Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Februar 2009
Aktenzeichen: 30 W (pat) 70/08

(BPatG: Beschluss v. 12.02.2009, Az.: 30 W (pat) 70/08)

Tenor

1.

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

2.

Kosten werden nicht auferlegt.

Gründe

I.

Eingetragen am 27. Juli 2005 unter der Nummer 305 04 381 für die Waren und Dienstleistungen:

Abführmittel; Alkohol für medizinische und pharmazeutische Zwecke; Analgetika; Anästhetika; Antibiotika; antiparasitäre Mittel; Antirheumatika; Antiseptika; Reiseapotheken; pflanzliche und chemisch definierte Abmagerungsmittel/Appetitzügler; Arzneimittel; Klappen bei Verletzungen der Augen; pharmazeutische Zubereitungen zur Anwendung am und im Auge; medizinische Bäder; Badezusätze für medizinische Zwecke; Bakteriengifte; Bandagen zur Fixierung von Brüchen, Distorsionen; Beruhigungsmittel; Binden zur Wundheilung; biologische Präparate für medizinische Zwecke; blutbildende Mittel; blutreinigende Mittel; blutstillende Stifte; chemische Präparate für medizinische Zwecke; Desinfektionsmittel; Diagnostikmittel für medizinische Zwecke; diätische Substanzen für medizinische Zwecke; Fieberheilmittel; Salbe zur Behandlung von Frostschäden; Fungizide; Gelatine für medizinische Zwecke; Mittel zur Behandlung von Haarwachstumsstörungen; Hämorrhoidenmittel; Heilmittel gegen Fußschweiß; Holzkohle für pharmazeutische Zwecke; Hormone für medizinische Zwecke; Inkontinenzhosen; Menstruationshöschen; Impfstoffe; pharmazeutische Zubereitungen zur Insektenabwehr; chirurgische Implantate (lebende Gewebe); Kapseln für medizinische Zwecke; Klebbänder für medizinische Zwecke; Klebstreifen zur Wundversorgung; Kompressen, Lösungen und Reinigungsmittel für Kontaktlinsen; Kontrastmittel für medizinische Zwecke; chemische Kontrazeptiva; pharmazeutische Präparate gegen Kopfschuppen; medizinische Getränke; Migränemittel; Monatsbinden; Moor für medizinische Zwecke; Mundspülungen für medizinische Zwecke; Narkotika; Nervenstärkungsmittel; Pastillen für pharmazeutische Zwecke; pharmazeutische Erzeugnisse; diätische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Babykost; Pflaster; pharmazeutische Präparate; Pillen für pharmazeutische Zwecke; pilztötende Mittel; Salben für pharmazeutische Zwecke; Reagenzien für medizinische Zwecke; Riechsalz; Salze für pharmazeutische Zwecke; Schlafmittel; Schwangerschaftsdiagnosemittel; Seren; Stilleinlagen; Menstruationstampons; Tees für medizinische Zwecke; Tinkturen zur innerlichen und äußerlichen Anwendung; Vaseline für medizinische Zwecke; Verbandgaze; Verbandkästen gefüllt; Verbandmaterial; Verbandstoffe; Verbandwatte; Mittel zur Unterstützung der Verdauungsfunktion; Vitaminpräparate; Warzenstifte; Verbandwatte für medizinische Zwecke; Windeln für Inkontinente, Wundschwämme; Wurmmittel; Heftpflasterchirurgische, ärztliche und zahnärztliche Instrumente und Präparate; Analysegeräte für medizinische Zwecke; Aerosolzerstäuber für medizinische Zwecke; Arzneimittel; Ärztekoffer gefüllt; Atemgeräte für die künstliche Beatmung; Babyflaschen; Bandagen; Blutanalysegeräte; Blutdruckmessgeräte; Bruchbänder; Schuheinlagen; Gastroskope; Geburtshilfsgeräte; Gipsbinden für orthopädische Zwecke; künstliche Gliedmaßen; Gürtel für medizinische Zwecke, Handschuhe für medizinische Zwecke; Heißluftapparate für therapeutische Zwecke; Heizdecken für medizinische Zwecke; Heizkissen für medizinische Zwecke; Hörgeräte; Infusionsgeräte; Inhalationsapparate; Injektionsspritzen für medizinische Zwecke; Kanülen; orthopädische Kniebandagen; Kompressoren (Chirurgie); Kondome; Krampfaderstrümpfe; Leibbinden; Massagegeräte; Medizinlöffel; Milchpumpen; Nabelbinden; Ohrreinigungsgeräte; orthopädische Artikel; Pessare; Pilleneingeber; Pumpen für medizinische Zwecke; Saugflaschen; Scheren für chirurgische Zwecke; Schienen für chirurgische Zwecke; Schnuller für Säuglinge; orthopädische Schuheinlagen; Skalpelle; Spiegel für medizinische Zwecke; Spritzen für medizinische Zwecke; sterile Tücher (Operationsfelder); Stützstrümpfe für medizinische Zwecke; Stethoskope; Umstandsgürtel; Unterlagen für Inkontinente; Urinale (Harnflaschen); Vaginalspritzen; Behältnisse zur Verabreichung von Arzneimitteln; Vernebler für medizinische Zwecke; Wundklammern; Zerstäuber für medizinische Zwecke Dienstleistungen eines Apothekers, nämlich Beratung zur Anwendung von Arzneimitteln, Beratung zur Gesundheitsvorsorge, Prüfung von Verträglichkeit bei Arzneimitteln, Beratung zu Ernährungsfragen, Blutzucker-, Blutfettwertund Blutdrucktest, Anfertigung von pharmazeutischen Präparaten, Beratung in der Pharmazieist die Wortmarkegeravital.

Widerspruch wurde erhoben u. a. aus der am 22. Oktober 1992 unter der Nummer 2 022 757 -nach Teillöschung -für die Waren Fieberthermometereingetragenen Wortmarke GERATHERM, sowie aus der am 11. Oktober 2001 unter der Nummer 301 41 165 für die Waren Medizinische Apparate und Instrumente, insbesondere Geräte zur Messung und/oder Überwachung von Temperatur, Puls, Blutdruck, Blutzucker, Cardiosignalen und Blutsauerstoffeingetragenen Wortmarke Geratherm.

Die Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patentund Markenamts hat die Widersprüche wegen fehlender Verwechslungsgefahr der Marken zurückgewiesen, da bei teilweise identischen Waren und normaler Kennzeichnungskraft die strengen Anforderungen an den Markenabstand eingehalten seien. In ihrer Gesamtheit unterschieden sich die Vergleichsmarken in ihren abweichenden Bestandteilen "therm" und "vital". Da es sich um zusammengeschriebene Wörter handle, sei die Prägetheorie nicht anwendbar. Der Verkehr orientiere sich nicht allein an dem identischen Bestandteil "Gera", da es sich bei beiden Marken um einheitliche Begriffe handle. Anhaltspunkte für eine Serienzeichenbildung gebe es nicht.

Hiergegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt und im Wesentlichen ausgeführt, die Widerspruchsmarken "Geratherm" und "GERATHERM" seien für Fieberthermometer sehr bekannt, so dass sie insoweit über erhöhte Kennzeichnungskraft verfügten; hinsichtlich der übrigen Waren sei eine im oberen Bereich des Durchschnitts liegende Kennzeichnungskraft zugrundezulegen. Es sei unmittelbare Verwechslungsgefahr gegeben, da eine Übereinstimmung im prägenden Bestandteil "Gera" bestehe. Bei den hier beanspruchten medizinischen Geräten und Dienstleistungen werde der maßgebliche Verkehr den Bestandteil "Gera" nicht als beschreibenden Hinweis auf die geographische Herkunft verstehen, der Bestandteil "Gera" dominiere als Phantasiebestandteil gegenüber den kennzeichnungsschwachen Bestandteilen "vital" und "therm", die in Bezug auf die sog. Vitaldatenmessung stark beschreibend seien. Jedenfalls bestehe mittelbare Verwechslungsgefahr, denn die dem kennzeichnungsstarken Bestandteil "Gera" nachgestellten Elemente "therm" und "vital" seien -auf das vorliegende Warengebiet bezogen -sehr verwandt, da die Temperatur ein Teil der sog. Vitaldaten sei, die durch medizinische Messgeräte erfasst würden. Der Eindruck einer Markenserie werde sowohl durch das gemeinsame Präfix "Gera" wie auch durch die vergleichbaren Suffixe "vital" und "therm" vermittelt.

Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und der Widersprechenden die Kosten aufzuerlegen.

Er nimmt in der Sache Bezug auf die Ausführungen im Beschluss der Markenstelle und führt darüber hinaus aus, "Gera" sei als Name einer großen Stadt bekannt und könne daher nicht prägender Bestandteil sein; die Bestandteile "therm" und "vital" wiesen ausreichende begriffliche Unterschiede auf, es bestünde insbesondere bei Thermometern kein Zusammenhang zu dem Bestandteil "vital". Die Argumentation der Widersprechenden zur Kennzeichnungskraft und Prägung durch den Bestandteil "Gera" sei so abwegig, dass eine Kostenauferlegung billig erscheine.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Zwischen der angegriffenen Marke und den Widerspruchsmarken 2 022 757 und 301 41 165 besteht nicht die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Absatz 1 Nr. 2 MarkenG, so dass die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen war.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH in st. Rspr. vgl. GRUR 2005, 513 -MEY/Ella May; GRUR 2004, 865, 866 -Mustang; GRUR 2004, 598, 599 -Kleiner Feigling; GRUR 2004, 783, 784 -NEURO-VIBO-LEX/NEURO-FIBRAFLEX).

Nach diesen Grundsätzen ist hier die Gefahr von Verwechslungen zu verneinen.

1. Bei seiner Entscheidung hat der Senat eine im oberen Bereich liegende durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken in ihrer Gesamtheit zugrunde gelegt. Zwar lassen sich beschreibende Anklänge in den Bestandteilen "Gera" an die gleichnamige Stadt in Thüringen sowie in "-therm" an "thermos" (griechisch für "warm, heiß) (vgl. Duden -Dt. Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim 2006 -CD-ROM) erkennen, wodurch ein gewisser Hinweis auf die geographische Herkunft und das Anwendungsgebiet der Widerspruchswaren erkennbar wird. Im Arzneimittelbereich und im Gesundheitsbereich allgemein sind jedoch häufig mehr oder weniger deutliche Sachhinweise in den Zeichen enthalten, die aber regelmäßig nicht zu einer Kennzeichnungsschwäche der Gesamtmarke führen, wenn diese insgesamt eine ausreichend eigenständige Abwandlung einer beschreibenden Angabe darstellt (vgl. BGH GRUR 1998, 815 -Nitrangin). Das ist vorliegend der Fall, da die einzelnen Bestandteile in der Widerspruchsmarke je für sich beschreibende Anklänge haben mögen, jedoch in dieser Kombination ohne konkrete Aussage und insgesamt hinreichend phantasievoll zusammengefügt sind, so dass hier jedenfalls keine ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche der Gesamtmarke angenommen werden kann.

Der Senat geht hier vielmehr zu Gunsten der Widersprechenden auf Grund der von ihr vorgetragenen und vom Beschwerdegegner nicht bestrittenen umfänglichen Benutzung der Widerspruchsmarken von einer im oberen Bereich liegenden durchschnittlichen Kennzeichnungskraft aus. Für die Annahme, der Widerspruchsmarke komme, wie vorgetragen, ein weiter Schutzbereich zu, fehlen jedoch die erforderlichen konkreten Angaben der Widersprechenden zu Umsatzzahlen, Marktanteilen und Werbeaufwendungen bezogen auf die jeweiligen Widerspruchsmarken und im Vergleich zu Mitbewerbern (vgl. EuGH MarkenR 1999, 236, 239 (Nr. 23, 24) -Lloyd; GRUR 2002, 804, 808 (Nr. 60 -62) -Philips; BGH GRUR 2002, 1067, 1069 -DKV/OKV; GRUR 2003, 1040, 1044 -Kinder; Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. § 9 Rdn. 189 ff. m. w. N.).

2.

Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind, ist von der Registerlage auszugehen, wonach die Vergleichsmarken auch zur Kennzeichnung identischer und enger ähnlicher Waren verwendet werden können. Als maßgebliche Verkehrskreise sind dabei neben dem Fachverkehr vor allem auch Endverbraucher zu berücksichtigen, wobei grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl. BGH GRUR 2000, 506 -ATTACHÉ/TISSERAND) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl. BGH GRUR 1995, 50 -Indorektal/Indohexal).

3.

Der unter diesen Umständen gebotene sehr deutliche Markenabstand wird von der angegriffenen Marke noch eingehalten. Die vorhandenen Unterschiede reichen nach Auffassung des Senats aus, um Verwechslungen der Marken mit hinreichender Sicherheit ausschließen zu können.

Die Ähnlichkeit von Wortzeichen ist anhand ihres klanglichen und schriftbildlichen Eindrucks sowie ihres Sinngehalts zu ermitteln. Dabei kommt es auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen an. Dies entspricht dem Erfahrungssatz, dass der Verkehr Marken regelmäßig in der Form aufnimmt, in der sie ihm entgegentreten und sie nicht einer analysierenden, zergliedernden, möglichen Bestandteilen und deren Bedeutung nachgehenden Betrachtung unterzieht (vgl. BGH a. a. O. NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die sich gegenüberstehenden Marken in ihrem Gesamteindruck ausreichende Unterschiede aufweisen.

Dem übereinstimmenden Wortanfang "Gera" kann dabei entgegen der Auffassung der Widersprechenden auch bei Berücksichtigung strenger Maßstäbe wegen seines -auch ohne weiteres erkennbaren -beschreibenden Sinngehalts kein entscheidendes Gewicht für die Begründung einer Verwechslungsgefahr beigemessen werden. Gera ist der Name einer kreisfreien Stadt im Osten Thüringens, die mit über 100.000 Einwohnern nach der Landeshauptstadt Erfurt und Jena die drittgrößte Stadt des Freistaates Thüringen ist (vgl. Wikipedia.de). Der Verkehr wird den Bestandteil "Gera" daher nicht als reinen Phantasiebestandteil auffassen, sondern als beschreibenden Hinweis auf die geographische Herkunft der damit bezeichneten Waren und Dienstleistungen. Da angesichts der Größe der Stadt und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung eine Benutzung als geographische Herkunftsangabe vernünftigerweise erwartet werden kann, ist der Bestandteil "Gera" in Alleinstellung eine schutzunfähige, da freizuhaltende geographische Herkunftsangabe (vgl. BGH GRUR 2003, 882 -Lichtenstein).

Auch wenn derartige beschreibende und kennzeichnungsschwache oder schutzunfähige Zeichenelemente bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nach dem Gesamteindruck angemessen mit zu berücksichtigen sind, kann allein die Übereinstimmung in solchen kennzeichnungsschwachen oder schutzunfähigen Bestandteilen eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr nicht begründen (Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdnr. 150, 204). Insoweit kommt den abweichenden anderen (kennzeichnungsstärkeren) Markenteilen sowohl nach der subjektiven Aufmerksamkeit des Verkehrs als auch bei objektiver Bewertung der Kennzeichnungskraft eine stärkere und insoweit die Verwechslungsgefahr ausschließende Bedeutung zu (vgl. BGH GRUR 2000, 605, 606 -comtes/ComTel; Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdnr. 214). Im vorliegenden Fall wird der Verkehr die nachfolgenden Wortbestandteile stärker beachten und diese nicht als bloße Endsilben, sondern als für die Identifikation und Kennzeichnung der Produkte wesentliche Bestandteile ansehen.

Diese weiteren Wortbestandteile "vital" und "therm" der Vergleichsmarken weisen hingegen keine Übereinstimmungen auf. Sie unterscheiden sich in klanglicher Hinsicht durch die zusätzliche Silbe, die abweichende Buchstabenzahl, die unterschiedlichen Vokale und Konsonanten in ihrem Klangbild so deutlich, dass auch unter Berücksichtigung einer nicht zeitgleichen oder in unmittelbarer zeitlicher Abfolge erfolgenden Wahrnehmung und eines erfahrungsgemäß häufigen undeutlichen Erinnerungsbildes (vgl. dazu EuGH MarkenR 1999, 236, 239 -Lloyd/Loints) ein sicheres Auseinanderhalten beider Marken jederzeit gewährleistet ist.

Zur Unterscheidbarkeit der Marken trägt schließlich der auch für den allgemeinen Verkehr erkennbar unterschiedliche beschreibende Anklang in den Endbestandteilen der Vergleichsmarken bei. Während der Bestandteil "therm" in den Widerspruchsmarken wie oben erläutert auf "Wärme" hinweist, bedeutet der Bestandteil "vital" der angegriffenen Marke "voller Lebenskraft, im Besitz seiner vollen Leistungskraft; lebenswichtig" (vom lateinischen "vitalis" = zum Leben gehörig; Leben enthaltend, Lebenskraft habend) (vgl. Duden a. a. O.).

Entgegen der Ansicht der Widersprechenden besteht auch keine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt, dass die Bestandteile "-vital" und "-therm" der Vergleichsmarken als in den hier maßgeblichen Warenbereichen häufig verwendete und damit verbrauchte Bestandteile für den Gesamteindruck völlig in den Hintergrund träten. Auch kennzeichnungsschwache oder sachbeschreibende Bestandteile bleiben bei der Feststellung des Gesamteindrucks eingliedriger Marken nicht außer Betracht, sondern tragen grundsätzlich zur Prägung des Gesamteindrucks bei (vgl. BGH GRUR 1996, 200, 2001 -Innovadiclophlont; a. a. O. -NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX). Bei den Endsilben "-vital" und "-therm" der Vergleichsmarken handelt es sich insbesondere nicht um eine beschreibende Angabe zu Beschaffenheit, Wirkweise oder Darreichungsform des Arzneimittels wie z. B. "oral, forte, retard", denen die beteiligten Verkehrskreise keinerlei die Betriebskennzeichnung auch nur mitbestimmende Bedeutung zumessen (vgl. BPatG GRUR, 122, 124 -BIONAPLUS; Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. § 9 Rdn. 309 m. w. N.). Den Bestandteilen kann lediglich ein sachbeschreibender Anklang jeweils dahingehend entnommen werden, dass die von den Vergleichsmarken beanspruchten Waren und Dienstleistungen in einem Zusammenhang mit Wärme bzw. Vitalität stehen, weshalb die Bestandteile "-therm" und "-vital" sich nicht im Sinne der obengenannten Angaben als schutzunfähig erweisen.

Die Vergleichsmarken erscheinen vielmehr in ihrer Kombination jeweils als geschlossene, einheitliche Phantasiebegriffe. Die angesprochenen Verkehrskreise haben somit keinen Grund, die Vergleichsmarken jeweils auf den Bestandteil "Gera-" zu verkürzen und gegenüberzustellen. Die angegriffene Marke unterscheidet sich damit in ihrer Gesamtheit ausreichend von den Widerspruchsmarken.

In schriftbildlicher Hinsicht halten die Vergleichsmarken in allen üblichen Wiedergabeformen ebenfalls einen ausreichenden Abstand ein. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Marken im Schriftbild erfahrungsgemäß mit etwas größerer Sorgfalt wahrgenommen werden als im eher flüchtigen Klangbild, das häufig bei mündlicher Benennung entsteht (vgl. BPatG GRUR 2004, 950, 954 -ACELAT/Acesal). Unter diesen Voraussetzungen reichen auch bei einer schriftlichen Wiedergabe die Abweichungen aus, um eine Unterscheidbarkeit der Marken zu gewährleisten.

4. Es besteht ebenfalls nicht die Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden können.

Die Annahme einer solchen mittelbaren Verwechslungsgefahr setzt voraus, dass die beteiligten Verkehrskreise zwar die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken erkennen und insoweit keinen unmittelbaren Verwechslungen unterliegen. Sie werten gleichwohl einen in beiden Marken identisch oder zumindest wesensgleich enthaltenen Bestandteil als Stammzeichen des Inhabers der älteren Marke, messen diesem Stammbestandteil also für sich schon die maßgebliche Herkunftsfunktion bei und sehen deshalb die übrigen abweichenden Markenteile nur noch als Kennzeichen für bestimmte Waren aus dem Geschäftsbetrieb des Inhabers der älteren Marke an (vgl. BGH GRUR 2000, 886, 887 -Bayer/BeiChem; GRUR 2002, 542, 544 -BIG; GRUR 2002, 544, 547 -BANK 24).

In solchen Ausnahmefällen reichen bereits geringfügige Unterschiede aus, um den Gedanken an Serienmarken desselben Unternehmens nicht aufkommen zu lassen (vgl. BGH a. a. O. -Innovadiclophlont; BPatG Mitt. 1983, 58, 59 -Rollinos/Rolo). Die zu vergleichenden (abweichenden) Markenteile sprechen auch dann gegen eine mittelbare Verwechslungsgefahr, wenn sie sich mit dem gemeinsamen Bestandteil zu eigenen, in sich geschlossenen Gesamtbegriffen verbinden, die von der Vorstellung wegführen, es handele sich um Serienmarken eines Unternehmens (vgl. BGH GRUR 1998, 932, 934 -MEISTERBRAND; a. a. O. -POLYFLAM/ MONOFLAM). Der für die Annahme einer mittelbaren Verwechslungsgefahr erforderliche Hinweischarakter des gemeinsamen Stammbestandteils ist schließlich kennzeichnungsschwachen Markenteilen abzusprechen, so dass beschreibende Angaben bzw. daran angelehnte Bezeichnungen nicht als Stammbestandteile von Serienmarken in Betracht kommen (vgl. BGH GRUR 2003, 1040 -Kinder).

Im vorliegenden Fall führt eine gesamtbegriffliche Verbindung zu dem Phantasiebegriff "Geratherm" und damit von der Vorstellung weg, das -im Übrigen -beschreibende und schutzunfähige Markenelement "Gera" sei verwechselbarer Stammbestandteil einer Markenserie.

5.

Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne ergeben sich ebenfalls keine Anhaltspunkte. Voraussetzung hierfür ist, dass die beiderseitigen Kennzeichnungen als unterschiedlich erkannt und als solche verschiedenen Unternehmen zugeordnet werden, aber gleichwohl aufgrund besonderer Umstände darauf geschlossen wird, dass zwischen diesen Unternehmen Beziehungen geschäftlicher, wirtschaftlicher oder organisatorischer Art bestehen. Jedoch können schutzunfähige Elemente auch unter dem Gesichtspunkt einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne nicht kollisionsbegründend wirken (vgl. BGH GRUR 2000, 608, 610 ARD-1).

6.

Der Antrag des Markeninhabers, der Widersprechenden die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, ist nicht begründet. Kosten werden nicht auferlegt, so dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.

Auszugehen ist von dem Grundsatz, dass jeder Verfahrensbeteiligte seine Kosten selbst trägt (vgl. § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG). Eine Abweichung von diesem Grundsatz kommt nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG nur dann in Betracht, wenn dies der Billigkeit entspricht. Hierfür bedarf es stets besonderer Umstände (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 71 Rdn. 11). Solche von der Norm abweichenden Umstände sind insbesondere dann gegeben, wenn ein Verhalten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist (vgl. BGH GRUR 1972, 600, 601 -Lewapur). Davon ist zum Beispiel auszugehen, wenn ein Verfahrensbeteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse an dem Erhalt oder Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 71 Rdn. 11 m. w. N.).

Anhaltspunkte für ein derartiges, die Auferlegung von Kosten rechtfertigendes Verhalten der Widersprechenden sind nicht ersichtlich, da der Widersprechenden die Einlegung der Beschwerde nicht als von vorneherein aussichtslos erscheinen musste.

Es entspricht daher nicht der Billigkeit, der Widersprechenden Verfahrenskosten nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG ganz oder teilweise aufzuerlegen. Es bleibt bei dem Grundsatz, dass jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt (vgl. § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).

Dr. Vogel von Falckenstein Viereck Hartlieb Cl






BPatG:
Beschluss v. 12.02.2009
Az: 30 W (pat) 70/08


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