Landgericht Bonn:
Beschluss vom 26. Juni 2000
Aktenzeichen: 37 Qs 19 + 20 / 00

(LG Bonn: Beschluss v. 26.06.2000, Az.: 37 Qs 19 + 20 / 00)

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 17.05.2000 wird der Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 03.05.2000 (51 Gs 339/002b) insoweit aufgehoben als dort die Durchsuchung der Räume der Beschwerdeführerin angeordnet wurde.

Die Kosten dieses Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt in einem umfangreichen Verfahren u.a. gegen Funktionsträger der I AG in Y (U) sowie der M AG in B/NRW wegen des Verdachts des Anlagebetruges in Millionenhöhe. Sie hat u.a. auch den Verdacht, daß ein von der M AG beauftragter Wirtschaftsprüfer N Sacheinlagen bei der M AG im Rahmen einer beabsichtigten Kapitalerhöhung erhebliche Überbewertungen vorgenommen haben soll. Im Rahmen des Antrages auf Eintragung der Kapitalerhöhung bestellte das Amtsgericht B auf Antrag der M AG Herrn D in dessen Eigenschaft als Geschäftsführer und Wirtschaftsprüfer bei der Beschwerdeführerin (einer Prüfungsgesellschaft) zum Prüfer der Kapitalerhöhung gemäß § 183 Aktiengesetz. Zur Ablieferung eines Prüfberichtes ist es nach dem bisherigen Ermittlungsstand nicht gekommen, weil die M GmbH das Prüferhonorar nicht zahlte.

Die Staatsanwaltschaft hat jedoch den Verdacht gehabt, daß sich im Besitz des Herrn D und/oder der Beschwerdeführerin aussagekräftige Unterlagen über die tatsächlichen Werte befinden, die wiederum die Überwertungen durch den Wirtschaftsprüfer N , gegen den wegen des Verdachts einer Beihilfe zum Vergehen nach § 399 Aktiengesetz sowie wegen Beihilfe zum versuchten Betrug ermittelt wird, beweisen könnten (vg1. Vermerk B1.20, Band XXIII der Viertakte). Auf ihren Antrag erließ das Amtsgericht Bonn den angefochtenen Beschluß, der die Durchsuchung der Geschäftsräume der Beschwerdeführerin und der Privatwohnung des Herrn D anordnete.

Ausweislich des Vermerks der Staatsanwaltschaft vom 24.05.2000 (a.a.O., Bl. 157 f.) . wurden zunächst die Geschäftsräume des Beschuldigten N durchsucht. Nachdem dieser mitgeteilt hatte, er habe alle Unterlagen an D weitergereicht, beauftragte der Staatsanwalt telefonisch die Polizeistation O mit der Sicherstellung der Unterlagen bei D bzw. der Beschwerdeführerin. Im Rahmen eines Telefonts zwischen dem Staatsanwalt und D erklärte letzterer, daß er die vorhandenen Unterlagen "freiwillig" herausgebe. Nachdem D der Polizei zwei Ordner und eine Diskette übergeben hatte, erklärte der Staatsanwalt die Durchsuchung für "erledigt". Die bisherige Auswertung der Unterlagen brachte, soweit sie bereits aktenkundig ist, keine neuen Erkenntnisse bezüglich der Werthaltigkeit der Kapitalerhöhung bei der M AG.

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren macht die Beschwerdeführerin geltend, Herr D werde in dem angefochtenen Beschluß fälschlich als Beschuldigter genannt, zudem habe er ein Zeugnisverweigerungsrecht. Ferner seien die Unterlagen herauszugeben, nachdem sie sich als nicht beweiskräftig herausgestellt hätten.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig.

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (E 97, 27) besteht wegen des schwerwiegenden Eingriffs in ein Grundrecht auch nach Abschluß der Durchsuchung ein Rechtsschutzbedürfnis dafür, die Rechtmäßigkeit der Anordnung einer Durchsuchung nachträglich überprüfen zu lassen. Die freiwillige Herausgabe anläßlich einer polizeilichen Durchsuchungsaktion hindert dieses Rechtsschutzbedürfnis nicht, weil den Akten nicht zu entnehmen ist, daß Herr D als Geschäftsführer der Beschwerdeführerin die Durchsuchung auch ohne die richterliche Anordnung gestattet hätte.

Die Beschwerde hat in der Sache auch Erfolg.

Die Kammer geht mit der Staatsanwaltschaft davon aus, daß sich die Anordnung der Durchsuchung nicht gegen Herrn D als Beschuldigten richtet. Zwar wurde er aufgrund eines offenkundigen Versehens im Rahmen der Vielzahl der seinerzeit beantragten Durchsuchungsbeschlüsse in den Beschlussgründen als "Beschuldigter" bezeichnet; jedoch wurde der Beschluß ausdrücklich "gemäß §§ 103; 105 StPO" und nicht in Anwendung des § 102 StPO erlassen. Der Staatsanwalt hat im Rahmen seiner Stellungnahme zur Beschwerde (a. a. o.) dieses Versehen ausdrücklich bestätigt.

Demzufolge ist bei der nachträglichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit ausschließlich zu fragen, ob die Voraussetzung des § 103 StPO zum Zeitpunkt der Anordnung der Durchsuchung vorlagen. Dies ist zu verneinen.

Zunächst kann offen bleiben, ob es für die Rechtmäßigkeit ausreicht, daß sich nicht aus dem angefochtenen Beschluß selbst, sondern lediglich aus dem Vermerk der Staatsanwaltschaft vom 07.04.2000 ergibt, wegen welcher in Verdacht stehenden konkreten Straftat die Durchsuchung vorgenommen werden sollte. Denn Herrn D steht jedenfalls Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO zu.

Herr D ist Wirtschaftsprüfer und wurde in dieser Eigenschaft vom Amtsgericht B als Prüfer nach §183 Aktiengesetz eingesetzt. Nach dieser Vorschrift finden auf den Kapitalerhöhungsprüfer diejenigen für den Gründungsprüfer sinngemäße Anwendung. Dies führt zwangsläufig über § 49 Aktiengesetz auch zur Anwendung von § 323 HGB und damit zur Verschwiegenheitspflicht des Prüfers. Der Hinweis der Staatsanwaltschaft, § 183 Aktiengesetz verweise lediglich auf §§ 33 - 35 , jedoch nicht auf § 49 dieses Gesetzes, geht im Ergebnis fehl. Würde man § 49 auf den Kapitalerhöhungsprüfer nicht anwenden, wäre dessen Verantwortlichkeit nicht geregelt. Es gibt jedoch überhaupt keinen Grund dafür, insofern zwischen dem Gründungsprüfer und dem Erhöhungsprüfer zu unterscheiden.

Dementsprechend gehen alle Kommentierungen davon aus, daß § 49 Aktiengesetz als allgemeine Vorschrift auch für den Erhöhungsprüfer gilt.

Die Frage kann demnach nur sein, ob die als Gründungsprüfer oder Erhöhungsprüfer vom Registergericht bestellten Wirtschaftsprüfer infolge der Verweisung von § 49 AktG auf § 323 HGB den Abschlußprüfern nach Handelsrecht gleichstehen. Insofern ist beachtlich, daß die Kapitalprüfer nach dem Aktienrecht vom Gericht bestellt, während die Abschlußprüfer nach Handelsrecht allein von dem Unternehmen beauftragt werden. Dies führt jedoch nicht dazu, daß ein Mandatsverhältnis zwischen der Aktiengesellschaft und dem Wirtschaftsprüfer zu verneinen wäre. Letzter wird zwar im Eintragungsverfahren zur Hilfsperson des Gerichts, dem die Überprüfung der Werthaltigkeit der Sacheinlage obliegt. Jedoch entsteht mit der Bestellung ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Prüfer, aufgrund dessen die Gründer bzw. der Vorstand verpflichtet sind, dem Prüfer umfassende Auskünfte zu erteilen (§ 35 AktG). Die Honorierung des Prüfers erfolgt nicht etwa nach ZSEG, sondern § 35 Abs. 3 AktG gibt dem Prüfer einen Anspruch auf angemessene Vergütung, deren Schuldner nicht das Gericht, sondern die Gesellschaft ist (vgl. Hüffel, Rdnr.7 zu § 35). Die Gesellschaft hat die faktische Möglichkeit, durch Verweigerung der Honorarzahlung (wie hier) oder durch Rücknahme des Eintragungsantrages die Ablieferung des Gutachtens zu verhindern, allerdings mit dem Nachteil, daß die Eintragung der Gründung bzw. der Kapitalerhöhung gemäß §38 AktG abgelehnt werden wird.

Sind die Verantwortlichen der Gesellschaft somit zu Auskünften verpflichtet, so ist die Verschwiegenheitspflicht des Prüfers die Kehrseite dieser Verpflichtung. Will man in der Auskunftspflicht der Verantwortlichen der Gesellschaft keinen gesetzlichen Zwang zur strafrechtlichen Selbstbelastung sehen, verbietet es sich, dem gerichtlich bestellten Wirtschaftsprüfer das nach § 53 StPO grundsätzlich bestehende Zeugnisverweigerungsrecht zu versagen ( so im Ergebnis auch Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 2.Aufl.,. Rdnr. 23 zu § 49). Dieses Ergebnis widerspricht nicht - wie die Staatsanwaltschaft meint - dem Sinn und Zweck des Einsatzes des Prüfers. Dieser besteht darin, für das Gericht den wirtschaftlichen Wert der Sacheinlage zu ermitteln, damit dieses ggfls. die Eintragung in begründeter Weise zum Schutz der Kunden versagen kann. Diesem Schutzbedürfnis genügt das Gesetz desweiteren dadurch, daß der Bericht des Prüfers zu den für jedermann einsehbaren Registerakten genommen wird (§ 34 Abs. 3 AktG) .

Aus alldem ergibt sich, daß es nicht Sinn und Zweck der Bestellung des Prüfers ist, ihn für den Bedarfsfall als sachverständigen Zeugen der Ermittlungsbehörden einzusetzen.

Steht dem gerichtlich bestellten Wirtschaftsprüfer somit wie allen anderen Wirtschaftsprüfern auch (solange sie nicht selbst Beschuldigte sind) das Zeugnisverweigerungsrecht zu, ergibt sich hieraus gemäß § 97 Abs.1 Nr. 3 StPO, daß Aufzeichnungen aus diesem Mandatsverhältnis nicht der Beschlagnahme unterliegen. Dann ist aber auch die Durchsuchung zum Zwecke der Auffindung solcher Unterlagen bei der Prüfungsgesellschaft unzulässig.

Soweit die Beschwerdeführerin nunmehr auch die Herausgabe der von ihrem Geschäftsführer D der Polizei übergebenen Unterlagen begehrt, ist diesbezüglich zunächst die Entscheidung des Amtsgerichts nach § 98 Abs. 2 StPO herbeizuführen, da die Anordnung der Durchsuchung die Beschlagnahme (richtigerweise) noch nicht erfaßt hat.

Die Kostenentscheidung ergibt. sich aus § 473 StPO.






LG Bonn:
Beschluss v. 26.06.2000
Az: 37 Qs 19 + 20 / 00


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