Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. November 2001
Aktenzeichen: 30 W (pat) 209/00

(BPatG: Beschluss v. 12.11.2001, Az.: 30 W (pat) 209/00)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in dem Beschluss vom 12. November 2001 (Aktenzeichen 30 W (pat) 209/00) die Beschwerde der Widersprechenden zurückgewiesen und den Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr ebenfalls abgelehnt.

Der Hintergrund der Entscheidung war ein Widerspruchsverfahren zwischen der Markeninhaberin der Marke "BTMS-DocFlow" und der Inhaberin einer Wortbildmarke. Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hatte den Widerspruch zurückgewiesen, da der Bestandteil "DocFlow" in der angegriffenen Marke nicht ausreichend kennzeichnend sei.

Die Widersprechende erhob daraufhin Beschwerde und argumentierte, dass ihr der Schriftsatz der Markeninhaberin erst zusammen mit dem Beschluss der Markenstelle zugestellt wurde und somit ihr rechtliches Gehör verletzt wurde. Weiterhin führte sie an, dass der Bestandteil "BTMS" in der angegriffenen Marke nicht mit dem Namen der Markeninhaberin übereinstimme und somit kein selbstständiger Prägungsgehalt habe.

Das Bundespatentgericht wies die Beschwerde jedoch ab. Es stellte fest, dass zwischen den Zeichen keine Verwechslungsgefahr bestehe, da der Bestandteil "BTMS" in der angegriffenen Marke eine eigenständige Bedeutung habe und nicht leicht mit der Widerspruchsmarke verwechselt werden könne. Außerdem erachtete das Gericht den Verfahrensverstoß in der verspäteten Zustellung des Schriftsatzes als einen erheblichen Fehler, der jedoch keinen Einfluss auf die Notwendigkeit der Beschwerdeeinlegung hatte. Daher wurde die Rückerstattung der Beschwerdegebühr abgelehnt.

Insgesamt bleibt die Entscheidung des Bundespatentgerichts aufrecht und die angegriffene Marke wird weiterhin geschützt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 12.11.2001, Az: 30 W (pat) 209/00


Tenor

1. Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Unter der Rollennummer 399 17 307 ist in das Markenregister eingetragen die Marke BTMS-DocFlowals Kennzeichnung für die Ware "Software".

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der seit 1996 unter anderem für die Waren "auf Datenträgern wie insbesondere auf optischen und Magnet-Datenträgern gespeicherte Datenverarbeitungs-Programme, wie insbesondere Datenverarbeitungs-Programme zur Dokumentenverarbeitung; Datenverarbeitungs-Geräte und -Peripheriegeräte" eingetragenen Wortbildmarke.

siehe Abb. 1 am Ende Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat durch Beschluß eines Beamten des höheren Dienstes den Widerspruch zurückgewiesen. Begründend ist dargelegt, dem Markenbestandteil DocFlow, komme keine selbständig kennzeichnende und damit kollisionsbegründende Stellung zu, da er in gleicher Weise wie der ihm entsprechende Zeichenteil Docu in der Widerspruchsmarke aus einer im Datenverarbeitungsbereich gebräuchlichen Abkürzung für Document und dem beschreibenden Wort flow (Fluß, Ablauf) zusammengesetzt sei. Zwar sei auch der weitere Markenteil BTMS als Akronym kennzeichnungsschwach. Dies führe jedoch dazu, dass dann keinem der Bestandteile eine selbständige Prägung zukomme.

Die Widersprechende hat Beschwerde erhoben und trägt vor, die Markenstelle habe das rechtliche Gehör verletzt, weil der Schriftsatz der Markeninhaberin ihr erst zusammen mit dem streitentscheidenden Beschluss der Markenstelle zugestellt worden ist.

Im Übrigen könne der Ansicht der Markenstelle in Bezug zum Markenbestandteil BTMS nicht beigetreten werden, da deren Ausführungen bezüglich der Bedeutung dieser Abkürzung sich nicht mit dem Namen der Markeninhaberin in Übereinstimmung bringen lasse, weil diese den Bestandteil Business nicht enthalte und auch statt des Begriffs System das Wort Service enthalte. Aufgrund allgemeiner Erfahrungsgrundsätze sei jedoch davon auszugehen, dass die Verkehrsteilnehmer ein aussprechbares Wort leichter erfaßten und auch im Gedächtnis behielten als die nicht aussprechbare Buchstabenkombination BTMS. Deshalb werde das angegriffene Zeichen allein mit DocFlow bezeichnet und sei somit ohne weiteres verwechselbar mit der Widerspruchsmarke, da das zusätzlich vorhandene u einen sprachlichen Unterschied nicht begründe, wenn, wie im Beschluss ausgeführt, sowohl docu als als auch doc gebräuchliche Abkürzungen für Document darstellten.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen sowie die Beschwerdegebühr zurückzubezahlen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hat diesen Antrag in der mündlichen Verhandlung darauf gestützt, dass der Widerspruchsmarke im Hinblick auf ihren deutlichen beschreibenden Inhalt nur Schutz auf ihre bildhafte Ausgestaltung zukommen könne. Die angegriffene Marke weiche nicht nur in ihrer Gesamtheit, sondern auch in der Schreibweise des allein kollisionsbegründend in Betracht zu ziehenden Bestandteils DocFlow in jeder Hinsicht deutlich genug von der Widerspruchsmarke ab.

II.

Die Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Auch besteht kein Anlaß, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen (§§ 9, Abs 1 Nr 2, 42, 43 Abs 2 71 Abs 3 MarkenG).

1. Zwischen den Zeichen besteht keine Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Die insoweit erforderliche Gewichtung der maßgebenden Faktoren Kennzeichnungskraft, Waren- und Markenähnlichkeit führt dazu, dass die angegriffene Marke den Schutzbereich der älteren Marke nicht verletzt. Zwar können sich die Marken auch auf identischen Waren begegnen, sie unterscheiden sich jedoch in ihrer Gesamtheit, auf die zunächst abzustellen ist, schon durch den nur in der jüngeren Marke enthaltenen Bestandteil BTMS. Verwechslungsgefahr kommt somit nur in Betracht, wenn die angegriffene Marke durch den Bestandteil DocFlow geprägt wird und dieser Bestandteil in den Schutzbereich der Widerspruchsmarke eingreift. Das ist nicht der Fall. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist, soweit es wie hier auf deren Wortcharakter ankommt, schwach. Wie anhand der in der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführten Internetrecherche den Beteiligten deutlich gemacht und von diesen auch nicht bestritten worden ist, sind die Begriffe Dokumentenfluss wie das entsprechede englische document flow im Bereich der Computertechnologie, insbesondere im Softwarebereich eingeführte Begriffe. Diesen Begriff gebrauchen sowohl die Widersprechende in ihrer Marke wie auch die Inhaberin der angegriffenen Marke bezüglich des Bestandteils Flow in unveränderter und bezüglich des ersten Bestandteils in üblicher abgekürzter Form (doc bzw docu). Dies ist jedenfalls für die ganz überwiegende Mehrheit der angesprochenen Verkehrskreise erkennbar, zumal diese in der hier maßgebenden Computerbranche mit dem englischen Grundwortschatz zuzurechnenden Ausdrücken schon deshalb im breiten Umfang vertraut sind und sein müssen, weil viele Fachwörter nicht einmal eine deutsche Bezeichnung gefunden haben (zB Hard- Software). Ob dies bereits dazu führt, dass der Schutzumfang der Widerspruchsmarke sich allein auf deren bildliche Gestaltung bezieht, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Selbst wenn nämlich die Widerspruchsmarke auch für das zusammengesetzte Wort DocuFlow Schutz beanspruchen kann, so ergibt die diesem Wort innewohnende Kennzeichnungsschwäche, dass die angegriffene Marke nicht mehr den Schutzbereich der älteren Marke tangiert. Der in der angegriffenen Marke in ähnlicher Form und sinngleich verwendete Zeichenteil DocFlow hat keine allein prägende Kraft (vgl dazu Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdnr 175 mwN). Bei dem Bestandteil BTMS handelt es sich um eine nicht allgemein geläufige Abkürzung für eine die beanspruchten Waren glatt beschreibende Angabe, noch sind sonstige rechtliche Gründe ersichtlich, welche die Annahme rechtfertigten, dass dieser Markenteil gegenüber dem kennzeichnungsschwachen weiteren Markenteil so nachhaltig in den Hintergrund treten könnte, dass diesem ausnahmsweise allein prägende Bedeutung zukommen könnte. Dabei kann der Ansicht der Widersprechenden nicht beigetreten werden, nicht als Wort aussprechbare Buchstaben würden schon ob dieser schwereren Sprechbarkeit und erschwerten Merkbarkeit vom Verkehr regelmäßig vernachlässigt. Maßgebend ist nicht allein, ob das Publikum in jedem Fall das angegriffene Zeichen vollständig wiedergibt oder ob es - etwa aus Bequemlichkeit - nur den als Wort aussprechbaren Zeichenteil als zur Benennung ausreichend ansieht. Prägend ist ein Zeichenteil nur dann, wenn er rechtlich gesehen so stark zur Kennzeichnungskraft des Gesamtzeichens beiträgt, dass er -rechtlich gesehen - dieses gleichsam allein repräsentiert. Dafür reicht es nicht, wenn sich das Publikum, das bei Zeichenbenennungen sich zur kennzeichenrechtlichen Bewertung oft keine Gedanken macht, aus Bequemlichkeit möglicherweise das Zeichen nur mit einem Zeichenteil wiedergibt. So setzt beispielsweise auch der allgemeine Erfahrungssatz, dass das Publikum in der Regel bei mündlichen Benennungen bei Wort-/Bildzeichen den Bildbestandteil eher vernachlässigt, voraus, dass der Wortbestandteil hinreichende Kennzeichnungskraft besitzt. Obwohl generell jedenfalls schwer zu benennende Bildteile kaum je mitbenannt werden, ist ein andernfalls der Wortteil nicht prägend (vgl BGH GRUR 1999, 498 Achterdiek; BlPMZ 2001, 348 Dorf MÜNSTERLAND). Auch folgt aus der Zeicheneintragung nicht bereits per se, dass dem Zeichen Schutz bezüglich aller Arten von Verwechslungsgefahr zukommt. So ist zB der Schutz von an schutzunfähige Bezeichnungen angelehnter Zeichen auf deren Eigenprägung beschränkt und deshalb trotz klanglicher Identität nicht geeignet, die schutzunfähige Angabe in Drittzeichen anzugreifen (vgl zB BGH GRUR 1989, 264 REYNOLDS R1/EREINTZ).

Entscheidend ist somit, ob markenrechtlich ein Zeichenteil (ausnahmsweise) in der Gesamtbezeichnung so selbständig kennzeichnungsstark hervortritt, dass ihm gegenüber die weiteren Zeichenbestandteile rechtlich keine Rolle spielen. Das ist vorliegend nicht der Fall, da BTMS weder ohne weiteres und spontan als Abkürzung erkannt werden wird, zumal sich der hinter dieser Abkürzung stehende Bedeutungsinhalt in Bezug zu Software nicht ohne weiteres eindeutig festlegen lässt, jedenfalls aber die eventuelle Kennzeichnungsschwäche dieser Abkürzung nicht notwendig zu einer entsprechenden Stärkung des weiteren Zeichenbestandteils führt. Vielmehr bleibt es beim Aufeinandertreffen mehrerer kennzeichnungsschwacher Bestandteile bei dem Grundsatz, dass dann nur die Zeichen in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen sind. Im Übrigen scheint der Bundesgerichtshof bereits eine nicht völlig in den Hintergrund tretende Teilhabe weiterer Markenbestandteile dafür ausreichen zu lassen, dass eine Alleinprägung des Gesamteindrucks durch einen einzelnen Bestandteil ausgeschlossen wird (vgl BGH MarkenR 2000, 20, 21 - RAUSCH/ELFI RAUCH; MarkenR 2000, 321, 323 PAPAGALLO).

Im übrigen müßte auch eine Verwechslungsgefahr zwischen dem Markenbestandteil DocFlow und DocuFlow verneint werden (vgl hierzu BGH Mitt 2001, 437, CompuNet/ComNet, wo der Bundesgerichtshof im Hinblick auf eine nur geringe Kennzeichnungskraft des ähnlich wie hier aufgebauten Klagezeichens die Annahme einer Verwechslungsgefahr in klanglicher Hinsicht als erfahrungswidrig bezeichnet (S. 439 reSp)).

Die Beschwerde hat deshalb keinen Erfolg.

2. Es besteht kein hinreichender Anlaß, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG anzuordnen. Allerdings sieht es der Senat in Übereinstimmung mit der Widersprechenden als erheblichen Verfahrensverstoß an, daß der Schriftsatz der Inhaberin der angegriffenen Marke vom 12. November 1999 erst zusammen mit dem streitentscheidenden Beschluss am 11. August 2000 zugestellt wurde (und überdies der weitere Schriftsatz der Inhaberin der angegriffenen Marke vom 28. März 2000 (Anfrage nach dem Verfahrensstand) der Gegenseite überhaupt nicht übermittelt worden ist). Die Gewährung rechtlichen Gehörs beinhaltet die Verpflichtung, Schriftsätze, Verfahrensbeteiligter vor der Entscheidung auch den übrigen Beteiligten zu übermitteln und zwar grundsätzlich unverzüglich. Soweit die Praxis die Übermittlung eines Schriftsatzes erst in Verbindung mit der Entscheidung für zulässig erachtet, wenn die Sache entscheidungsreif ist und der betreffende Schriftsatz kein neues und entscheidungserhebliches tatsächliches Vorbringen, sondern lediglich abweichende Rechtsauffassungen enthält (vgl Althammer/Ströbele, aaO § 59 Rdnr 15), ist dieses Vorgehen allenfalls dann angebracht, wenn es der Verfahrensbeschleunigung dient (vgl Althammer/Ströbele, aaO l.S.) und rechtfertigt es somit nicht, einen Schriftsatz über acht Monate zurückzuhalten, zumal, wenn es sich wie hier um die erste Stellungnahme im Verfahren handelt und zudem erstmals die Vertretung des Gegners durch Anwälte anzeigt. Abgesehen davon, dass die Abgrenzung zwischen tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen speziell in markenrechtlichen Sachen nicht immer einfach ist, enthielt hier der Schriftsatz der Gegenseite zumindest bezüglich der Bedeutung der Buchstabenfolge BTMS auch tatsächliche Angaben, zu denen deshalb die Gegenseite gehört werden mußte. Gleichzeitig wird auf diese Weise zB erheblich erschwert, wenn nicht verhindert, dass die Beteiligten untereinander nach Abgrenzungsmöglichkeiten suchen.

Der Verfahrensfehler als solcher rechtfertigt jedoch hier noch nicht die Rückzahlung der Beschwerdegebühr, weil zwischen dem Fehlverhalten und der Notwendigkeit der Beschwerdeeinlegung eine Kausalität nicht festgestellt werden kann(vgl Althammer/Ströbele aaO § 71 Rdnr 38). Hätte die Beschwerdeführerin ihre Ausführungen im Beschwerdeverfahren, durch die ihr Anspruch auf rechtliches Gehör nachgeholt worden ist, bereits gegenüber der Markenstelle vorbringen können, so kann nicht angenommen werden, dass sie durch ihre Ausführungen die Markenstelle zu einer abweichenden Beurteilung des Rechtsfalls veranlasst haben könnte. Das tatsächliche Vorbringen der Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Widersprechende sich teilweise zu eigen gemacht, bezüglich der rechtlichen Beurteilung des Markenteils BTMS erscheinen die Ausführungen eher geeignet, die Markenstelle in ihrer Meinung zu stärken, als sie zu entkräften. Denn eine von der Widersprechenden angegebene unspezifische Bedeutung des Markenteils BTMS wie auch dessen Nichtübereinstimmung mit der Firmenbezeichnung müßte markenrechtlich eher dazu führen, diesen Bestandteil kollisionsrechtlich nicht zu vernachlässigen.

Dr. Buchetmann Schwarz-Angele Voit Hu Abb. 1






BPatG:
Beschluss v. 12.11.2001
Az: 30 W (pat) 209/00


Link zum Urteil:
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