Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. März 2000
Aktenzeichen: 21 W (pat) 33/98

(BPatG: Beschluss v. 28.03.2000, Az.: 21 W (pat) 33/98)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse H 01 B des Deutschen Patentamts vom 20. Januar 1998 aufgehoben und die Sache zur weiteren Prüfung aufgrund der ursprünglichen Unterlagen an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die ein "Verfahren zur Herstellung einer kunststoffisolierten Kabelader" betreffende Patentanmeldung ist am 24. Januar 1991 beim Deutschen Patentamt unter Inanspruchnahme der inneren Priorität vom 9. März 1990 (DE 40 08 021.8) angemeldet worden. Die Offenlegung erfolgte am 12. September 1991.

Mit Beschluß vom 20. Januar 1998 hat die Prüfungsstelle für Klasse H 01 B des Deutschen Patentamts die Anmeldung zurückgewiesen, weil der Gegenstand des am 15. Oktober 1997 eingegangenen einzigen Anspruchs unzulässig erweitert sei.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Die Anmelderin verfolgt ihr Patentbegehren im Rahmen eines Haupt- und zweier Hilfsanträge weiter.

Der Patentanspruch gemäß Hauptantrag (eingegangen am 15. Oktober 1997) lautet:

"Verfahren zur Herstellung einer Kabelader mit einer Aderisolierung aus einem durch Feuchtigkeitseinwirkung vernetzten Polymer auf Äthylen-Basis, bei dem ein mit einem Füllstoff angereichertes Polymermaterial auf einen elektrischen Leiter extrudiert und die Oberfläche der extrudierten Isolierschicht unmittelbar im Anschluß an den Extrusionsprozeß einer Oxydationsbehandlung unterzogen und nachfolgend die extrudierte Isolierschicht durch Feuchtigkeitseinwirkung vernetzt wird, dadurch gekennzeichnet, daß als Polymermaterial ein handelsübliches Copolymer aus Äthylen und Vinylsilan (EVS) verwendet wird unddaß der Füllstoff während der Ausformung des vernetzbaren Polymers zur Isolierschicht als granulatförmiges Batch dem Polymer beigegeben wird, wobei als Füllstoffbatch ein handelsübliches, mehrfach beschichtetes und agglomeriertes Calziumcarbonat (Kreide) verwendet wird, das einen Füllstoffanteil von mehr als 85 Gew.-% aufweist."

Die Patentansprüche 1 und 2 gemäß Hilfsantrag 1 (ursprüngliche Unterlagen) lauten:

"1. Verfahren zur Herstellung einer Kabelader mit einer Aderisolierung aus einem durch Feuchtigkeitseinwirkung vernetzten Polymer auf Äthylen-Basis, bei dem ein mit einem Füllstoff angereichertes Polymermaterial auf einen elektrischen Leiter extrudiert und die Oberfläche der extrudierten Isolierschicht unmittelbar im Anschluß an den Extrusionsprozeß einer Oxidationsbehandlung unterzogen und nachfolgend die extrudierte Isolierschicht durch Feuchtigkeitseinwirkung vernetzt wird, dadurch gekennzeichnet, daß als Polymermaterial ein handelsübliches Copolymer aus Äthylen und Vinylsilan (EVS) verwendet wird, daß der Füllstoff während der Ausformung des vernetzbaren Polymers zur Isolierschicht als granulatförmiges Batch dem Polymer beigeben wird, wobei ein Batch mit einem Füllstoffanteil von mehr als 85 Gew.-% verwendet und das Batch in einer solchen Menge beigegeben wird, daß der Füllstoffanteil in der extrudierten Polymerschicht wenigstens 10 und höchstens 20 Gew.-% beträgt.

2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß als Füllstoffbatch ein handelsübliches, mehrfach beschichtetes und agglomeriertes Calciumcarbonat (Kreide) verwendet wird."

Der einzige Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 2 beruht auf einer Zusammenfassung der Ansprüche 1 und 2 gemäß Hilfsantrag 1.

Der Anmeldung liegt die Aufgabe zugrunde, durch eine rationelle Weiterentwicklung des Verfahrens nach dem Oberbegriff des Anspruchs verbesserte Haftungseigenschaften der Aderoberfläche zu erzielen (ursprüngliche Beschreibung gemäß Offenlegungsschrift Sp 5, Z 2 - 6).

Die Anmelderin hat am 28. März 2000 mitgeteilt, daß sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde und um Entscheidung im schriftlichen Verfahren gebeten.

Die Anmelderin hält den Gegenstand des geltenden einzigen Patentanspruchs für zulässig weil dessen Gegenstand nicht unzulässig erweitert worden sei. Die in den ursprünglich eingereichten Unterlagen genannte Menge des Füllstoffes von wenigstens 10 und höchstens 20 Gewichtsprozent in der extrudierten Isolierschicht sei erkennbar lediglich eine Vorteilsangabe als damit zum Ausdruck gebracht werde, daß das zum Einbringen des Füllstoffes verwendete Füllstoff-Batch in geringerer Menge verwendet werden könne als es normalerweise in thermoplastischen, also nicht vernetzten Kabelisolierungen verwendet werde. Eine solche Vorteilsangabe habe aber nichts mit der prinzipiellen Ausgestaltung des beanspruchten Herstellungsverfahrens zu tun und gehöre daher nicht in den Patentanspruch.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze verwiesen.

Die Anmelderin stellt sinngemäß den Antrag (Schriftsatz vom 7. Oktober 1998, Blatt 5), den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent mit den am 15. Oktober 1997 eingereichten Unterlagen (einziger Patentanspruch, Beschreibung S 3 und 4, sowie der ursprünglichen Beschreibung S 1 und 2), hilfsweise mit den ursprünglichen Unterlagen (Hilfsantrag 1) und weiter hilfsweise mit einem einzigen Patentanspruch mit den Merkmalen der ursprünglichen Ansprüche 1 und 2 (Hilfsantrag 2), zu erteilen.

II Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig. Sie ist jedoch nur insoweit begründet, als das Patent im Rahmen des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen war.

a) Hauptantrag Der Patentanspruch nach Hauptantrag ist nicht zulässig. Sein Gegenstand ist in den ursprünglichen Unterlagen nicht offenbart. Dieser Patentanspruch besteht aus einer Zusammenfassung der ursprünglichen Ansprüche 1 und 2, weist aber gegenüber dem ursprünglichen Anspruch 1 das Merkmal

"daß der Füllstoffanteil in der extrudierten Polymerschicht wenigstens 10 und höchstens 20 Gewichtsprozent beträgt"

nicht mehr auf.

In den ursprünglichen Unterlagen ist aber gerade das vorstehend zitierte Merkmal als ein wesentlicher Teil der Erfindung angesehen worden. Dazu wird in Spalte 1 für den Stand der Technik als Nachteil herausgestellt, daß dort der Füllstoffanteil 20 bis 50 Gewichtsprozent oder mehr beträgt (Sp 1, Z 29 ff). Dieser hohe Füllstoffanteil habe nämlich die Nebenwirkung, daß eine unvermeidliche Menge von Wasser in das Basismaterial eingeführt werde, was den Fertigungsprozeß störe, bzw. kostenintensive Maßnahmen erforderlich mache (Sp 1, Z 45 ff).

Demgegenüber wird dann in der ursprünglichen Beschreibung als besonderer Vorteil des anmeldungsgemäßen Verfahrens hervorgehoben, daß der Füllstoff nur in einer Menge von 10 bis 20 Gewichtsprozent in der extrudierten Isolierschicht vorhanden ist (Sp 2, Z 2 bis 37). Schließlich wird in der ursprünglichen Anmeldung sogar noch darauf hingewiesen, daß der Hersteller eines bekannten Füllstoffbatches, das bei dem anmeldungsgemäßen Verfahren zum Einsatz kommt, empfiehlt, einen Füllstoffanteil in der extrudierten Polymerschicht von 20 bis 50 Gewichtsprozent einzustellen (Sp 2, Z 50 bis 53). Demgegenüber wurde es von der Anmelderin ursprünglich gerade als wesentlich angesehen eben nicht dieser Herstellerempfehlung zu folgen, sondern die im ursprünglichen Patentanspruch 1 und in der Beschreibung Spalte 2, Zeilen 15 - 17 genannten niedrigeren Werte einzustellen.

An keiner Stelle der Unterlagen ist dargelegt, daß auch die Merkmale des Patentanspruchs ohne das zitierte letzte Merkmal bezüglich Füllstoffanteilsangabe von 10 bis 20 Gewichtsprozent zum gewünschten Erfolg führen, das heißt über eine rationelle Weiterentwicklung des bekannten Verfahrens verbesserte Haftungseigenschaften der Aderoberfläche erzielt werden. So ist auch in Spalte 2, Zeile 7 ff angegeben, daß zur Lösung der gestellten Aufgabe vorgesehen ist, daß ..."der Füllstoffanteil in der extrudierten Polymerschicht mindestens zehn Gewichtsprozent und höchstens zwanzig Gewichtsprozent beträgt", wobei es sich gemäß Spalte 2, Zeilen 3 - 37 bezüglich der mechanischen Eigenschaften der hergestellten Kabelisolierung als besonders vorteilhaft erweist, daß der Füllstoff "nur in einer Menge von 10 bis 20 Gewichtsprozent in der extrudierten Isolierschicht vorhanden ist".

Also auch hier wird als Grundvoraussetzung für das Erzielen der gewünschten mechanischen Eigenschaften, beziehungsweise verbesserten Haftungseigenschaften, der genannte Anteil von Füllstoff vorausgesetzt.

Die Beschreibung enthält demnach keine für den Fachmann erkennbaren Hinweise, daß das genannte Merkmal nicht zwingend ist oder so unwesentlich ist, daß es auch weggelassen werden kann. Die ursprüngliche Offenbarung läßt den Fachmann nicht erkennen, daß der geänderte Lösungsvorschlag von vornherein vom Schutzbegehren umfaßt werden sollte.

An dieser Beurteilung vermögen auch die Ausführungen der Anmelderin im Schriftsatz vom 7. Oktober 1998 nichts zu ändern.

Auch die Anmelderin konnte keine Stellen in der Beschreibung oder in den Patentansprüchen nennen, die darauf hinweisen, daß das genannte Merkmal für die anmeldungsgemäße Lehre entbehrlich ist.

Sie führt aus, daß für den Fachmann ohne weiteres einsichtig sei, daß die durch die freigelegten Füllstoffpartikel verbesserte Haftung direkt von der Menge der Füllstoffpartikel abhängig sei, dh je mehr Füllstoffpartikel, um so besser die Haftung. Die Menge der Füllstoffpartikel hänge daher von dem jeweils gewünschten oder erforderlichen Maß der Verbesserung der Haftung gegenüber der nur durch eine Oxidationsbehandlung erzielten Haftung ab. Somit sei die in den ursprünglich eingereichten Unterlagen genannte Menge des Füllstoffes von wenigstens 10 und höchstens 20 Gewichtsprozent in der extrudierten Isolierschicht erkennbar insofern lediglich eine Vorteilsangabe, als damit zum Ausdruck gebracht werde, daß das zum Einbringen des Füllstoffes verwendete Füllstoff-Batch in geringerer Menge verwendet werden könne als es normalerweise in thermoplastischen, also nicht vernetzten Kabelisolierungen verwendet werde. Den ursprünglichen Unterlagen ist ein solcher Hinweis, nämlich daß es sich bei den genannten wenigstens 10 und höchstens 20 Gewichtsprozenten lediglich um eine Vorteilsangabe handelt, nicht zu entnehmen. Der Fachmann vermag nach Ansicht des Senats auch angesichts der vorstehend dargelegten Ausführungen in der Beschreibung nicht ohne weiteres Nachdenken und ohne nähere Überlegungen zu erkennen, daß es auf die Angabe der Menge des Füllstoffs nicht ankommt.

b) Hilfsantrag Das im Beschwerdeverfahren im Rahmen des Hilfsantrags eingeschränkte Patentbegehren, das dem ursprünglich eingereichten Patentbegehren entspricht, hat eine neue Sachlage ergeben, gegenüber der einerseits die den angefochtenen Beschluß tragenden Gründe nicht mehr durchgreifen und die andererseits vom Patent- und Markenamt noch nicht abschließend geprüft worden ist (PatG § 79 Abs 3, Satz 1 Nr 3).

Da eine weitergehende Prüfung auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit bisher nicht stattgefunden hat, hält es der Senat bei dieser Sachlage für geboten, die in das Ermessen des Senats gestellte und der Antragsbindung nicht unterworfene Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zu beschließen.

Dr. Hechtfischer Klosterhuber Dr. Franz Haaß

be






BPatG:
Beschluss v. 28.03.2000
Az: 21 W (pat) 33/98


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