Niedersächsisches Finanzgericht:
Beschluss vom 29. Mai 2012
Aktenzeichen: 9 KO 1/12

(Niedersächsisches FG: Beschluss v. 29.05.2012, Az.: 9 KO 1/12)

Tenor

Die Erinnerung wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe

I.

Im Hauptsacheverfahren, das zunächst im 1. Rechtsgang unter dem Aktenzeichen 9 K 443/03 und später im 2. Rechtsgang unter dem Aktenzeichen 9 K 294/09 geführt wurde, war streitig, ob die von den Erinnerungsführerinnen geltend gemachten Veräußerungsverluste steuermindernd berücksichtigt werden konnten. Der Senat wies die Klage zunächst mit Urteil vom 24. Oktober 2008 ab. Der Senat war zu der Auffassung gelangt, dass die Veräußerungsverluste nicht nach § 20 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden konnten. Eine Prüfung, ob die Veräußerungsverluste als Verluste aus Spekulationsgeschäften im Sinne von § 23 EStG in den für die Jahre vor 1999 geltenden Fassungen steuermindernd berücksichtigt werden konnten, unterließ der Senat in der Annahme einer bereits eingetretenen Teilbestandskraft der angefochtenen Feststellungsbescheide 1994 und 1995. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Erinnerungsführerinnen hob der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 16. Juli 2009 (VIII B 20/09, BFH/NV 2009, 1978) das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Der Bundesfinanzhof rügte dabei die unterlassene Sachprüfung des steuermindernden Abzugs der Veräußerungsverluste nach § 23 EStG als wesentlichen Verfahrensmangel.

Im 2. Rechtsgang wandte sich die seinerzeit zuständige Berichterstatterin mit einem Richterbrief an den Erinnerungsgegner (Schriftsatz vom 28. September 2010) und regte an, seine bisherige Rechtsauffassung zu überdenken und die Erinnerungsführerinnen über eine Berücksichtigung der streitigen Veräußerungsverluste bei § 23 EStG klaglos zu stellen. Dieser Richterbrief führte ausweislich der in den Klageakten befindlichen Telefonvermerke erst dazu, dass der Erinnerungsgegner am 29. November 2010 seine Bereitschaft zu dem Klagebegehren entsprechenden Änderungen der Feststellungsbescheide gegenüber der damaligen Berichterstatterin erklärte. Ausweislich eines weiteren Telefonvermerks vom gleichen Tag erklärte anschließend auch der Prozessvertreter der Erinnerungsführerinnen sein grundsätzliches Einverständnis mit der von der damaligen Berichterstatterin vorgeschlagenen Lösung.

Vor Ergehen entsprechender geänderter Feststellungsbescheide 1994 und 1995 fanden nach Aktenlage noch mehrere Telefonate zwischen den Beteiligten zur Abstimmung des Zahlenwerkes statt, da bis zu diesem Zeitpunkt die Erinnerungsführerinnen ihren Klageantrag € soweit die Einkünfte aus Spekulationseinkünften betroffen waren - noch nicht zahlenmäßig beziffert hatten.

Schließlich änderte der Erinnerungsgegner die angefochtenen Feststellungsbescheide und berücksichtigte dabei die streitbefangenen Veräußerungsverluste als Verluste aus Spekulationsgeschäften im Sinne des § 23 EStG in den Fassungen vor 1999 (geänderte Feststellungsbescheide vom 20. Dezember 2010). Damit wurde dem Klagebegehren, das auf vollständige Berücksichtigung der Veräußerungsverluste gerichtet war (siehe zum Klagebegehren auch Beschluss vom 16. Juli 2009 VIII B 20/09, BFH/NV 2009, 1978 unter 1 b) ), in vollem Umfang entsprochen.

Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und das Finanzamt nach dem Beschluss des Gerichts vom 22. Juli 2011 die Kosten des Verfahrens zu tragen hatte, setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Kosten auf Antrag der Erinnerungsführerinnen fest. Nach dem Beschluss vom 7. Dezember 2011 wurden die von dem Erinnerungsgegner an die Erinnerungsführerinnen zu erstattenden Kosten auf 70.122,41 € festgesetzt. Dabei erkannte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle sowohl die beantragte Terminsgebühr als auch die beantragte Erledigungsgebühr im 2. Rechtszug nicht als erstattungsfähig an. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Begründung des Beschlusses vom 7. Dezember 2011 Bezug genommen.

Fristgerecht haben die Erinnerungsführerinnen gegen den vorgenannten Kostenfestsetzungsbeschluss mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2011 Erinnerung eingelegt und die Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Erledigungs- sowie Terminsgebühr im 2. Rechtsgang gerügt. Zur Begründung tragen die Erinnerungsführerinnen im Wesentlichen Folgendes vor: Eine Terminsgebühr entstehe auch für die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts. Nicht entscheidend sei, ob eine mündliche Verhandlung stattgefunden habe. Im Streitfall sei nicht ausschließlich darüber zu entscheiden gewesen, ob die strittigen Beträge entweder nach § 20 EStG oder nach § 23 EStG zu berücksichtigen seien. Eine Berücksichtigung der streitbefangenen Veräußerungsverluste sei sowohl im Rahmen des § 20 EStG als auch gemäß § 23 EStG in Betracht gekommen. Erst durch zahlreiche Telefonate und Besprechungen mit den Vertreterinnen des Finanzamtes im Amt habe das Verfahren in der Hauptsache erledigt werden können. Daran ändere auch im Ergebnis der gerichtliche Hinweis der vormaligen Berichterstatterin an das Finanzamt mit Schreiben vom 28. September 2010 nichts. Dieser Hinweis habe das Verfahren nicht entscheidend beeinflusst, sondern das Finanzamt lediglich zum Nachdenken bewegt. Die Beendigung des Verfahrens sei schließlich herbeigeführt worden durch Abstimmungen im Zahlenwerk und das durch den Bevollmächtigten der Erinnerungsführerinnen erwirkte Einräumen des Finanzamts, die Spekulationsverluste entgegen der in den Streitjahren bestehenden Gesetzeslage bei den Einkommensteuerveranlagungen in voller Höhe zu berücksichtigen. Ohne ein solches Zugeständnis des Finanzamtes habe eine Hauptsacheerledigung nicht herbeigeführt werden können. Im Übrigen verweisen die Erinnerungsführerinnen auf die Beschlüsse des Niedersächsischen Finanzgerichts, 11 KO 8/09, EFG 2009, 1412, des Finanzgerichts Berlin € Brandenburg vom 5. April 2011, 13 KO 13326/10 des Finanzgerichtes München vom 14. Dezember 2010, 4 E 1512/10, EFG 2011, 833 und des Hessischen Finanzgerichtes vom 5. Mai 2011, 13 KO 276/11, 13 KO 580/11.

Auch eine Erledigungsgebühr im Sinne der Nr. 1002 VV-RVG sei entstanden. Eine solche Gebühr entstehe, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledige. Entgegen der Auffassung des Finanzamts habe der Bevollmächtigte der Erinnerungsführerinnen dadurch wesentlich zu einer außergerichtlichen Erledigung des Rechtsstreits beigetragen, indem er

- im Rahmen des mit der ehemaligen Berichterstatterin geführten Telefonats zu einer außergerichtlichen Einigung sein Einverständnis erklärt habe, in Abweichung vom ursprünglich gestellten Klageantrag, die Verringerung der Kapitaleinkünfte nicht weiter zu verfolgen, wenn die Verluste aus Spekulationsgeschäften entsprechend erhöht würden. Diese Mitwirkung sei erfolgt, obwohl damit wegen der entgegenstehenden Rechtslage eine rechtlich ungesicherte Ausgangslage für die Umsetzung der Feststellungsbescheide bei den Einkommensteuerveranlagungen der Erinnerungsführerinnen entstanden sei.

- unter aktiver Mitwirkung in enger Abstimmung mit der Vertreterin des Finanzamts die Höhe der in den Feststellungsbescheiden vom 20. Dezember 2010 festgesetzten Spekulationsverluste errechnet habe,

- für die volle steuerliche Berücksichtigung der festgestellten Verluste bei den Einkommensteuerveranlagungen gesorgt habe. Ohne diese Umsetzung bei der Einkommensteuer sei ein Abschluss des Klageverfahrens nicht in Betracht gekommen. Ansonsten hätte das Klageverfahren mit den Klageanträgen fortgesetzt werden müssen.

Die Erinnerungsführerinnen beantragen,

für den 2. Rechtsgang eine Erledigungsgebühr i. H. v. 17.349,80 € sowie eine Terminsgebühr i. H. v. 16.015,20 € zzgl. Umsatzsteuer zu gewähren.

Der Erinnerungsgegner beantragt,

die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist der Erinnerungsgegner zunächst auf seine im Kostenfestsetzungsverfahren mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2011 dargelegte Rechtsauffassung. Ergänzend führt der Erinnerungsgegner die Entscheidungen des Finanzgerichts Nürnberg vom 3. März 2011, 1 KO 1102/10 und 1 KO 1105/10 an. Danach entstehe eine Terminsgebühr nicht, wenn die Klägerseite keine Anhaltspunkte für eine Bereitschaft zu einem teilweisen Abrücken vom eigenen Standpunkt liefere und eine Erledigungsgebühr nicht, wenn das Interesse der Klägerseite an einer Entscheidung ohne Urteil nur bestehe, solange diese ihrer Rechtsansicht entspreche.

II.

1. Die Erinnerung ist unbegründet.

Die Erinnerungsführerinnen haben keinen Anspruch auf Erstattung der begehrten Terminsgebühr und Erledigungsgebühr im 2. Rechtsgang.

Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 7. Dezember 2011 ist die Erinnerung nach § 149 Abs. 2 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) der statthafte Rechtsbehelf. Über die Erinnerung entscheidet nach § 149 Abs. 4 FGO das Gericht durch Beschluss. Die Erinnerungsfrist des § 149 Abs. 2 Satz 2 FGO von zwei Wochen ist eingehalten. Die Kostenfestsetzung nach § 149 Abs.1 FGO durch den Urkundsbeamten des Gerichts entspricht den gesetzlichen Bestimmungen.

Nach § 139 Abs. 3 FGO sind gesetzlich vorgesehene Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, stets erstattungsfähig. Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Bevollmächtigten sind, soweit, wie hier, ein Rechtsanwalt auftritt, unmittelbar nach dem Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz € künftig kurz: RVG) zu bestimmen.

a. Die von den Erinnerungsführerinnen geforderte Terminsgebühr kann nicht festgesetzt werden. Die Terminsgebühr ist vorliegend nicht nach der allein denkbaren Regelung in Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alt. 3 VV-RVG entstanden.

aa. Eine Terminsgebühr entsteht nach dieser Regelung für die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts; dies gilt jedoch nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber. Voraussetzung für die Auslösung einer Terminsgebühr nach dieser Alternative der Vorschrift ist also eine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung, an der beide Seiten mitgewirkt haben.

Die Terminsgebühr ist im Zusammenhang mit dem Erlass des RVG vom 5. Mai 2004 (Bundesgesetzblatt - BGBl - I, 718) eingeführt worden. Der Gesetzgeber des RVG wollte durch diese Terminsgebühr einen Anreiz für außergerichtliche Einigungen schaffen. In der Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 15/1971, S. 148) heißt es:

€Die außergerichtliche Streiterledigung soll ferner dadurch gefördert werden, dass die Terminsgebühr auch dann anfallen soll, wenn der Rechtsanwalt nach Erteilung des Klagauftrags an einer auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung mitwirkt.€

In der entsprechenden Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/1971 S. 209) wird dazu Folgendes ausgeführt:

€Die in Absatz 3 der Vorbemerkung bestimmte Terminsgebühr soll sowohl die bisherige Verhandlungs- (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO) als auch die Erörterungsgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO) ersetzen. Dabei soll es künftig nicht mehr darauf ankommen, ob in dem Termin Anträge gestellt werden oder ob die Sache erörtert wird. Vielmehr soll es für das Entstehen der Gebühr genügen, dass der Rechtsanwalt einen Termin wahrnimmt. Die Terminsgebühr soll gegenüber der früheren Verhandlungs- und Erörterungsgebühr auch in ihrem Anwendungsbereich erweitert werden und grundsätzlich eine Gebühr mit einem Gebührensatz von 1,2 sein. Die Unterschiede zwischen einer streitigen oder nichtstreitigen Verhandlung, ein- oder zweiseitiger Erörterung sowie zwischen Verhandlungen zur Sache oder nur zur Prozess- oder Sachleitung sollen weitgehend entfallen. Dies führt zu einer erheblichen Vereinfachung, beseitigt viele Streitfragen und entlastet somit die Justiz. Der Anwalt soll nach seiner Bestellung zum Verfahrens- oder Prozessbevollmächtigten in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beitragen. Deshalb soll die Gebühr auch schon verdient sein, wenn der Rechtsanwalt an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts mitwirkt, insbesondere wenn diese auf den Abschluss des Verfahrens durch eine gütliche Regelung zielen. Solche Besprechungen sind bisher nicht honoriert worden. In der Praxis wird deshalb ein gerichtlicher Verhandlungstermin angestrebt, in dem ein ausgehandelter Vergleich nach €Erörterung der Sach- und Rechtslage€ protokolliert wird (damit entsteht die Verhandlungs- bzw. Erörterungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 bzw. 4 BRAGO). Den Parteien wird durch den vorgeschlagenen erweiterten Anwendungsbereich der Terminsgebühr oft ein langwieriges und kostspieliges Verfahren erspart bleiben.€

Die Ergänzung des Tatbestandes der Vorbemerkung um die Formulierung €auch ohne Beteiligung des Gerichts€, im Unterschied zur vorherigen Fassung €ohne Beteiligung des Gerichts€, soll klarstellen, dass die Terminsgebühr auch dann anfällt, wenn das Gericht an der auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Mitwirkung beteiligt ist. Die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/3038) lautet insoweit wie folgt:

€Durch die Einfügung des Wortes €auch€ in Vorbemerkung 3 Absatz 3 soll klargestellt werden, dass die Terminsgebühr selbstverständlich auch dann entsteht, wenn der Rechtsanwalt an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen mit Beteiligung des Gerichts mitwirkt.€

Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung der Terminsgebühr also das ernsthafte Bemühen des Prozessbevollmächtigten um einen Abschluss des Verfahrens ohne Beteiligung des Gerichts honorieren und damit zugleich die außergerichtliche Streitbeilegung fördern. An das Merkmal einer Besprechung sind deshalb keine besonderen Anforderungen zu stellen (Beschlüsse des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 20. November 2006 II ZB 6/06, Juristisches Büro -JurBüro- 2007, 26; vom 20. Mai 2008 VIII ZB 98/06, Juris; vom 20. November 2006 II ZB 9/06, JurBüro 2007, 136; und des Niedersächsisches Finanzgerichts -FG- vom 8. Juni 2009 11 KO 8/09, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2009, 1412). Die zu einer Terminsgebühr führende Besprechung setzt als mündlicher Austausch von Erklärungen aber die Bereitschaft der Gegenseite voraus, überhaupt in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten. Ausreichend hierfür kann auch ein Telefongespräch sein (Beschlüsse des Niedersächsischen FG vom 8. Juni 2009 11 Ko 8/09, EFG 2009, 1412, des Hessischen FG vom 22. April 2008 - 12 Ko 3799/06, EFG 2008, 1152, und des FG Saarland vom 14. November 2005 - 2 S 335/05, EFG 2006, 926). Es muss auch zu keinem Erfolg der Einigungsbemühungen kommen (Beschlüsse des BGH vom 20. November 2006 II ZB 6/06, a. a. O., und vom 11. Juni 2008 XII ZB 11/06, JurBüro 2008, 536). Es reicht, dass sich der zuständige Gesprächspartner an einer außergerichtlichen Erledigung interessiert zeigt (Beschluss des BGH vom 27. Februar 2007 XI ZB 38/05, JurBüro 2007, 303). Dies ist z. B. auch dann der Fall, wenn er die Vorschläge nur zur Kenntnis nimmt, aber eine Prüfung zusagt (Beschluss des BGH vom 20. November 2006 II ZB 9/06, a. a. O.). Allerdings muss die Unterredung einen ausreichenden Bezug zum jeweiligen Rechtsstreit aufweisen (Beschluss des BGH vom 27. Februar 2007 XI ZB 38, a. a. O.). Ein lediglich allgemeines Gespräch über die grundsätzliche Bereitschaft zu einer außergerichtlichen Einigung genügt nach diesen beiden Entscheidungen nicht, eine Terminsgebühr entstehen zu lassen (vgl. auch Beschluss des FG Nürnberg vom 1. März 2011 1 Ko 1102/10).

Eine Besprechung i. S. dieser Norm kann unter Umständen auch dann stattfinden, wenn die Parteien des Rechtsstreits ihre unterschiedlichen Vorstellungen über eine vergleichsweise Beilegung des Rechtsstreits dem Gericht (Berichterstatter) mitteilen und dieses (dieser) die Vorschläge und die Antworten hierauf dann an die jeweils andere Partei weiterleitet (Leitsatz 2 des Beschlusses des BGH vom 10. Juli 2006 II ZB 28/05, juris).

Ein Anspruch auf eine Terminsgebühr besteht dagegen nach Auffassung des Thüringer FG (Beschluss vom 16. Mai 2011 4 Ko 772/10, EFG 2011, 1549) nicht, wenn der zuständige Berichterstatter nach selbständiger Prüfung unter Einbezug der Erledigungsangebote der Parteien einen eigenen Erledigungsvorschlag entwickelt, den er mit den Parteien telefonisch bespricht und nach schriftlicher Übersendung zu übereinstimmenden Erledigungserklärungen führt, ohne dass zwischen den Parteien eine Besprechung zur Erledigung des Rechtsstreits stattgefunden hat.

bb. Gemessen an diesen Grundsätzen hat vorliegend keine Besprechung im Sinne der hier einschlägigen Regelung in Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 VV-RVG stattgefunden.

Der Prozessbevollmächtigte hat an keiner Besprechung mit dem Erinnerungsgegner teilgenommen, das auf Erledigung oder Vermeidung des Klageverfahrens gerichtet war.

Entgegen der Auffassung der Erinnerungsführerinnen erfüllen die Gespräche des Prozessbevollmächtigten über die €Abstimmung des Zahlenwerkes€ zur Ermittlung der Veräußerungsverluste, sein Einverständnis mit der Berücksichtigung der Veräußerungsverluste bei § 23 EStG und seine Bemühungen um eine Absicherung der Umsetzung der Feststellungsbescheide bei der Einkommensteuer (im Sinne einer Verlustverrechnung entgegen der Gesetzesfassung) nicht die Voraussetzungen für das Entstehen der Terminsgebühr.

Entscheidender Anstoß der Erledigung des Klageverfahrens ist nach Aktenlage der Richterbrief der seinerzeit zuständigen Berichterstatterin mit dem auf Grundlage des BFH-Beschlusses im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren erarbeiteten Erledigungsvorschlags gewesen. Unter Zugrundelegung des Klagebegehrens € gerichtet auf steuerliche Berücksichtigung der streitbefangenen Veräußerungsverluste € hat dieser Erledigungsvorschlag zu einem vollständigen Obsiegen der Erinnerungsführerinnen im Klageverfahren geführt. Sicherlich hat der Prozessvertreter, nachdem der Erinnerungsgegner sein Einverständnis mit der Erledigung des Klageverfahrens auf Basis des Vorschlags der damaligen Berichterstatterin erklärte hatte, maßgeblich an der Umsetzung des Erledigungsvorschlags insoweit mitgewirkt, als er die bis dato fehlenden, für die Umsetzung erforderlichen Angaben zur Ermittlung der Veräußerungsverluste nachholte. Diese Arbeiten sind jedoch nach Überzeugung des Senats mit der Verfahrensgebühr abgegolten, zumal der Prozessbevollmächtigte erstmals der bereits zuvor von Seiten des Gerichts und des Erinnerungsgegners geäußerten Bitte auf Formulierung des Klageantrags (hinsichtlich der Einkünfte aus Spekulationseinkünften) nachgekommen ist. Die Telefonate wegen der €Abstimmung des Zahlenwerks€ waren damit nicht auf Erledigung des Klageverfahrens gerichtet, sondern dienten allein der Umsetzung der vom Erinnerungsgegner € ohne seine Mitwirkung € in Aussicht gestellten Klaglosstellung.

Auch in dem von den Erinnerungsführerinnen reklamierten Umstand, das Einverständnis für eine Berücksichtigung der Veräußerungsverluste nach § 23 EStG (anstatt § 20 Abs. 2 EStG) sei € wegen der einer Verlustverrechnung entgegenstehenden Gesetzesfassung des § 23 EStG aF - ein Entgegenkommen und damit auf Erledigung gerichtet, hält einer Überprüfung nicht stand.

Den Erinnerungsführerinnen ist zwar zuzugeben, dass eine steuerliche Berücksichtigung der Veräußerungsverluste im Sinne des Klagebegehrens nur dann erfolgt ist, wenn die festgestellten Verluste auch einkommensteuerlich mit anderen positiven Einkünften ausgeglichen werden können. Dies galt nach der für die Streitjahre geltenden Fassung des EStG nur für die Verluste nach § 20 Abs. 2 EStG. Diese Problematik hatte jedoch bereits der BFH im Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde vom 16. Juli 2009 (VIII B 20/09, BFH/NV 2009, 1978) berücksichtigt und darauf hingewiesen, dass für Verluste aus Spekulationsgeschäften im Sinne des § 23 EStG in der Fassungen vor 1999, soweit diese nach Ergehen des Urteils des BVerfG vom 9. März 2004 (2 BvL 17/02, BStBl. II 2005, 56) noch anwendbar bleiben, in den noch offenen Altfällen in verfassungskonformer Auslegung die allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Regelungen über Verlustausgleich und Verlustabzug anzuwenden sind (so bereits BFH-Urteil vom 1. Juni 2004 IX R 35/01, BStBl. II 2005, 26).

Unter Zugrundelegung dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung war die Berücksichtigung der Veräußerungsverluste nach § 20 Abs. 2 EStG und § 23 EStG damit vollständig gleichwertig, auch in Bezug auf die Umsetzung in den Folgebescheiden. Ansonsten hätte der BFH im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren die für den Erfolg entscheidende €Beruhensfrage€ nicht bejahen können, weil das FG-Urteil dann nicht auf dem erkannten Verfahrensfehler beruht hätte.

Auch ein von den Erinnerungsführerinnen dargelegtes €Restrisiko€ bei der Umsetzung der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BFH hat es nach Überzeugung des Senats nicht gegeben. Die Erinnerungsführerinnen hatten nach Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür, dass die Finanzverwaltung oder konkret der Erinnerungsgegner eine Verrechnung der festzustellenden Verluste aus Spekulationsgeschäften mit anderen positiven Einkünften bei der Einkommensteuer wegen entgegenstehender Gesetzeslage nicht vornehmen würde. Vielmehr hat die Finanzverwaltung für jedermann erkennbar durch die Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 1. Juni 2004 (IX R 35/01, BStBl. II 2005, 25) im Bundessteuerblatt und verwaltungsinterne Verfügungen (z.B. OFD Hannover vom 8. Juli 2005, S 2256-70-StO 232/231) hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass die vorgenannten Rechtsprechungsgrundsätze bindend akzeptiert und umgesetzt werden. Einer ggf. verbleibenden, allein subjektiv empfundenen Unsicherheit war insoweit keine Bedeutung beizumessen und stellt kein Entgegenkommen für das Zustandekommen einer gütlichen Einigung dar. Gleiches gilt deshalb auch für die Bemühungen um eine schriftliche €Zusicherung€ des Erinnerungsgegners hinsichtlich des begehrten Verlustausgleichs der festzustellenden Veräußerungsverluste bei der Einkommensteuer, die vom aktuell zuständigen Berichterstatter dem Prozessbevollmächtigten gegenüber angeregt wurde.

In diesem Zusammenhang ist im Übrigen auch zu bedenken, dass die Anforderungen an das Entstehen einer Terminsgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 VV-RVG nach dem Willen des Gesetzgebers zwar nicht überspannt werden dürfen, dass sie aber auch nicht zu weit herabgesetzt werden dürfen, weil andernfalls der Zweck der Regelung, nämlich die Entlastung der Gerichte von mündlichen Terminen, ebenfalls verfehlt würde. Denn wenn die Verwaltung bei telefonischen Kontakten mit dem Klägervertreter selbst bei Gesprächen über die Umsetzung der von ihr in Aussicht gestellten Klaglosstellung regelmäßig befürchten muss, dass eine Terminsgebühr entsteht, wird sie sich möglicherweise überhaupt nicht mehr auf eine mündlich (telefonisch) Klärung der Klageverfahren einlassen und nur noch im schriftlichen Verfahren korrespondieren sowie oft auf einer mündlichen Verhandlung bestehen.

Nach alledem konnte die Terminsgebühr im Streitfall nicht entstehen.

b. Auch die von den Erinnerungsführerinnen geforderte Erledigungsgebühr ist zu Recht nicht festgesetzt worden.

Nach Nr. 1002 VV-RVG erhält der Rechtsanwalt im finanzgerichtlichen Verfahren eine Erledigungsgebühr, wenn durch seine Mitwirkung ein angefochtener Verwaltungsakt aufgehoben oder geändert wird und die Rechtssache sich dadurch erledigt. Nach Wortlaut, Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte der Vorschrift entsteht eine Erledigungsgebühr nur bei einer besonderen, auf die Erledigung der Sache ohne Urteil gerichteten Tätigkeit des Bevollmächtigten, die über die Tätigkeiten hinausgehen muss, die bereits durch andere Gebühren (Verfahrensgebühr, Terminsgebühr) erfasst werden (BFH-Beschluss vom 12. Februar 2007 III B 140/06, BFH/NV 2007, 1109; FG Nürnberg, Beschluss vom 1. März 2011 1 Ko 1102, 10).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Wie bereits unter a. bb. ausführlich dargelegt, hat der Prozessvertreter der Erinnerungsführerinnen weder durch das Telefongespräch mit der damaligen Berichterstatterin, in dem er sein grundsätzliches Einverständnis mit einer Berücksichtigung der Veräußerungsverluste nach § 23 EStG und damit der Klaglosstellung durch den Erinnerungsgegner erklärt hat, noch durch die Gespräche und Arbeiten an der Umsetzung des Erledigungsvorschlags der damaligen Berichterstatterin an einer Erledigung des Klageverfahrens mitgewirkt. Er hat lediglich die Arbeiten nachgeholt, die für die Darlegung seines Klageantrags ohnehin erforderlich gewesen waren und die mit der Verfahrensgebühr abgegolten sind. Abgesehen davon, dass die Erinnerungsführerinnen auf die Umsetzung der Feststellungsbescheide bei der Einkommensteuer im Sinne ihres Begehrens auf Verlustausgleich vertrauen konnten (siehe oben), hat der Erinnerungsgegner zu Recht darauf hingewiesen, dass Fragen der Umsetzung der festgestellten Veräußerungsverluste im Rahmen der Folgebescheide nicht Gegenstand des Feststellungsverfahrens sind. Bei dieser Sach- und Rechtslage konnte der Prozessvertreter der Erinnerungsführerinnen die Abgabe seiner Erledigungserklärung nicht einer konkreten Umsetzung der Feststellungsbescheide in den Folgebescheiden abhängig machen. Allein die Abgabe der Erledigungserklärung bei Klaglosstellung durch den Erinnerungsgegner ist keine besondere, auf Erledigung des Klageverfahrens gerichtete Tätigkeit, die eine Erledigungsgebühr auslöst.

Nach alledem konnte die Erinnerung insgesamt keinen Erfolg haben.

2. Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei, da das Gerichtskostengesetz hierfür keinen Gebührentatbestand vorsieht.






Niedersächsisches FG:
Beschluss v. 29.05.2012
Az: 9 KO 1/12


Link zum Urteil:
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