Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Oktober 2006
Aktenzeichen: 25 W (pat) 274/02

(BPatG: Beschluss v. 13.10.2006, Az.: 25 W (pat) 274/02)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Inhaberin der Marke 39717793 wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Juli 2002 aufgehoben, soweit der Inhaberin der angegriffenen Marke die Hälfte der der Widersprechenden durch das Erinnerungsverfahren erwachsenen Kosten auferlegt worden sind.

2. Die Beschlüsse der Markenstelle vom 13. Februar 2001 und 16. Juli 2002 sind wirkungslos, soweit die Marke 39717793 wegen der Widersprüche aus den Marken 39518671 und 39521416 gelöscht worden sind.

Gründe

I.

Die am 22. April 1997 für Waren der Klassen 5, 29, 30 und 32 angemeldete Marke Nr. 39717793 Grafik der Marke 39717793.3 ist nach einer Teillöschung nunmehr noch für Waren der Klassen 5 und 32 eingetragen.

Dagegen hat u. a. die Inhaberin der ursprünglich für Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 6, 8, 9, 11. 12, 14, 16, 18, 20, 21, 22, 24, 25, 26, 28, 32, 33, 34, 35, 39, 41, und 42 eingetragenen Marke 395 18 671 Grafik der Marke 39518671.4 und der ursprünglich für Waren der Klassen 6, 8, 16, 21, 29, 32, 33 eingetragenen Marke 395 21 416 Uncle Sam Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 13. Februar 2001 durch einen Prüfer des gehobenen Dienstes die Löschung der angegriffenen Marke wegen der beiden Widersprüche angeordnet und das Verfahren hinsichtlich eines weiteren Widerspruchs aus der Marke 39652908 bis zur Rechtskraft der Entscheidung ausgesetzt.

Die dagegen eingelegte Erinnerung der Inhaberin der angegriffenen Marke wurde von der Markenstelle mit Erinnerungsbeschluss vom 16. Juli 2002 zurückgewiesen. Der Erinnerungsprüfer hat der Inhaberin der angegriffenen Marke die Hälfte der außeramtlichen Kosten auferlegt, die der Widersprechenden durch das Erinnerungsverfahren erwachsen sind, da die Erinnerung ersichtlich aussichtslos gewesen sei, soweit sie sich auch gegen die Anordnung der Löschung der angegriffenen Marke für identische und sehr ähnliche Waren gerichtet habe.

Hiergegen hat die Inhaberin der angegriffenen Beschwerde eingelegt.

Die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarken, deren Waren-/Dienstleistungsverzeichnisse während des Beschwerdeverfahrens eine Einschränkung erfahren haben, wurde im Beschwerdeverfahren bestritten.

Der Widerspruch aus der Marke 39521416 wurde im Beschwerdeverfahren mit Eingabe vom 14. Juli 2006 und der Widerspruch aus der Marke 39518671 in der mündlichen Verhandlung vom 7. September 2006 zurückgenommen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten einschließlich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 7. September 2006 Bezug genommen.

II.

1. Die Beschlüsse der Markenstelle vom 13. Februar 2001 und 16. Juli 2002 sind gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog wirkungslos, soweit die Marke 39717793 wegen der Widersprüche aus den Marken 39518671 und 39521416 gelöscht worden ist, da diese Widersprüche im Beschwerdeverfahren zurückgenommen wurden (vgl. dazu BGH Mitt. 1998, 264 - Puma).

2. Auf die zulässige Beschwerde der Inhaberin der Marke 39717793 wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Juli 2002 aufgehoben, soweit der Inhaberin der angegriffenen Marke die Hälfte der der Widersprechenden durch das Erinnerungsverfahren erwachsenen Kosten auferlegt worden ist. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Kostenentscheidung hinsichtlich des Verfahrens vor der Markenstelle und des Beschwerdeverfahrens sind MarkenG § 63 Abs. 1 Satz 1 und § 71 Abs. 1 Satz 1, wonach das Patentamt bzw. das Bundespatentgericht die Kosten des Verfahrens einem Beteiligten ganz oder teilweise auferlegen kann, wenn dies der Billigkeit entspricht. Hierbei ist sowohl eine Aufteilung aller Kosten nach Quoten möglich als auch eine Auferlegung einzelner Kosten (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 71 Rdn. 7). Eine patentamtliche Kostenentscheidung unterliegt dabei in vollem Umfang der Nachprüfung im Rechtsmittelverfahren (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 71 Rdn. 9). Das Gesetz geht, was auch durch MarkenG § 71 Abs. 1 Satz 3 deutlich wird, im Grundsatz davon aus, dass im markenrechtlichen Verfahren, einschließlich des Beschwerdeverfahrens, jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt und dass es für eine Abweichung hiervon stets besonderer Umstände bedarf (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 71 Rdn. 11; vgl. zum - inhaltlich übereinstimmenden - früheren Recht BGH BlPMZ 1973, 23 "Lewapur"). Solche Umstände sind insbesondere dann gegeben, wenn ein Verhalten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist.

Derartige besondere Umstände liegen für das Beschwerdeverfahren nicht vor; es entspricht aber auch nicht der Billigkeit, der Inhaberin der angegriffenen Marke einen Teil der Kosten der Widersprechenden für das Erinnerungsverfahren aufzuerlegen.

Der Verfahrensausgang stellt keine Vermutung für die Billigkeit einer Kostenauferlegung dar (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 71 Rdn. 11). Vielmehr müsste ein Verfahrensbeteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse am Erhalt oder dem Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht haben (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 71 Rdn. 11).

Die Erinnerung der Inhaberin der angegriffenen Marke wurde jedoch nicht völlig willkürlich eingelegt. Auch wenn zum damaligen Zeitpunkt teilweise auch identische Waren gegenüber gestanden haben, und daher nach dem damaligen Sachstand die Erfolgsaussichten der Erinnerung nicht hinsichtlich aller Waren gleich zu bewerten war, spricht es nicht gegen die prozessuale Sorgfalt, wenn die Inhaberin der angegriffenen Marke die Erinnerung unbeschränkt einlegt. Zum einen ist nicht ersichtlich, dass der Widersprechenden mehr Kosten dadurch entstanden sind, dass die Inhaberin der angegriffenen Marke die Erinnerung nicht beschränkt hat. Zum andern kann sich während des Widerspruchsverfahrens auch die Sachlage insgesamt ändern, etwa durch eine veränderte Benutzungslage, so dass die Inhaberin der angegriffenen Marke ein Interesse daran haben kann, dass nicht ein Teil der (Erstprüfer-)Entscheidung der Markenstelle bereits zu einem Zeitpunkt rechtskräftig ist, zu dem der übrige Teil der Entscheidung sich noch ineinem Beschwerdeverfahren befinden kann. Es entspricht deshalb nicht der Billigkeit, der Inhaberin der angegriffenen Marke einen Teil der Kosten des Erinnerungsverfahrens, welche der Widersprechenden entstanden sind, aufzuerlegen und vom Grundssatz der eigenen Kostentragung abzuweichen.






BPatG:
Beschluss v. 13.10.2006
Az: 25 W (pat) 274/02


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