Verwaltungsgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 4. März 2002
Aktenzeichen: 13 L 3321/01

(VG Düsseldorf: Beschluss v. 04.03.2002, Az.: 13 L 3321/01)

Tenor

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern zu 4. und 5. für den Zeitraum vom 25. Januar 2002 bis zum 31. März 2002 regelsatzmäßige Leistungen nach § 2 AsylbLG zu bewilligen. Insoweit wird den Antragstellern zu 4. und 5. Prozesskostenhilfe bewilligt und ihnen Rechtsanwalt xxxx aus xxxxxxxx beigeordnet.

Im Óbrigen werden die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Die Antragsteller zu 1.-3. tragen 7/10 und die Antragsteller zu 4. und 5. 3/20 der außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners. Der Antragsgegner trägt 3/20 der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu 4. und 5. Im Óbrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Der Gegenstandswert wird auf 2.629,92 Euro festgesetzt.

Gründe

Der am 21. November 2001 sinngemäß gestellte Antrag,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern für den Zeitraum vom 21. November 2001 bis zum 31. März 2002 Leistungen nach § 2 AsylbLG einschließlich Unterkunftskosten zu gewähren,

war zunächst wie geschehen auszulegen und hinsichtlich des Endzeitpunktes zu begrenzen. Nach ständiger Rechtsprechung des OVG NRW,

vgl. u.a. Beschluss vom 7. Juni 1988 - 8 B 1230/88 -,

kann mit einer einstweiligen Anordnung Hilfe zum Lebensunterhalt nur für den mit Eingang des Begehrens bei Gericht beginnenden Zeitraum und bis zum Ablauf des Monats, in welchem die gerichtliche Entscheidung ergeht, gewährt werden.

Der so gefasste Antrag hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass sowohl das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs (Anspruch auf die begehrte Leistung) als auch eines Anordnungsgrundes (Dringlichkeit der gerichtlichen Entscheidung) glaubhaft gemacht werden (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Die einstweilige Anordnung dient ausschließlich dazu, von einem Antragsteller schlechterdings unzumutbare künftige Nachteile abzuwenden, die diesem drohen, wenn seinem Begehren nicht stattgegeben wird. Sie ist hingegen nicht dafür gedacht, dem Betreffenden schneller, als dies in einem Klageverfahren möglich ist, zu seinem (vermeintlichen) Recht zu verhelfen, sofern nicht eine besondere Dringlichkeit gegeben ist, die es völlig unzumutbar erscheinen lässt, den Ausgang eines Klageverfahrens abzuwarten.

Ausgehend hiervon haben die Antragsteller zu 1., 2. und 3. nicht glaubhaft gemacht, dass ihnen Ansprüche auf Leistungen nach § 2 AsylbLG gegenüber dem Antragsgegner zustehen; dieser ist für die Leistungsgewährung nicht zuständig.

Örtlich zuständig für Leistungen nach dem AsylbLG ist nach § 10 a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG die nach § 10 bestimmte Behörde, in deren Bereich der Leistungsberechtigte auf Grund der Entscheidung der vom Bundesministerium des Innern bestimmten zentralen Verwaltungsstelle verteilt oder von der im Land zuständigen Behörde zugewiesen worden ist. Im Übrigen ist nach § 10 a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG die Behörde zuständig, in deren Bereich sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält.

Die örtliche Zuständigkeit für Leistungen betreffend die Antragsteller zu 1., 2. und 3. richtet sich vorliegend nach § 10 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG. Zwar sind die Antragsteller zu 1., 2. und 3. mit Bescheiden der Bezirksregierung xxxxxxxx vom 30. November 1995 der Gemeinde xxxxxxxxxx zugewiesen worden. Diese Zuweisungsbescheide haben sich jedoch zwischenzeitlich erledigt.

Grundsätzlich bleibt eine Zuweisungsentscheidung auf der Grundlage des § 50 Abs. 4 AsylVfG auch bei Rücknahme oder - wie vorliegend mit Urteil vom 8. März 2000 im Verfahren 15 K 11684/95.A - unanfechtbarer Ablehnung eines Asylantrags bis zu dessen aufenthaltsrechtlicher Abwicklung wirksam. Nach § 43 Abs. 2 VwVfG dauert die Wirksamkeit an, so lange und so weit der Verwaltungsakt nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder andere Weise erledigt ist. Als in diesem Sinne erledigt ist eine Verteilung nicht nur dann anzusehen, wenn der Aufenthalt des von dieser Regelung erfassten Personenkreises durch Ausreise oder Abschiebung beendet, sondern auch, wenn dem Ausländer ein asylverfahrensunabhängiger Aufenthalt ermöglicht wird,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. März 2001 - 16 B 44/01 - m.w.N.

Ein derartiger asylverfahrensunabhängiger Aufenthaltsstatus ist den Antragstellern zu 1., 2. und 3. durch die ihnen nach rechtskräftiger Ablehnung ihrer Asylanträge fortlaufend gemäß § 55 Abs. 4 AuslG erteilten Duldungen ermöglicht worden. Diese Duldungen dienten nicht zur Abwicklung des Asylverfahrens, sondern wurden den Antragstellern zu 1., 2. und 3. vor dem Hintergrund der Erlasslage, wonach Rückführungen von Angehörigen der Minderheiten aus dem Kosovo ohne Vereinbarungen mit der UNMIK als tatsächlich unmöglich angesehen werden (vgl. zuletzt Erlass des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 28. November 2001 - 14/44.386-I 14-Kosovo 44.342-), ausweislich der bei den beigezogenen Ausländerakten befindlichen Schreiben des Landrats xxxx xxx vom 17. Oktober 2000 und 18. April 2001 an den Prozessbevollmächtigten der Antragsteller sowie vom 10. Juli 2001 an den Antragsgegner deshalb erteilt, weil nach dem im Verfahren 15 K 11684/95.A ergangenen Urteil vom 8. März 2000 die Zugehörigkeit zum Volk der Ashkali hinreichend wahrscheinlich sei. Die Duldungen stehen entgegen den Ausführungen im Bescheid des Antragsgegners vom 28. August 2001 auch in keinerlei Zusammenhang mit den noch nicht abgeschlossenen Asylverfahren der Antragsteller zu 4. und 5. Ein entsprechender Antrag der Antragsteller zu 1., 2. und 3., so lange Duldungen zu erteilen, bis die Asylverfahren der Antragsteller zu 4. und 5. abgeschlossen sind, wurde vom Landrat xxxxxxx in dem vorgenannten Schreiben vom 18. April 2001 ausdrücklich abgelehnt, weil die Voraussetzungen des § 43 Abs. 3 AsylVfG nicht vorlägen. Eine Duldung, die - wie vorliegend der Landrat xxxxxxx - die Ausländerbehörde nach unanfechtbarer Ablehnung eines Asylantrags erteilt , weil sie die Abschiebung als tatsächlich unmöglich erachtet, ist regelmäßig die Ermöglichung eines Verbleibs im Bundesgebiet aus asylverfahrensunabhängigen Gründen,

vgl. OVG NRW a.a.O., m.w.N.

Die örtliche Zuständigkeit für an die Antragsteller zu 1.-3. zu gewährende Leistungen richtet sich nach alledem gemäß § 10 a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG nach deren tatsächlichen Aufenthaltsort.

Vorliegend ist davon auszugehen, dass sich die Antragsteller nicht im Bereich des Antragsgegners, sondern in xxxxxxx aufhalten. Nach den Ermittlungen des Antragsgegners spricht alles dafür, dass die Antragsteller die Wohnung xxxxxxxxxxxx in xxxxxxxxxx nicht bewohnen.

Bei einer Wohnungsbesichtigung der den Antragstellern ab dem 1. Januar 2001 zugewiesenen Wohnung am 12. Juni 2001 wurde festgestellt, dass die Spüle und die Waschmaschine noch immer nicht angeschlossen waren. Im Ehebett lagen unbezogene Kopfkissen und Oberbetten im Bettrahmen, Matratzen waren nicht vorhanden. In der Küche standen die Stühle noch immer ineinandergestapelt; im Wohnzimmer wurden Sachen in Säcken gelagert. Bei einer weiteren Wohnungsbesichtigung am 13. August 2001 war zwar die Spüle angeschlossen; im Übrigen wurden jedoch dieselben Feststellungen getroffen wie bei der ersten Wohnungsbesichtigung. Weder bei diesen Hausbesuchen noch bei 19 Überprüfungen durch den Hausmeister im Zeitraum vom 4. September bis 19. November 2001 konnten die Antragsteller in der Wohnung angetroffen werden. Mit Schreiben vom 27. August 2001 teilte die Gemeinschaftsgrundschule xxxxx in xxxxxxxxxx dem Antragsgegner mit, dass die Antragstellerin zu 3. trotz mehrmaliger Aufforderungen bislang nicht zum Unterricht erschienen sei und auch den Termin zur schulärztlichen Untersuchung nicht wahrgenommen habe. Nach Mitteilung des Energieversorgungsunternehmens xxxxxxxx vom 13. November 2001 an die Eigentümerin der Wohnung xxxxxxxxxxxx, die xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx (xxx), und deren Mitteilung an den Antragsgegner haben die Antragsteller den Stromlieferungsvertrag für die Wohnung gekündigt bzw. auf den Status „Leeranlage" umstellen lassen. Des Weiteren wurde nach fernmündlicher Mitteilung von xxxxxxxx in der Wohnung xxxxxxxxxxxx im Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis 26. November 2001 nur eine sehr geringe Menge Strom (255 kW/63,75 DM) verbraucht; der Normalverbrauch für eine fünfköpfige Familie beträgt nach Auskunft von xxxxxxxx jährlich 7.000 kW/1.847,30 DM. Nach dem Nutzungsvertrag zwischen der xxx und der Gemeinde xxxxxxxxxx ist der Wärmelieferungsvertrag direkt mit der xxxxxx abzuschließen; nach deren Mitteilung vom 28. November 2001 wird der Antragsteller zu 1. jedoch weder für die Wohnung xxxxxxxxxxxx noch im sonstigen Datenbestand als Kunde geführt.

Darüber hinaus gelangten ein zunächst versehentlich unmittelbar an die Antragsteller gesandtes gerichtliches Schreiben vom 3. Dezember 2001 im vorliegenden Verfahren, nach Mitteilung des Antragsgegners ein Schreiben der Gemeinschaftsgrundschule xxxxx an den Antragsteller zu 4. sowie nach Mitteilung des Landrats xxxxxxx vom 11. Januar 2002 dessen Schreiben an die Antragsteller vom 20. Dezember 2001 mit dem Vermerk „Empfänger/Firma unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln" in den Postrücklauf.

Schließlich tragen die Antragsteller selbst vor, dass sie sich auf Grund der Betreuung und Pflege der behinderten Schwester und des kranken Vaters des Antragstellers zu 1. „fast ausschließlich", „die meiste Zeit", „sehr häufig" bzw. „überwiegend" bei ihren Verwandten in xxxxxxx aufhalten.

Die Kammer lässt des Weiteren offen, ob es für die Anwendung des § 10 a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG allein auf die zuvor erörterte physische Anwesenheit des Leistungsberechtigten an einem bestimmten Ort ankommt,

so VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. April 2000 - 7 S 313/00 -, FEVS 52, 74,

oder ob die Anwendung dieser Vorschrift darüber hinaus einen asylrechtlich oder ausländerrechtlich erlaubten, d.h. rechtmäßigen tatsächlichen Aufenthalt voraussetzt,

so Gemeinschaftskommentar zum AsylbLG, Loseblattsammlung; Stand: Oktober 2001, § 10 a Rn. 37, Deibel, Das neue Asylbewerberleistungsrecht, ZAR 1998, 1.

Nach der letztgenannten Ansicht ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang des § 10 a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG mit § 11 Abs. 2 AsylbLG, wonach die für den pflichtwidrigen Aufenthalt des Leistungsberechtigten zuständige Behörde lediglich verpflichtet ist, die nach den Umständen unabweisbar gebotene Hilfe, d.h. zunächst die Fahrkosten zum Erreichen des Gebiets der räumlichen Beschränkung, zu leisten, dass die für den erlaubten Aufenthalt örtlich zuständige Behörde für die übrigen Leistungen aufzukommen hat.

Denn die den Antragstellern zu 1., 2. und 3. erteilten bzw. zu erteilenden Duldungen enthalten keine räumliche Beschränkung dahingehend, dass ihnen ein dauerhafter Aufenthalt nur in xxxxxxxxxx oder im Bereich des Landrats xxxxxxx gestattet ist. Ausweislich der von den Antragstellern zu 1., 2. und 3. vorgelegten Kopien der Duldungen ist die Nebenbestimmung „Wohnsitznahme nur in xxxxxxxxxxxxxxxx" gestrichen worden. Die in den Duldungen enthaltene Nebenbestimmung „Der Aufenthalt wird räumlich beschränkt auf das Gebiet der Ausländerbehörde des Kreises xxxxxxx bzw. des Regierungsbezirks xxxxxx xxxx" legt die Kammer entsprechend dem Empfängerhorizont der Antragsteller zu 1., 2. und 3. dahingehend aus, dass auch ein dauerhafter Aufenthalt innerhalb des räumlich umfassenderen Bereichs, also dem gesamten Regierungsbezirk xxxxxxxxxx, erlaubt ist. Sofern mit der Nebenbestimmung eine Differenzierung beabsichtigt gewesen sein sollte, den dauerhaften Aufenthalt auf das Gebiet des Kreises xxxxxxx zu begrenzen und lediglich einen besuchsweisen Aufenthalt im Gesamten Regierungsbezirk zu erlauben, ist dies durch die sprachliche Fassung der Nebenbestimmung nicht hinreichend zum Ausdruck gekommen.

Ist nach alledem der Antragsgegner für Leistungen an die Antragsteller zu 1., 2. und 3. örtlich nicht zuständig, gilt dies auch für Leistungen an die Antragsteller zu 4. und 5. für den Zeitraum vom 21. November 2001 bis zum 24. Januar 2002. Bis zu diesem Zeitpunkt fehlte es an einer wirksamen Zuweisungsentscheidung, sodass sich die örtliche Zuständigkeit zunächst nach § 10 a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG beurteilte. Insoweit gelten die obigen Ausführungen zum tatsächlichen Aufenthalt und zur Rechtmäßigkeit des Aufenthalts entsprechend; auch die von den Antragstellern zu 4. und 5. vorgelegten Bescheinigungen über die Beantragung der Erteilung einer Aufenthaltsgestattung enthalten eine Regelung dahingehend, dass bis zur Entscheidung über den Antrag der Aufenthalt räumlich beschränkt „auf das Gebiet des Kreises xxxxxxx bzw. des Regierungsbezirks xxxxxxxxxx" als gestattet gilt.

Ab dem 25. Januar 2002 ist demgegenüber der Antragsgegner nach § 10 a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG für Leistungen an die Antragsteller zu 4. und 5 zuständig. Ausweislich der vom Landrat xxxxxxx übersandten Empfangsbekenntnisse wurden die Zuweisungsbescheide der Bezirksregierung xxxxxxxx vom 30. November 2001, mit denen die Antragsteller zu 4. und 5. der Gemeinde xxxxxxxxxx zugewiesen wurden, am 25. Januar 2002 bekannt gegeben und sind damit erst zu diesem Zeitpunkt wirksam geworden (§ 43 Abs. 1 VwVfG). Von einer früheren Bekanntgabe, die eine Eröffnung des Inhalts des Verwaltungsakts mit Wissen und Wollen der Behörde voraussetzt, kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Zwar wurden die vorgenannten Bescheide von der Bezirksregierung xxxxxxxx am 19. Dezember 2001 zum vorliegenden Verfahren übersandt und mit Verfügung vom 20. Dezember 2001 an den Prozessbevollmächtigten der Antragsteller weitergeleitet. Die Übersendung durch die Bezirksregierung erfolgte jedoch nur zur Kenntnisnahme des Gerichts; beabsichtigt war die letztendlich auch geschehene Zustellung bzw. Bekanntgabe der Bescheide durch die Ausländerbehörde. Darüber hinaus ist nichts dazu vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller auch Empfangsvollmacht zur Entgegennahme der Zuweisungsbescheide gehabt hätte.

Vom 25. Januar 2002 an haben die Antragsteller zu 4. und 5. einen Anordnungsanspruch auf regelsatzmäßige Leistungen gemäß § 2 AsylbLG glaubhaft gemacht. Sie gehören nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG zum Kreis der Leistungsberechtigten. Des Weiteren sind auch die Voraussetzungen des § 2 AsylbLG erfüllt. Die Antragsteller zu 4. und 5. haben vor Beginn des hier maßgeblichen Zeitraums unstreitig bereits 36 Monate lang Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten. Ungeachtet der Frage, wie die derzeitige Situation der Minderheiten im Kosovo zu beurteilen ist, stehen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegenüber den Antragstellern zu 4. und 5. rechtliche Gründe jedenfalls deshalb entgegen, weil ihr Aufenthalt bis zur unanfechtbaren Entscheidung des Bundesamtes über ihre Asylanträge nach § 55 AsylVfG als gestattet gilt, und so lange vor dem Hintergrund des durch Art. 16 a GG garantierten Grundrechts auf politisches Asyl auch die Frage nach einer möglichen freiwilligen Ausreise nicht gestellt werden darf,

vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. Januar 2001 - 4 M 4422/00 -, NVwZ- Beilage I 6/2001, 51.

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners stehen durchgreifende Zweifel an der Hilfebedürftigkeit dem Anspruch auf Regelsatzleistungen nach § 2 AsylbLG nicht entgegen.

Nach § 11 Abs. 1 BSHG ist Hilfe zum Lebensunterhalt demjenigen zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus seinem Einkommen und Vermögen, beschaffen kann. § 2 Abs. 1 BSHG bestimmt, dass derjenige keine Sozialhilfe erhält, wer sich selbst helfen kann oder wer die Hilfe von anderen, besonders von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Da das Nicht- Vorhandensein vorrangig einzusetzender Mittel Voraussetzung für den Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt ist, muss der Hilfe Suchende beweisen, dass er nicht über Einkommen oder Vermögen verfügt, das zur Bedarfsdeckung eingesetzt werden kann. Die Nichtaufklärbarkeit dieser Anspruchsvoraussetzung geht zu Lasten desjenigen, der das Bestehen des Anspruchs auf Leistungen behauptet; dies ist der Hilfe Suchende,

vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Juli 1996 - 8 B 771/96 -, vom 3. September 1996 - 8 B 967/96 - und vom 18. Juni 1996 - 24 B 1000/96 -.

Insoweit trägt der Hilfe Suchende die Darlegungs- und Beweislast. Es ist zunächst einmal seine Aufgabe, dem Hilfeträger die dem Anspruch auf die begehrten Leistungen begründenden Umstände zur Kenntnis zu geben und auf Verlangen in geeigneter Weise zu belegen. Bestehen im Einzelfall aus konkretem Anlass Zweifel daran, dass der Hilfe Suchende tatsächlich hilfebedürftig ist, gehört es deshalb auch zu seinen Obliegenheiten, diese Zweifel durch Darlegung geeigneter Tatsachen auszuräumen.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ergeben sich Zweifel an der Hilfebedürftigkeit der Antragsteller zu 4. und 5. zunächst nicht aus einer dauerhaften KFZ-Nutzung durch den Antragsteller zu 1. Zwar sind die Anschaffung und das Halten eines Kraftfahrzeugs Umstände, die die Annahme von vom Hilfe Suchenden auszuräumenden Zweifeln an der Hilfebedürftigkeit rechtfertigen können. Denn allein schon die Betriebskosten eines Kraftfahrzeugs wie die Aufwendungen für Kraft- und Schmierstoffe, Reparaturen, Ersatzteile, Steuern und Versicherung können in der Regel aus den nur den notwendigen Lebensunterhalt deckenden Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nicht abgezweigt werden. Nach den bisherigen Ermittlungen des Antragsgegners kann jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller zu 1. Eigentümer und/oder Halter eines Kraftfahrzeugs ist oder ein solches dauerhaft zur Verfügung hat.

Im Bescheid des Antragsgegners vom 28. August 2001 ist insoweit ohne nähere Angaben lediglich ausgeführt, der Antragsteller zu 1. verfüge nach eigener Auskunft über ein Fahrzeug. Die Antragsteller bestreiten jedoch sowohl, entsprechende Angaben gemacht zu haben, als auch dauerhaft ein Fahrzeug zur Verfügung gehabt zu haben. Sie tragen vor, der Bruder des Antragstellers zu 1., Herr xxxxxxxxxx, und dessen Ehefrau, Frau xxxx xxxxxxxxxxx, hätten dem Antragsteller zu 1. leihweise zeitweilig ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt, insbesondere damit der Antragsteller zu 1. seinen Vater und seine schwerstbehinderte Schwester xxxxxx zu Arztbesuchen habe fahren und Besorgungen für die Familie habe erledigen können. Der Antragsgegner hat auf ausdrückliche Nachfrage durch Verfügung vom 19. Dezember 2001 mit Schriftsatz vom 8. Januar 2002 nochmals bestätigt, dass ihm über Ausführungen im Bescheid vom 28. August 2001 hinaus keine Erkenntnisse über die Nutzung eines Kraftfahrzeugs vorlägen. Derartige Erkenntnisse ergeben sich auch nicht ergänzend aus den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners. Hierin befindet sich zwar eine Halteranfrage hinsichtlich des Fahrzeugs xxxxxxxxxxx, dessen Halter nach Auskunft der Straßenverkehrsbehörde ein Herr xxxxxxxxxxxxxxx ist; es ist jedoch nicht aktenkundig, welche Umstände Anlass zu dieser Halteranfrage gegeben haben. Des Weiteren befindet sich bei den Verwaltungsvorgängen eine Foto des Fahrzeugs xxxxxxxxxxx, dessen Fahrer jedoch nicht zu erkennen ist und zu dem ebenfalls jegliche Erläuterungen fehlen.

Außerdem bestehen auch keine ausreichenden Hinweise darauf, dass die Antragsteller zu 1. und 2. einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Zwar wurde ausweislich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners und der Ausländerakten der Antragstellerin zu 2. auf entsprechenden Antrag am 9. Oktober 2001 durch das Arbeitsamt xxxxxxx eine Arbeitsgenehmigung für eine Tätigkeit bei der Fa. xxxxxxxxx in xxxxxxx erteilt. Auch der Antragsteller zu 1. hatte eine Arbeitsgenehmigung beantragt; im Schriftsatz der Rechtsanwälte xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx vom 26. April 2001 wird insoweit ausgeführt, es bestehe mit der Fa. xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx in xxxxxxx ein Arbeitsvertrag. Die Antragsteller zu 1. und 2. machen jedoch geltend, diese Arbeitsstellen nicht angetreten zu haben. Der Arbeitsplatz der Antragstellerin zu 2. sei, als die Arbeitsgenehmigung endlich erteilt worden sei, bereits anderweitig besetzt gewesen. Die Arbeitsaufnahme des Antragstellers zu 1. sei „an den Vorschriften der Arbeitsverwaltung gescheitert." Auch der Antragsgegner hat auf ausdrückliche Nachfrage mit Schriftsatz vom 8. Januar 2002 mitgeteilt, Informationen über konkret in Aussicht stehende oder bereits angetretene Erwerbstätigkeiten der Antragsteller zu 1. und 2. lägen ihm nicht vor.

Durchgreifende Zweifel an der Hilfebedürftigkeit ergeben sich auch nicht daraus, dass der Antragsgegner die laufenden Hilfeleistungen an die Antragsteller mit Bescheid vom 28. August 2001 ab September 2001 eingestellt hat. Die Antragsteller haben nachvollziehbar dargelegt, dass sie zum Teil ihren Lebensunterhalt durch die im November 2001 erhaltene Nachzahlung (Differenz der Leistungen nach § 3 AsylbLG zu denen nach § 2 AsylbLG für den Zeitraum von Juni 2000 bis August 2001) in Höhe von 5.013,51 DM sowie durch Unterstützung ihres Cousins xxxxxxxxxxxxx sowie des oben genannten Bruders xxxxxxxxxx und dessen Ehefrau bestritten haben. Im Hinblick darauf, dass die beiden letztgenannten Personen nach dem auch vom Antragsgegner nicht in Zweifel gezogenen Vortrag der Antragsteller einer Erwerbstätigkeit nachgehen, erscheint eine finanzielle Unterstützung durch sie nicht unplausibel.

Schließlich begründet auch der Umstand, dass die Antragsteller sich nicht im xxxxxxxxxx aufhalten, entgegen der Auffassung des Antragsgegners im Bescheid vom 28. August 2001 für sich gesehen noch keine Zweifel an der Hilfebedürftigkeit. Der Aufenthalt in xxxxxxx mag die laufende Überprüfung der Leistungsvoraussetzungen erschweren, macht sie jedoch nicht unmöglich. Zum einen besteht die Möglichkeit, die Leistungen - wie bereits in den Monaten Juli und August 2001 - jeweils nur für einen kurzen Zeitraum und auch nur bei persönlicher Vorsprache zu gewähren. Sofern konkrete Tatsachen wie z.B. eine dauerhafte KFZ- Nutzung Anlass zu Zweifeln an der Hilfebedürftigkeit geben, können diese auch im Wege der Amtshilfe durch einen anderen Sozialhilfeträger überprüft werden.

Haben die Antragsteller zu 4. und 5. nach alledem ab dem 25. Januar 2002 einen Anordnungsanspruch hinsichtlich der regelsatzmäßigen Leistungen nach § 2 AsylbLG glaubhaft gemacht, besteht auch in voller Höhe ein Anordnungsgrund. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Verwandten der Antragsteller bereit wären, die Antragsteller dauerhaft und nicht nur kurzfristig an Stelle des zur Leistung verpflichteten Sozialhilfeträgers zu unterstützen. Des Weiteren bezieht sich die Rechtsprechung des OVG NRW,

vgl. Beschluss vom 9. August 2001 - 12 E 85/01 - m.w.N.,

wonach es zur Vermeidung unzumutbarer Nachteile im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO im Regelfall ausreicht, wenn 80 % des Regelsatzes zur Verfügung stehen, auf erwachsene Hilfe Suchende und findet deshalb auf die minderjährigen Antragsteller zu 4. und 5. keine Anwendung.

Hinsichtlich der begehrten Unterkunftskosten haben die Antragsteller zu 4. und 5. demgegenüber weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Nach den obigen Ausführungen spricht alles dafür, dass die Antragsteller sich dauerhaft bei ihren Verwandten in xxxxxxx aufhalten, sodass ihr Unterkunftsbedarf gedeckt ist. Darüber hinaus ist nichts dafür ersichtlich, dass den Antragstellern der Verlust dieser Unterkunft droht; nach ihrem eigenen Vortrag sind die Verwandten auf Grund von Krankheit und Behinderung sogar zwingend auf ihre Anwesenheit angewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.

So weit dem Antrag der Antragsteller zu 4. und 5. stattgegeben wurde, ist ihnen Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt xxxx aus xxxxxxxx zu gewähren. Im Übrigen ist der Antrag der Antragsteller zu 1.-5. auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, insoweit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

Die Festsetzung des Gegenstandswertes ist nach §§ 8, 10 BRAGO und § 13 GKG erfolgt und orientiert sich an der Höhe der für die Zeit vom 21. November 2001 bis zum 31. März 2002 geforderten Sozialhilfeleistungen (1.937,-- DM Regelsätze Antragsteller zu 1.-5. zuzüglich 437,-- DM Unterkunftskosten = 2.374,-- DM monatlich jeweils für die Monate Dezember 2001 bis März 2002; 2.374,-- DM : 30 Tage x 10 Tage = 791,33 DM für den Monat November 2001), wobei in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung und nach ständiger Spruchpraxis der Kammer in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur die Hälfte der sich hieraus ergebenden Summe (10.287,33 DM / 5.259,83 Euro) als Gegenstandswert in Ansatz zu bringen ist, um dem vorläufigen Charakter der Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren Rechnung zu tragen.






VG Düsseldorf:
Beschluss v. 04.03.2002
Az: 13 L 3321/01


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