgehoben.

Gründe

I Angemeldet zur Eintragung in das Markenregister für eine Vielzahl von Waren der Klassen 5, 29 und 30, bei denen es sich im wesentlichen um Fleisch- und Wurstwaren handelt, ist das Wort Schinkenland.

Die Markenstelle für Klasse 29 hat die Anmeldung mangels Unterscheidungskraft zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das beanspruchte Markenwort verweise lediglich auf eine Vertriebsstätte mit einem umfangreichen Warenangebot (hier: Fleisch- und Wurstwaren) und werde daher vom Verkehr nicht als kennzeichnend aufgefasst.

Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt die Anmelderin ihr Begehren auf Eintragung weiter und macht geltend, dass es zwischen der beanspruchten Marke und den angemeldeten Waren an jeglichem sachlichen Bezug fehle. Bei "Schinkenland" handele es sich um eine Wortneuschöpfung der Anmelderin mit einem eher schwammigen bzw allenfalls mehrdeutigen Begriffsbezug in Richtung auf eine Verkaufs- oder Erzeugerstätte, nicht aber in bezug auf die Waren selbst, was vom Verkehr aber nur im Wege einer gedanklichen Analyse erschlossen werden könne.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der begehrten Eintragung in das Markenregister steht weder das Eintragungshindernis des Freihaltebedürfnisses (§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG) noch das der fehlenden Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG) entgegen.

1. An der angemeldeten Marke besteht in bezug auf die beanspruchten Waren kein Freihaltungsbedürfnis iSv § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG; denn es ist nicht ersichtlich, dass sie in dieser Form als konkrete Angabe über wesentliche Eigenschaften der unter dieser Marke angebotenen Waren dienen könnte und deswegen für die Mitbewerber der Anmelderin freigehalten werden müßte.

Zwar ist richtig, dass sich das beanspruchte Markenwort ersichtlich aus den geläufigen Begriffen "Schinken" und "Land" zusammensetzt, wobei letzterer Begriff in Wortzusammensetzungen überaus beliebt ist zur Bezeichnung einer Vertriebsstätte mit einem hinsichtlich Qualität und Vielfalt umfassenden Warensortiment vergleichbar Wörtern wie "Welt, Paradies, Point, Eck" usw. Das bedeutet aber nicht schon, dass der Gesamtbegriff damit eine der in § 8 Absatz 2 Nr 2 MarkenG im einzelnen aufgeführten Angaben oder ein sonstiges Merkmal der beanspruchten Waren bezeichnet. Auch wenn der Bestandteil "Land" wie gesagt eine im Inland verbreitete Bezeichnung für einen Vertriebsort von Erzeugnissen darstellt und in der Kombination mit der Warenangabe "Schinken" einen kaufmännischen Betrieb bezeichnen kann, in dem Waren angeboten werden, die Fleisch- und Wurstprodukte jeglicher Art betreffen, begründet dieser Umstand indes noch kein Freihaltungsbedürfnis an der angemeldeten Marke für die hier in Rede stehenden Waren. Denn von der Bestimmung des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG werden nur Wörter erfasst, die einen unmittelbaren Warenbezug aufweisen (vgl BGH MarkenR 1999, 351 - FOR YOU). Eine Bezeichnung für einen kaufmännischen Betrieb stellt aber nicht notwendig auch eine beschreibende Sachangabe für die in einem solchen Betrieb veräußerten Waren dar (vgl BGH MarkenR 1999, 292, 293 - HOUSE OF BLUES). Anhaltspunkte dafür, dass die beanspruchte Wortfolge sich nicht nur auf einen Geschäftsbetrieb bezieht, sondern zB auch auf ein Warensortiment und dass die Marke daher auch für die in diesem Betrieb veräußerten Waren als Bezeichnung besonderer Merkmale dienen kann, sind für den Senat nicht erkenn- und feststellbar. Gleichermaßen hat der Senat keine Feststellungen treffen können, dass mit dem Begriff "Schinkenland", der lexikalisch nicht nachweisbar ist, etwa ein Hinweis auf eine ländliche Region verbunden wäre, die für die Erzeugung von Fleisch- und Wurstprodukten besonders geeignet wäre. Letztlich lässt sich ein Warenbezug damit allenfalls mittelbar und aufgrund einer analytischen Betrachtungsweise herstellen, die indes dem Markenregisterrecht fremd ist. Die bisherige Rechtsprechung zum Sachbezug zwischen Etablissementbezeichnungen und den dort vertriebenen Waren (vgl. etwa 32 W 292/95 Müsliland, 32 W 290/95 Fruitland, 28 W 3/99 Gourmetland, 26 W 85/96 Lederland usw.) muss im Hinblick auf die Entscheidung "House of Blues" des Bundesgerichtshofs als weitgehend überholt angesehen werden (vgl auch 29 W 34/99 TV Land; 33 W 195/98 Polymerland; 28 W 94/01 Milkland). Den Interessen der Mitbewerber ist in diesen Fällen durch eine sachgerechte Anwendung des § 23 MarkenG Rechnung zu tragen, wobei vorliegend zu beachten ist, dass nur die Gesamtbezeichnung zur Eintragung führt und Markenschutz nur hieraus hergeleitet werden kann, nicht aber aus einzelnen Elementen der Wortfolge.

Der Schutzfähigkeit der Bezeichnung "Schinkenland" steht damit ein Freihaltebedürfnis nicht entgegen. Für eine Verneinung der Unterscheidungskraft, fehlt es ebenfalls an entsprechenden Feststellungen, zumal jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft ausreicht, um das Schutzhindernis zu überwinden. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, gibt es keinen Anhalt dafür, dass ihr die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt.

Die Beschwerde hatte damit Erfolg, so dass die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben waren.

Stoppel Schwarz-Angele Paetzold Bb






BPatG:
Beschluss v. 26.03.2003
Az: 28 W (pat) 22/02


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