Oberlandesgericht Oldenburg:
Beschluss vom 11. März 2003
Aktenzeichen: 1 Ws 60/03

(OLG Oldenburg: Beschluss v. 11.03.2003, Az.: 1 Ws 60/03)

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Aurich vom 14. November 2002,

mit dem die Eröffnung des Hauptverfahrens wegen Strafvereitelung im Amt bzw. versuchter Strafvereitelung im Amt abgelehnt worden ist,

aufgehoben, soweit die Nichteröffnung die Fälle 1 bis 4 der Anklage betrifft. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen.

Die Anklage der Staatsanwaltschaft vom 20. Dezember 2001 wird, soweit sie die Tatvorwürfe 1) bis 4) betrifft, zur Hauptverhandlung zugelassen.

Das Hauptverfahren wird im angegebenen Umfang vor einer großen Strafkammer des Landgerichts Osnabrück eröffnet.

Gründe

A.

Mit Anklage vom 20. Dezember 2001 wirft die Staatsanwaltschaft Oldenburg dem Angeschuldigten vor, in der Zeit vom Juli 1996 bis September 2000 eine vollendete und vier versuchte Strafvereitelungen im Amt (§§ 258, 258a StGB) begangen zu haben. Ihm wird zur Last gelegt, es als Staatsanwalt durch bewusst verzögernde Sachbearbeitung von fünf Ermittlungsverfahren wissentlich vereitelt bzw. zu vereiteln versucht zu haben, dass ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft wird.

Der Angeschuldigte hat den Anklagevorwurf bestritten, ohne auf die einzelnen Fälle einzugehen, und angegeben, bei der Bearbeitung einer Vielzahl von Ermittlungsverfahren könnten Fehler unterlaufen.

Durch den angefochtenen Beschluss hat die 2. große Strafkammer des Landgerichts Aurich die Eröffnung des Hauptverfahrens nach § 204 StPO mit der Begründung abgelehnt, der Angeschuldigte sei der ihm zur Last gelegten Taten nicht hinreichend verdächtig, weil ihm in einer Hauptverhandlung nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden könne, vorsätzlich gehandelt zu haben. Insbesondere werde ihm nicht widerlegt werden können, er habe - durch bewusstes Verjährenlassen der Ermittlungsverfahren und auf andere Weise - nur den für ihn bequemsten Weg einer Erledigung dieser Verfahren gewählt, die nach seiner Ansicht ohnehin letztlich nicht zu einer Verurteilung geführt hätten.

Die hiergegen gerichtete zulässige sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Oldenburg hat überwiegend Erfolg.

Der Angeschuldigte ist der angeklagten Taten 1) bis 4) - nicht aber der Tat 5) - hinreichend verdächtig, § 203 StPO.

Hinreichender Tatverdacht in diesem Sinne ist anzunehmen, wenn die vorläufige Tatbewertung ergibt, dass die Verurteilung des Angeschuldigten in einer Hauptverhandlung wahrscheinlich ist (vgl. KK-StPO, 4. Aufl., § 203 Rdn. 5 m. w. N.), ohne dass die Frage der Täterschaft und Schuld schon restlos bis in alle Einzelheiten geklärt sein müsste. Wenn für eine wahrscheinliche Verurteilung ausreichende Belastungsmomente vorliegen, ist das Hauptverfahren zu eröffnen und die Aufklärung von Widersprüchen zwischen den Angaben des Beschuldigten und den vorhandenen Beweisen der Hauptverhandlung zu überlassen (vgl. BGH NJW 1970, 1543).

Bei der Prüfung, ob hinreichender Tatverdacht in diesem Sinne besteht, sind bei einem Angeschuldigten, der keinerlei konkrete Angaben zum Tatvorwurf gemacht hat, vor allem die wahrscheinlich beweisbaren objektiven Umstände zu Grunde zu legen, nicht hingegen eine nur vermutete Einlassung, es sei denn, der Sachverhalt ist einfach gelagert und dem Angeschuldigten steht praktisch nur eine Verteidigungsmöglichkeit offen. Ansonsten - wie auch im vorliegenden Verfahren - ist es verfehlt, schon wegen einer rein hypothetischen Einlassung, die sich das Gericht selbst zugunsten des Angeschuldigten zusammengestellt hat, die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung zu verneinen.

Der nach alledem erforderliche Grad an Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung ist hier in den Fällen 1) bis 4) der Anklage gegeben. Es ist zu erwarten, dass eine Hauptverhandlung insoweit zu einer Verurteilung des Angeschuldigten führen wird, weil wahrscheinlich bewiesen werden wird, dass diese angeklagten Taten den äußeren und inneren Tatbestand einer vollendeten bzw. versuchten Strafvereitelung erfüllen und vom Angeklagten rechtswidrig und schuldhaft begangen wurden.

Hinsichtlich der inneren Tatseite gilt dabei, dass der für die Strafvereitelung erforderliche direkte Vorsatz nur die Tathandlung und den Vereitelungserfolg zu umfassen braucht, während für die Kenntnis der Vortat bedingter Vorsatz genügt, vgl. BGHSt 38, 345, 348, BGHR StGB § 258 Abs. 1, Vorsatz 1. Der Täter muss mithin eine Besserstellung des Vortäters erstreben oder als sichere Folge seines Handelns voraussehen und sich hinsichtlich der Vortat Umstände vorstellen, die möglicherweise eine strafbare Tat ergeben, wobei es auf die exakte tatsächliche oder rechtliche Einordnung nicht ankommt (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 258 Rdnr. 17).

Ob der Angeschuldigte in diesem Sinne vorsätzlich handelte, ist angesichts seiner pauschal bestreitenden Einlassung anhand der Umstände zu prüfen, die feststehen oder wahrscheinlich bewiesen werden und einen Rückschluss auf die Vorstellung des Angeschuldigten zulassen. Dabei darf nicht entscheidend nur auf einen einzelnen Umstand abgestellt werden, der dem Angeschuldigten günstig ist. Es ist vielmehr eine Gesamtwürdigung aller vorhandenen Umstände und Beweise vorzunehmen, vgl. BGH NStZ 2002, 48 m. w. Nachw.

B.

Für die im vorliegenden Verfahren angeklagten fünf Taten gilt im Einzelnen folgendes, wobei nur auf den vom Landgericht als nicht beweisbar angesehenen Vorsatz des Angeschuldigten eingegangen wird; die objektive Tatbestandsverwirklichung, die letztlich auch vom Landgericht nicht in Zweifel gezogen wird, ist in der Anklage zutreffend dargestellt worden; hierauf wird insoweit Bezug genommen.

I. Ziffer 1) der Anklage

(Ermittlungsverfahren 10 Js (W) 418/95 der Staatsanwaltschaft Aurich gegen den Kaufmann W... S... wegen Verdachts des Betruges)

Entgegen der Ansicht des Landgerichts reichen in diesem Fall die objektiven Anhaltspunkte aus, um mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf einen Vorsatz des Angeschuldigten zu schließen.

Der in diesem Verfahren vom Angeschuldigten gefertigte Vermerk vom 24. September 1996 (Bl. 64 R), das Zivilverfahren sei noch nicht abgeschlossen, obwohl dieses bereits - wie er wusste - nicht mehr betrieben wurde und vom Landgericht Braunschweig bereits rund ein halbes Jahr zuvor, nämlich am 22. Februar 1996, weggelegt worden war, und der Klammerzusatz seiner Verfügung vom 24. September 1996 (Bl. 64 R), mit der er die Wiedervorlage der Akten auf den 30. Dezember 1998 mit dem Zusatz "(Verjährung€)" verfügte, sprechen auf das Deutlichste dafür, dass der Angeschuldigte das Verfahren bewusst der Verjährung zuführen wollte. Das zeigt sich auch darin, dass der Angeschuldigte am 20. Januar 1999 in der Ermittlungsakte ausdrücklich vermerkte "Verjährung tritt am 12.5.2000 ein" (Bl. 64R) und schließlich mit Verfügung vom 11. Februar 2000 die Wiedervorlage der Ermittlungsakte auf einen danach liegenden Zeitpunkt, nämlich den 30. Mai 2000 verfügte (Bl. 64R).

Dass der Angeschuldigte damit wissentlich eine Bestrafung des Beschuldigten vereiteln wollte, weil er vom Vorliegen einer bestimmten Straftat des Beschuldigten ausging, ergibt sich dabei schon aus dem Umstand, dass er ausweislich seiner Verfügung die Frage der Verjährung prüfen wollte. Straftaten unterliegen unterschiedlichen Verjährungsfristen. Eine Prüfung auf Verjährungseintritt setzt deshalb voraus, dass vom Vorliegen einer bestimmten Straftat ausgegangen wird. Das spricht dafür, dass der Angeschuldigte eine Straftat des Beschuldigten S... zumindest für möglich hielt, so dass auf seinen bedingten Vorsatz hinsichtlich einer Vortat im Sinne des § 258 StGB geschlossen werden kann.

Bei dieser Sachlage kann der Ansicht des Landgerichts, der Angeschuldigte werde sich unwiderlegbar darauf berufen können, an dem Strafvorwurf sei "nichts dran" gewesen und er habe mit dem Zuführen zur Verjährung nur den bequemsten Weg einer Verfahrenserledigung gewählt, nicht gefolgt werden.

Auch die vom Landgericht in diesem Zusammenhang - sowie für die übrigen Fälle - geäußerten weiteren Erwägungen überzeugen nicht. Die Schlussfolgerung der Strafkammer, aus der relativ geringen Zahl der angeklagten Fälle ergebe sich, dass der Angeschuldigte nur "unbewußt fehlerhaft" gearbeitet habe, ist nicht nur nicht zwingend, sondern angesichts des dargestellten planmäßigen Vorgehens der Angeschuldigten nicht nachvollziehbar. Auch der Auffassung des Landgerichts, es sei "nicht im Ansatz erkennbar ... wieso sich der Angeschuldigte - wenn er subjektiv der Überzeugung gewesen wäre, er habe eine Straftat ... begangen - durch die Dokumentation (nämlich die Niederlegung von Vermerken oder Verfügungen) insoweit sehenden Auges der Gefahr einer späteren Verurteilung und damit der möglichen Entfernung aus dem öffentlichen Dienst ausgesetzt haben sollte", kann nicht gefolgt werden. Das aktenkundige Vorgehen des Angeschuldigten spricht keineswegs zwingend gegen einen Strafvereitelungsvorsatz. Hierfür sind auch andere Erklärungen denkbar. Naheliegend ist etwa, dass der Angeschuldigte in der geschehenen Weise handelte, weil eine völlige Nichtbearbeitung der Akten im Geschäftsbetrieb der Staatsanwaltschaft aufgefallen wäre und zu Rückfragen geführt hätte, die der Angeschuldigte vermeiden wollte.

II. Ziffer 2) der Anklage

(Ermittlungsverfahren 16 Js 14441/96 der Staatsanwaltschaft Aurich gegen M... H... wegen Verdachts des Betruges)

Entgegen der Ansicht des Landgerichts war in diesem Fall nach Aktenlage nicht "allenfalls", sondern mit Gewissheit eine strafbare Vortat gegeben; auch reichen die objektiven Anhaltspunkte aus, um mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf einen Strafvereitelungsvorsatz des Angeschuldigten zu schließen.

Die Begründung der Strafkammer, dem Angeschuldigten könne ein bedingter Vorsatz im Hinblick auf die Vortaten der Beschuldigten H... und K... nicht nachgewiesen werden, überzeugt nicht. Der Sachverhalt ist keineswegs - wie die Strafkammer ausführt - "komplex und schwierig", zumal die Strafanzeige des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen in Oldenburg besonders übersichtlich und mit Hinweisen auf die geordnet abgehefteten Anlagen verfasst ist. Unzutreffend ist auch, dass der Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht nicht ausreichend aufgeklärt gewesen sei. Bei ordnungsgemäßer Bearbeitung des Verfahrens hätte der Angeschuldigte lediglich die Vernehmung der Beschuldigten veranlassen müssen, was die Strafverfolgungsverjährung unterbrochen hätte. Dies kann dem Angeschuldigten auch nicht entgangen sein. Um den Vermerk auf Bl. 96 R der Ermittlungsakte verfassen zu können, musste er den Akteninhalt durcharbeiten. Sein Vermerk, es werde sich wahrscheinlich nicht klären lassen, ob die Rückzahlung erfolgt sei oder nicht, ist so abwegig, dass er als Vorwand für ein bewusstes Nichtverfolgen der Straftat erscheint. Nach Aktenlage stand zu diesem Zeitpunkt bereits fest, dass der Beschuldigte H... den Scheck zugunsten des Kontos seiner Lebensgefährtin eingereicht hatte. Der Angeschuldigte erläuterte auch mit keinem Wort, warum sich eine Rückzahlung nicht feststellen lasse. Vielmehr spricht seine zugleich vorgenommene Einstellung des Verfahrens nach § 154 StPO dafür, dass der Angeschuldigte - zutreffend - von einer strafbaren Vortat des Beschuldigten H... ausging, so dass Strafvereitelungsvorsatz bezüglich dieser Vortat anzunehmen ist.

Den weiteren auf Bl. 96 R gefertigten Verfügungen des Angeschuldigten, nämlich den bloßen Verfristungen um 4 Monate und um ein Jahr sowie der dann erfolgten Einstellung wegen Verjährung, ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu entnehmen, dass er auch dieses Verfahren wissentlich der Verjährung zuführte und den staatlichen Strafanspruch vereitelte.

III. Ziffer 3) der Anklage

(Ermittlungsverfahren 16 Js 13625/96 der Staatsanwaltschaft Aurich gegen F... W... und H... S... wegen Verdachts der Abgabe falscher eidesstattlicher Versicherungen im Rahmen arbeitsgerichtlicher Verfahren)

Entgegen der Ansicht des Landgerichts reichen auch in diesem Fall die objektiven Anhaltspunkte aus, um mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf einen Vorsatz des Angeschuldigten zu schließen.

Der Angeschuldigte hatte in diesem Verfahren einen Anfangsverdacht bejaht und vor einer Entscheidung im Ermittlungsverfahren den Ausgang zweier Arbeitsgerichtsverfahren, in die er Einsicht genommen hatte, abwarten wollen. Demgemäß hat er das Ermittlungsverfahren nach § 154d StPO "bis zum Abschluss dieser Verfahren" vorläufig eingestellt. Er hat aber dann in der Folgezeit über drei Jahre lang die Arbeitsgerichtsakten nie wieder angefordert oder in anderer Weise den dortigen Sachstand festgestellt, sondern lediglich - nacheinander sechsmal - die Wiedervorlage der Akte verfügt, zuletzt am 1. Juli 1999 auf den 30. Juni 2000. Diese Vorgehensweise spricht dafür, dass er auch dieses Verfahren in keiner Weise fördern, sondern verjähren lassen wollte. Dazu dürfte es wahrscheinlich nur wegen seiner eine Dienstunfähigkeit begründenden Erkrankung nicht mehr gekommen sein.

Bei seinem Vorgehen ist der Angeschuldigte vom Vorliegen einer Straftat ausgegangen. Denn eine Einstellung nach § 154d StPO setzt ein Vergehen voraus. Andernfalls hätte er bereits die Aufnahme von Ermittlungen nach § 152 StPO ablehnen müssen. Es dürfte auch hinreichend wahrscheinlich sein, dass der Angeschuldigte als Oberstaatsanwalt in dem Wissen handelte, dass die bewusste Nichtförderung des Ermittlungsverfahrens über Jahre hinweg zu einer Vereitelung des staatlichen Strafanspruchs führen würde.

IV. Ziffer 4) der Anklage

(Ermittlungsverfahren 16 Js 21207/98 der Staatsanwaltschaft Aurich gegen D... L... wegen Verdachts des Betruges)

Auch in diesem Fall bestehen genügend objektive Anhaltspunkte, um mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf einen Vorsatz des Angeschuldigten zu schließen.

Die Begründung, mit der das Landgericht von der Nichtbeweisbarkeit eines Strafvereitelungsvorsatzes ausgegangen ist, ist nicht tragfähig. Auf die von der Strafkammer unterstellte naheliegende Wahrscheinlichkeit, der Angeschuldigte sei bei Einstellung des Verfahrens am 1. September 1999 der Auffassung gewesen, das Verfahren betreffe ausschließlich die Frage einer etwaigen Steuerhinterziehung, während er die Straftat nach § 266a StGB schlicht übersehen habe, hat sich der Angeschuldigte selbst gar nicht berufen. Im Übrigen dürfte diese Annahme auch nicht haltbar sein. Denn der Angeschuldigte hatte persönlich die weitere Eintragung des Verfahrens auch wegen Beitragsvorenthaltung veranlasst (Bl. 70R). Auch kann darin, dass der Angeschuldigte die Verfahrenseinstellung nach § 153 StPO verfügte, ohne die nach § 153 Abs. 1 StPO hier erforderliche Zustimmung des Gerichts eingeholt zu haben, ein Hinweis darauf gesehen werden, dass er die weiteren Vorwürfe bewusst nicht aufklären, sondern - um die Vereitelung des staatlichen Strafanspruchs wissend - die Sache "unter der Hand" erledigen wollte. Denn aus dem von ihm ausdrücklich in Bezug genommenen Bericht des Finanzamtes Leer ergab sich in Hinblick auf ein (vollendetes) Steuerdelikt kein Tatverdacht. Hätte der Angeschuldigte nur an diese Straftat gedacht, wäre eine Einstellung nach § 153 StPO mithin nicht in Betracht gekommen.

Das Landgericht kann sich für seine entgegengesetzte Ansicht auch nicht darauf stützen, schon aus dem Umstand, dass sich der Bericht des Finanzamtes nur zu der Frage einer Steuerverkürzung verhielt, ergebe sich, dass der Angeschuldigte wahrscheinlich bei der Einstellung des Verfahrens an den weiteren Tatvorwurf der Beitragsvorenthaltung nicht gedacht habe. Wegen der oben aufgeführten Gesichtspunkte spricht vielmehr vieles dafür, dass die Bezugnahme auf den Bericht des Finanzamtes vom Angeschuldigten nur als eine - auf den ersten Blick aktenkonforme - Scheinbegründung der Einstellung eingesetzt wurde.

Nach alledem ist mit für eine Eröffnung des Hauptverfahrens hinreichender Wahrscheinlichkeit von einem bedingten Vorsatz des Angeschuldigten bezüglich einer Vortat in Form eines Vergehens nach § 266a StGB sowie davon auszugehen, dass der Angeschuldigte insoweit im Sinne von § 258 Abs. 1 StGB wissentlich handelte.

V. Ziffer 5) der Anklage

(Ermittlungsverfahren 16 Js 20062/99 der Staatsanwaltschaft Aurich gegen E. K. u.a. wegen Verdachts des Verrats von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen nach § 17 UWG)

Insoweit hat die Strafkammer die Eröffnung des Hauptverfahrens zu Recht abgelehnt. Ein Strafvereitelungsvorsatz kann hier schon aufgrund der objektiven Umstände nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Die vom Angeschuldigten verfügte Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatnachweises bei gleichzeitiger Verfristung, die ohne irgendwelche sachfördernden Maßnahmen später noch zweimal wiederholt wurde, war hier nicht gänzlich sachwidrig. Denn der geschädigte Anzeigeerstatter hatte selbst ausdrücklich um weiteres Zuwarten der Ermittlungsbehörden gebeten, um Gelegenheit zu haben, durch ein fingiertes Angebot den von ihm vermuteten und als bislang nicht beweisbar eingeschätzten Geheimnisverrat nachzuweisen; er wollte sich dann von sich aus wieder bei der Polizei melden. Zwar war die vom Angeschuldigten verfügte Einstellung in diesem Verfahrensstadium verfehlt. Stattdessen wären sachfördernde Maßnahmen angezeigt gewesen, namentlich die Durchführung des schon erlassenen Durchsuchungsbefehls gegen die Firma W... sowie die Beantragung eines Durchsuchungsbefehls gegen den Beschuldigten B..., zumal die Polizeibehörde dies angeregt hatte. Da die vom Angeschuldigten gewählte Vorgehensweise aber angesichts der Bitte des Geschädigten um weiteres Zuwarten nicht als völlig unvertretbar angesehen werden kann, und im Übrigen auch durch den späteren Geschehensablauf im Ergebnis eine gewisse Bestätigung gefunden hat, wird sich in diesem Fall ein Strafvereitelungsvorsatz wahrscheinlich nicht beweisen lassen.

C.

Wegen der früheren Einbindung des Angeschuldigten in die Justizbehörden in Aurich eröffnet der Senat in Anwendung von § 210 Abs. 3 StPO das Hauptverfahren im dargestellten Umfang vor einer Strafkammer des Landgerichts Osnabrück, um eine unvoreingenommene Verhandlung zu gewährleisten.






OLG Oldenburg:
Beschluss v. 11.03.2003
Az: 1 Ws 60/03


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