Bundespatentgericht:
Urteil vom 4. Mai 2010
Aktenzeichen: 4 Ni 78/08

(BPatG: Urteil v. 04.05.2010, Az.: 4 Ni 78/08)

Tenor

1.

Die Klage wird abgewiesen.

2.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3.

Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patent EP 0 979 721 (Streitpatent), das am 5. September 1995 unter Inanspruchnahme der Priorität der japanischen Patentanmeldungen JP 24841694 vom 16. September 1994 und JP 20778995 vom 21. Juli 1995 angemeldet worden ist. Das Streitpatent ist in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlicht und wird beim Deutschen Patentund Markenamt unter der Nr. 695 25 985 geführt. Es betrifft eine Vorrichtung und ein Verfahren zum Spritzstreckblasformen und umfasst 25 Ansprüche, die insgesamt angegriffen sind. Die Ansprüche 1 und 21 lauten in der Verfahrenssprache Englisch wie folgt:

In der deutschen Übersetzung haben die Patentansprüche 1 und 21 folgenden Wortlaut:

Wegen der weiter angegriffenen und unmittelbar oder mittelbar auf die Ansprüche 1 beziehungsweise 21 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 20 und 22 bis 25 wird auf die Streitpatentschrift EP 0 979 721 B1 Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, der Gegenstand des Streitpatents beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Zur Begründung trägt sie vor, eine beliebige Kombination der Entgegenhaltungen, insbesondere mit der Druckschrift K2, führe ohne weiteres erfinderisches Handeln zum Gegenstand des Streitpatents. Hierzu verweist sie auf folgenden druckschriftlichen Stand der Technik beziehungsweise auf folgende Dokumente:

K2 US 5 169 654 K3 Nakamura, Y., in: Rosato, Donald V. und Dominick V (Hrsg.): "Blow Molding Handbook", München, Wien, New York, 1989, Titelblatt, Impressum und S.

117-148.

K4 DE 36 37 694 A1 K5 DE 27 20 129 A1 K6 US 4 209 290 K7 DE 23 04 181 C3 K8 DE 28 25 866 A1 K9 EP 0 266 804 A2 K10 US 4 239 475 Die Klägerin beantragt, das europäische Patent EP 0 979 721 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin in vollem Umfang entgegen.

Gründe

I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Gegenstand des Streitpatents ist auch nach Ansicht der Klägerin neu und er ergibt sich für den hier angesprochenen Fachmann, einen Dipl.-Ing (FH) der Fachrichtung Maschinenbau mit jahrelanger Erfahrung in der Konzeption entsprechender Vorrichtungen zum automatisierten Spritzstreckblasformen, nicht in naheliegender Weise aus dem in das Verfahren eingeführten Stand der Technik, insbesondere nicht aus einer Kombination der Patentschrift US 5 169 654 (K2) mit einer der übrigen Entgegenhaltungen oder aus der Kombination der Offenlegungsschrift DE 28 25 866 A1 (K8) mit den übrigen Dokumenten, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 56 EPÜ. Die mündliche Verhandlung hat insoweit keine Kenntnisse oder Erfahrungen des Fachmanns ergeben, aufgrund deren Berücksichtigung es für ihn aufgrund des Standes der Technik nahelag, die streitpatentgemäße Lösung aufzufinden (vgl. BGHZ 166, 305 - Vorausbezahlte Telefongespräche).

II.

1.

Das Streitpatent betrifft sowohl eine Vorrichtung als auch ein Verfahren zum Spritzstreckblasformen [0001]. Solche Verfahren zur Blasformung eines Behälters aus einem Vorpressling (Vorformling) sind als so genanntes Zweistufenverfahren mit einem kalten Vorformling oder als einstufiges Verfahren mit einem heißen Vorformling im Stand der Technik bekannt. Beiden Verfahren ist gemeinsam, dass zumindest eine Spritzhohlform zur Ausformung der Außenwand des Vorformlings sowie eine Spritzkernform zur Ausgestaltung der Innenwandung benötigt werden. Zudem ist es erforderlich, den Vorformling nach dem Spritzgussverfahren auf eine Temperatur abzukühlen, damit er aus der Form gelöst werden kann [0002]. Dabei ist besonders beim Zweistufenverfahren die Taktzeit für das Spritzgießen lang und demzufolge die Produktivität niedrig, weil der Vorformling auf ein Temperaturniveau abzukühlen ist, bei dem er sich nach Lösung der Formen nicht mehr verformt

[0003]. Bei dem zweistufigen Verfahren wirkt sich die Spritzgießtaktzeit zwar nicht unmittelbar auf die Blasformtaktzeit aus, aber weil dieses Verfahren eine Wiedererhitzung der auf Raumtemperatur gekühlten Vorformlinge erfordert, ist es in der Energieeffizienz dem einstufigen Verfahren unterlegen [0004]. Bei dem einstufigen Verfahren werden die spritzgegossenen Vorformlinge bei einer höheren Temperatur aus der Form gelöst und in einem relativ heißen und damit weichen Zustand von der Spritzgießstation zu der Blasformstation gefördert, in welcher der noch heiße Vorformling zu einem dünnwandigen Behälter streckblasgeformt wird. Jedoch ist es auch beim einstufigen Verfahren erforderlich, den Vorformling durch die Spritzkernform und die Spritzhohlform auf ein gewisses Temperaturniveau abzukühlen, weshalb dadurch die Taktzeit der Gesamtvorrichtung, bei herkömmlichen starr vertakteten Spritzstreckblasformvorrichtung durch den Spritzgießtakt bestimmt wird [0005-0006]. Diese Taktzeit lässt sich nicht beliebig verkürzen [0007-0013]. Aus diesem Grund führen auch die verschiedenen vorbekannten Lösungen nur zu teilweise verbesserten Ergebnissen [0014-0019].

2.

Vor diesem Hintergrund soll die Streitpatentschrift eine Vorrichtung und ein Verfahren zum Spritzstreckblasformen bereit stellen, mit deren Hilfe eine wirtschaftliche Behälterproduktion ermöglicht wird und gleichzeitig eine kompakte Anordnung der Formstation selbst erreicht werden kann [0020].

3.

Diese Aufgabe wird hinsichtlich einer Vorrichtung durch die im geltenden Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale gelöst. In gegliederter Fassung lautet der Patentanspruch 1:

Vorrichtung zum Spritzstreckblasformen mit:

1. einer Vorformstation (10) zum Spritzgießen von Vorformlingen (1), 1.1.

wobei die Vorformstation (10) für ein gleichzeitiges Spritzgießen von N (N>=2) Vorformlingen in einem ersten Abstand (P1) ausgelegt ist, 2.

einer Blasformstation (300) zum Streckblasformen der Vorformlinge in Behälter, 2.1. mit einer Umlauftransporteinrichtung (302) zum schrittweisen umlaufenden Transportieren der Vorformlinge entlang einer Transportbahn, 2.1.1. wobei die Umlauftransporteinrichtung (302) zum schrittweisen umlaufenden Transport der Vorformlinge entlang der Transportbahn in dem zweiten Abstand (P2, P3) ausgelegt ist;

2.2. mit einem Heizabschnitt (306) zum Erwärmen der entlang der Transportbahn bewegten Vorformlinge; und 2.3.

mit einem Blasformabschnitt (310), der zum gleichzeitigen Blasformen von n (1<=n<N) Behälter aus n Vorformlingen dient; und 3.

einer Übergabestation (200, 500, 600) zum Aufnehmen der Vorformlinge aus der Vorformstation (10) und zur Übergabe der Vorformlinge an die Blasformstation (300);

3.1. die Übergabestation (200, 500, 600) weist einen Aufnahmemechanismus (210, 502, 602) auf;

3.2. die Übergabestation (200, 500, 600) weist einen AbstandsÄnderungsmechanismus (254, 522, 606) zum Ändern eines Anordnungsabstandes der Vorformlinge (1) von dem ersten Abstand (P1) zu einem zweiten Abstand (P2, P3) auf, der größer ist als der erste Abstand (P1);

3.3. die Übergabestation (200, 500, 600) weist einen Umkehrmechanismus (230, 504, 608) zum Umkehren der Vorformlinge auf.

Der Senat legt dem erteilten Patentanspruch 1 folgendes Verständnis zu Grunde:

Gemäß dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 besteht die streitpatentgemäße Vorrichtung aus nur drei Stationen, einer Vorformstation zum Spritzgießen von Vorformlingen (Merkmalskomplex 1), einer Blasformstation zum Streckblasformen der Vorformlinge (Merkmalskomplex 2) sowie einer Übergabestation zum Aufnehmen der Vorformlinge aus der Vorformstation und zur Übergabe der Vorformlinge an die Blasformstation (Merkmalskomplex 3).

Die Vorformstation ist gemäß Merkmal 1.1 des Patentanspruchs 1 für ein gleichzeitiges Spritzgießen von N Vorformlingen in einem ersten Abstand P1 ausgelegt, wobei die Anzahl N größer oder gleich 2 sein soll.

Die Blasformstation weist gemäß dem Merkmal 2.1 eine Umlauftransporteinrichtung auf, worunter der Fachmann eine endlos umlaufende Transportvorrichtung, beispielsweise eine Gurtbandoder Kettentransportvorrichtung versteht, die schrittweise umläuft. Auf diese Weise werden die Vorformlinge entlang der Transportbahn in dem durch die Umlauftransporteinrichtung vorgegebenen Abstand P2 oder P3 schrittweise transportiert, durch den Heizabschnitt (Merkmal 2.2 ) erwärmt, bevor sie, durch die Transporteinrichtung der Blasvorrichtung transportiert, im Blasformabschnitt mittels Streckblasformen umgeformt werden.

Bereits die Festlegung einer Transportbahn gemäß Merkmal 2.1 innerhalb der Umlauftransporteinrichtung stellt klar, dass die Vorformlinge - entgegen dem Vortrag der Klägerin -nicht endlos im Kreis umlaufend transportiert werden, sondern lediglich entlang eines bestimmten Transportbereiches innerhalb der Umlauftransporteinrichtung.

Das Merkmal 2.3 des Patentanspruchs 1 stellt mit der Bedingung 1<=n<N klar, dass in dem Blasformabschnitt der Blasstation gleichzeitig weniger Behälter mittels Blasformen umgeformt werden, als Vorformlinge in der Vorformstation mittels Spritzgießen hergestellt werden.

Zwischen der Vorformstation und der Blasformstation ist eine (einzige) Übergabestation angeordnet, welche die im Abstand P1 angeordneten Vorformlinge aus der Vorformstation aufnimmt, umkehrt und mit einem zweiten Abstand P2 oder P3, der größer ist als der erste Abstand P1, an die Blasformstation übergibt, wozu die Übergabestation einen Aufnahmemechanismus, einen AbstandsÄnderungsmechanismus sowie einen Umkehrmechanismus aufweist (Merkmale 3.1. bis 3.3).

Unter dem Begriff "Umkehren" versteht das Streitpatent durchgängig in allen Ausführungsbeispielen und insbesondere gemäß den Ausführungen auf Seite 56, 2. Absatz der Beschreibung nach der Anlage K1 ausschließlich ein Wenden um 180¡ um eine horizontale (waagrechte) Achse, so dass die Streitpatentschrift diesbezüglich gleichsam ihr eigenes Lexikon darstellt (BGH GRUR 1999, 909 (Ls 1 u 2) Spannschraube; vgl. auch BGH GRUR 2001, 232 - Brieflocher; GRUR 1984, 425

- Bierklärmittel).

Der Kern des Streitpatents liegt also in der besonderen Ausgestaltung der Übergabestation, die mit der Umlauftransporteinrichtung der Blasstation derart zusammenwirkt, dass einerseits eine Entkoppelung zwischen der Vorformstation und der Blasformstation in der Weise stattfindet, dass weniger Behälter mit einer kürzeren Taktzeit blasgeformt werden als Vorformlinge mit einer längeren Taktzeit spritzgegossen werden, wodurch insgesamt weniger Blasformeinsätze erforderlich sind, ohne dass dies zu einer Verlängerung der Gesamttaktzeit der Spritzstreckblasformvorrichtung führt.

Andererseits soll die Übergabe der Vorformlinge von der Vorformstation zu der Blasformstation mit nur einer einzigen Übergabestation derart erfolgen, dass die Vorformlinge in der Übergabestation sowohl gewendet als auch auf den breiteren Abstand P2 der Umlauftransporteinrichtung umgesetzt werden, wodurch aufgabengemäß die kompakte Anordnung der gesamten Formstation erreicht wird.

Der unabhängige Patentanspruch 21 betrifft die verfahrenstechnische Lösung der streitpatentgemäßen Aufgabe und hat ein Verfahren zum Spritzstreckblasformen für das Blasformen von Behältern aus Vorformlingen zum Inhalt, welche Hitze vom Spritzgießen der Vorformlinge zurückhalten, mit den Verfahrensschritten:

1.

Lösen der N (N>=2) Vorformlinge, welche unter Verwendung mindestens einer Spritzgießkernform und einer Spritzgießhohlform gegossen wurden, von der Spritzgießhohlform;

2.

Transportieren der Spritzgießhohlformen zu einem Ausstoßabschnitt in einem ersten Abstand (P1) entlang einer ersten Transportbahn, 2.1. wobei die Vorformlinge durch die Spritzgießkernformen gehalten sind, 2.2.

während die Vorformlinge von den Spritzgießkernformen gekühlt werden;

3.

Ausstoßen der Vorformlinge in dem Ausstoßabschnitt durch Lösen von der Spritzgießkernform;

4.

Übergeben der ausgestoßenen Vorformlinge an Transportglieder, 4.1. welche entlang eines zweiten Transportpfades zu transportieren sind;

4.2. durch einen mehrfach wiederholten Vorgang eines Ändern des Abstandes und gleichzeitigen Übergebens von n Vorformlingen an n Transportglieder 4.3. Transportieren der die Vorformlinge haltenden Transportglieder entlang der zweiten Transportbahn zu einem Blasformabschnitt;

4.4.

wobei die Vorformlinge mit einer Abstandsanordnung (P2) der Transportglieder transportiert werden, welcher gleich dem Blasabstand ist;

5.

gleichzeitiges Blasformen in dem Blasformabschnitt von n (2<=n<N) Behältern aus n Vorformlingen in einer bezüglich der n Vorformlingen geklemmten Blasform, 5.1. welche in einem Blasformabstand (P2), der größer ist als der erste Abstand (P1), angeordnet sind;

Die Merkmale des Patentanspruchs 21 beschreiben im Wesentlichen die verfahrenstechnische Lösung der im Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten Spritzstreckblasformvorrichtung. Wenngleich hier gegenüber dem Patentanspruch 1 das Merkmal des Umkehrens der Vorformlinge nicht enthalten ist, beschreibt insbesondere das Merkmal 4.2 die Übergabe der Vorformlinge an die Transportglieder der Umlauftransporteinrichtung der Blasformstation.

Dabei wurden die sich ergänzenden Merkmale "gleichzeitiges Blasformen in dem Blasformabschnitt von n (1<=n<N) Behältern aus n Vorformlingen in einer bezüglich der n Vorformlingen geklemmten Blasform" und "dass bei dem Schritt des Blasformens n (n>=2) Behälter gleichzeitig aus n Vorformlingen unter Verwendung von n Blashohlräumen blasgeformt werden" zu dem neuen Merkmal 5 mit (2<=n<N) zusammengefasst.

5. Der Senat konnte nicht feststellen, dass die unstreitig gewerblich anwendbare streitpatentgemäße Vorrichtung zum Spritzstreckblasformen nach den geltenden Patentansprüchen 1 bis 20 - die Neuheit liegt unbestritten vor -gegenüber dem angeführten Stand der Technik nicht patentfähig ist.

Die bereits in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents (Seite 6, letzter Absatz der Anlage K1) beschriebene Vorrichtung zum Spritzstreckblasformen nach der K9 zeigt gemäß den Ausführungen in der Streitpatentschrift, alle Merkmale des Oberbegriffs des erteilten Patentanspruchs 1 und somit die Merkmale 1, 1.1, 2, 2.2 bis 3.1 gemäß vorstehender Merkmalsgliederung.

Die im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 des Streitpatents aufgeführten Merkmale (3.2, 3.3, sowie 2.1 und 2.1.1 nach vorstehender Merkmalsgliederung) weist diese bekannte Spritzstreckblasformvorrichtung jedoch nicht auf. Denn bei dieser bekannten Spritzstreckblasformvorrichtung werden die Vorformlinge nach Figur 2 bzw. Figur 6 in einem gleichbleibenden Abstand von der Übergabestation (take off plate (26)) der Vorformstation auf Paletten (23) der Umlauftransporteinrichtung der Blasformstation übergeben, weshalb dort an der Übergabestation kein Abstandsänderungsmechanismus vorgesehen ist. Ebenso hat die Übergabestation keinen Umkehrmechanismus zum Umkehren, also zum Wenden, der Vorformlinge um 180¡ im Sinne des Streitpatents. An der Umlauftransporteinrichtung sind gemäß den Ausführungsbeispielen nach Figur 2 bzw. Figur 6 mehrere Paletten für jeweils zwei bzw. drei Vorformlinge vorgesehen, deren Abstand genau dem Abstand der Vorformlinge in der Vorformstation entspricht und nicht verändert werden kann. Aus diesem Grund kann die bekannte Spritzstreckblasformvorrichtung nach der Anlage K9 für sich gesehen den Fachmann nicht dazu anleiten, eine Vorrichtung zum Spritzstreckblasformen mit den im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 aufgeführten Merkmalen auszubilden.

Die Druckschrift gemäß der Anlage K8 zeigt ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Herstellung von Kunststoffflaschen. Nach den Figuren 2 und 3 sowie den Ausführungen auf Seite 10, Absatz 2 weist diese bekannte Vorrichtung sechs Hauptteile auf, nämlich eine Spritzformanordnung (10), einen Külbeloder Vorformlingsteil (20), einen Vorformling-Speicherbereich (40), einen Übertragungsabschnitt (60), einen Blasformteil (80) und einen Förderer (100) zum Abtransport der fertigen Flaschen.

In der Spritzformanordnung (10) werden gemäß Figur 6 insgesamt 4x4 Vorformlinge in einer horizontalen Lage spritzgegossen. Mittels eines Halsringschlitten

(25)

werden die Vorformlinge aus einer Formplatte (22) und entlang einer Gleitstange (26) herausgefahren, anschließend wird gemäß Figur 7 der Halsring-Schlitten (25) um 90¡ geschwenkt, um die Vorformlinge an eine Speicherplatte

(41)

des Speicherbereich (40) zu überbringen. Die Speicherplatte (41) kann um 180¡ um eine vertikale Achse (43) geschwenkt werden, so dass die Vorformlinge von einem primären in einen sekundären Bereich des Speichers umgesetzt werden. Der gesamte Speicherbereichs (40) weist eine Heizanordnung (44) zum Heizen der Vorformlinge auf (Seite 11, letzter Absatz bis Seite 12, 1. Absatz). Anschließend werden die Vorformlinge von dem sekundären Bereich des Speichers reihenweise mittels eines Vorformlingabnehmers (65) an einen Übertragungsabschnitt (60) und von dort mittels eines Pendelelements (61) an die Blasform (82) übergeben (Seite 12, 2. Absatz).

In der Ausführungsform gemäß Figur 12 ist der Vorformlingabnehmer (65) teleskopartig aufgebaut, wodurch der Abstand der Vorformlinge vergrößert werden kann, bevor das Pendelelement (61) die Vorformlinge ergreift und in die Blasform

(82)

einsetzt.

Die bekannte Spritzstreckblasformvorrichtung nach der Anlage K8 weist somit zwar auch eine Vorformstation für ein gleichzeitiges Spritzgießen von N (N>=2) Vorformlingen in einem ersten Abstand P1 sowie eine Blasformstation auf, die zum gleichzeitigen Blasformen von n (1<=n<N) Behälter aus n Vorformlingen vorgesehen ist (Merkmale 1, 1.1, 2 sowie 2.3). Jedoch sind die Übergabestation und die Blasformstation völlig unterschiedlich aufgebaut als die streitpatentgemäßen Übergabeund Blasformstation. Denn die bekannte Spritzstreckblasformvorrichtung nach der K8 weist keine Übergabevorrichtung auf, welche die Vorformlinge von der Vorformstation direkt an die Blasformstation übergibt (Merkmal 3). Vielmehr ist zwischen der Vorformstation und der Blasformstation der Speicherbereich

(40)

angeordnet, so dass mehrere hintereinander arbeitende Übergabevorrichtungen, nämlich zumindest der Halsringschlitten (25), die schwenkbare Speicherplatte (41) und der Vorformlingabnehmer (65) erforderlich sind, um die Vorformlinge zunächst in den primären Speicherbereich (40), anschließend in den sekundären Speicherbereich und von dort in den Übertragungsabschnitt (60) zu übertragen, von wo sie von der Transporteinrichtung der Blasformstation (Pendelelement (61)) übernommen werden können. Auch ein Umkehren der Vorformlinge im Sinne des Streitpatents, also ein Wenden um 180¡ (Merkmal 3.3) findet bei der bekannten Spritzstreckblasformvorrichtung nach der Anlage K8 nicht statt, weil das Schwenken um 90¡ nur dazu vorgesehen ist, die Vorformlinge in den Speicher einzusetzen und das Drehen der Speicherplatte um 180¡ die Vorformlinge nur vom primären in den sekundären Speicherbereich umsetzt, ohne die Vorformlinge zu wenden.

Anders als beim Streitpatent weist die Blasformstation der bekannten Spritzstreckblasformvorrichtung nach der Anlage K8 auch keine Umlauftransporteinrichtung zum schrittweisen umlaufenden Transportieren der Vorformlinge entlang einer Transportbahn auf (Merkmale 2.1 bzw. 2.1.1), sondern eine hinund her fahrende Lineartransporteinrichtung (Pendelelement (61)). Ebenso hat die Blasformstation der bekannten Spritzstreckblasformvorrichtung nach der K8 keinen in der Blasformstation angeordneten Heizabschnitt zum Erwärmen der entlang der Transportbahn bewegten Vorformlinge (Merkmal 2.2), weil dort die Heizeinrichtung im Speicherbereich (40) angeordnet ist.

Die bekannte Spritzstreckblasformvorrichtung nach der Anlage K8 bedient sich somit unterschiedlicher Mittel und Einrichtungen, nämlich im Wesentlichen eines zwischengeschalteten Speicherbereichs mit mehreren zusätzlichen Handhabungseinrichtungen um eine Entkoppelung von Vorformund Blasformstation zu erreichen und kann den Fachmann daher allenfalls anleiten, bei einer Spritzstreckblasformvorrichtung einen zusätzlichen Speicherbereich zur Entkoppelung von Vorformund Blasformstation anzuordnen. Hinweise auf die Ausgestaltung einer kompakten Anordnung der Spritzstreckblasformvorrichtung sind in der gesamten Druckschrift nach der Anlage K8 nicht enthalten.

Deshalb kann weder die Druckschrift nach der Anlage K8 für sich gesehen noch eine Kombination der Druckschriften nach den Anlagen K8 und K9 den Fachmann zur streitpatentgemäßen Vorrichtung nach Patentanspruch 1 führen.

Die von der Klägerin genannte Druckschrift nach der Anlage K2 zeigt gemäß Figur 9 eine Vorrichtung zum Spritzstreckblasformen (Spalte 1, Zeilen 8 bis 12), die eine Vorformstation (10) mit zwei Reihen von Spritzgießhohlformen (18) aufweist, welche somit für ein gleichzeitiges Spritzgießen von N (N>=2) Vorformlingen in einem ersten Abstand ausgelegt ist (Merkmale 1 und 1.1). Weiterhin ist eine Blasformstation (12) zum Streckblasformen der Vorformlinge zu Behälter angeordnet (Merkmal 2), welche zwei Reihen von Blashohlformen (20) aufweist (siehe Spalte 1, Zeilen 22 bis 37).

Mittels eines Drehtisches werden die spritzgegossenen Vorformlinge (24) von der Vorformstation (10) durch eine Drehung um eine vertikale Achse um 180¡ zu der Blasformstation (12) gefördert, wobei gemäß den Ausführungen in Spalte 4, Zeilen 24 bis 27 ein Heizabschnitt zur Regulierung der Temperatur vorgesehen ist. Während die Vorformlinge (24) weiter an den Halsformen (14) gehalten werden, erfolgt das Blasformen der Vorformlinge (24) zu Behälter (22). Anschließend werden die blasgeformten Behälter (22) mittels des Drehtisches zu einem nicht dargestellten Ausstoßabschnitt gefördert. Gemäß den Figuren 1 bis 4 sowie den Ausführungen in Spalte 3, Zeilen 19 bis 30 weist diese bekannte Spritzstreckblasformvorrichtung an dem Drehtisch einen Veränderungsmechanismus auf, mit welchem der Reihenabstand der zwei Reihen von spritzgegossenen Vorformlingen zueinander geändert werden kann (Merkmal 3.4).

Der Drehtisch dient somit gleichzeitig zum Halten und Fixieren der Vorformlinge während des Spritzgießvorgangs und während des Streckblasvorgangs als auch dem Transportieren der Vorformlinge zur Spritzstreckblasformvorrichtung und von dort zur Blasformstation. Daher kann der Drehtisch somit also als Übergabestation im Sinne des Streitpatents mit den Merkmalen 3 bis 3.4 des Patentanspruchs 1 aufgefasst werden. Jedoch weist diese bekannte Spritzstreckblasformvorrichtung keine separate Umlauftransporteinrichtung der Blasformstation mit den Merkmalen 2.1 und 2.1.1 auf.

Anders als bei der streitpatentgemäßen Vorrichtung ist bei dieser bekannten Vorrichtung aufgrund des Drehtisches eine starre Verkettung zwischen der Vorformstation und der Blasformstation gegeben, so dass genauso viele Vorformlinge spritzgegossen wie Behälter blasgeformt werden. Damit unterscheidet sich diese bekannte Vorrichtung auch durch das Merkmal 2.3 des Patentanspruchs 1 vom Streitpatentgegenstand, welches die Entkopplung der Vorformstation von der Blasformstation festlegt.

Auch das Merkmal 3.5 des Patentanspruchs 1 ist bei dieser bekannten Spritzstreckblasformvorrichtung nicht verwirklicht. Denn die Übergabestation weist keinen Umkehrmechanismus zum Umkehren, also Wenden, der Vorformlinge auf, weil ersichtlich alle Vorgänge in einer Ausrichtung, nämlich mit nach oben gerichteten Halsabschnitten durchgeführt werden.

Die bekannte Spritzstreckblasformvorrichtung nach der Anlage K2 zeigt somit mit ihrer starren Verkettung und demzufolge einer starren Vertaktung zwischen Vorformstation und Blasformstation eine andersartige Übergabestation als das Streitpatent und kann daher die streitpatentgemäße Lösung nach Patentanspruch 1 für sich nicht nahe legen.

Auch eine Kombination der Druckschrift nach der Anlage K2 mit den vorgenannten Druckschriften nach den Anlagen K8 oder K9 führt den Fachmann nicht zum Streitpatentgegenstand.

Denn die bekannte Spritzstreckblasformvorrichtung nach der Anlage K2 mit ihren starr vertakteten Stationen, bei denen genauso viele Blasformeinheiten benötigt werden wie Spritzgießeinheiten vorhanden sind, führt den Fachmann vielmehr vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents weg, bei dem die Ausgestaltung einer Entkopplungsvorrichtung zwischen Vorformstation und Blasformstation im Vordergrund steht. Aus diesem Grund führt weder eine Kombination der Druckschrift nach der Anlage K8 noch nach der Anlage K9 mit der Druckschrift nach Anlage K2 zum Streitpatentgegenstand.

Dasselbe gilt sinngemäß auch für die Druckschrift nach der Anlage K5, die eine Maschine zur Herstellung von Hohlgegenständen mit Mehrfachformen zeigt und gemäß Fig. 1 eine Pressstation (27) zum Pressformen von Hohlgegenständen und eine Fertigformstation (39) aufweist, wobei gemäß den Figuren 7 und 8 auch ein Wenden der Vorformlinge (143, 142) erfolgen kann. Denn auch hier ist die Übergabestation, welche die an einem Mündungsformhalter (6) gehaltenen Hohlgegenständen von der Pressstation (27) zu der Fertigformstation (39) transportiert und bei welcher mittels eines Kulissenmechanismus mit einer Kurvenbahn (25) der Abstand zwischen zwei pressgeformten Teilen verändert werden kann, starr mit der Pressstation und der Fertigformstation vertaktet. Daher werden auch hier, ähnlich wie bei der bekannten Spritzstreckblasformvorrichtung nach der Anlage K2, genauso viele Blasformeinheiten benötigt wie Spritzgießeinheiten vorhanden sind.

Auch diese bekannte Spritzstreckblasformvorrichtung weist daher keine separate Umlauftransporteinrichtung der Blasformstation mit den Merkmalen 2.1 und 2.1.1 und zudem keine Heizvorrichtung gemäß dem Merkmal 2.2 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents auf. Aus diesem Grund führt auch die Druckschrift nach der Anlage K5, ähnlich wie die der Anlage K2, den Fachmann vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents weg, bei dem die Ausgestaltung einer Entkopplungvorrichtung zwischen Vorformstation und Blasformstation im Vordergrund steht.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass zwar die einzelnen gegenständlichen Merkmale nach dem geltenden Patentanspruch 1 der patentgemäßen Spritzstreckblasformvorrichtung im Stand der Technik in unterschiedlichen Druckschriften nach den Anlagen K2, K5, K8 und K9 beschrieben sein mögen. Jedoch bietet jede dieser Druckschriften ein in sich abgeschlossenes Lösungskonzept für die unterschiedlichen Spritzstreckblasformvorrichtungen an, so dass der Fachmann keine Veranlassung hatte, einzelne aus dem Stand der Technik bekannte gegenständliche Merkmale willkürlich heraus zu greifen und zur Lehre des Patentanspruchs 1 zusammenzufügen; dies käme vielmehr einer unzulässigen expost-Betrachtung in Kenntnis der Erfindung gleich.

Die übrigen im Zuge des Verfahrens in Betracht gezogenen Druckschriften nach den Anlagen K3, K4, K6, K7 und K10, die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht weiter aufgegriffen worden sind, liegen weiter ab vom Streitpatentgegenstand und stehen dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht patenthindernd entgegen, wie der Senat überprüft hat. Die beanspruchte Lehre war auch nicht durch einfache fachübliche Erwägungen ohne weiteres auffindbar, sondern bedurfte darüber hinaus gehender Gedanken und Überlegungen, die auf erfinderische Tätigkeit schließen lassen.

Der geltende Patentanspruch 1 hat daher Bestand.

Dies gilt auch für die auf diesen Anspruch unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Ansprüche 2 bis 20. Denn diese Patentansprüche bilden die Vorrichtung nach dem Patentanspruch 1 vorteilhaft weiter aus. Sie werden daher von diesem auf Grund ihrer Rückbeziehungen getragen.

6. Der Senat konnte nicht feststellen, dass das unstreitig gewerblich anwendbare und neue streitpatentgemäße Verfahren zum Spritzstreckblasformen nach den geltenden Patentansprüchen 21 bis 25 gegenüber dem angeführten Stand der Technik nicht patentfähig ist.

Wie bereits bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit der Vorrichtung zum Spritzstreckblasformen nach dem Patentanspruch 1 ausgeführt ist, sind aus dem Stand der Technik keine Spritzstreckblasformvorrichtungen bekannt, deren Übergabestation, mit der Umlauftransporteinrichtung der Blasstation derart zusammenwirkt, dass einerseits eine Entkoppelung zwischen der Vorformstation und der Blasformstation in der Weise stattfindet, dass weniger Behälter mit einer kürzeren Taktzeit blasgeformt werden als Vorforminge mit einer längeren Taktzeit spritzgegossen werden, wobei gleichzeitig die Übergabe der Vorformlinge von der Vorformstation zu der Blasformstation mit nur einer einzigen Übergabestation, derart erfolgt, dass die Vorformlinge in der Übergabestation auf einen breiteren Abstand P2 der Umlauftransporteinrichtung umgesetzt werden, wodurch aufgabengemäß die kompakte Anordnung der gesamten Formstation erreicht wird.

Da der auf ein Verfahren zum Spritzstreckblasformen nach Patentanspruch 1 gerichtete Patentanspruch 21 im wesentlichen die verfahrenstechnische Lösung der im Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten Spritzstreckblasformvorrichtung beschreibt und sinngemäß weitgehend auch diejenige Merkmale aufweist, die in dem Patentanspruch 1 aufgeführt sind, ist das Vorliegen der erfinderischen Tätigkeit übereinstimmend zu beurteilen. Auf die entsprechenden Ausführungen wird verwiesen.

Der Patentanspruch 21 hat daher auch Bestand.

Die auf diesen Anspruch unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Ansprüche 22 bis 25 bilden das Verfahren nach dem Patentanspruch 21 vorteilhaft weiter aus. Sie werden daher von diesem auf Grund ihrer Rückbeziehungen getragen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.

Voit Dr. Huber Friehe Rippel Dr. Praschprö






BPatG:
Urteil v. 04.05.2010
Az: 4 Ni 78/08


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